Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. 10 AZR 38/18

10. Senat | REWIS RS 2019, 2061

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Gegenstand

Beitragspflichten zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft - Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 (SokaSiG)


Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. September 2017 - 22 Sa 1701/16 - werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten der Revisionen wie Gesamtschuldner zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Beiträge zu den [X.].

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den [X.] verpflichtet. Er nimmt die Beklagten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 3. Dezember 2013 ([X.] 2013 II) auf Zahlung von Durchschnittsbeiträgen für einen gewerblichen Arbeitnehmer für die Monate Juli und August 2014 iHv. jeweils 546,00 [X.] in Anspruch.

3

Die nicht originär tarifgebundenen Beklagten unterhalten im Ostteil des [X.] einen Gewerbebetrieb, in dem [X.] und Montagearbeiten ausgeführt werden.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten schuldeten die geltend gemachten Beiträge, weil sie mit ihrem baugewerblichen Betrieb dem [X.] 2013 II unterfielen. An ihn seien sie aufgrund des SokaSiG gebunden, das verfassungsgemäß sei.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.092,00 [X.] zu zahlen.

6

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie seien nicht an den [X.] 2013 II gebunden. Als [X.] komme insbesondere nicht das SokaSiG in Betracht. Indem sich der Kläger auf das SokaSiG berufe, habe er die Klage unzulässig geändert. Das SokaSiG sei jedenfalls verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Verbot rückwirkender Gesetze und sei weder mit der Koalitionsfreiheit noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Zudem stelle es ein unzulässiges Einzelfallgesetz dar, das den Grundsatz der Gewaltenteilung verletze.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit den vom [X.] zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten weiterhin ihr Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

8

Die Revisionen sind unbegründet. Das [X.] hat die Berufungen zu Recht zurückgewiesen und die Klage als begründet angesehen.

9

I. Der Kläger hat die zulässige Klage nicht geändert, indem er sich in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das [X.] als Geltungsgrund für den [X.] 2013 II berufen hat. [X.] nach den [X.], für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 [X.] in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 14; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 27; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 12; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 15; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 18 ff., [X.]E 164, 201).

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat für die Monate Juli und August 2014 [X.] für einen gewerblichen Arbeitnehmer iHv. insgesamt 1.092,00 Euro, für die die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch haften. Ihre Haftung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 128 HGB. Für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften neben dem Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter nach § 128 HGB analog grundsätzlich akzessorisch, persönlich, primär, unbeschränkt und in voller Höhe ([X.] 10. Mai 2016 - 9 [X.] - Rn. 46; [X.] 8. Februar 2011 - II [X.]/09 - Rn. 23, [X.]Z 188, 233). Die Ansprüche ergeben sich aus § 7 Abs. 3 iVm. Anlage 28 [X.] Die Anlage 28 enthält den vollständigen Text des [X.] 2013 II (vgl. den Anlageband zum [X.]. I Nr. 29 vom 24. Mai 2017 S. 283 bis 295). Die in § 7 Abs. 3 [X.] angeordnete Geltungserstreckung des [X.] 2013 II auf nicht [X.] ist aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Die Beitragspflichten folgen aus § 15 Abs. 3 Satz 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2013 II. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht sind erfüllt.

1. Der im Ostteil des [X.] gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des [X.] 2013 II (§ 1 Abs. 1 [X.] 2013 II). Der bei den Beklagten beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer wird vom persönlichen Geltungsbereich des [X.] 2013 II erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] 2013 II). Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 [X.] 2013 II eröffnet. Im Betrieb der Beklagten werden nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen in Form von Trocken- und Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 [X.] 2013 II ausgeführt.

2. Die Voraussetzungen der § 15 Abs. 3 Satz 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2013 II sind erfüllt.

a) Die Beklagten sind der Behauptung des [X.], sie beschäftigten mindestens einen gewerblichen Arbeitnehmer, nicht entgegengetreten. Da der Betrieb der Beklagten im Ostteil des [X.] gelegen ist, besteht nach § 15 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2013 II eine Beitragspflicht iHv. [X.] der Bruttolohnsumme.

b) Der Kläger ist berechtigt, die geschuldeten Beiträge im Weg einer Durchschnittsbeitragsklage unter Heranziehung der vom [X.] ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Bauwirtschaft geltend zu machen (vgl. [X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 45; 13. November 2013 - 10 [X.] 842/12 - Rn. 27 [X.]). Die auf diese Weise ermittelten Beiträge wurden vom Kläger schlüssig begründet und führen bei einem gewerblichen Arbeitnehmer im Streitzeitraum zu [X.]n von insgesamt 1.092,00 Euro.

3. Der [X.] 2013 II kommt auf der Grundlage von § 7 Abs. 3 iVm. Anlage 28 [X.] zur Anwendung. Das [X.] ist als Geltungsgrund für die [X.] nach Auffassung des Senats verfassungsgemäß ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] 562/18 - Rn. 20 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 84 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] 550/18 - Rn. 23 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 39 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] 499/17 - Rn. 81 ff.; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 29 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 47 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] 512/17 - Rn. 32 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 42 ff., [X.]E 164, 201). Die Angriffe der Revisionen führen zu keiner anderen Beurteilung.

a) § 7 [X.] ist aus Sicht des Senats entgegen der Auffassung der Beklagten formell verfassungsgemäß.

aa) Die Gesetzgebungskompetenz des [X.] ergibt sich aus Art. 70 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Der Kompetenztitel „Arbeitsrecht“ begründet eine umfassende Zuständigkeit des [X.] für privatrechtliche und auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Rechtsbeziehungen im Arbeitsverhältnis ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 BvR 1375/14 - Rn. 36, [X.]E 149, 126). Er umfasst neben dem Recht der Individualarbeitsverträge auch das Tarifvertragsrecht, ohne dem Vorbehalt der Erforderlichkeit des Art. 72 Abs. 2 GG zu unterliegen ([X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 [X.], 1 [X.], 1 BvR 1477/16 - Rn. 126, [X.]E 146, 71; [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 44, [X.]E 164, 201).

bb) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien in § 5 [X.] die Möglichkeit eingeräumt hat, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu beantragen, ergibt sich keine wie auch immer geartete „Selbstbindung“ des Gesetzgebers. Insbesondere war er nicht wegen § 5 [X.] daran gehindert, das [X.] zu erlassen.

(1) [X.] von Tarifverträgen auf nicht originär [X.] war allein mit Blick auf § 7 [X.] schon vor Inkrafttreten des [X.] nicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 [X.] beschränkt.

(2) Der Gesetzgeber ist dazu befugt, die Funktionsfähigkeit des [X.] durch gesetzliche Regelungen herzustellen und zu sichern. Er kann auch bereits bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen für das Handeln der Koalitionen ändern oder ergänzen, um dem Handeln der Koalitionen und insbesondere der Tarifautonomie Geltung zu verschaffen (vgl. [X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 [X.], 1 [X.], 1 BvR 1477/16 - Rn. 144, 147, [X.]E 146, 71). Daher ist es ihm unbenommen, sich für eine andere Rechtsform als die in § 5 [X.] geregelte Allgemeinverbindlicherklärung zu entscheiden ([X.] 18. Juli 2000 - 1 [X.]/00 - zu II 2 der Gründe).

b) § 7 [X.] verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 85 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 41; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 30 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 45 ff., [X.]E 164, 201).

aa) Nach Auffassung des Senats verletzt das [X.] nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung des [X.] einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] 562/18 - Rn. 21; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 34; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 48; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 52, [X.]E 164, 201).

bb) Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit kann entgegen der Auffassung der Revisionen nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber „erstmals derart in gesetzlich privatautonom geregelte Regelungsbereiche der Tarifvertragsparteien vordringt“ und es wegen des unterschiedlichen Grads der [X.] „einen erheblichen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber eine Regelung trifft oder die Tarifvertragsparteien“. Die Tarifvertragsparteien hatten für alle von § 7 [X.] in Bezug genommenen [X.] einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt. Beim Erlass einer Allgemeinverbindlicherklärung unterliegt der Normgeber der [X.] (vgl. zur [X.] ausführlich [X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 43 ff.).

cc) Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie durch die gesetzliche Geltungserstreckung ist jedenfalls im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit des [X.] gerechtfertigt. Das [X.] dient einem legitimen Zweck, weil es den Fortbestand der Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sichern und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen soll. Indem § 7 [X.] nicht nur Rückforderungsansprüche ausschließt, sondern auch den zukünftigen Beitragseinzug sicherstellt, kann dieser Zweck erreicht werden. Eine auf Rückforderungsansprüche beschränkte Regelung wäre zwar milder gewesen, aber nicht gleich wirksam ([X.] 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 35 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 48 ff.). Die mit § 7 [X.] verbundenen Belastungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber hält der Senat angesichts der mit der Norm verfolgten Ziele für zumutbar ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 87; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 43 [X.]).

c) § 7 [X.] „annulliert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts [X.] Recht gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat dabei weder die Rechtsprechung des Senats „kassiert“ noch hat er „neues“ Recht geschaffen oder in die allein dem [X.]verfassungsgericht zukommende Kompetenz zur Aufhebung von Akten der Judikative eingegriffen. Vielmehr hat er lediglich eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung der [X.] durch eine wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnung ersetzt, um auf diese Weise den weitreichenden Folgen der Beschlüsse des Senats vom 21. September 2016 entgegenzuwirken ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 89; 3. Juli 2019 - 10 [X.] 499/17 - Rn. 95; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 92 f., [X.]E 164, 201).

d) § 7 [X.] verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] 562/18 - Rn. 23 ff.; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 90 ff.; 3. Juli 2019 - 10 [X.] 499/17 - Rn. 90 ff.; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 46 ff.; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 58 ff.; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 68 ff., [X.]E 164, 201). Es kommt allein darauf an, ob die betroffene Personengruppe bei objektiver Betrachtung auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen konnte ([X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 91; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 47 [X.]). Das ist nicht der Fall.

aa) Mit Blick auf den von § 7 Abs. 3 [X.] erfassten Zeitraum konnte sich bei den Beklagten aufgrund der Entscheidung des Senats vom 21. September 2016 (- 10 [X.] - [X.]E 156, 289) kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, nicht zu [X.] herangezogen zu werden. Vielmehr mussten sie nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von § 7 Abs. 3 [X.] zurückbezogen wird, damit rechnen, dass die tariflichen Rechtsnormen durch Gesetz rückwirkend wieder auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt werden würden. Der Gesetzgeber brauchte auf zwischenzeitlich dennoch getätigte gegenläufige Vermögensdispositionen keine Rücksicht zu nehmen (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 82 ff., [X.]E 164, 201). Der in diesem Zusammenhang von den Revisionen angebrachte Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verfängt schon deshalb nicht, weil die Norm nur das Vertrauen in die Wirksamkeit, nicht aber in die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts schützt. Selbst mit der von den Beklagten offenbar für möglich gehaltenen analogen Anwendung der Vorschrift auf Allgemeinverbindlicherklärungen kann das von ihnen erstrebte Ziel nicht erreicht werden.

bb) Soweit die Revisionen anführen, die Beklagten hätten seit jeher an der Wirksamkeit der im Streitfall einschlägigen Allgemeinverbindlicherklärung gezweifelt, war ein - etwa - dadurch bei ihnen entstandenes Vertrauen auf die letztlich höchstrichterlich bestätigte Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung jedenfalls nicht schützenswert. Entscheidend ist eine objektive Betrachtung ([X.] 17. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 64, [X.]E 135, 1). Objektiv durfte niemand auf die Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung vertrauen, weil die weit überwiegende Rechtsansicht sie jedenfalls bis zu den Entscheidungen des Senats vom 21. September 2016 für wirksam gehalten hatte ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] 562/18 - Rn. 26; 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 92; 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 46; 8. Mai 2019 - 10 [X.] - Rn. 49; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 76 ff., [X.]E 164, 201).

cc) Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie aufgrund der Entscheidungen des Senats vom 21. September 2016 trotz der in der Folgezeit zu beobachtenden gesetzgeberischen Aktivitäten auf den Fortbestand des tariflosen Zustands vertraut hätten. Der Bildung von Vertrauen auf den Bestand dieser Rechtslage steht entgegen, dass die gesetzliche Wiederherstellung der [X.] auf tariffreie Arbeitgeber bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidungsformel im [X.]anzeiger absehbar war ([X.] 24. September 2019 - 10 [X.] 562/18 - Rn. 27; 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 62; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 82 ff. [X.], [X.]E 164, 201). Nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Deutschen [X.]tag war ein - etwa - entstandenes Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage jedenfalls wieder zerstört ([X.] 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - Rn. 151, [X.]E 148, 217; [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 90, aaO).

e) Das [X.] verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 57; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 63 ff., [X.]E 164, 201).

aa) § 7 [X.] führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer Ungleichbehandlung, sondern zu einer Gleichbehandlung aller Baubetriebe, die unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der dort genannten [X.] fallen, unabhängig von einer bestehenden Verbandsmitgliedschaft. Die tarifgebundenen Betriebe müssen dieselben Beiträge leisten wie die Nichtmitglieder. Sie genießen ihnen gegenüber auch keine sonstigen Privilegien ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 57; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 65, [X.]E 164, 201).

bb) Ob die entgegen der Auffassung der Revisionen nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen den [X.] und Ost mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, kann dahinstehen. Eine sich als materiell unwirksam erweisende tarifliche Regelung wird durch § 7 [X.] nicht „geheilt“. Nach § 11 [X.] gelten die tarifvertraglichen Rechtsnormen, auf die in § 7 [X.] verwiesen wird, lediglich unabhängig davon, ob die Tarifverträge wirksam abgeschlossen wurden. Damit gelten die jeweils statisch in Bezug genommenen [X.] nur in verfassungskonformem Zustand. Ihre Normen unterliegen ebenso wie für allgemeinverbindlich erklärte [X.] der Bindung an die Grundrechte nach Art. 3 Abs. 1 GG ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 67, [X.]E 164, 201).

cc) Inwieweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin zu erkennen sein könnte, dass sich der Gesetzgeber nicht auf den Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsansprüche beschränkt hat, erschließt sich aus dem Vortrag der Revisionen nicht.

f) Bei dem [X.] handelt es sich nicht um ein nach Art. 19 Abs. 1 GG unzulässiges Einzelfallgesetz. Die Bestimmung greift nicht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle einen einzelnen Fall oder eine bestimmte Gruppe heraus ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 64; 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 105 ff., [X.]E 164, 201).

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

        

    Gallner    

        

    Pulz    

        

    Pessinger    

        

        

        

    Schürmann    

        

    Scheck    

                 

Meta

10 AZR 38/18

30.10.2019

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 12. Juli 2016, Az: 15 Ca 80785/16, Urteil

§ 7 Abs 3 SokaSiG, Anl 28 SokaSiG, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 5 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. 10 AZR 38/18 (REWIS RS 2019, 2061)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2061

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