Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2010, Az. V ZR 114/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10358

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Anfechtung eines Negativbeschlusses; Vorbefassung der Eigentümerversammlung als Voraussetzung der Zulässigkeit der Klage auf Mitwirkung an der ordnungsgemäßen Verwaltung bzw. der Leistungsklage auf Zustimmung zu einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung; Anspruch auf Durchsetzung der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels im Einzelfall


Leitsatz

1. Die Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer (Negativbeschluss) unterliegt auch ohne Verbindung mit einem auf die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichteten Antrags der gerichtlichen Anfechtung (Abgrenzung zu Senat, BGH, 19. September 2002, V ZB 30/02, BGHZ 152, 46, 51 und BGH, 17. Juli 2003, V ZB 11/03, BGHZ 156, 19, 22) .

2. Die vorherige Befassung der Versammlung der Wohnungseigentümer mit einem auf deren Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Verwaltung gerichteten Antrag ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG.

3. Für die Entscheidung über das Verlangen eines Wohnungseigentümers nach einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung oder der Anpassung einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG) fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz; die auf Zustimmung zu der Änderung gerichtete Leistungsklage ist deshalb ohne vorherige Befassung der Wohnungseigentümerversammlung zulässig .

4. Die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG zur Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels im Einzelfall schließt nicht die Geltendmachung des auch denselben Einzelfall betreffenden Anspruchs auf Zustimmung zur generellen Änderung der Kostenverteilung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus.

5. Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, nach § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG im Einzelfall eine abweichende Kostenverteilung durchzusetzen, besteht nicht schon dann, wenn sie dem in der Vorschrift genannten Gebrauchsmaßstab Rechnung trägt; die in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG genannten Voraussetzungen für die generelle Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels müssen ebenfalls vorliegen .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des [X.] vom 28. Mai 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin der Dachgeschosswohnung in einer aus 14 Einheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage. Sechs Wohnungen haben einen Balkon, über dessen Zugehörigkeit zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum die Teilungserklärung keine ausdrückliche Regelung enthält.

2

In der Versammlung der Wohnungseigentümer am 27. Mai 2008 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 11 über die Vergabe des Auftrags für die bereits am 19. April 2007 beschlossene Sanierung der Balkone diskutiert. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Sanierungskosten nur von denjenigen Wohnungseigentümern getragen werden müssten, zu deren Wohnungen ein Balkon gehört. In dem [X.] heißt es u.a.:

"Vorab soll in Bezug auf die neuesten Änderungen im [X.] geprüft werden, ob Eigentümer zu deren Wohnung kein Balkon gehört auch wie bisher an den Sanierungskosten der Balkone beteiligt werden müssen. Hier besteht Uneinigkeit. Einige Eigentümer möchten Auskunft beim [X.] einholen und der Hausverwaltung Mitteilung machen."

3

Die Klägerin beantragte, die Kostenverteilung nach Wohneinheiten statt nach [X.] vorzunehmen. Der Antrag erhielt nicht die nach § 16 Abs. 4 Satz 2 WEG erforderliche Mehrheit. Die Verwalterin stellte die Ablehnung des Antrags fest.

4

Die Klägerin hat den Beschluss mit dem Ziel der Erklärung für ungültig angefochten und daneben beantragt zu entscheiden, dass nur die sechs Eigentümer an den Kosten der Sanierung der Balkone zu beteiligen sind, zu deren Wohnung ein Balkon gehört, hilfsweise die Kosten der Balkonsanierung nach der Zahl der Einheiten statt nach [X.] zu verteilen, und weiter hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, einer Vereinbarung dahingehend zuzustimmen, dass die Kosten jeglicher Balkonsanierung nur von den sechs Eigentümern zu tragen sind, zu deren Eigentumswohnung ein Balkon an der Fassade zur [X.] gehört, hilfsweise, die Kosten der Balkonsanierung nach Einheiten statt nach Anteilen zu verteilen.

5

Das Amtsgericht hat den Hauptantrag als unbegründet und die Hilfsanträge als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der ablehnende [X.]uss der Eigentümerversammlung nicht aufzuheben, weil er einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht widerspricht; die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Verteilung der Sanierungskosten dahingehend, dass sie durch die Anzahl der Wohnungseinheiten zu teilen seien. Falls der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu entnehmen sei, dass ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Zustimmung zu einem einmaligen Abweichen von einem bestehenden [X.] habe, lägen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Die Unbilligkeit des Festhaltens an der bestehenden Regelung sei nämlich ausgeschlossen, wenn diese für den Wohnungseigentümer bei dem Erwerb der Wohnung erkennbar gewesen sei. So liege es hier. Die Kostentragungspflicht ergebe sich aus § 7 Ziff. 1 der Teilungserklärung, wonach die Kosten für die Instandhaltung des [X.]seigentums, zu welchem auch die Balkone gehörten, von der [X.] getragen würden. Diese Regelung sei der Klägerin bei dem Erwerb des Wohnungseigentums bekannt gewesen. Der Annahme der Unbilligkeit stehe darüber hinaus entgegen, dass die Balkonsanierung bereits beschlossen worden sei und die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sich bei der [X.]ussfassung auf die bestehende Kostentragungsregelung verlassen hätten.

7

Aus denselben Gründen hat das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu einer generellen Änderung des [X.]s verneint.

8

Weiter hat das Berufungsgericht gemeint, der Anspruch auf ein einmaliges Abweichen von einem bestehenden [X.] sei auf die ordnungsmäßige Verwaltung gerichtet, in deren Rahmen der Eigentümerversammlung ein Ermessensspielraum eingeräumt sei, so dass allenfalls dann, wenn eine Ermessensreduzierung auf die verlangte Verteilung bestehe, diese ausgesprochen werden könne. Die mit dem Hauptantrag zunächst verfolgte Anfechtung der Ablehnung einer Kostenverteilung nach der Anzahl der Einheiten könne deshalb keinen Erfolg haben, denn die Ablehnung einer von mehreren Möglichkeiten liege im Rahmen des Ermessens der Wohnungseigentümer.

9

Das Verlangen der Klägerin nach einer gerichtlichen Entscheidung dahingehend, dass die Sanierungskosten von denjenigen Wohnungseigentümern zu tragen seien, zu deren Einheiten Balkone gehörten, hält das Berufungsgericht trotz des Umstands, dass diese Kostenverteilung bisher nicht zur Entscheidung der Eigentümerversammlung gestellt wurde, für zulässig. Denn es sei nicht zu erwarten, dass die Versammlung, die eine Aufteilung nach der Zahl der Einheiten abgelehnt habe, mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit für die jetzt verlangte Kostenverteilung stimmen werde. Deshalb sei es für die Klägerin unzumutbar, mit ihrem Antrag zuvor die Eigentümerversammlung zu befassen. Der Antrag sei jedoch aus den bereits genannten Gründen zurückzuweisen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Revision ist in vollem Umfang zulässig. Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht lässt sich dem Berufungsurteil nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen, dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel trotz unbeschränkten Ausspruchs der Zulassung nur beschränkt zugelassen hat (vgl. dazu nur [X.], [X.]. v. 14. Mai 2008, [X.], [X.], 2351, 2352). Die Revision ist jedoch unbegründet.

2. Die Vorinstanzen sind von der Zulässigkeit des [X.] ausgegangen. Das ist nur hinsichtlich des ersten Teils (Anfechtungsklage) richtig. Der zweite Teil (Leistungsklage) ist unzulässig.

a) Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist die Ablehnung des von der Klägerin in der Wohnungseigentümerversammlung gestellten Antrags. Die Rechtmäßigkeit dieses so genannten Negativbeschlusses (Senat, [X.]Z 148, 335, 348 f.) kann im Wege der gerichtlichen Anfechtung (§ 46 [X.]) überprüft werden. Das dafür notwendige Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass der Antragsteller durch die Ablehnung gegebenenfalls in seinem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung des [X.]seigentums verletzt wird (einschränkend zum früheren Wohnungseigentumsgesetz Senat, [X.]Z 152, 46, 51; 156, 19, 22; [X.], [X.], 413, 416). Mit dem ersten Teil des [X.] hat die Klägerin unter Wahrung der in § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Fristen die Anfechtungsklage erhoben.

b) Das mit dem zweiten Teil des [X.] verfolgte [X.] betrifft dagegen nicht den abgelehnten Antrag. Vielmehr will die Klägerin eine Regelung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung stand. Die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den der Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, ist jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zuständig für die [X.]ussfassung ist die Versammlung der Wohnungseigentümer (§§ 21 Abs. 1 und 3, 23 Abs. 1 [X.]). Soweit es - wie hier - um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung geht, muss sich der Kläger vor der Anrufung des Gerichts um die [X.]ussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt ([X.], 156, 159 m.w.[X.] [X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., § 21 Rdn. 56; [X.] in [X.], aaO, § 43 Rdn. 188; [X.] in [X.], [X.], § 21 Rdn. 46; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 21 Rdn. 12).

c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die fehlende Vorbefassung der Eigentümerversammlung mit dem von der Klägerin gestellten zweiten Teil des [X.], die Kosten für die Balkonsanierung auf diejenigen Wohnungseigentümer zu verteilen, zu deren Einheiten ein Balkon gehört, nicht die Unzulässigkeit dieses Teils der Klage zur Folge habe, weil das Zustandekommen der erforderlichen Mehrheit nicht zu erwarten sei. Zwar fehlt das Rechtsschutzbedürfnis trotz fehlender Vorbefassung nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige [X.] wäre ([X.], 132). Aber diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung damit begründet, dass die Eigentümerversammlung die Kostenaufteilung nach Einheiten abgelehnt hat, so dass eine Verteilung nur auf einzelne Wohnungseigentümer nicht zu erwarten sei. Dies verkennt, dass aus der Ablehnung eines in der Eigentümerversammlung gestellten Antrags nicht auf den Willen der Wohnungseigentümer geschlossen werden kann, das Gegenteil des Antrags zu wollen (Senat, [X.]Z 148, 335, 349). Erst recht verbietet es sich deshalb, aus der [X.]ussablehnung die Erwartung herzuleiten, die Wohnungseigentümer würden einem anderen Antrag als dem abgelehnten ebenfalls nicht zustimmen. Hier ist dieser Schluss insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich aus dem Protokoll der Diskussion zu dem Tagesordnungspunkt 11 ergibt, dass die erforderliche Mehrheit für den von der Klägerin gestellten Antrag wegen der bei den Beklagten bestehenden Rechtsunsicherheit aufgrund des neuen Wohnungseigentumsrechts nicht zustande gekommen ist. Damit besteht die Möglichkeit, dass sie, wenn sie die Rechtslage im Sinne der von der Klägerin vertretenen Ansicht geklärt haben, einen entsprechenden [X.]uss mit der erforderlichen Mehrheit fassen. Dass eine rechtliche Klärung außerhalb dieses Prozesses nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich.

2. Gegen die Zulässigkeit des ersten [X.] bestehen keine Bedenken. Der damit geltend gemachte Anspruch auf Verteilung der Kosten für die bereits beschlossene Balkonsanierung nach der Anzahl der Einheiten war Gegenstand der [X.]ussfassung in der Versammlung der Wohnungseigentümer am 27. Mai 2008. Dass dort der entsprechende Antrag der Klägerin nicht die erforderliche Mehrheit bekommen hat, ergibt das für die Anrufung des Gerichts erforderliche Rechtsschutzinteresse des unterlegenen Antragstellers ([X.] in [X.], aaO, vor §§ 23 bis 25 Rdn. 124).

3. Auch der zweite Hilfsantrag, mit dem die Klägerin eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer über die Kostenverteilung bei Balkonsanierungen generell erreichen will, ist zulässig. Mit diesem Verlangen muss sich die Wohnungseigentümerversammlung nicht vor Klageerhebung befassen. Die Wohnungseigentümer haben dafür keine [X.]usskompetenz (Grziwotz/[X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 38).

4. Der erste Teil des [X.] und der erste Hilfsantrag sind jedoch unbegründet.

a) Die Klägerin will eine Abänderung der in § 16 Abs. 2 [X.] festgelegten Kostenverteilung, nach der die Wohnungseigentümer u.a. die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Abs. 1 Satz 2 [X.]) tragen müssen, ausschließlich für die bereits beschlossene Balkonsanierung erreichen. Sie strebt damit eine Einzelfallregelung an. Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht, wie das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung gemeint hat, die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.]. Nach dieser Vorschrift kann jeder Eigentümer eine von dem Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig erscheint. Der Anspruch ist auf Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung gerichtet ([X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 152), die generell das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]) regelt. Eine bloße Einzelfallregelung wird davon nicht erfasst ([X.]/[X.], aaO, § 16 [X.] Rdn. 30). Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein Wohnungseigentümer auch dann, wenn er für einen konkreten Fall eine Änderung des [X.]s erreichen will, einen Anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] geltend macht. Hat er damit Erfolg, gilt der geänderte Schlüssel nicht nur für künftige Fälle, sondern auch bereits für den Fall, der Anlass zu dem Änderungsverlangen gegeben hat. Denn die Regelung in § 16 Abs. 4 [X.] zur Änderung eines [X.]s im Einzelfall schließt nicht die Geltendmachung des auch denselben Einzelfall betreffenden Anspruchs auf Zustimmung zur generellen Änderung der Kostenverteilung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] aus; beide Möglichkeiten haben verschiedene Regelungsgegenstände und stehen alternativ nebeneinander ([X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 160; Grziwotz/[X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 31; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 3 Rdn. 191; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., § 16 Rdn.18; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung eines Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 9. März 2006 [Gesetzesbegründung], BT-Drucks. 16/887 S. 19 f.; a.A. Hügel/[X.], [X.], § 3 Rdn. 131 f.).

b) Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht ist der auf die Abänderung des [X.]s nur für die bereits beschlossene Balkonsanierung gerichtete erste Hilfsantrag nicht dahin auszulegen, dass die Klägerin damit auch eine generelle Regelung zur Kostenverteilung anstrebt. Diesem Verständnis steht bereits der Wortlaut des Antrags entgegen; er entspricht einer [X.] nach §§ 21 Abs. 4 und 8, 43 Nr. 1 [X.], mit der die gerichtliche Ersetzung eines von den Wohnungseigentümern nicht gefassten [X.]usses herbeigeführt werden soll. Auch der Wortlaut des zweiten [X.] spricht gegen eine solche Auslegung; er enthält die auf die Verurteilung der übrigen Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu der Änderung der Kostenverteilung gerichtete Leistungsklage nach §§ 10 Abs. 2 Satz 3, 43 Nr. 1 [X.]. Schließlich verbietet die Staffelung der beiden Hilfsanträge die von der Revision gewünschte Auslegung; die Klägerin verfolgt vorrangig die [X.].

c) Weder das Berufungsgericht noch die Revision haben erkannt, dass Anspruchsgrundlage für die Durchsetzung der Einzelfallregelung die Vorschriften der §§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 4 und Abs. 8 [X.] sind. Denn wenn ein [X.]uss zur abweichenden Verteilung der Kosten für Instandhaltungen und Instandsetzungen des [X.]seigentums (§ 16 Abs. 4 [X.]) nicht zustande kommt, kann derjenige Wohnungseigentümer, dessen entsprechender Antrag in der Wohnungseigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat, sowohl - wie hier - zusammen mit der Anfechtung des Negativbeschlusses als auch ohne diese Anfechtung seinen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung nach § 21 Abs. 4 [X.] im Wege der [X.] nach § 21 Abs. 8 [X.] gerichtlich (§ 43 Nr. 1 [X.]) geltend machen ([X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 164; [X.] in [X.], aaO, § 16 Rdn. 135; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 16 Rdn. 42).

aa) Bei der beschlossenen Balkonsanierung handelt es sich um eine Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 [X.]). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Balkone zum [X.]seigentum - was das Berufungsgericht angenommen hat und was die Auslegung der Teilungserklärung nahe legt - oder, was die Revision meint, zum Sondereigentum derjenigen Wohnungseigentümer gehören, deren Einheiten einen Balkon haben. Denn selbst wenn Letzteres der Fall wäre, beträfen die Sanierungsmaßnahmen, soweit sämtliche Wohnungseigentümer für die Kosten aufkommen sollen, ausschließlich solche Teile der Balkone, die zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Die Revision verkennt, dass sich das Sondereigentum an einem Balkon nur auf den Luftraum, den Innenanstrich und den Bodenbelag erstreckt, während die übrigen konstruktiven und solche Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden können, wie Brüstungen und Geländer, Bodenplatte einschließlich der Isolierschicht, Decken, [X.] zwischen Gebäude und Balkon, Außenwände, Stützen und Türen, [X.]seigentum sind (Armbrüster in [X.], aaO, § 5 Rdn. 56 ff.; [X.] in [X.], aaO, § 5 Rdn. 16 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 5 Rdn. 37 - jeweils m.N. aus der [X.].). Die aus dem Protokoll zu dem Tagesordnungspunkt 11 der Eigentümerversammlung vom 27. Mai 2008 erkennbaren Sanierungsmaßnahmen zeigen, dass die auf sämtliche Wohnungseigentümer umzulegenden Kosten nur solche Balkonteile treffen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen; die Kosten für einen sondereigentumsfähigen Fliesenbelag gehen zu Lasten desjenigen Eigentümers, der ihn wünscht. Dass darüber hinaus die Durchführung weiterer Sanierungsmaßnahmen, die etwaiges Sondereigentum betreffen, beabsichtigt ist, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich; auch die Revision zeigt das nicht auf, sondern weist nur auf einen beabsichtigten [X.] hin. Dieser betrifft jedoch die [X.] und den Estrich, also [X.]seigentum. Im Übrigen ist auch die Klägerin ebenso wie die Beklagten in den Tatsacheninstanzen davon ausgegangen, dass die Sanierungsmaßnahmen das [X.]seigentum betreffen.

bb) Die mit dem ersten Hilfsantrag verfolgte Abweichung der Verteilung der Sanierungskosten ist in der Wohnungseigentümerversammlung nicht beschlossen worden. Der dahingehende Antrag der Klägerin hat nicht die nach § 16 Abs. 4 Satz 2 [X.] erforderliche Mehrheit gefunden.

cc) Selbst wenn die angestrebte, von der gesetzlichen Regelung abweichende Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, hat die Klägerin keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf.

(1) Den Maßstab für die Beurteilung dessen, was ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, enthält zunächst die Regelung in § 16 Abs. 4 Satz 1 [X.] ([X.] in [X.], aaO, § 16 Rdn. 123; [X.] in [X.], aaO, § 16 Rdn. 46; [X.]/[X.], aaO, § 16 [X.] Rdn. 31; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 16 Rdn. 12). Danach können die Wohnungseigentümer im Einzelfall durch [X.]uss die Verteilung der Kosten für Instandhaltungen oder Instandsetzungen des gemeinschaftlichen Eigentums abweichend von § 16 Abs. 2 [X.] regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Hieraus allein ergibt sich allerdings noch nicht, dass der [X.]uss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen muss; dieses Erfordernis folgt jedoch aus § 21 Abs. 3 [X.] ([X.]/[X.]/[X.], aaO, § 16 Rdn. 112), wonach die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen können, soweit nicht bereits eine Regelung durch Vereinbarung erfolgt ist.

(2) Somit entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der abgeänderte [X.] dem in der Vorschrift genannten Gebrauchsmaßstab gerecht wird. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nicht nur nach dem tatsächlichen Gebrauch der von der Instandsetzung oder Instandhaltung betroffenen Teile, Anlagen und Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümer, sondern auch nach der [X.]. Damit soll zum einen Verteilungsgerechtigkeit erreicht und zum anderen der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung konkretisiert werden (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887 S. 24). Als [X.] kommen z.B. die tatsächliche Gebrauchshäufigkeit und die [X.] sowie die Anzahl der davon profitierenden Personen in Betracht. Danach können die Wohnungseigentümer z.B. eine der räumlichen Zuordnung von Balkonen, die im [X.]seigentum stehen, zu bestimmten Wohnungen entsprechende Verteilung der Kosten für die Instandsetzung dieser Balkone beschließen ([X.] in [X.], aaO, § 16 Rdn. 125; [X.]/[X.], aaO, § 16 [X.] Rdn. 31).

(3) Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine solche Kostenverteilung durchzusetzen, besteht jedoch nicht schon dann, wenn sie dem Gebrauchsmaßstab nach § 16 Abs. 4 Satz 1 [X.] Rechnung trägt. Vielmehr müssen die in § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] für die generelle Änderung eines [X.]s genannten Voraussetzungen ebenfalls vorliegen; denn für die erzwungene Änderung können keine unterschiedlichen Voraussetzungen gelten, je nach dem, ob sie für einen konkreten Einzelfall oder generell Bestand haben soll ([X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 161; Grziwotz/[X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 32; Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887 S. 20). Deshalb ist ein Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers in beiden Fällen nur dann gegeben, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

(4) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unbilligkeit der Verteilung der Kosten für die Balkonsanierung auf alle Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis ihrer Anteile verneint.

Das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung enthielt keine Anspruchsgrundlage für das Verlangen eines Wohnungseigentümers auf Abänderung des gesetzlichen oder eines vereinbarten [X.]s. Nach der Rechtsprechung bestand jedoch ein gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteter Anspruch auf Zustimmung zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung, wenn die geltende Regelung bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu grob unbilligen, mit [X.] und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führte; ob das der Fall war, war aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls und nicht allein nach dem Maß der Kostenmehrbelastung des benachteiligten Wohnungseigentümers festzustellen (siehe nur Senat, [X.]Z 160, 354, 358 ff. m.w.N.).

Seit dem 1. Juli 2007 gibt es mit der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] einen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss einer Änderungsvereinbarung. Die Neuregelung lässt die bisherige Rechtslage im [X.] zwar unverändert, enthält aber hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen eine Erleichterung gegenüber den von der bisherigen Rechtsprechung gestellten Anforderungen (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887 S. 18 f.). Nunmehr wird statt auf "außergewöhnliche Umstände" auf die eher vorliegenden "schwerwiegenden Gründe" abgestellt; zudem muss die bestehende Kostenverteilung nicht mehr grob unbillig sein und damit gegen [X.] und Glauben verstoßen, sondern das Festhalten an der geltenden Regelung muss lediglich unbillig erscheinen. Der Schutz des Vertrauens der übrigen Wohnungseigentümer in die bestehende Situation wird dadurch erreicht, dass ihre Rechte und Interessen in die Abwägung einbezogen werden müssen.

Nach diesen Grundsätzen ist die von dem Berufungsgericht vorgenommene Abwägung rechtlich nicht zu bestanden. Zutreffend hat es die Erkennbarkeit der - vermeintlich oder wirklich - nicht sachgerechten Kostenverteilung für die Klägerin bereits bei dem Erwerb der Eigentumswohnung und das Vertrauen der Beklagten auf den Bestand des geltenden [X.]s bei der [X.]ussfassung über die Durchführung der Balkonsanierung als maßgebliche Gründe angesehen, die der Annahme der Unbilligkeit des Festhaltens an der gesetzlichen Regelung entgegenstehen. Hinzu kommt, dass es ebenfalls nicht unbillig ist, wenn ein Wohnungseigentümer für die Kosten der Instandhaltung von Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils aufkommen muss, obwohl er sie nicht benutzt und auch nicht benutzen kann ([X.] in [X.], aaO, § 10 Rdn. 158 m.N. aus der [X.]. zur früheren Rechtslage). Demgegenüber begründet die Revision eine - von ihr angenommene - Unbilligkeit der Kostenverteilung damit, dass die Klägerin übermäßig belastet würde. Damit hat sie keinen Erfolg. Denn das Maß der Kostenmehrbelastung ist nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Unbilligkeit des Festhaltens an dem bisherigen [X.] ([X.] in [X.], aaO). In die Abwägung einzubeziehen sind vielmehr insbesondere die Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, so dass die Anforderungen an den Anpassungsanspruch weiterhin erheblich bleiben (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/887 S. 19). Dies verkennt die Revision, indem sie einseitig auf die Interessen der Klägerin an der Abänderung des Verteilungsschlüssels abstellt.

5. Aus [X.] ergibt sich auch die Unbegründetheit des zweiten [X.].

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                            Klein                                Lemke

                    [X.]t-Räntsch                              [X.]

Meta

V ZR 114/09

15.01.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 28. Mai 2009, Az: 29 S 135/08, Urteil

§ 10 Abs 2 S 3 WoEigG, § 16 Abs 4 WoEigG, § 21 Abs 1 WoEigG, § 21 Abs 3 WoEigG, § 21 Abs 4 WoEigG, § 21 Abs 8 WoEigG, § 23 Abs 1 WoEigG, § 43 Nr 4 WoEigG, § 46 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2010, Az. V ZR 114/09 (REWIS RS 2010, 10358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10358

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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