Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2010, Az. V ZR 114/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10355

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 114/09 Verkündet am: 15. Januar 2010 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: jaWEG §§ 10 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 4, 21 Abs. 1, 3, 4 und 8, 23 Abs. 1, 43 Nr. 4, 46 a) Die Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer (Negativ-beschluss) unterliegt auch ohne Verbindung mit einem auf die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichteten Antrags der gerichtlichen Anfechtung (Abgrenzung zu Senat, BGHZ 152, 46, 51 und 156, 19, 22). b) Die vorherige Befassung der Versammlung der Wohnungseigentümer mit einem auf deren Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Verwaltung gerichteten Antrag ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG. c) Für die Entscheidung über das Verlangen eines Wohnungseigentümers nach ei-ner vom Gesetz abweichenden Vereinbarung oder der Anpassung einer Vereinba-rung (§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG) fehlt den Wohnungseigentümern die Beschluss-kompetenz; die auf Zustimmung zu der Änderung gerichtete Leistungsklage ist - 2 - deshalb ohne vorherige Befassung der Wohnungseigentümerversammlung zuläs-sig. d) Die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG zur Änderung eines Kostenverteilungsschlüs-sels im Einzelfall schließt nicht die Geltendmachung des auch denselben Einzelfall betreffenden Anspruchs auf Zustimmung zur generellen Änderung der Kostenver-teilung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus. e) Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, nach § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG im Einzelfall eine abweichende Kostenverteilung durchzusetzen, besteht nicht schon dann, wenn sie dem in der Vorschrift genannten Gebrauchsmaßstab Rechnung trägt; die in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG genannten Voraussetzungen für die generelle Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels müssen ebenfalls vorliegen. BGH, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09 - LG Köln AG Köln - 3 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landge-richts Köln vom 28. Mai 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurück-gewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin der Dachgeschosswohnung in einer aus 14 Einheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage. Sechs Woh-nungen haben einen Balkon, über dessen Zugehörigkeit zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum die Teilungserklärung keine ausdrückliche Regelung enthält. 1 In der Versammlung der Wohnungseigentümer am 27. Mai 2008 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 11 über die Vergabe des Auftrags für die be-reits am 19. April 2007 beschlossene Sanierung der Balkone diskutiert. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Sanierungskosten nur von denjenigen Wohnungseigentümern getragen werden müssten, zu deren Wohnungen ein Balkon gehört. In dem Versammlungsprotokoll heißt es u.a.: 2 - 4 - "Vorab soll in Bezug auf die neuesten Änderungen im WEG-Gesetz geprüft werden, ob Eigentümer zu deren Wohnung kein Balkon gehört auch wie bisher an den Sanierungskosten der Balkone beteiligt werden müssen. Hier besteht Uneinigkeit. Einige Eigentümer möchten Auskunft beim Haus- und Grundbesitzerver-ein einholen und der Hausverwaltung Mitteilung machen." 3 Die Klägerin beantragte, die Kostenverteilung nach Wohneinheiten statt nach Miteigentumsanteilen vorzunehmen. Der Antrag erhielt nicht die nach § 16 Abs. 4 Satz 2 WEG erforderliche Mehrheit. Die Verwalterin stellte die Ableh-nung des Antrags fest. Die Klägerin hat den Beschluss mit dem Ziel der Erklärung für ungültig angefochten und daneben beantragt zu entscheiden, dass nur die sechs Eigen-tümer an den Kosten der Sanierung der Balkone zu beteiligen sind, zu deren Wohnung ein Balkon gehört, hilfsweise die Kosten der Balkonsanierung nach der Zahl der Einheiten statt nach Miteigentumsanteilen zu verteilen, und weiter hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, einer Vereinbarung dahingehend zuzu-stimmen, dass die Kosten jeglicher Balkonsanierung nur von den sechs Eigen-tümern zu tragen sind, zu deren Eigentumswohnung ein Balkon an der Fassade zur H. straße gehört, hilfsweise, die Kosten der Balkonsanierung nach Einheiten statt nach Anteilen zu verteilen. 4 Das Amtsgericht hat den Hauptantrag als unbegründet und die Hilfsan-träge als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblie-ben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-sung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. 5 - 5 - Entscheidungsgründe: I. 6 Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der ablehnende Beschluss der Eigentümerversammlung nicht aufzuheben, weil er einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht widerspricht; die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Ver-teilung der Sanierungskosten dahingehend, dass sie durch die Anzahl der Wohnungseinheiten zu teilen seien. Falls der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG zu entnehmen sei, dass ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Zustimmung zu einem einmaligen Abweichen von einem bestehenden Kosten-verteilungsschlüssel habe, lägen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor. Die Unbilligkeit des Festhaltens an der bestehenden Regelung sei nämlich aus-geschlossen, wenn diese für den Wohnungseigentümer bei dem Erwerb der Wohnung erkennbar gewesen sei. So liege es hier. Die Kostentragungspflicht ergebe sich aus § 7 Ziff. 1 der Teilungserklärung, wonach die Kosten für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, zu welchem auch die Balkone gehörten, von der Gemeinschaft getragen würden. Diese Regelung sei der Klä-gerin bei dem Erwerb des Wohnungseigentums bekannt gewesen. Der Annah-me der Unbilligkeit stehe darüber hinaus entgegen, dass die Balkonsanierung bereits beschlossen worden sei und die übrigen Mitglieder der Wohnungseigen-tümergemeinschaft sich bei der Beschlussfassung auf die bestehende Kosten-tragungsregelung verlassen hätten. Aus denselben Gründen hat das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu einer generellen Änderung des Kostenvertei-lungsschlüssels verneint. 7 Weiter hat das Berufungsgericht gemeint, der Anspruch auf ein einmali-ges Abweichen von einem bestehenden Kostenverteilungsschlüssel sei auf die 8 - 6 - ordnungsmäßige Verwaltung gerichtet, in deren Rahmen der Eigentümerver-sammlung ein Ermessensspielraum eingeräumt sei, so dass allenfalls dann, wenn eine Ermessensreduzierung auf die verlangte Verteilung bestehe, diese ausgesprochen werden könne. Die mit dem Hauptantrag zunächst verfolgte Anfechtung der Ablehnung einer Kostenverteilung nach der Anzahl der Einhei-ten könne deshalb keinen Erfolg haben, denn die Ablehnung einer von mehre-ren Möglichkeiten liege im Rahmen des Ermessens der Wohnungseigentümer. Das Verlangen der Klägerin nach einer gerichtlichen Entscheidung da-hingehend, dass die Sanierungskosten von denjenigen Wohnungseigentümern zu tragen seien, zu deren Einheiten Balkone gehörten, hält das Berufungsge-richt trotz des Umstands, dass diese Kostenverteilung bisher nicht zur Ent-scheidung der Eigentümerversammlung gestellt wurde, für zulässig. Denn es sei nicht zu erwarten, dass die Versammlung, die eine Aufteilung nach der Zahl der Einheiten abgelehnt habe, mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit für die jetzt verlangte Kostenverteilung stimmen werde. Deshalb sei es für die Klä-gerin unzumutbar, mit ihrem Antrag zuvor die Eigentümerversammlung zu be-fassen. Der Antrag sei jedoch aus den bereits genannten Gründen zurückzu-weisen. 9 II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. 10 1. Die Revision ist in vollem Umfang zulässig. Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht lässt sich dem Berufungsurteil nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen, dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel 11 - 7 - trotz unbeschränkten Ausspruchs der Zulassung nur beschränkt zugelassen hat (vgl. dazu nur BGH, Beschl. v. 14. Mai 2008, XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351, 2352). Die Revision ist jedoch unbegründet. 12 2. Die Vorinstanzen sind von der Zulässigkeit des Hauptantrags ausge-gangen. Das ist nur hinsichtlich des ersten Teils (Anfechtungsklage) richtig. Der zweite Teil (Leistungsklage) ist unzulässig. a) Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist die Ablehnung des von der Klä-gerin in der Wohnungseigentümerversammlung gestellten Antrags. Die Recht-mäßigkeit dieses so genannten Negativbeschlusses (Senat, BGHZ 148, 335, 348 f.) kann im Wege der gerichtlichen Anfechtung (§ 46 WEG) überprüft wer-den. Das dafür notwendige Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass der Antragsteller durch die Ablehnung gegebenenfalls in seinem Recht auf ord-nungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verletzt wird (ein-schränkend zum früheren Wohnungseigentumsgesetz Senat, BGHZ 152, 46, 51; 156, 19, 22; Wenzel, ZMR 2005, 413, 416). Mit dem ersten Teil des Haupt-antrags hat die Klägerin unter Wahrung der in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG genann-ten Fristen die Anfechtungsklage erhoben. 13 b) Das mit dem zweiten Teil des Hauptantrags verfolgte Klageziel betrifft dagegen nicht den abgelehnten Antrag. Vielmehr will die Klägerin eine Rege-lung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung stand. Die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den der Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, ist jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zuständig für die Beschlussfassung ist die Ver-sammlung der Wohnungseigentümer (§§ 21 Abs. 1 und 3, 23 Abs. 1 WEG). Soweit es - wie hier - um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung geht, muss sich der Kläger vor der Anru-14 - 8 - fung des Gerichts um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (OLG Hamm ZMR 2008, 156, 159 m.w.N.; Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 21 Rdn. 56; Wenzel in Bärmann, aaO, § 43 Rdn. 188; Heinemann in Jennißen, WEG, § 21 Rdn. 46; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 21 Rdn. 12). 15 c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die feh-lende Vorbefassung der Eigentümerversammlung mit dem von der Klägerin gestellten zweiten Teil des Hauptantrags, die Kosten für die Balkonsanierung auf diejenigen Wohnungseigentümer zu verteilen, zu deren Einheiten ein Bal-kon gehört, nicht die Unzulässigkeit dieses Teils der Klage zur Folge habe, weil das Zustandekommen der erforderlichen Mehrheit nicht zu erwarten sei. Zwar fehlt das Rechtsschutzbedürfnis trotz fehlender Vorbefassung nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre (OLG München NZM 2007, 132). Aber diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung damit be-gründet, dass die Eigentümerversammlung die Kostenaufteilung nach Einheiten abgelehnt hat, so dass eine Verteilung nur auf einzelne Wohnungseigentümer nicht zu erwarten sei. Dies verkennt, dass aus der Ablehnung eines in der Ei-gentümerversammlung gestellten Antrags nicht auf den Willen der Wohnungs-eigentümer geschlossen werden kann, das Gegenteil des Antrags zu wollen (Senat, BGHZ 148, 335, 349). Erst recht verbietet es sich deshalb, aus der Be-schlussablehnung die Erwartung herzuleiten, die Wohnungseigentümer würden einem anderen Antrag als dem abgelehnten ebenfalls nicht zustimmen. Hier ist dieser Schluss insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich aus dem Protokoll der Diskussion zu dem Tagesordnungspunkt 11 ergibt, dass die erfor-derliche Mehrheit für den von der Klägerin gestellten Antrag wegen der bei den - 9 - Beklagten bestehenden Rechtsunsicherheit aufgrund des neuen Wohnungsei-gentumsrechts nicht zustande gekommen ist. Damit besteht die Möglichkeit, dass sie, wenn sie die Rechtslage im Sinne der von der Klägerin vertretenen Ansicht geklärt haben, einen entsprechenden Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit fassen. Dass eine rechtliche Klärung außerhalb dieses Prozesses nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich. 2. Gegen die Zulässigkeit des ersten Hilfsantrags bestehen keine Be-denken. Der damit geltend gemachte Anspruch auf Verteilung der Kosten für die bereits beschlossene Balkonsanierung nach der Anzahl der Einheiten war Gegenstand der Beschlussfassung in der Versammlung der Wohnungseigen-tümer am 27. Mai 2008. Dass dort der entsprechende Antrag der Klägerin nicht die erforderliche Mehrheit bekommen hat, ergibt das für die Anrufung des Ge-richts erforderliche Rechtsschutzinteresse des unterlegenen Antragstellers (Elzer in Jennißen, aaO, vor §§ 23 bis 25 Rdn. 124). 16 3. Auch der zweite Hilfsantrag, mit dem die Klägerin eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer über die Kostenverteilung bei Balkonsanierungen generell erreichen will, ist zulässig. Mit diesem Verlangen muss sich die Woh-nungseigentümerversammlung nicht vor Klageerhebung befassen. Die Woh-nungseigentümer haben dafür keine Beschlusskompetenz (Grziwotz/Jennißen in Jennißen, aaO, § 10 Rdn. 38). 17 4. Der erste Teil des Hauptantrags und der erste Hilfsantrag sind jedoch unbegründet. 18 a) Die Klägerin will eine Abänderung der in § 16 Abs. 2 WEG festgeleg-ten Kostenverteilung, nach der die Wohnungseigentümer u.a. die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Abs. 1 Satz 2 WEG) tragen müssen, aus-19 - 10 - schließlich für die bereits beschlossene Balkonsanierung erreichen. Sie strebt damit eine Einzelfallregelung an. Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht, wie das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung gemeint hat, die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG. Nach dieser Vorschrift kann jeder Eigentümer eine von dem Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinba-rung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwer-wiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls un-billig erscheint. Der Anspruch ist auf Zustimmung der übrigen Wohnungseigen-tümer zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung gerichtet (Wenzel in Bär-mann, aaO, § 10 Rdn. 152), die generell das Verhältnis der Wohnungseigentü-mer untereinander (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 WEG) regelt. Eine bloße Einzel-fallregelung wird davon nicht erfasst (MünchKomm-BGB/Engelhardt, aaO, § 16 WEG Rdn. 30). Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein Wohnungseigen-tümer auch dann, wenn er für einen konkreten Fall eine Änderung des Kosten-verteilungsschlüssels erreichen will, einen Anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG geltend macht. Hat er damit Erfolg, gilt der geänderte Schlüssel nicht nur für künftige Fälle, sondern auch bereits für den Fall, der Anlass zu dem Ände-rungsverlangen gegeben hat. Denn die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG zur Än-derung eines Kostenverteilungsschlüssels im Einzelfall schließt nicht die Gel-tendmachung des auch denselben Einzelfall betreffenden Anspruchs auf Zu-stimmung zur generellen Änderung der Kostenverteilung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus; beide Möglichkeiten haben verschiedene Regelungsgegen- stände und stehen alternativ nebeneinander (Wenzel in Bärmann, aaO, § 10 Rdn. 160; Grziwotz/Jennißen in Jennißen, aaO, § 10 Rdn. 31; Becker in Köh-ler/Bassenge, Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 3 Rdn. 191; Riecke/Schmid/Elzer, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentums-recht, 2. Aufl., § 16 Rdn.18; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung eines Woh-nungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 9. März 2006 [Gesetzes-- 11 - begründung], BT-Drucks. 16/887 S. 19 f.; a.A. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 3 Rdn. 131 f.). 20 b) Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht ist der auf die Ab-änderung des Kostenverteilungsschlüssels nur für die bereits beschlossene Balkonsanierung gerichtete erste Hilfsantrag nicht dahin auszulegen, dass die Klägerin damit auch eine generelle Regelung zur Kostenverteilung anstrebt. Diesem Verständnis steht bereits der Wortlaut des Antrags entgegen; er ent-spricht einer Gestaltungsklage nach §§ 21 Abs. 4 und 8, 43 Nr. 1 WEG, mit der die gerichtliche Ersetzung eines von den Wohnungseigentümern nicht gefass-ten Beschlusses herbeigeführt werden soll. Auch der Wortlaut des zweiten Hilfsantrags spricht gegen eine solche Auslegung; er enthält die auf die Verur-teilung der übrigen Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu der Änderung der Kostenverteilung gerichtete Leistungsklage nach §§ 10 Abs. 2 Satz 3, 43 Nr. 1 WEG. Schließlich verbietet die Staffelung der beiden Hilfsanträge die von der Revision gewünschte Auslegung; die Klägerin verfolgt vorrangig die Gestal-tungsklage. c) Weder das Berufungsgericht noch die Revision haben erkannt, dass Anspruchsgrundlage für die Durchsetzung der Einzelfallregelung die Vorschrif-ten der §§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 4 und Abs. 8 WEG sind. Denn wenn ein Be-schluss zur abweichenden Verteilung der Kosten für Instandhaltungen und In-standsetzungen des Gemeinschaftseigentums (§ 16 Abs. 4 WEG) nicht zustan-de kommt, kann derjenige Wohnungseigentümer, dessen entsprechender An-trag in der Wohnungseigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat, sowohl - wie hier - zusammen mit der Anfechtung des Negativ-beschlusses als auch ohne diese Anfechtung seinen Anspruch auf ordnungs-mäßige Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG im Wege der Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG gerichtlich (§ 43 Nr. 1 WEG) geltend machen (Wenzel in 21 - 12 - Bärmann, aaO, § 10 Rdn. 164; Becker in Bärmann, aaO, § 16 Rdn. 135; Rie-cke/Schmid/Elzer, aaO, § 16 Rdn. 42). 22 aa) Bei der beschlossenen Balkonsanierung handelt es sich um eine Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Ei-gentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Balkone zum Gemeinschaftseigentum - was das Berufungsgericht angenommen hat und was die Auslegung der Teilungserklärung nahe legt - oder, was die Revision meint, zum Sondereigentum derjenigen Wohnungseigentümer gehören, deren Einheiten einen Balkon haben. Denn selbst wenn Letzteres der Fall wäre, beträ-fen die Sanierungsmaßnahmen, soweit sämtliche Wohnungseigentümer für die Kosten aufkommen sollen, ausschließlich solche Teile der Balkone, die zwin-gend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Die Revision verkennt, dass sich das Sondereigentum an einem Balkon nur auf den Luftraum, den Innenanstrich und den Bodenbelag erstreckt, während die übrigen konstruktiven und solche Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verän-dert werden können, wie Brüstungen und Geländer, Bodenplatte einschließlich der Isolierschicht, Decken, Abdichtungsanschlüsse zwischen Gebäude und Balkon, Außenwände, Stützen und Türen, Gemeinschaftseigentum sind (Armbrüster in Bärmann, aaO, § 5 Rdn. 56 ff.; Dickersbach in Jennißen, aaO, § 5 Rdn. 16 ff.; Riecke/Schmid/Schneider/Förth, aaO, § 5 Rdn. 37 - jeweils m.N. aus der Rspr.). Die aus dem Protokoll zu dem Tagesordnungspunkt 11 der Eigentümerversammlung vom 27. Mai 2008 erkennbaren Sanierungsmaßnah-men zeigen, dass die auf sämtliche Wohnungseigentümer umzulegenden Kos-ten nur solche Balkonteile treffen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen; die Kosten für einen sondereigentumsfähigen Fliesenbelag gehen zu Lasten desjenigen Eigentümers, der ihn wünscht. Dass darüber hinaus die Durchfüh-rung weiterer Sanierungsmaßnahmen, die etwaiges Sondereigentum betreffen, beabsichtigt ist, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich; auch die Revision - 13 - zeigt das nicht auf, sondern weist nur auf einen beabsichtigten Oberflächenan-strich hin. Dieser betrifft jedoch die Balkonunterseiten und den Estrich, also Gemeinschaftseigentum. Im Übrigen ist auch die Klägerin ebenso wie die Be-klagten in den Tatsacheninstanzen davon ausgegangen, dass die Sanierungs-maßnahmen das Gemeinschaftseigentum betreffen. 23 bb) Die mit dem ersten Hilfsantrag verfolgte Abweichung der Verteilung der Sanierungskosten ist in der Wohnungseigentümerversammlung nicht be-schlossen worden. Der dahingehende Antrag der Klägerin hat nicht die nach § 16 Abs. 4 Satz 2 WEG erforderliche Mehrheit gefunden. cc) Selbst wenn die angestrebte, von der gesetzlichen Regelung abwei-chende Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, hat die Klä-gerin keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf. 24 (1) Den Maßstab für die Beurteilung dessen, was ordnungsmäßiger Ver-waltung entspricht, enthält zunächst die Regelung in § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG (Becker in Bärmann, aaO, § 16 Rdn. 123; Jennißen in Jennißen, aaO, § 16 Rdn. 46; MünchKomm-BGB/Engelhardt, aaO, § 16 WEG Rdn. 31; Riecke/ Schmid/Elzer, aaO, § 16 Rdn. 12). Danach können die Wohnungseigentümer im Einzelfall durch Beschluss die Verteilung der Kosten für Instandhaltungen oder Instandsetzungen des gemeinschaftlichen Eigentums abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Hieraus allein ergibt sich allerdings noch nicht, dass der Beschluss ord-nungsmäßiger Verwaltung entsprechen muss; dieses Erfordernis folgt jedoch aus § 21 Abs. 3 WEG (Riecke/Schmid/Elzer, aaO, § 16 Rdn. 112), wonach die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigen-tums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit be-25 - 14 - schließen können, soweit nicht bereits eine Regelung durch Vereinbarung er-folgt ist. 26 (2) Somit entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der abgeän-derte Kostenverteilungsschlüssel dem in der Vorschrift genannten Gebrauchs-maßstab gerecht wird. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nicht nur nach dem tatsächlichen Gebrauch der von der Instandsetzung oder Instandhaltung betrof-fenen Teile, Anlagen und Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümer, sondern auch nach der Gebrauchsmöglichkeit. Damit soll zum einen Verteilungsgerechtigkeit erreicht und zum anderen der Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung konkretisiert werden (Gesetzes-begründung, BT-Drucks. 16/887 S. 24). Als Verteilungsmaßstäbe kommen z.B. die tatsächliche Gebrauchshäufigkeit und die Gebrauchsmöglichkeit sowie die Anzahl der davon profitierenden Personen in Betracht. Danach können die Wohnungseigentümer z.B. eine der räumlichen Zuordnung von Balkonen, die im Gemeinschaftseigentum stehen, zu bestimmten Wohnungen entsprechende Verteilung der Kosten für die Instandsetzung dieser Balkone beschließen (Becker in Bärmann, aaO, § 16 Rdn. 125; MünchKomm-BGB/Engelhardt, aaO, § 16 WEG Rdn. 31). (3) Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine solche Kostenver-teilung durchzusetzen, besteht jedoch nicht schon dann, wenn sie dem Gebrauchsmaßstab nach § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG Rechnung trägt. Vielmehr müssen die in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG für die generelle Änderung eines Kos-tenverteilungsschlüssels genannten Voraussetzungen ebenfalls vorliegen; denn für die erzwungene Änderung können keine unterschiedlichen Voraussetzun-gen gelten, je nach dem, ob sie für einen konkreten Einzelfall oder generell Be-stand haben soll (Wenzel in Bärmann, aaO, § 10 Rdn. 161; Grziwotz/Jennißen in Jennißen, aaO, § 10 Rdn. 32; Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887 27 - 15 - S. 20). Deshalb ist ein Änderungsanspruch eines Wohnungseigentümers in beiden Fällen nur dann gegeben, wenn ein Festhalten an der geltenden Rege-lung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Woh-nungseigentümer, unbillig erscheint. 28 (4) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unbilligkeit der Verteilung der Kosten für die Balkonsanierung auf alle Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis ihrer Anteile verneint. Das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung enthielt keine Anspruchsgrundlage für das Verlangen eines Woh-nungseigentümers auf Abänderung des gesetzlichen oder eines vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels. Nach der Rechtsprechung bestand jedoch ein gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteter Anspruch auf Zustimmung zum Abschluss einer Änderungsvereinbarung, wenn die geltende Regelung bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führte; ob das der Fall war, war aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzel-falls und nicht allein nach dem Maß der Kostenmehrbelastung des benachteilig-ten Wohnungseigentümers festzustellen (siehe nur Senat, BGHZ 160, 354, 358 ff. m.w.N.). 29 Seit dem 1. Juli 2007 gibt es mit der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss einer Änderungsvereinba-rung. Die Neuregelung lässt die bisherige Rechtslage im Kern zwar unverän-dert, enthält aber hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen eine Erleichterung gegenüber den von der bisherigen Rechtsprechung gestellten Anforderungen (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/887 S. 18 f.). Nunmehr wird statt auf 30 - 16 - "außergewöhnliche Umstände" auf die eher vorliegenden "schwerwiegenden Gründe" abgestellt; zudem muss die bestehende Kostenverteilung nicht mehr grob unbillig sein und damit gegen Treu und Glauben verstoßen, sondern das Festhalten an der geltenden Regelung muss lediglich unbillig erscheinen. Der Schutz des Vertrauens der übrigen Wohnungseigentümer in die bestehende Situation wird dadurch erreicht, dass ihre Rechte und Interessen in die Abwä-gung einbezogen werden müssen. Nach diesen Grundsätzen ist die von dem Berufungsgericht vorgenom-mene Abwägung rechtlich nicht zu bestanden. Zutreffend hat es die Erkennbar-keit der - vermeintlich oder wirklich - nicht sachgerechten Kostenverteilung für die Klägerin bereits bei dem Erwerb der Eigentumswohnung und das Vertrauen der Beklagten auf den Bestand des geltenden Kostenverteilungsschlüssels bei der Beschlussfassung über die Durchführung der Balkonsanierung als maßgeb-liche Gründe angesehen, die der Annahme der Unbilligkeit des Festhaltens an der gesetzlichen Regelung entgegenstehen. Hinzu kommt, dass es ebenfalls nicht unbillig ist, wenn ein Wohnungseigentümer für die Kosten der Instandhal-tung von Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils aufkommen muss, obwohl er sie nicht benutzt und auch nicht benutzen kann (Wenzel in Bärmann, aaO, § 10 Rdn. 158 m.N. aus der Rspr. zur früheren Rechtslage). Demgegenüber begründet die Revision eine - von ihr angenommene - Unbilligkeit der Kostenverteilung damit, dass die Klägerin übermäßig belastet würde. Damit hat sie keinen Erfolg. Denn das Maß der Kos-tenmehrbelastung ist nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Unbil-ligkeit des Festhaltens an dem bisherigen Kostenverteilungsschlüssel (Wenzel in Bärmann, aaO). In die Abwägung einzubeziehen sind vielmehr insbesondere die Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, so dass die An-forderungen an den Anpassungsanspruch weiterhin erheblich bleiben (Geset-zesbegründung BT-Drucks. 16/887 S. 19). Dies verkennt die Revision, indem 31 - 17 - sie einseitig auf die Interessen der Klägerin an der Abänderung des Vertei-lungsschlüssels abstellt. 32 5. Aus Vorstehendem ergibt sich auch die Unbegründetheit des zweiten Hilfsantrags. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 33 Krüger Klein Lemke

Schmidt-Räntsch Roth Vorinstanzen: AG Köln, Entscheidung vom 28.10.2008 - 202 C 164/08 - LG Köln, Entscheidung vom 28.05.2009 - 29 S 135/08 -

Meta

V ZR 114/09

15.01.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2010, Az. V ZR 114/09 (REWIS RS 2010, 10355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10355

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