Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2020, Az. V ZR 295/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1231

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Gegenstand

Prozessführungsbefugnis hinsichtlich Sondereigentum bei Vergemeinschaftung vom Unterlassungsanspruch


Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des [X.] - 8. Zivilsenat - vom 18. November 2016 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich der Abweisung der Klageanträge zu 1 und 3 zurückgewiesen worden ist (Unterlassung von Geruchs- und Lärmimmissionen).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Klägerin gehört eine Eigentumswohnung. Sie liegt direkt über einer von dem [X.]n gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist. Der [X.] vermietet diese Wohnung seinerseits an Personen weiter, die sich in einem nahegelegenen Klinikum einer Behandlung unterziehen. Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen.

2

Auf der Eigentümerversammlung am 4. Juni 2014 wurden unter [X.] folgende Beschlüsse gefasst:

„Antrag 1:

Die Eigentümerversammlung beschließt, unter Beauftragung eines Rechtsanwalts Klage auf Unterlassung von Verstößen gegen die Verpflichtungen eines Eigentümers aus der gesetzlichen Vorschrift des § 14 Nr. 1 [X.] zu erheben (…). Neben dem Verstoß gegen das gesetzliche [X.] können auch Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung und Hausordnung zum Gegenstand der Unterlassungsklage gemacht werden.

Hierbei ist der Eigentümer auch für Verstöße gegen die vorstehenden Verpflichtungen durch Personen in Anspruch zu nehmen, die seinem Hausstand oder seinem Gewerbe angehören, oder denen er als Nutzer die Wohnung überlassen hat.

Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus der Beschlussfassung zu Antrag 3.

(…)

Antrag 3:

Derzeit liegen folgende Verstöße vor, weswegen über den Rechtsanwalt der Eigentümer abgemahnt und ggf. auf Unterlassung verklagt werden soll:

(…)

n) Verbreitung [X.] Öle und Weihrauch über Raumluftanlagen, Klimaanlagen, die in den räumlichen Bereich benachbarter [X.] gelangen und durch offene Fenster in den Bereich benachbarter [X.] gelangen

o) laute Geräuschbelästigungen (z.B. Fernseher, langes Laufenlassen von Lüftungen), die aus einer Sondereigentumseinheit in benachbarte [X.] gelangen.

Antrag 4:

Die Eigentümerversammlung beschließt, dass bei Verstößen gegen das gesetzliche [X.], die Gemeinschaftsordnung und die Hausordnung durch [X.], Mieter oder kurzfristige Nutzer auch außergerichtlich und gerichtlich unter [X.] gegen [X.], Mieter und Nutzer vorzugehen ist, soweit dies aufgrund der Länge der Nutzungsdauer sinnvoll erscheint.“

3

In der Eigentümerversammlung vom 24. November 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a. die „Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen der jeweiligen betroffenen Wohnungseigentümer“ gegen den [X.]n „wegen Verstößen gegen § 14 Nr. 1 und 2 [X.], Haus- und Gemeinschaftsordnung sowie § 15 Abs. 3 [X.]“. Konkret heißt es in dem Beschluss:

„Die Wohnungseigentümer beschließen, die Durchsetzung von Ansprüchen, die dem jeweiligen Miteigentümer deshalb zustehen, weil

a) einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 14 Nr. 1 [X.] einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, durch den andere Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden,

b) einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 15 Abs. 3 [X.] einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen sowie, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, die Gegenstand des vor dem [X.] (…) anhängigen Rechtsstreits sind, nämlich

Abänderung der konkreten Ausgestaltung der Vermietung der (…) [von dem [X.]n genutzten] Wohnung (…) dahingehend, dass die Wohnung weder direkt, noch mittelbar (insbesondere über einen Zwischenvermieter) an häufig wechselnde Medizin- oder Krankenhaustouristen aus den [X.] oder [X.] überlassen wird, und die Vermietung nicht gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (…) verstößt …“.

4

Die beanstandeten Geruchs- und Lärmbelästigungen sind in dem Beschluss [X.] aufgeführt. Beschlossen wurde überdies die Vergemeinschaftung der Durchsetzung von Ansprüchen, die Wohnungseigentümern zustehen, weil der [X.] sie beleidigt habe und ihnen gegenüber tätlich geworden sei.

5

Die Klägerin nimmt den [X.]n mit der seit dem 6. Juni 2014 anhängigen Klage auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen (Klageanträge 1 und 3) sowie der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb (Klageantrag 2) in Anspruch. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der [X.] beantragt, verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht sieht die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin als unzulässig an. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei der einzelne Wohnungseigentümer nicht mehr prozessführungsbefugt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer, die aus ihrem Miteigentum am Grundstück folgten, durch Beschluss an sich gezogen habe. So liege es hier. Zwar enthalte der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 4. Juni 2014 einen Vorbehalt, wonach die Klägerin befugt sei, die bereits im eigenen Namen gegen den Beklagten eingeleiteten Verfahren fortzuführen. Dies beschränke sich aber auf Bedrohungen durch den Beklagten; solche seien nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zudem komme eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin (neben der Wohnungseigentümergemeinschaft) nur in Betracht, wenn sie eine unmittelbare und ausschließliche Störung ihres Sondereigentums abwenden wolle; eine solche liege aber nicht vor.

II.

7

Die Revision hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

8

1. Unbegründet ist sie allerdings hinsichtlich des Klageantrags zu 2. Das Berufungsgericht verneint die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zu Recht, soweit sie von dem Beklagten verlangt, die Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen (Klageantrag 2).

9

a) Für Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück besteht nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s keine geborene [X.] des Verbands gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2014 - [X.], [X.], 327 Rn. 6), und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner - wie hier - ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.], [X.], 231 Rn. 8 mwN). Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aber [X.] oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des [X.]seigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.], [X.], 231 Rn. 9; Urteil vom 15. Dezember 2017 - [X.], [X.], 909 Rn. 8; Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 107 Rn. 6, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

b) Das ist hier mit dem am 24. November 2015 gefassten Beschluss geschehen. Mit diesem Beschluss, den der [X.] selbst auslegen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 10. September 1998 - [X.], [X.], 288, 291), sind auch die Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer vergemeinschaftet worden, die sich auf eine mögliche zweckwidrige Nutzung der unter der Einheit der Klägerin liegenden Wohnung beziehen. Da erreicht werden soll, dass diese Wohnung weder direkt noch im Rahmen einer Zwischenvermietung an häufig wechselnde „Medizin- oder Krankenhaustouristen“ überlassen wird, geht es um die Unterlassung der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb.

c) Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 24. November 2015 ist wirksam.

aa) Die Vergemeinschaftung der Ansprüche der Wohnungseigentümer, die das Unterlassen einer zweckwidrigen Nutzung eines Wohnungseigentums zum Gegenstand haben, ist zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 15. Dezember 2017 - [X.], [X.], 909 Rn. 8; siehe auch [X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 53 Rn. 5). Die hierfür notwendige Voraussetzung, dass die Rechtsausübung durch den Verband dem [X.] förderlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 3466 Rn. 14 mwN), besteht unabhängig davon, ob die zweckwidrige Nutzung zu nachteiligen Auswirkungen auf das [X.]seigentum führt oder ob sie sich auf die mittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer beschränkt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 107 Rn. 18, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt). In beiden Fällen sind die Unterlassungsansprüche darauf gerichtet, die in der [X.]sordnung enthaltene Zweckbestimmung durchzusetzen und damit der für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Grundordnung Geltung zu verschaffen. Hierbei ist ein einheitliches Vorgehen dem [X.] förderlich.

bb) Dass am 24. November 2015 auch Ansprüche der Wohnungseigentümer wegen Persönlichkeits- und Körperverletzungen sowie Ansprüche wegen Beeinträchtigungen des räumlichen Bereichs des Sondereigentums vergemeinschaftet worden sind, obwohl es insoweit an der [X.] fehlt (vgl. dazu Rn. 18), führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Nichtigkeit des gesamten Beschlusses. Die teilweise Aufrechterhaltung von wohnungseigentumsrechtlichen Beschlüssen entsprechend § 139 BGB kommt zwar regelmäßig nur in Betracht, wenn nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass der Beschluss auch als Teilregelung gefasst worden wäre (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2019 - [X.], [X.] 221, 373 Rn. 29 mwN). So liegt es aber hier. Die Vergemeinschaftung der verschiedenen Ansprüche durch die Beschlussfassung vom 24. November 2015 erfolgte in Anbetracht eines bereits von der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Beklagten geführten Rechtsstreits und der dort geltend gemachten Ansprüche. Das [X.] auch der Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung der Wohnung durch den Beklagten sollte daher die Prozessführungsbefugnis der [X.] in diesem Verfahren begründen und der Abweisung der diesbezüglichen Klage als unzulässig entgegenwirken. Die Aufrechterhaltung des Beschlusses hinsichtlich des [X.]s dieser Ansprüche entspricht vor diesem Hintergrund dem hypothetischen Willen der Wohnungseigentümer.

cc) Die Vergemeinschaftung der Unterlassungsansprüche begründet die alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft für deren gerichtliche Geltendmachung und führt folglich dazu, dass die Klägerin nicht mehr prozessführungsbefugt ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2014 - [X.], [X.], 327 Rn. 8 u. 17). Sie ist allerdings nicht gezwungen, ihre Klage zurückzunehmen oder deren Abweisung als unzulässig hinzunehmen (so aber [X.], [X.], 951, 952), sondern kann dem nachträglichen Fortfall der Prozessführungsbefugnis durch eine Erledigungserklärung Rechnung tragen [X.], [X.] Fach 7, [X.], 448; Skauradszun, [X.], 515, 519).

2. a) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht hingegen die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung von Lärm- und [X.] (Klageanträge 1 und 3).

aa) Die Klägerin wendet sich mit diesen Ansprüchen gegen unmittelbare Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums in Gestalt von Lärm und Gerüchen, die in ihre Wohnung eindringen. Solche, den räumlichen Bereich des Sondereigentums betreffende Ansprüche kann die [X.] der Wohnungseigentümer nicht durch Beschluss an sich ziehen. Das ist allerdings nicht unumstritten.

(1) Nach einer vereinzelt gebliebenen Ansicht kann die [X.] solche Ansprüche jedenfalls dann an sich ziehen, wenn sämtliche Sondereigentumsrechte von den Störungen, die unterlassen werden sollen, betroffen sind [X.], [X.] 2015, 125). Das Berufungsgericht und die Vorinstanz ([X.], [X.], 263) halten eine Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen demgegenüber für möglich, wenn die beanstandete Störung nicht unmittelbar und ausschließlich Sondereigentum betrifft. Überwiegend wird hingegen die Ansicht vertreten, dass nur das [X.]seigentum betreffende Ansprüche der Wohnungseigentümer, nicht aber auf das Sondereigentum bezogene Ansprüche vergemeinschaftet werden können (Skauradszun, [X.], 515, 516; [X.], [X.] Nr. 7 [X.], 450; ders., [X.], 250, 251; [X.], 721, 723; vgl. auch [X.], [X.] 2007, 432, 438).

(2) Letztere Ansicht trifft zu. Die [X.] der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das [X.]seigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des [X.]seigentums gerichtet sind. Für die Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen wegen Störungen, die im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums auftreten, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die allein in Betracht kommende Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG bezieht sich nicht auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.]/16, NJW 2018, 1254 Rn. 9 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 8. Februar 2013 - [X.], [X.], 512 Rn. 14). Ist der räumliche Bereich des Sondereigentums betroffen, kann dem Wohnungseigentümer die Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis für seine darauf bezogenen Abwehransprüche daher nicht entzogen werden. Den Wohnungseigentümern fehlt insoweit die [X.] (vgl. [X.] WEG/[X.] [01.02.2020], § 10 Rn. 551.1; Skauradszun, [X.], 515, 516; [X.], [X.] 2015, 366476; [X.], [X.] 2007, 432, 438). Das gilt auch dann, wenn die Störungen - hier die Lärm- und [X.] - zugleich im Bereich des [X.]seigentums auftreten (vgl. auch [X.], [X.] 2017, 77, 78). Ein Wohnungseigentümer muss in keinem Fall hinnehmen, dass ihm die Befugnis entzogen wird, gegen Störungen vorzugehen, die im räumlichen Bereich seines Sondereigentums auftreten. Es gehört zu den unentziehbaren Rechten des Sondereigentümers, solche unmittelbaren Beeinträchtigungen abwehren zu können; das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich die [X.] auf andere Bereiche des Hauses auswirkt.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 4. Juni 2014 - ebenso wie der ihn bestätigende und ergänzende Beschluss vom 24. November 2015 - mangels [X.] nichtig, soweit Ansprüche der Klägerin vergemeinschaftet worden sind, die die Unterlassung von Lärm- und [X.] im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums zum Gegenstand haben. Folglich ist die Klägerin hinsichtlich dieser Ansprüche prozessführungsbefugt.

b) Soweit das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zu Unrecht verneint hat, erweist sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere steht den geltend gemachten Unterlassungsansprüchen nicht entgegen, dass der Beklagte, wie das Berufungsgericht hervorhebt, „nur“ Mieter ist. Ein Wohnungseigentümer ist berechtigt, gemäß § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Mieter eines anderen Wohnungseigentümers vorzugehen. Dies betrifft zunächst Verstöße des Mieters gegen eine von den Wohnungseigentümern beschlossene Haus- und [X.]sordnung. Der Eigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, kann diesem nicht mehr an Rechten übertragen, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 107 Rn. 18). Daher ist auch ein Mieter an eine bestehende Haus- und [X.]sordnung gebunden. Fehlt es an einer solchen oder ist sie nicht einschlägig, kann der beeinträchtigte Wohnungseigentümer von dem Mieter einer anderen Sondereigentumseinheit die Unterlassung von wesentlichen Beeinträchtigungen nach allgemeinen Grundsätzen verlangen. Wann eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähige Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich bei Immissionen entsprechend § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 2023 Rn. 10 sowie zur Anwendung von § 906 BGB im Wohnungseigentumsrecht [X.], Urteil vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.] 198, 327 Rn. 14 ff. und zu einem Mieter als Schuldner [X.], Urteil vom 1. April 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 739 Rn. 8). Das gilt auch dann, wenn die Einheit von dem Mieter gemäß ihrer Zweckbestimmung genutzt wird (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 - [X.], [X.], 293 Rn. 27 mwN). Hiernach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Lärm- und [X.] zusteht.

III.

Die Revision hat daher Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin bezüglich ihrer Klageanträge 1 und 3 auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmbeeinträchtigung zurückgewiesen hat. Insoweit kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben; er ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen hinsichtlich der Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruchs getroffen hat. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen - hinsichtlich des Klageantrages zu 2 (Unterlassung des Nutzens der Wohnung als Pensionsbetrieb) - ist die Revision dagegen zurückzuweisen.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 295/16

24.01.2020

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 16. Mai 2019, Az: V ZR 295/16, Beschluss

§ 10 Abs 6 S 3 Halbs 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2020, Az. V ZR 295/16 (REWIS RS 2020, 1231)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 784-785 REWIS RS 2020, 1231


Verfahrensgang

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Az. V ZR 295/16

Bundesgerichtshof, V ZR 295/16, 24.01.2020.

Bundesgerichtshof, V ZR 295/16, 16.05.2019.


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