Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2022, Az. XI ZB 28/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8151

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) HAFTUNG

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Gegenstand

Kapitalanleger-Musterverfahren: Schadensersatz wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts


Leitsatz

Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung schließt in ihrem Anwendungsbereich auch eine Haftung eines Gründungsgesellschafters als Treuhandkommanditist unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus (Fortführung BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff. und Bestätigung BGH, Beschluss vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, juris Rn. 60 f.).

Tenor

Die Rechtsbeschwerden des [X.] und der Rechtsbeschwerdeführer gegen den Musterentscheid des [X.] vom 29. Oktober 2021 werden insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Musterklägers auf Bewilligung einer besonderen Gebühr gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 [X.] richten.

Im Übrigen werden die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des [X.] und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen [X.] tragen der [X.], die Rechtsbeschwerdeführer und die beigetretenen Beigeladenen wie folgt:

Musterrechtsbeschwerdeführer

17,2%

Rechtsbeschwerdeführer zu 1

3,4%

Rechtsbeschwerdeführerin zu 2        

17,9%

Beigetretene zu 1

2,6%

Beigetretener zu 2

2,7%

Beigetretene zu 3

18,1%

Beigetretener zu 4

2,8%

Beigetretener zu 5

18,1%

Beigetretene zu 6

14,5%

Beigetretener zu 7

2,7%

Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der [X.], die Rechtsbeschwerdeführer und die beigetretenen Beigeladenen jeweils selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis 2.700.000 € festgesetzt.

Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des [X.] wird für die Prozessbevollmächtigten des [X.], der Rechtsbeschwerdeführer und der beigetretenen Beigeladenen auf 580.670,88 € und für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen [X.] auf bis 2.700.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem [X.] ([X.]) darüber, ob der bei der Emission der Beteiligung "H.                 " (im Folgenden: Fonds) am 14. Juli 2006 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die [X.] hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können.

2

Bei dem Fonds handelte es sich um eine Beteiligung an den vier Einschiffgesellschaften MS "J.  SA.         "                   [X.], [X.].      "           [X.], [X.]"                   G[X.] und [X.]"                   G[X.]. Gegenstand der Unternehmen war der Erwerb und Betrieb des jeweiligen Schiffs.

3

Die [X.] zu 1 war im Prospekt als [X.] aufgeführt und Gründungsgesellschafterin der vier Einschiffgesellschaften. Die [X.] zu 2 war ebenfalls Gründungsgesellschafterin sowie Schwestergesellschaft der [X.] zu 1, Treuhandkommanditistin und Gesellschafterin der geschäftsführenden [X.] der Einschiffgesellschaften mit einem Anteil von jeweils 50%. Die [X.] zu 3 wurde aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11. April 2013 von der [X.] zu 2 abgespalten.

4

Die [X.] werden auf Schadensersatz wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen.

5

Das [X.] hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 dem [X.] zum Zweck der Herbeiführung eines [X.]s vorgelegt. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2020 hat das [X.] einige [X.] konkretisiert. Mit den [X.]n werden [X.] geltend gemacht.

6

Das [X.] hat durch [X.] vom 29. Oktober 2021 den Vorlagebeschluss des [X.]s für gegenstandslos erklärt. Zudem hat es den Antrag der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.]s auf Bewilligung einer besonderen Gebühr gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 [X.] zurückgewiesen.

7

Gegen den [X.] haben der [X.] und zwei Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt.

8

Der Senat hat mit Beschluss vom 1. März 2022 die [X.] zu 2 zur [X.] bestimmt. Die [X.] zu 1 und 3 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 [X.] auf Seiten der [X.] beigetreten. Ebenfalls innerhalb dieser Frist sind sieben Beigeladene auf Seiten des [X.] beigetreten.

B.

9

[X.] haben im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

1. [X.] sind unstatthaft, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.]s auf Bewilligung einer besonderen Gebühr gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 [X.] wenden. Die Entscheidung des [X.]s ist gemäß § 41a Abs. 3 Satz 5 [X.] unanfechtbar.

2. Im Übrigen sind die Rechtsbeschwerden zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formulieren einen ordnungsgemäßen [X.] (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

[X.]

[X.] haben keinen Erfolg. Das [X.] hat zu Recht den Vorlagebeschluss des [X.]s als gegenstandslos angesehen.

1. Das [X.] hat zur Begründung des [X.]s - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Der (teilweise vom Senat konkretisierte) Vorlagebeschluss sei dahin auszulegen, dass [X.] ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen. Eine solche Haftung der [X.] sei aber aus Rechtsgründen nicht gegeben, so dass es auf Feststellungen zu [X.]n nicht ankomme.

Eine Haftung der [X.] als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB könne nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage werde vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung - hier gemäß § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung - verdrängt.

Die [X.] zu 1 sei [X.] nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF, da sie im Prospekt als [X.] genannt werde. Die [X.] zu 2 und 3 seien verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF. Die [X.] zu 2, aus der die [X.] zu 3 aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11. April 2013 hervorgegangen sei, sei Gründungsgesellschafterin der [X.]. Ob dies für sich genommen für die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF schon genüge, könne offenbleiben. Im vorliegenden Verfahren kämen weitere erhebliche Aspekte hinzu, die eine Verantwortlichkeit der [X.] zu 2 für den Prospekt begründeten.

2. [X.] sind unbegründet. Das [X.] hat zu Recht darauf abgestellt, dass die mit den [X.]n behaupteten [X.] ausschließlich als anspruchsbegründende Tatsachen eines Anspruchs wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung geltend gemacht worden sind. Das [X.] ist ferner zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass es wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung für die Frage, ob [X.] vorliegen, am [X.] fehlt, so dass der Vorlagebeschluss gegenstandslos ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2022 - [X.], [X.], 47 Rn. 13 ff.).

a) Wie bereits der Vorlagebeschluss ausführt, dienen vorliegend die [X.] ausschließlich dazu, eine Prospekthaftung der [X.] im weiteren Sinne wegen eines falschen, unvollständigen und irreführenden Prospekts zu begründen. Dies ergibt sich auch daraus, dass entsprechende [X.] zur Haftung der [X.] zum Gegenstand des [X.] gemacht werden sollten, was das [X.] jedoch nicht getan hat.

b) Eine Haftung der [X.] als Gründungsgesellschafterinnen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 7 f. [X.] in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908 und vom 26. Juli 2022 - [X.], [X.], 2137 Rn. 50 ff. [X.]) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Nichts anderes gilt für die [X.] zu 3, die aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 11. April 2013 für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der [X.] zu 2 gesamtschuldnerisch haftet (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022 - [X.], [X.], 1684 Rn. 15).

Auf den am 14. Juli 2006 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g [X.] in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.

Die [X.] zu 1 ist [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF. Denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Seite 9 des Prospekts). Die [X.] zu 1 und 2 sind Gründungskommanditistinnen der vier Einschiffgesellschaften und als solche [X.]innen im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 24, vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1277 Rn. 39 und vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908). Die [X.] zu 3 haftet aufgrund der Abspaltung von der [X.] zu 2 gemäß § 123 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] für deren vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Verbindlichkeiten als Gesamtschuldnerin. Die [X.] hafteten mithin für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF. Neben dieser ist eine Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.

Dies gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden auch für die auf diesen Aspekt gestützte Haftung der [X.] zu 2 als Treuhandkommanditistin. Dass die [X.] zu 2 nicht nur Gründungsgesellschafterin, sondern auch Treuhandkommanditistin ist, verstärkt deren Stellung als "Hintermann" und somit als [X.]in im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 24 f.). Die Haftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF verwirklicht in der Person eines Gründungs- und zugleich Treuhandkommanditisten stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB) - und zwar unabhängig davon, ob es um den Abschluss des Gesellschafts- oder des Treuhandvertrags geht. Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, hätte ein solcher [X.] - im Gegensatz zu einem [X.], der diese Stellung allein wegen seiner Funktion als Gründungskommanditist einnimmt - nicht die Möglichkeit, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 [X.] aF) oder sich auf die Sonderverjährungsfrist des § 46 [X.] aF zu berufen. Dass der Gesetzgeber innerhalb der Gruppe der [X.] nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF eine derartige Unterscheidung einführen wollte, ist nicht ersichtlich (Senatsbeschluss vom 20. September 2022 - [X.], juris Rn. 60; vgl. [X.], [X.], 1646, 1650; [X.], [X.] 2021, 1063, 1066; aA wohl [X.], Beschluss vom 3. Mai 2022 - 2 Kap 1/21, veröffentlicht im [X.] am 6. Mai 2022).

Die Haftung als Treuhandkommanditist aufgrund Verschulden bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts stellt zudem keinen weitergehenden Anspruch im Sinne des § 47 Abs. 2 [X.] aF dar. Vielmehr entspricht die Haftung insoweit der vorvertraglichen Haftung eines Gründungsgesellschafters oder bleibt sogar - was offenbleiben kann - hinter dieser zurück. Eine solche Haftung fällt nicht unter § 47 Abs. 2 [X.] aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 27 und vom 20. September 2022 - [X.], juris Rn. 61).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden ergibt sich aus der Rechtsprechung des [X.] keine andere Würdigung. Dem Urteil des [X.] vom 16. März 2017 lag eine wesentlich andere Fallkonstellation zugrunde, da die dortige Beklagte als reine Treuhandkommanditistin nicht zu den Gründungsgesellschaftern gehörte und auch keinen eigenen Gesellschaftsanteil an der [X.] hielt ([X.], [X.], 708 Rn. 2). In dem von den Rechtsbeschwerden ebenfalls zitierten Verfahren [X.] wurde der Beklagte als Mittelverwendungskontrolleur zweier Filmfonds sowie als Treuhänder eines der beiden Fonds in Anspruch genommen, wobei der Vorwurf darin bestand, dass der Beklagte seine Kontrollaufgaben über von ihm errichtete Konten abwickelte, deren Inhaber nicht er, sondern die jeweilige [X.] war, und dass er den Kläger nicht rechtzeitig über die von ihm vertragswidrig eingerichteten Konten aufklärte (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2017 - [X.], juris Rn. 1, 17 und 26). Es handelte sich dabei also um eine gänzlich andere Fallgestaltung.

c) Dass der Gesetzgeber Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in den Anwendungsbereich des [X.] bei dessen Novellierung im Jahr 2012 einbezogen hat (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]), spricht nicht gegen den Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Denn dieser führt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden nicht dazu, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] leerliefe. Der Gesetzgeber hatte dabei in erster Linie "die Fälle der sogenannten uneigentlichen Prospekthaftung (oder Prospekthaftung im weiteren Sinn)" im Blick, "in denen sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt", also Klagen gegen Anlageberater und -vermittler (BT-Drucks. 17/8799, [X.]). Da Anlageberater und -vermittler in der Regel nicht zu den [X.]n oder [X.]n zählen, greift insoweit schon deshalb der Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht ein, so dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] durch diesen Vorrang nicht eingeschränkt wird.

d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von den Rechtsbeschwerden zitierten Entscheidungen des [X.] und des [X.] des [X.]. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom 15. März 2022 ([X.], [X.], 921 Rn. 25 ff.), vom 26. April 2022 ([X.], [X.], 1169 Rn. 22 ff.) und vom 19. Juli 2022 ([X.], [X.], 1684 Rn. 23 ff.) verwiesen.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden weicht der Senat auch mit der Aussage, dass die Stellung als Gründungsgesellschafter ausreicht, um eine Prospektverantwortlichkeit im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF zu begründen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 24 und vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908), nicht von der Rechtsauffassung des [X.] und des [X.] ab. Soweit die Rechtsbeschwerden auf die Entscheidungen vom 23. November 2021 ([X.], juris Rn. 10), vom 17. September 2020 ([X.], [X.] 227, 49 Rn. 35), vom 22. Oktober 2015 ([X.], [X.], 2238 Rn. 14) und vom 17. November 2011 ([X.], [X.] 191, 310 Rn. 17) verweisen, vermag dies eine Abweichung schon deshalb nicht zu begründen, weil die Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF nicht Gegenstand der zitierten Entscheidungen war. Geprüft wurde jeweils nur eine Haftung nach der "Prospekthaftung im engeren Sinne". In den Verfahren [X.], [X.] und [X.] ging es zudem um Prospekte bzw. Beteiligungen im Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2004. Die Regelungen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28. Oktober 2004 ([X.]) zur Haftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] für unrichtige oder unvollständige Angaben in einem Prospekt im Sinne des § 8g [X.], auf welche sich die Entscheidungen des Senats zu der Stellung der Gründungsgesellschafter beziehen, traten jedoch erst am 1. Juli 2005 und somit danach in [X.]. In dem Verfahren [X.] ging es um den Erwerb von [X.] in den Jahren 2009 und 2010. Zu beurteilen war jedoch nur die Haftung einer von der Emittentin bestellten Sicherheitentreuhänderin, welche gerade keine Gründungsgesellschafterin war (vgl. [X.], Urteil vom 17. September 2020 - [X.], [X.] 227, 49 Rn. 36).

[X.] rügen zudem zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 31 ff. [X.] in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908 und vom 19. Juli 2022 - [X.], [X.], 1684 Rn. 33 f.).

e) Da die Rechtsbeschwerden alle [X.] weiterverfolgen, ist der Vorlagebeschluss insgesamt gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2022 - [X.], [X.], 47 Rn. 20).

I[X.]

Die Entscheidung über die Kosten des [X.] folgt aus § 26 Abs. 1 [X.]. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis 2.700.000 €. Die Festsetzung des [X.] für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b [X.]. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten des [X.], der Rechtsbeschwerdeführer und der beigetretenen Beigeladenen auf 580.670,88 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der [X.] und der beigetretenen [X.] auf 2.700.000 € festzusetzen.

Ellenberger     

  

Grüneberg     

  

[X.]

  

Derstadt     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZB 28/21

22.11.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 1. März 2022, Az: XI ZB 28/21, Beschluss

§ 8g Abs 1 S 1 VerkaufsprospektG, § 13 VerkaufsprospektG, § 44 BörsG vom 16.07.2007, §§ 44ff BörsG vom 16.07.2007, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2022, Az. XI ZB 28/21 (REWIS RS 2022, 8151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8151 WM 2023, 174 REWIS RS 2022, 8151

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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