Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.04.2013, Az. 9 BN 4/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 6950

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Abgabensatzung


Gründe

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1. Die Grundsatzrügen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

2

a) Die [X.]eschwerde möchte geklärt wissen, ob ein Zweckverband - wie hier der Antragsgegner - sich unmittelbar oder mittelbar auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) berufen kann (Frage 1). Diese Frage ist bereits im verneinenden Sinne geklärt (vgl. Urteil vom 23. August 2011 - [X.]VerwG 9 [X.] 2.11 - [X.]VerwGE 140, 245 Rn. 13 m.w.[X.]). Schon deshalb ist nicht entscheidungserheblich, ob - wie die [X.]eschwerde meint - das Recht auf kommunale Selbstverwaltung dadurch verletzt wird, dass nach § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der Auslegung des [X.] eine Abgabensatzung bereits dann abweichend vom Grundsatz der Typengerechtigkeit unterschiedliche Gebührensätze für die [X.]enutzung einer Einrichtung vorsehen muss, wenn die Leistungen der Einrichtung auch nur einem [X.]enutzer nicht im selben Umfang zugänglich sind (Fragen 2 bis 4). An der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen fehlt es auch noch aus anderen Gründen. Zum einen findet der Grundsatz der Typengerechtigkeit in Sachbereichen Anwendung, in denen eine ausgeprägt an der [X.] ausgerichtete Gebührengestaltung ([X.]) unproblematisch möglich ist und die Zahl der "Ausnahmen", bei denen eine Differenzierung nach der [X.] entfällt, ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden kann (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2005 - [X.]VerwG 10 [X.] 4.04 - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 100 Rn. 18; [X.]eschluss vom 11. November 2011 - [X.]VerwG 9 [X.] - juris Rn. 2). Um eine solche Gebührengestaltung geht es hier nicht. Denn zwischen dem Wasserverbrauch ([X.] nach Artikel 1 § 26 der 2. Änderungssatzung vom 4. Dezember 2009 zur [X.] vom 9. Dezember 2005 - [X.]) und der Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers besteht naturgemäß kein direkter Zusammenhang. Daher können die Gebühren für die Kosten der [X.]eseitigung des Niederschlagswassers mit [X.]lick auf das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz nur dann - ebenso wie die Gebühren für die [X.]eseitigung des Abwassers - nach dem Wasserverbrauch bemessen werden, wenn entweder die daraus folgende [X.]enachteiligung der [X.] durch die Regelung einer Gebührendegression ausgeglichen wird oder wenn der Anteil der Kosten der [X.]eseitigung des Niederschlagswassers an den gesamten [X.] nicht mehr als 12 % beträgt (vgl. [X.]eschluss vom 25. März 1985 - [X.]VerwG 8 [X.] 11.84 - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 53 S. 39 m.w.[X.]). Zum anderen ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die nach Auffassung des [X.] bestehende landesgesetzliche Vorgabe der Festsetzung jeweils gesonderter Gebührensätze für die Teilleistungen Schmutzwasserentsorgung und Niederschlagswasserentsorgung etwa dadurch unverhältnismäßig in die nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Satzungsautonomie eingreift, dass sie einen unvertretbaren finanziellen Aufwand auslöst (vgl. [X.]eschluss vom 13. Mai 2008 - [X.]VerwG 9 [X.] 19.08 - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 107 Rn. 7 m.w.[X.]). Offenkundig lässt diese Vorgabe auch nicht die Satzungsautonomie faktisch ins Leere laufen (vgl. Urteil vom 17. April 2002 - [X.]VerwG 9 [X.]N 1.01 - [X.]VerwGE 116, 188 <193 f.>).

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b) Die [X.]eschwerde möchte darüber hinaus geklärt wissen, ob § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (Frage 5). In der Auslegung des [X.] sei nach dieser Vorschrift zwar eine Typisierung im Hinblick auf die Geringfügigkeit der Kosten der [X.]eseitigung des Niederschlagswassers (Anteil an den gesamten [X.] bis zu 12 %) zulässig, nicht jedoch eine Typisierung hinsichtlich des Ausnahmefalls des fehlenden [X.]es an die Entsorgung des Niederschlagswassers. Damit werde wesentlich Gleiches ungleich behandelt. [X.]ei den sowohl an die Abwasser- als auch die Niederschlagswasserentsorgung angeschlossenen Nutzern ("[X.]") seien die [X.] wegen der einheitlichen Gebührenbemessung nach dem Wasserverbrauch zum [X.]eispiel gegenüber Discountern mit umfangreichen versiegelten Flächen und vergleichsweise geringem Wasserverbrauch weit überproportional an den Kosten der [X.]eseitigung des Niederschlagswassers beteiligt. Es sei daher nicht gerechtfertigt, bei den nur an die Abwasserbeseitigung angeschlossenen Nutzern ("Teilentsorgte") von einer einheitlichen Gebührenbemessung abzusehen. Denn diese Nutzer würden bei einem einheitlichen Gebührensatz nicht noch stärker als [X.] an den [X.]eseitigungskosten beteiligt, vielmehr wäre der Gebührensatz aufgrund der Geringfügigkeitsgrenze maximal um 12 % überhöht; vorliegend betrage der Anteil der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung an den gesamten Entsorgungskosten sogar nur 7 %.

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Damit kann die Grundsatzrüge nicht durchdringen. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, dass die Auslegung des gegenüber der irrevisiblen Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] als korrigierender Maßstab angeführten Art. 3 Abs. 1 GG seinerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (vgl. [X.]eschluss vom 20. September 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 11.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8; stRspr). Davon abgesehen fehlt es auch insoweit an der Entscheidungserheblichkeit. Eine Einheitsgebühr kommt - auch nach Auffassung der [X.]eschwerde - nur dann in [X.]etracht, wenn der Kostenanteil der Niederschlagswasserentsorgung nicht mehr als 12 % beträgt (vgl. [X.]eschluss vom 25. März 1985 a.a.[X.]). Das Oberverwaltungsgericht hat eine entsprechende Feststellung jedoch nicht getroffen; es weist lediglich für den Fall der Neufassung der Satzung auf die genannte Voraussetzung hin (vgl. [X.] Rn. 19), so dass die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht geklärt werden kann. Im Übrigen ist nach dem [X.]eschwerdevorbringen nicht nachvollziehbar, weshalb es mit [X.]lick auf eine einheitliche Gebührenbemessung nach dem Wasserverbrauch keinen relevanten Unterschied machen soll, ob ein Nutzer an die Niederschlagswasserentsorgung angeschlossen ist oder nicht. Der von der [X.]eschwerde bemühte Vergleich mit der Mehrbelastung des "vollentsorgten" [X.]s vermag nicht zu überzeugen. Denn der Umfang des Wasserverbrauchs hängt nicht vom Vorhandensein eines [X.]es an die [X.]eseitigung des Niederschlagswassers ab; er kann auch dann hoch sein, wenn ein solcher [X.] nicht besteht. Ein solcher Nutzer wäre jedoch bei einer Einheitsgebühr überproportional an den Kosten der Niederschlagswasserentsorgung beteiligt, obwohl er anders als der "[X.]" mit hohem Wasserverbrauch noch nicht einmal an diese Teileinrichtung angeschlossen ist.

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c) Weshalb § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der Auslegung des [X.] "gegen die aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsätze der Normenklarheit und [X.]" verstoßen sollte (ebenfalls Frage 5), ist nach dem [X.]eschwerdevorbringen nicht nachvollziehbar.

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2. Auch die [X.] bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil weicht entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde nicht von dem vom [X.]undesverwaltungsgericht im [X.]eschluss vom 30. April 2009 - [X.]VerwG 9 [X.] 60.08 - ([X.] 401.9 [X.]eiträge Nr. 57 Rn. 4) aufgestellten Grundsatz der Typengerechtigkeit ab. Es verhält sich nicht zu diesem Grundsatz und trifft hierzu auch keine Feststellungen. [X.]ezug genommen wird nur auf den vom Grundsatz der Typengerechtigkeit zu unterscheidenden Gesichtspunkt der Geringfügigkeit der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung als Voraussetzung für die Festlegung einer am Wasserverbrauch ausgerichteten Einheitsgebühr; diese [X.]ezugnahme ist im Übrigen nicht entscheidungserheblich. Davon abgesehen zeigt die [X.]eschwerde auch nicht nachvollziehbar auf, weshalb die Annahme des [X.], § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] schreibe gesonderte Gebührensätze für die einzelnen Teilleistungen einer öffentlichen Einrichtung unabhängig davon vor, wie viele [X.]enutzer bestimmte Leistungen nicht in Anspruch nehmen, den Aussagen des [X.]undesverwaltungsgerichts zum Grundsatz der Typengerechtigkeit in der von der [X.]eschwerde genannten Entscheidung widersprechen sollte. Die [X.]eschwerde verkennt, dass ein Entwässerungsmaßstab, selbst wenn er bundesrechtlichen Vorgaben genügen sollte, an strengeren landesrechtlichen Anforderungen scheitern kann, falls diese nicht unverhältnismäßig in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie eingreifen (vgl. auch [X.]eschluss vom 13. Mai 2008 a.a.[X.]).

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3. Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gestützte Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die [X.]eschwerde legt nicht hinreichend dar, weshalb sich dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen zu klären, "ob diejenigen Grundstücke, die über keine Vollentsorgung verfügen, eine solche vom Antragsgegner auf Anforderung zur Verfügung gestellt bekommen würden". Die [X.]eschwerde weist selbst auf die Feststellung des [X.] hin, zwischen den [X.]eteiligten sei unstreitig, dass ein Teil der an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücke lediglich schmutzwasserentsorgt werde und daher § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] anwendbar sei. Das Oberverwaltungsgericht hat mithin nach seiner maßgeblichen Auslegung des [X.]egriffs der "Zugänglichkeit" von Leistungen einer Einrichtung für die [X.]enutzer i.S.d. § 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] den Sachverhalt als hinreichend geklärt angesehen (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.).

Meta

9 BN 4/12

02.04.2013

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 7. März 2012, Az: 5 C 9/10, Urteil

§ 9 Abs 3 S 2 KAG SN, Art 28 Abs 2 GG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.04.2013, Az. 9 BN 4/12 (REWIS RS 2013, 6950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6950


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 BN 4/12

Bundesverwaltungsgericht, 9 BN 4/12, 02.04.2013.


Az. 5 C 9/10

Bundesverwaltungsgericht, 5 C 9/10, 30.06.2010.


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III ZR 271/15

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