Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.01.2014, Az. 2 BvR 2759/12

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2014, 8530

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung - Begriff der Strafe iSd Art 103 Abs 2, Abs 3 GG umfasst nicht auch Sicherungsverwahrung - hier: unzureichende Substantiierung der Verfassungsbeschwerde - mangelnde Auseinandersetzung mit angegriffener Entscheidung - Versagung von PKH mangels Erfolgsaussichten


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 121 ZPO).

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] ergebenden Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Behauptung der Verletzung des Beschwerdeführers in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte nicht genügt.

2

a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 103 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] durch die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung geltend macht, setzt er sich nicht damit auseinander, dass Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung sich in ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation grundlegend unterscheiden (vgl. [X.] 128, 326 <376 ff.>) und daher eine Einbeziehung der Sicherungsverwahrung in den Begriff der Strafe im Sinne des Art. 103 [X.] nicht gerechtfertigt ist (vgl. [X.] 109, 133 <176>; 128, 326 <392 f.>).

3

b) Soweit der Beschwerdeführer behauptet, § 66b Abs. 3 StGB in der Fassung des [X.] vom 23. Juli 2004 ([X.]) komme als Rechtsgrundlage zur Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vorheriger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht, da die Vorschrift verfassungswidrig sei, setzt er sich nicht hinreichend damit auseinander, dass das [X.] § 66b StGB zwar wegen Verstoßes gegen das [X.]. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 [X.] erklärt, zugleich aber gemäß § 35 [X.] die Weitergeltung der Norm bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, angeordnet hat (vgl. [X.] 128, 326 <330, 332>). Demgemäß darf § 66b StGB während seiner Fortgeltung nur nach Maßgabe einer - insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrenprognose und die gefährdeten Rechtsgüter - strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden (vgl. [X.] 128, 326 <405 f.>; 129, 37 <45 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 6. Februar 2013 - 2 BvR 2122/11 u.a. -, juris, Rn. 25). In Fällen, in denen ein nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] schutzwürdiges Vertrauen auf ein Unterbleiben der Sicherungsverwahrung beeinträchtigt wird, weil die Betroffenen wegen ihrer [X.] bereits vor Inkrafttreten von § 66b Abs. 3 StGB in der Fassung des [X.] vom 23. Juli 2004 ([X.]) verurteilt waren (sogenannte Altfälle) darf eine nachträgliche Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung nur noch ausgesprochen werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter ([X.] - [X.]) leidet ([X.] 128, 326 <388 ff., 406 f.>; 129, 37 <46 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 6. Februar 2013 - 2 BvR 2122/11 u.a. -, juris, Rn. 27, 42).

4

Diese im vorliegenden Fall zu beachtenden Voraussetzungen hat das [X.] in dem angegriffenen Beschluss vom 6. November 2012 unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten und die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen mit ausführlicher Begründung angenommen. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer in keiner Weise auseinander. Weder verhält er sich zu dem anzuwendenden Maßstab für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung, noch bestreitet er inhaltlich die Feststellungen des [X.] hinsichtlich des Vorliegens einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte.

5

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2759/12

22.01.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Frankfurt, 6. November 2012, Az: 3 Ws 753/12, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 103 Abs 2 GG, Art 103 Abs 3 GG, Art 104 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 66b Abs 3 StGB, § 1 Abs 1 Nr 1 ThUG, § 114 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.01.2014, Az. 2 BvR 2759/12 (REWIS RS 2014, 8530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8530

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5 StR 86/17

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