Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. 10 AZR 523/17

10. Senat | REWIS RS 2019, 2063

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Gegenstand

Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft -SokaSiG


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. August 2017 - 10 [X.]/17 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Beiträge nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 3. Dezember 2013 ([X.] 2013 II).

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den [X.] verpflichtet. Die im streitgegenständlichen Zeitraum im [X.] L ansässige Beklagte ist nicht Mitglied eines der den [X.] 2013 II schließenden Verbände. Sie ist im Bereich der [X.] tätig. Auf der Grundlage des [X.] 2013 II begehrt der Kläger von der Beklagten Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in unstreitiger Höhe von insgesamt 11.328,34 [X.] für die Monate Januar bis Dezember 2014. Der Senat hat festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des [X.] 2013 II unwirksam ist ([X.] 21. September 2016 - 10 [X.] - [X.]E 156, 289).

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde die geforderten Beiträge. [X.] hat sich der Kläger zunächst auf die Allgemeinverbindlicherklärung des [X.] 2013 II berufen. Später hat er sich auch auf materiell-rechtliche Tarifverträge gestützt: § 8 Nr. 15 des [X.] für das Baugewerbe ([X.]) vom 4. Juli 2002 idF vom 17. Dezember 2012, § 32 Abs. 1 des Tarifvertrags über die Berufsbildung im Baugewerbe ([X.]) vom 29. Januar 1987 idF vom 3. Mai 2013 sowie § 13 des Tarifvertrags über Rentenbeihilfen im Baugewerbe ([X.]) vom 31. Oktober 2002, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 5. Dezember 2007. Außerdem hat sich der Kläger auf einen aus seiner Sicht nachwirkenden [X.] berufen. Er hat sich in der Berufungsinstanz auch auf das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 ([X.]) gestützt. In der Revisionsinstanz hat der Kläger mitgeteilt, sich nur noch auf das [X.] zu berufen.

4

In einem zunächst getrennt geführten Rechtsstreit hat der Kläger einen [X.] über 2.888,24 [X.] erwirkt, gegen den die Beklagte Einspruch eingelegt hat. Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich vier das [X.] betreffenden Verfahren verbunden. Es hat den [X.] durch Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Auf den Einspruch des [X.] hat das Arbeitsgericht das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten.

5

Der Kläger hat vor dem [X.] zuletzt beantragt,

        

das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufzuheben, den [X.] vom 4. November 2014 aufrechtzuerhalten und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.440,10 [X.] zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sei nicht an den [X.] 2013 II gebunden. Als [X.] komme insbesondere nicht das [X.] in Betracht. Indem sich der Kläger auf das [X.] berufe, habe er die Klage unzulässig geändert. Das [X.] sei jedenfalls verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Verbot rückwirkender Gesetze und sei weder mit der Koalitionsfreiheit noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Zudem stelle es ein unzulässiges Einzelfallgesetz dar, das den Grundsatz der Gewaltenteilung verletze.

7

Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, das klageabweisende Versäumnisurteil aufgehoben, den [X.] über 2.888,24 [X.] aufrechterhalten und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 8.440,10 [X.] zu zahlen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, dass das klageabweisende Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision ist unbegründet.

9

1. [X.] ist zulässig. Das [X.] ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Kläger die Berufung ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO begründet hat (vgl. zu den Anforderungen die [X.]Rspr., zB [X.] 23. November 2017 - 8 [X.] - Rn. 14; 26. April 2017 - 10 [X.] - Rn. 13).

2. Der Kläger hat die Klage nicht geändert, indem er sich in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das [X.] als [X.] für den Verfahrenstarifvertrag berufen hat. Unabhängig von anderen Anspruchsgrundlagen hat er erstinstanzlich an der Allgemeinverbindlicherklärung vom 17. März 2014 als [X.] festgehalten (BAnz. [X.] 19. März 2014 [X.]). Es handelt sich um eine Anspruchskonkurrenz innerhalb desselben Streitgegenstands. [X.] nach den [X.], für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 [X.] in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 14; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 27; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 12; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 15; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 18 ff., [X.]E 164, 201).

3. Die Klage ist zulässig. Sie ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Klage sowohl auf das [X.] als auch auf § 8 Nr. 15 [X.], § 32 Abs. 1 [X.] und § 13 [X.] sowie auf einen aus seiner Sicht nachwirkenden [X.] gestützt hat. Der [X.] muss nicht darüber entscheiden, ob die vom Kläger herangezogenen unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen verschiedene Streitgegenstände darstellen. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unvereinbare alternative Klagehäufung (vgl. dazu [X.] 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 40; 2. August 2018 - 6 [X.] - Rn. 18 [X.], [X.]E 163, 205; [X.] 21. November 2017 - II [X.]/15 - Rn. 8 f.). Der Kläger hat - entgegen der Auffassung des [X.]s - bereits in der Berufungsbegründung klargestellt, dass er seinen Beitragsanspruch vorrangig auf das [X.] und nur hilfsweise auf andere [X.] stützt. Er hat ausgeführt, auf eine mögliche Nachwirkung und die materiellen Tarifverträge werde es nicht mehr ankommen, weil das in Kürze in [X.] tretende [X.] eine ausreichende Anspruchsgrundlage darstelle. Damit hat er bereits in der Berufungsinstanz hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Klageforderung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vorrangig auf das [X.] stützt. In der Revisionsinstanz hat er sich allein auf das [X.] berufen.

4. Die Klage ist begründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Kläger Anspruch auf die geltend gemachten Beiträge für Januar bis Dezember 2014 hat.

a) Dem Kläger stehen die in der Höhe nicht streitigen Beiträge für diesen Zeitraum nach § 7 Abs. 3 iVm. der Anlage 28 [X.] zu. Die Anlage 28 [X.] enthält den vollständigen Text des [X.] in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (vgl. den Anlageband zum [X.]. I Nr. 29 vom 24. Mai 2017 S. 283 bis 295). Die in § 7 Abs. 3 [X.] angeordnete Geltungserstreckung des [X.] 2013 II auf nicht [X.] ist aus Sicht des [X.]s verfassungsgemäß. Die Beitragspflicht der Beklagten folgt aus § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 iVm. § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2013 II.

aa) Der in [X.] gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des [X.] 2013 II (§ 1 Abs. 1 [X.] 2013 II). Die bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer werden vom persönlichen Geltungsbereich des [X.] 2013 II erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2013 II).

bb) Das [X.] hat für den [X.] nach § 559 ZPO bindend festgestellt, dass die Beklagte Horizontalbohrungen durchführt. Die Beklagte hat hiergegen keine Verfahrensrügen erhoben. Damit steht für den [X.] fest, dass die Beklagte „Bohrarbeiten“ durchführt, für die der betriebliche Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 [X.] 2013 II eröffnet ist.

b) Der [X.] 2013 II kommt auf der Grundlage von § 7 Abs. 3 iVm. der Anlage 28 [X.] zur Anwendung. Das [X.] ist als [X.] für die [X.] nach Auffassung des [X.]s verfassungsgemäß ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] - Rn. 20 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 84 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 23 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 39 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 81 ff.; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 29 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 47 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 32 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 42 ff., [X.]E 164, 201). Die Angriffe der Revision führen zu keiner anderen Beurteilung.

aa) § 7 [X.] ist entgegen der Auffassung der Beklagten formell verfassungsgemäß.

(1) Die Gesetzgebungskompetenz des [X.] ergibt sich aus Art. 70 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Der Kompetenztitel „Arbeitsrecht“ begründet eine umfassende Zuständigkeit des [X.] für privatrechtliche und auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Rechtsbeziehungen im Arbeitsverhältnis ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 BvR 1375/14 - Rn. 36, [X.]E 149, 126). Er umfasst neben dem Recht der Individualarbeitsverträge auch das Tarifvertragsrecht, ohne dem Vorbehalt der Erforderlichkeit des Art. 72 Abs. 2 GG zu unterliegen ([X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 [X.], 1 [X.], 1 BvR 1477/16 - Rn. 126, [X.]E 146, 71; [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 44, [X.]E 164, 201).

(2) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien in § 5 [X.] die Möglichkeit eingeräumt hat, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu beantragen, ergibt sich keine wie auch immer geartete „Selbstbindung“ des Gesetzgebers. Insbesondere war er nicht wegen § 5 [X.] daran gehindert, das [X.] zu erlassen.

(a) [X.] von Tarifverträgen auf nicht originär [X.] war bereits mit Blick auf § 7 [X.] schon vor Inkrafttreten des [X.] nicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 [X.] beschränkt.

(b) Der Gesetzgeber ist dazu befugt, die Funktionsfähigkeit des [X.] durch gesetzliche Regelungen herzustellen und zu sichern. Er kann auch bereits bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen für das Handeln der Koalitionen ändern oder ergänzen, um dem Handeln der Koalitionen und insbesondere der Tarifautonomie Geltung zu verschaffen (vgl. [X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 [X.], 1 [X.], 1 BvR 1477/16 - Rn. 144, 147, [X.]E 146, 71). Daher ist es ihm unbenommen, sich für eine andere Rechtsform als die in § 5 [X.] geregelte Allgemeinverbindlicherklärung zu entscheiden ([X.] 18. Juli 2000 - 1 [X.]/00 - zu II 2 der Gründe).

bb) § 7 [X.] verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 85 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 41; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 30 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 45 ff., [X.]E 164, 201).

(1) Nach Auffassung des [X.]s verletzt das [X.] nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung der [X.] einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] - Rn. 21; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 34; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 48; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 52, [X.]E 164, 201).

(2) Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit kann entgegen der Auffassung der Revision nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber „erstmals derart in gesetzlich privatautonom geregelte Regelungsbereiche der Tarifvertragsparteien vordringt“ und es wegen des unterschiedlichen Grads der [X.] „einen erheblichen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber eine Regelung trifft oder die Tarifvertragsparteien“. Die Tarifvertragsparteien hatten für alle von § 7 [X.] in Bezug genommenen [X.] einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt. Beim Erlass einer Allgemeinverbindlicherklärung unterliegt der Normgeber der [X.] (vgl. zur [X.] ausführlich [X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 43 ff.).

(3) Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie durch die gesetzliche Geltungserstreckung ist jedenfalls im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit des [X.] gerechtfertigt. Das [X.] dient einem legitimen Zweck, weil es den Fortbestand der Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sichern und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen soll. Indem § 7 [X.] nicht nur Rückforderungsansprüche ausschließt, sondern auch den zukünftigen Beitragseinzug sicherstellt, kann dieser Zweck erreicht werden. Eine auf Rückforderungsansprüche beschränkte Regelung wäre zwar milder gewesen, aber nicht gleich wirksam ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 35 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 48 ff.). Die mit § 7 [X.] verbundenen Belastungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber hält der [X.] angesichts der mit der Norm verfolgten Ziele für zumutbar ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 87; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 43 [X.]).

cc) § 7 [X.] „annulliert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts [X.] Recht gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat dabei weder die Rechtsprechung des [X.]s „kassiert“ noch hat er „neues“ Recht geschaffen oder in die allein dem [X.]verfassungsgericht zukommende Kompetenz zur Aufhebung von Akten der Judikative eingegriffen. Vielmehr hat er lediglich eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung der [X.] durch eine wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnung ersetzt, um auf diese Weise den weitreichenden Folgen der Beschlüsse des [X.]s vom 21. September 2016 entgegenzuwirken ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 89; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 95; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 92 f., [X.]E 164, 201).

dd) § 7 [X.] verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] - Rn. 23 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 90 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 90 ff.; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 46 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 58 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 68 ff., [X.]E 164, 201). Es kommt allein darauf an, ob die betroffene Personengruppe bei objektiver Betrachtung auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen konnte ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 91; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 47 [X.]). Das ist nicht der Fall.

(1) Mit Blick auf den von § 7 Abs. 3 [X.] erfassten Zeitraum konnte sich bei der Beklagten aufgrund der Entscheidung des [X.]s vom 21. September 2016 (- 10 [X.] - [X.]E 156, 289) kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, nicht zu [X.] herangezogen zu werden. Vielmehr musste sie nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von § 7 Abs. 3 [X.] zurückbezogen wird, damit rechnen, dass die tariflichen Rechtsnormen durch Gesetz rückwirkend wieder auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt werden würden. Der Gesetzgeber brauchte auf zwischenzeitlich dennoch getätigte gegenläufige Vermögensdispositionen keine Rücksicht zu nehmen (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 82 ff., [X.]E 164, 201). Der Hinweis der Revision auf § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verfängt schon deshalb nicht, weil die Norm nur das Vertrauen in die Wirksamkeit, nicht aber in die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts schützt. Selbst mit der von der Beklagten für möglich gehaltenen analogen Anwendung der Vorschrift auf Allgemeinverbindlicherklärungen kann das von ihr erstrebte Ziel nicht erreicht werden.

(2) Soweit die Revision anführt, die Beklagte habe seit jeher an der Wirksamkeit der im Streitfall einschlägigen Allgemeinverbindlicherklärung gezweifelt, war ein - etwa - dadurch bei ihr entstandenes Vertrauen auf die letztlich höchstrichterlich bestätigte Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung jedenfalls nicht schützenswert. Entscheidend ist eine objektive Betrachtung ([X.] 17. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 64, [X.]E 135, 1). Objektiv durfte niemand auf die Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung vertrauen, weil die weit überwiegende Rechtsansicht sie jedenfalls bis zu den Entscheidungen des [X.]s vom 21. September 2016 für wirksam gehalten hatte ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] - Rn. 26; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 92; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 46; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 49; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 76 ff., [X.]E 164, 201).

(3) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie aufgrund der Entscheidungen des [X.]s vom 21. September 2016 trotz der in der Folgezeit zu beobachtenden gesetzgeberischen Aktivitäten auf den Fortbestand des tariflosen Zustands vertraut habe. Der Bildung von Vertrauen auf den Bestand dieser Rechtslage steht entgegen, dass die gesetzliche Wiederherstellung der [X.] auf tariffreie Arbeitgeber bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidungsformel im [X.]anzeiger absehbar war ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] - Rn. 27; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 62; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 82 ff. [X.], [X.]E 164, 201). Nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Deutschen [X.]tag war ein entstandenes Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage jedenfalls wieder zerstört ([X.] 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - Rn. 151, [X.]E 148, 217; [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 90, aaO).

ee) Das [X.] verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 57; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 63 ff., [X.]E 164, 201).

(1) § 7 [X.] führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer Ungleichbehandlung, sondern zu einer Gleichbehandlung aller Baubetriebe, die unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der dort genannten [X.] fallen, unabhängig von einer bestehenden Verbandsmitgliedschaft. Die tarifgebundenen Unternehmen müssen dieselben Beiträge leisten wie die Nichtmitglieder. Sie genießen ihnen gegenüber auch keine sonstigen Privilegien ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 57; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 65, [X.]E 164, 201).

(2) Ob die entgegen der Auffassung der Revision nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen den [X.] und Ost mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, kann dahinstehen. Eine sich als materiell unwirksam erweisende tarifliche Regelung wird durch § 7 [X.] nicht „geheilt“. Nach § 11 [X.] gelten die tarifvertraglichen Rechtsnormen, auf die in § 7 [X.] verwiesen wird, lediglich unabhängig davon, ob die Tarifverträge wirksam abgeschlossen wurden. Damit gelten die jeweils statisch in Bezug genommenen [X.] nur in verfassungskonformem Zustand. Ihre Normen unterliegen ebenso wie für allgemeinverbindlich erklärte [X.] der Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 67, [X.]E 164, 201).

(3) Inwieweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin zu erkennen sein könnte, dass sich der Gesetzgeber nicht auf den Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsansprüche beschränkt hat, erschließt sich aus dem Vortrag der Revision nicht. Sollte eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gemeint sein, verstößt § 7 [X.] aus Sicht des [X.]s auch hinsichtlich der Beitragspflicht nicht gegen die Eigentumsgarantie. Ein möglicher Eingriff wäre jedenfalls gerechtfertigt (zB [X.] 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 42; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 54 ff. [X.]; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 56 ff., [X.]E 164, 201).

ff) Bei dem [X.] handelt es sich nicht um ein nach Art. 19 Abs. 1 GG unzulässiges Einzelfallgesetz. Die Bestimmung greift nicht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle einen einzelnen Fall oder eine bestimmte Gruppe heraus ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 64; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 105 ff., [X.]E 164, 201).

II. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gallner    

        

    Pessinger    

        

    Pulz    

        

        

        

    Scheck    

        

    Schürmann    

                 

Meta

10 AZR 523/17

30.10.2019

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 11. Januar 2017, Az: 11 Ca 1840/16, Urteil

§ 7 Abs 3 SokaSiG, Anl 28 SokaSiG, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 6 VTV-Bau, § 5 TVG, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. 10 AZR 523/17 (REWIS RS 2019, 2063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2063

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