Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 10 AZR 498/17

10. Senat | REWIS RS 2019, 5839

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Gegenstand

Beitragspflichten zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft - Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 (SokaSiG) - Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist


Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2017 - 12 [X.] 1014/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes verpflichtet. Er nimmt den [X.] auf der Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der jeweils maßgeblichen Fassung ([X.]) auf Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in der [X.] von Dezember 2010 und Februar bis Dezember 2011 in Höhe von 9.925,26 Euro in Anspruch.

3

Der nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält im [X.] einen Gewerbebetrieb, in dem Abbruch- und [X.] ausgeführt werden. In einem Schreiben vom 29. Juni 2009 teilte der Beklagte dem Kläger ua. mit, dass er nur „Abbruch- und Entkernarbeiten“ ausführe.

4

Der Beklagte überwies an den Kläger im Januar 2016 einen Betrag von 10.000,00 Euro und im Februar 2016 einen weiteren Betrag von 5.109,41 Euro.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Betrieb des [X.] unterfalle dem [X.], der jedenfalls aufgrund des SokaSiG zur Anwendung komme. Zu mehr als 50 % der persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, hätten die Arbeitnehmer des [X.] den Abbruch von Estrichen, Bodenplatten und Mauerwerk sowie [X.] durch Entfernung von [X.], [X.], [X.], Abhangdecken, Trennwänden, Türen, Fenstern und Sanitärgegenständen ausgeführt. Damit hätten sie bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 [X.] erbracht.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

den [X.] zu verurteilen, an ihn 9.925,26 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, die Parteien hätten am 11. Januar 2016 einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen. In Erfüllung dieses Vergleichs habe er 15.109,41 Euro an den Kläger gezahlt. Er hat die Klage für unbegründet gehalten. Sein Betrieb unterfalle schon nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des [X.]. Der Kläger habe lediglich Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufgestellt. Abbruch- und [X.] unterfielen nicht dem [X.]. Jedenfalls sei der [X.] nicht anzuwenden. Die Allgemeinverbindlicherklärung sei unwirksam. Das SokaSiG sei verfassungswidrig.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet.

I. Der [X.] kann jedenfalls bei unterstellter Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist davon ausgehen, dass die Berufung des Beklagten zulässig ist.

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist [X.] für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist vom Revisionsgericht deshalb von Amts wegen zu prüfen ([X.]., vgl. [X.] 24. Oktober 2018 - 10 [X.] - Rn. 13 [X.]).

2. Eine zulässige Berufung setzt ua. voraus, dass die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz von einem bei einem [X.] nach § 11 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 ArbGG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und eigenhändig unterschrieben ist, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO (vgl. für die Berufungsbegründung [X.] 24. Oktober 2018 - 10 [X.] - Rn. 16). Der Schriftzug, mit dem die Berufungsschrift abschließt, ist erheblich kürzer und weniger ausgeprägt als andere Schriftzüge, mit denen Schriftsätze dieses Rechtsstreits unterzeichnet sind. Er begründet Zweifel daran, ob es sich um eine ordnungsgemäße Unterschrift oder ein bloßes Handzeichen handelt (vgl. zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Unterschrift [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 19 [X.], [X.]E 151, 66).

3. Selbst wenn der Schriftzug nicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügen sollte, geht der [X.] von einer zulässigen Berufung aus. Es kann unterstellt werden, dass nach §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO in die Berufungsfrist wieder einzusetzen ist.

a) Wiedereinsetzung kann nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch ohne Antrag des Beklagten von Amts wegen gewährt werden. Dass der Beklagte die versäumte [X.] der Berufungseinlegung nicht ausdrücklich nachgeholt hat, ist unschädlich. Er hat sie bereits vorgenommen, indem er eine formwirksame Berufungsbegründung eingereicht hat. In der noch ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsbegründung ist zugleich die [X.] der Berufungseinlegung enthalten ([X.] Juni 2014 - [X.] - Rn. 11; 26. September 2002 - III ZB 44/02 - zu II 1 b der Gründe; 18. Mai 2000 - VII ZB 25/99 - zu 3 der Gründe).

b) Der Wiedereinsetzung steht nicht die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO entgegen. Danach kann eine Wiedereinsetzung nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist beantragt werden.

aa) Ungeachtet des absoluten Charakters von § 234 Abs. 3 ZPO ist diese Bestimmung nicht anzuwenden, wenn sonst der Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt wäre (vgl. [X.] 15. April 2004 - 1 BvR 622/98 - zu III 2 b der Gründe, [X.]K 3, 169).

bb) Dies wäre der Fall, wenn der vom [X.] und vom Arbeitsgericht als Unterschrift iSv. § 130 Nr. 6 ZPO gebilligte Schriftzug erstmals vom Revisionsgericht außerhalb der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO als nicht ausreichendes Handzeichen eingestuft würde und der betroffenen Partei keine Reaktionsmöglichkeit mehr eröffnet wäre.

(1) Prozessbevollmächtigte müssen zwar die höchstrichterlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze kennen. Der verfassungsrechtlich gebotene Vertrauensschutz kann jedoch verletzt sein, wenn derselbe Spruchkörper die von ihm längere [X.] gebilligte Form einer Unterzeichnung ohne Vorwarnung nicht mehr hinnehmen will ([X.] 11. April 2013 - VII ZB 43/12 - Rn. 11 [X.]; vgl. ferner [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 30, [X.]E 151, 66).

(2) Geschütztes Vertrauen wäre auch verletzt, wenn erst das Revisionsgericht die von den zuvor befassten Gerichten gebilligte Praxis der Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze beanstandete und eine Korrektur dieses Mangels unter Berufung auf die Frist des § 234 Abs. 3 ZPO ausschlösse.

(3) Das [X.] hat die knappen Schriftzüge, mit denen der Prozessbevollmächtigte des Beklagten gezeichnet hat, zumindest in zwei vor dem [X.] anhängigen Streitigkeiten unbeanstandet gelassen. Daher kann von einem schutzwürdigen Vertrauen ausgegangen werden, das der Anwendung des § 234 Abs. 3 ZPO entgegensteht.

c) [X.] muss nicht an das [X.] zurückverwiesen werden. Der [X.] kann unterstellen, dass in die Berufungsfrist wieder einzusetzen ist.

aa) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte [X.], hier also die Berufungseinlegung, zusteht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO. Angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts kann in der Revisionsinstanz nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden, die Sache zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung an das [X.] zurückzuverweisen (vgl. [X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 23; 18. Februar 2016 - 8 [X.] - Rn. 33 [X.]; [X.] 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 11 ff. [X.]).

bb) Ein solcher Ausnahmefall kann angenommen werden, wenn ein Wiedereinsetzungsgrund nach Aktenlage unzweifelhaft ist oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugunsten der säumigen Partei unterstellt werden kann (vgl. [X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 24; 18. Februar 2016 - 8 [X.] - Rn. 34, 37 [X.]). Die Wiedereinsetzung kann zB unterstellt werden, wenn die Entscheidung über die Revision materiell-rechtlich zu demselben Ergebnis führt wie die Versagung der Wiedereinsetzung ([X.] 13. Dezember 2012 - 6 [X.] - Rn. 39 [X.]).

cc) Im Streitfall kann die Wiedereinsetzung zugunsten des Beklagten unterstellt werden. Die Entscheidung in der Sache und die Ablehnung der Wiedereinsetzung führen materiell zu demselben Ergebnis. Da die Klage zulässig und begründet ist, ergeht in jedem Fall ein die Ansprüche zuerkennendes Urteil. Der [X.] kann dies, ohne in Beurteilungsspielräume des [X.]s einzugreifen, selbst entscheiden. In der unterstellten Wiedereinsetzung liegt deshalb keine Entscheidung zulasten des [X.].

II. Der Kläger hat die zulässige Klage nicht geändert, indem er die Beitragsforderungen in der Berufungsinstanz nicht mehr nur auf die maßgebliche Allgemeinverbindlicherklärung gestützt hat, sondern auch auf § 7 Abs. 7 iVm. Anlage 32 [X.]

1. Der prozessuale Streitgegenstand umfasst alle konkurrierenden materiell-rechtlichen Ansprüche. Er ändert sich auch dann nicht, wenn der Kläger erst im Verlauf des Rechtsstreits eine wirksame Anspruchsgrundlage benennt. Rechtliche Begründungen innerhalb desselben Tatgeschehens betreffen allein die [X.] und damit die dem Gericht obliegende rechtliche Bewertung des [X.] ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 11; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 14; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 27; [X.] 21. Februar 2019 - [X.]/18 - Rn. 30).

2. Deshalb handelt es sich hier nicht um eine Klageänderung. [X.] nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, für dessen Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 [X.] in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 18 ff.). Die Ansprüche stützen sich auf dasselbe Tatgeschehen. Sie sind weder in ihren materiell-rechtlichen Voraussetzungen noch in ihren Folgen oder strukturell grundlegend verschieden ausgestaltet ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 12; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 15).

III. [X.] ist begründet. Der Kläger hat für die Monate Dezember 2010 und Februar bis Dezember 2011 Anspruch auf die geltend gemachten Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer aus § 7 Abs. 7 iVm. Anlage 32 [X.] Die Anlage 32 enthält den vollständigen Text des [X.] 2009 (vgl. den Anlageband zum [X.]. I Nr. 29 vom 24. Mai 2017 S. 337 bis 350). Die in § 7 Abs. 7 [X.] angeordnete Geltungserstreckung des [X.] auf nicht [X.] ist aus Sicht des [X.]s verfassungsgemäß. Die Beitragspflichten des Beklagten folgen aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 29, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 18 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Beklagten sind erfüllt.

1. Der im [X.] gelegene Betrieb des Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des [X.] 2009 (§ 1 Abs. 1 [X.] 2009). Die bei dem Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer werden vom persönlichen Geltungsbereich des [X.] 2009 erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2009). Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 [X.] 2009 eröffnet. Im Betrieb des Beklagten werden arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 [X.] 2009 ausgeführt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s wird ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des [X.] erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 [X.] fallen. Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V [X.] genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des [X.], ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus untersucht werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 15; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 18; 19. Februar 2014 - 10 [X.] - Rn. 10).

b) Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass im Betrieb des Beklagten zeitlich überwiegend Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 [X.] 2009 ausgeübt werden. Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass im Betrieb des Beklagten zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Leistungen in Form von Abbruch- und Entkernungsarbeiten erbracht werden. Die Darlegungen des [X.] sind nicht „ins Blaue hinein“ erfolgt. Der Kläger hat sich auf ein Schreiben des Beklagten bezogen, in dem dieser selbst erklärt, „Abbruch- und Entkernarbeiten“ auszuführen. Diesem Vortrag ist der Beklagte nicht in entscheidungserheblicher Weise entgegengetreten. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Der [X.] sieht von einer Begründung nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO ab.

2. Das [X.] ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger Sozialkassenbeiträge für den [X.] von insgesamt 9.925,26 Euro verlangen kann. Von den auf den Eigenmeldungen des Beklagten beruhenden Sozialkassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer entfallen 853,21 Euro auf den Monat Dezember 2010 und weitere 9.072,05 Euro auf die Monate Februar bis Dezember 2011.

3. Die dem Kläger zustehenden Ansprüche sind nicht aufgrund eines Vergleichs erloschen. Die Parteien haben keinen neuen Schuldgrund geschaffen, indem sie einen Vergleich über die bestehenden [X.] geschlossen haben (zu der schuldumschaffenden Wirkung eines Vergleichs [X.] 27. August 2014 - 4 [X.] - Rn. 31, [X.]E 149, 60). Der für den Abschluss eines Vergleichs darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass eine solche Einigung erzielt worden wäre. Er kann bereits die für den Kläger handelnde Person nicht namentlich benennen, mit der er die Vereinbarung getroffen haben will.

4. [X.] nicht zu beanstanden ist es, dass die Vorinstanzen angenommen haben, die geltend gemachten [X.] seien nicht erfüllt. Sie sind davon ausgegangen, der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die Zahlungen erfolgt seien, um die streitgegenständlichen Ansprüche zu tilgen. Der [X.] braucht nicht darüber zu entscheiden, ob ein solcher Vortrag vom Beklagten mit Blick auf § 18 Abs. 1 Satz 2 des im [X.]punkt der Zahlung maßgeblichen [X.] vom 3. Mai 2013 idF vom 24. November 2015 ([X.] 2015) überhaupt zu verlangen ist. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2015 sind §§ 366367 BGB nicht anzuwenden. Selbst wenn der tarifvertragliche Ausschluss unwirksam sein sollte, hätte der Beklagte keinen ausreichenden Tatsachenvortrag erbracht, um die Tilgungsreihenfolge der §§ 366, 367 BGB bestimmen zu können.

a) Ist der Ausschluss wirksam, besteht ein durch § 315 BGB begrenztes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des [X.] als Gläubiger der Beiträge ([X.]/[X.] [2016] § 366 Rn. 51). Eine ausdrückliche Erklärung, welche Forderungen mit den geleisteten Zahlungen getilgt werden sollen, hat der Kläger nicht abgegeben. Durch sein prozessuales Verhalten hat er jedoch konkludent zu verstehen gegeben, dass er die Zahlungen jedenfalls nicht zur Tilgung der streitgegenständlichen Ansprüche verstanden wissen will. Er hat den Rechtsstreit weder für erledigt erklärt noch die Klage zurückgenommen, sondern die Ansprüche weiterverfolgt. Dass dieses Verhalten angesichts der zahlreichen Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber dem Kläger unbillig iSv. § 315 BGB wäre, ist nicht ersichtlich.

b) Für den Fall, dass die Tarifvertragsparteien §§ 366367 BGB nicht wirksam abbedingen konnten und die Vorschriften anzuwenden sind, hat der Beklagte keinen ausreichenden Sachvortrag erbracht. Der gezahlte Betrag war nicht ausreichend, alle seine Verbindlichkeiten nebst Zinsen zu tilgen. Der Beklagte hätte jedenfalls die Tatsachen vortragen müssen, aufgrund derer die Erfüllungswirkung anhand der gesetzlichen Tilgungsreihenfolgen nach § 366 Abs. 2 und § 367 Abs. 1 BGB zu ermitteln gewesen wäre.

5. Der Beklagte kann der Durchsetzbarkeit der Klageforderung mit Blick auf die von ihm geleisteten Zahlungen von insgesamt 15.109,41 Euro nicht das sog. Dolo-agit-Gegenrecht entgegenhalten (vgl. zu der Rechtsnatur [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 38 f., [X.]E 162, 221). Danach verstößt gegen [X.] und Glauben, wer eine Leistung verlangt, die er sofort zurückgewähren muss („dolo agit qui petit quod statim redditurus est“, vgl. [X.] 20. Oktober 2016 - 6 [X.] - Rn. 74 [X.]; [X.] 21. April 2016 - I ZR 276/14 - Rn. 12). Dass dem Beklagten aufgrund der zahlreichen Beitrags- und Zinsstreitigkeiten ein wie auch immer gearteter Anspruch auf Rückgewährung der geleisteten Zahlungen aus [X.] zusteht, ist nicht ersichtlich.

6. Ungeachtet der fehlenden Tarifbindung ist der Beklagte an den [X.] 2015 nach § 5 Abs. 4 [X.] gebunden. Der [X.] hat die Allgemeinverbindlicherklärung des [X.] 2015 vom 4. Mai 2016 (BAnz. [X.] Mai 2016 B4) für wirksam befunden ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 27 ff.). Der Beschluss wirkt nach § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG für und gegen jedermann und damit auch für und gegen den Beklagten.

7. Gegen die Geltungserstreckung des [X.] 2009 auf den nicht tarifgebundenen Beklagten durch § 7 Abs. 7 iVm. Anlage 32 [X.] bestehen aus Sicht des [X.]s keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 42 ff.).

a) Die erhobene Verfahrensrüge des Beklagten, das [X.] hätte das [X.] nicht ohne Hinweis als Geltungsgrund für den [X.] 2009 heranziehen dürfen, hat der [X.] geprüft, aber nicht als durchgreifend erachtet. Von einer Begründung sieht der [X.] nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO ab.

b) § 7 [X.] ist mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar (vgl. [X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 30 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 45 ff.). Etwaige Eingriffe in die Tarifautonomie wären jedenfalls gerechtfertigt. Sie erwiesen sich als verhältnismäßig. Dem Gesetzgeber steht ein Prognose- und Beurteilungsspielraum zu. Nach Auffassung des [X.]s hat der Gesetzgeber mit den Erwägungen, die dem [X.] zugrunde liegen, den ihm eröffneten Spielraum nicht überschritten.

c) § 7 [X.] verstößt aus Sicht des [X.]s nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Das gilt nicht nur mit Blick auf den Ausschluss möglicher Rückforderungsansprüche (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 56 ff.), sondern auch hinsichtlich der Beitragspflicht selbst. Ein möglicher Eingriff wäre jedenfalls gerechtfertigt ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 54 ff. [X.]). Da sich der Zugriff auf das Vermögen betroffener Arbeitgeber als rechtmäßig erweist, bleibt für den vom Beklagten angenommenen enteignungsgleichen Eingriff kein Raum.

d) § 7 [X.] verletzt nach Auffassung des [X.]s nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 68 ff.). Der gegenteiligen Ansicht des Beklagten stimmt der [X.] nicht zu.

aa) Der Beklagte musste wie alle Betroffenen mit der nachträglichen - gesetzlichen - Bestätigung der Beitragspflicht aufgrund der [X.] rechnen. Sein Einwand, die vom [X.] entwickelte Fallgruppe der überragenden Belange des Gemeinwohls, nach der eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig ist, sei nicht einschlägig, trägt nicht. Ob der Sachverhalt einer der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zugeordnet werden kann, ist unerheblich, weil sie nicht abschließend sind (vgl. [X.] 17. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 64, [X.]E 135, 1; [X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 47).

bb) Mit dem [X.] hat der Gesetzgeber die in der Entscheidung vom 21. September 2016 (- 10 ABR 33/15 - [X.]E 156, 213) festgestellten formellen Mängel geheilt ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 48; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 94 ff.). Die Ausführungen der Revision veranlassen zu keiner anderen Bewertung.

cc) Bis zum 20. September 2016 bestand keine Grundlage für ein Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des [X.] in der Fassung der Anlage 32 des [X.], auf die § 7 Abs. 7 [X.] verweist (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] 121/18 - Rn. 77 ff.). Es entsprach der weit überwiegenden Rechtsansicht, dass diese Fassung des [X.] wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Die von dem Beklagten und anderen in Anspruch genommenen Arbeitgebern gehegten Zweifel waren keine geeignete Grundlage für die Bildung von Vertrauen dahin, dass auf der Annahme der fehlenden Normwirkung der [X.] beruhenden Dispositionen nicht nachträglich die Grundlage entzogen werden würde ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 49; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 79 ff.). Aus diesem Grund ist es unerheblich, dass sich der Beklagte den gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Kläger und den damit verbundenen Prozesskosten nur deshalb ausgesetzt haben will, weil er von der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des [X.] ausgegangen sei.

dd) Der Beklagte beruft sich vergeblich darauf, die „Ersetzung“ der unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärung durch eine gesetzliche Regelung sei nicht vorhersehbar gewesen. Dem Gesetzgeber steht die Wahl einer anderen Rechtsform als der in § 5 [X.] geregelten Allgemeinverbindlicherklärung für die Erstreckung eines Tarifvertrags auf Außenseiter frei. Die Rechtsform ändert nichts an Inhalt und Ergebnis der Erwägungen zu der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 50; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 51).

e) § 7 [X.] „kassiert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts [X.] Recht gesetzt werden. Dies hält der [X.] für verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 92 ff.).

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gallner    

        

    Pulz    

        

    Pessinger    

        

        

        

    Merkel    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 498/17

03.07.2019

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 23. März 2016, Az: 3 Ca 267/15, Urteil

§ 236 Abs 2 S 2 ZPO, § 234 Abs 3 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 7 Abs 7 SokaSiG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 10 AZR 498/17 (REWIS RS 2019, 5839)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5839

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