Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2014, Az. VIII ZB 40/13

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8767

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 40/13

vom

14. Januar 2014

in dem Rechtsstreit

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-
Der VIII
Zivilsenat des [X.] hat am 14. Januar 2014
durch den Vorsitzenden [X.],
die Richterin Dr.
Milger, die
Richter Dr.
Achilles und Dr.
Schneider sowie die Richterin Dr.
Fetzer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]n wird der Beschluss des [X.] -
4. Zivilsenat -
vom 8. August 2013 aufgehoben.
Dem [X.]n wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung ge-gen das Urteil des [X.] -
7. Zivilkammer -

vom 18. April 2013 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis 35.0

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den [X.]n auf Rückabwicklung eines [X.] und Schadensersatz
in
Anspruch. Das [X.] hat der Klage im [X.] stattgegeben.
Der [X.] hat gegen das ihm am 24. April 2013 zugestellte erstinstanzliche Urteil durch seinen
Prozessbevollmächtigten [X.] Berufung eingelegt. Am 24. Juni 2013 ist auf dem Faxgerät des [X.]
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richts [X.] mit der Faxnummer 0911-12020 ein an das [X.] gerichteter Antrag des
Prozessbevollmächtigten des [X.] eingegangen, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Bei diesem Faxgerät handelt es sich um das Gerät der 7., 8., 16. und 19. Zivilkammer sowie der Wiedergutmachungskammer des [X.]s, nicht um ein Gerät
des [X.] oder der gemeinsamen [X.] der [X.]er Justizbehörden. Nach Weiterleitung durch die Ge-schäftsstelle ist
der Verlängerungsantrag am 25. Juni 2013 bei der gemeinsa-men [X.] der [X.]er Justizbehörden
eingegangen. Mit Schriftsatz seines
Prozessbevollmächtigten vom 19. Juli 2013,
der
beim
Berufungsgericht am gleichen
Tag per Fax eingegangen ist, hat der [X.] die Berufung be-gründet und Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist begehrt.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 8. August 2013 zurückgewiesen und die Berufung als unzuläs-sig verworfen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem
[X.]n
keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung gewährt werden könne, weil die Nichteinhaltung der Frist auf einem ihm
zuzurechnen-den Verschulden seines
Prozessbevollmächtigten beruhe.
Denn der Prozess-bevollmächtigte des [X.]n habe keine
hinreichenden organisatorischen
Vorkehrungen für eine wirksame [X.] getroffen. Zwar habe er glaubhaft gemacht, dass eine allgemeine Büroanweisung bestehe, wonach die Telefaxnummer der Empfangsstelle entweder einem in der Akte befindlichen zeitnahen Schriftstück des Gerichts oder der Homepage des Gerichts zu ent-nehmen und der Sendebericht nach Absenden des Faxes auf die richtige Adressierung, die korrekte Übernahme der Telefaxnummer und deren korrekte Zuordnung zum Empfängergericht zu überprüfen sei. Es fehlten aber geeignete Anweisungen, die sicherstellen könnten, dass das der anwaltlichen Akte ent-2
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nommene Schreiben des Ausgangsgerichts, dessen Briefkopf die Faxnummer entnommen worden sei, bei der späteren Kontrolle des [X.] nicht nochmals versehentlich zur Grundlage der Kontrolle gemacht werde. Der nahe-liegenden und in der Gerichtspraxis wiederholt auftretenden Gefahr,
dass die gesuchte Faxnummer des
Berufungsgerichts
einem Schreiben des Ausgangs-gerichts entnommen werde und der Fehler
auch bei der nachträglichen [X.] unbemerkt bleibe, sei nicht entgegengewirkt worden.

II.
Die frist-
und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist (§ 233 ZPO).
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaf-te Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt die Ver-fahrensgrundrechte des
[X.]n
auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorg-faltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchst-richterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und die den Parteien den Zugang zu
einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st.
Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Mai 2011 IV ZB 2/11, [X.]. 2011, 3
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865 Rn. 6; vom 12. Juni 2012 [X.], NJW-RR 2012, 1267 Rn. 5; vom 26. Juni 2012I ZB 12/12, NJW 2012, 3309 Rn. 5; jeweils mwN).
2.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der [X.] die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat und auch der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht rechtzeitig vor Fristablauf beim Berufungsgericht eingegangen ist.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat die Übermittlung des [X.] an die
hier angewählte Faxnummer des [X.]s die Frist nicht gewahrt, weil [X.] Faxnummer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zur Ge-meinsamen Postannahmestelle der [X.]er Justizbehörden gehörte. Inso-weit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den von der Rechtsbe-schwerde zitierten Fällen
(vgl. [X.], Beschluss vom 23. April 2013 -
VI [X.], [X.], 1186 Rn.
12 unter Hinweis auf
BVerfG,
NJW-RR 2008, 446).
Denn in jenen Fällen
war
jeweils
einer der besonders bestimmten Telefaxan-schlüsse der beteiligten Behörden und Gerichte angewählt worden, die nach einer Gemeinsamen Anordnung der Behördenleiter zugleich als Anschlüsse der anderen Behörden und Gerichte galten; deshalb waren die bei einem dieser Anschlüsse eingehenden [X.] als bei der Geschäftsstelle der je-weils angeschriebenen Behörden-
oder Gerichtsstelle eingegangen anzusehen. Hier ist indes der Fristverlängerungsantrag nicht an einen derartigen besonders bestimmten Faxanschluss übermittelt worden.

b)
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch den Wiedereinsetzungs-antrag des [X.]n zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die [X.], die an die [X.] bei einem per Fax übermittelten fristge-bundenen Schriftsatz zu stellen sind, überspannt. Die fehlerhafte Übermittlung 5
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des [X.] an das [X.] beruht allein auf einem dem [X.]n nicht zuzurechnenden Verschulden der Büroangestellten seines Pro-zessbevollmächtigten.
Nach der Rechtsprechung des [X.]
ist es ausreichend (und im Übrigen auch geboten), die Faxnummer des Adressatgerichts -
soweit möglich
-
dem letzten
in der Handakte befindlichen (zeitnahen) Schreiben
des Adressatgerichts zu entnehmen und auch die anschließende Kontrolle des [X.] darauf, ob die richtige Nummer des Adressatgerichts gewählt wurde, anhand dieses
Schreibens vorzunehmen
([X.], Beschlüsse vom 17.
August 2011 -
VIII ZB 39/10, NJW-RR 2011, 1557 Rn. 11; vom 14. Oktober 2010 -
IX ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn. 10).

Die Auffassung
des Berufungsgerichts, dass bei einer derartigen Vorge-hensweise eine erhöhte Fehleranfälligkeit dahin bestehe, dass versehentlich die Faxnummer einem Schreiben des Ausgangsgerichts (statt des [X.]) entnommen werde und sich der Fehler bei der Kontrolle wiederhole, teilt der Senat nicht. Das Adressatgericht -
Oberlandesgericht [X.] -
ist auf dem Fristverlängerungsantrag des [X.]n vom 24. Juni 2013 zutreffend an-gegeben. Die (theoretische) Möglichkeit, dass aufgrund eines Versehens die Nummer des Ausgangsgerichts -
hier
des
[X.]s
[X.] -
ermit-telt und verwendet wird und
sich der Fehler anschließend bei der Ausgangskon-trolle
wiederholt,
besteht auch bei der Anweisung, die Faxnummer über die Homepage des Adressatgerichts zu ermitteln. Jedenfalls darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine erfahrene Büroangestellte, die bisher zuverlässig gearbeitet hat, die allgemeine Anweisung, die Faxnummer des Adressatgerichts aus einem
bei der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts herauszu-suchen und den Sendebericht anschließend anhand dieses Schreibens
noch einmal auf die richtige Faxnummer des Adressatgerichts zu kontrollieren, zuver-8
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lässig ausführen wird. Dass entsprechende Anweisungen im Büro des Pro-zessbevollmächtigten des [X.]n bestanden, ist durch die eidesstattliche Versicherung der Bürokraft glaubhaft gemacht.
Der gleichwohl unterlaufene Fehler beim Heraussuchen und der Kontrolle der verwendeten Nummer beruht daher auf einem dem [X.]n nicht zuzurechnenden Versehen der Büroan-gestellten und nicht auf einem Organisationsverschulden seines [X.].
Da der [X.] die versäumte [X.] vor Ablauf der begehr-ten Fristverlängerung nachgeholt hat
(§ 236
Abs. 2 Satz 2 ZPO), war seinem Wiedereinsetzungsantrag zu entsprechen.
[X.]
Dr. Milger
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 18.04.2013 -
7 O 9285/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom [X.] -
4 U 1044/13 -

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Meta

VIII ZB 40/13

14.01.2014

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2014, Az. VIII ZB 40/13 (REWIS RS 2014, 8767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8767

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Organisationsmangel im Hinblick auf die Prüfung der Faxnummer des zuständigen …


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VI ZB 27/12

VIII ZB 39/10

IX ZB 34/10

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