Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2011, Az. VIII ZB 39/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3956

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Organisationsmangel im Hinblick auf die Prüfung der Faxnummer des zuständigen Gerichts


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 31. März 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 6.432 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kaufpreiszahlung von 6.432 € nebst Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7. Januar 2008 zugestellt worden. Dieser hat mit einem am 7. Februar 2008 per Telefax an das [X.] übermittelten Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11. April 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufung mit Schriftsatz vom 11. April 2008 begründet. Dieser Schriftsatz ging am 16. April 2008 beim [X.] ein. Die an das [X.] adressierte Berufungsbegründung war am 11. April 2008 vorab per Telefax an das [X.] [X.] übermittelt worden, wo sie um 22.19 Uhr einging. Die in der Berufungsbegründung in der Zeile "vorab per Telefax" angegebene [X.] ist die des [X.]s.

2

Mit Schriftsatz vom 14. April 2008, eingegangen am gleichen Tag beim [X.] als Telekopie, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des [X.] hat er geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegründung an das [X.] beruhe allein auf einem doppelten Versehen einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen [X.]. Diese habe beim Heraussuchen der Telefaxnummer die Nummer des [X.]s aus dem Adressverzeichnis "Kauperts [X.] durch [X.]" fehlerhaft abgelesen. Zudem habe sie die fehlerhaft ermittelte Telefaxnummer - entgegen bestehender Anweisung - mit einem Schriftsatz des erstinstanzlichen Gerichts und nicht mit dem letzten Schreiben des Berufungsgerichts verglichen. Diesen Geschehensablauf hat die Kanzleiangestellte mit Erklärung vom 14. April 2008 an Eides statt versichert. Die Beklagte hat weiter ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigten hätten das Ermitteln und Benennen der Telefaxnummern dem Büropersonal übertragen und dieses insoweit angewiesen, die Telefaxnummer zunächst in "Kauperts [X.] durch [X.]" herauszusuchen und die ermittelte Nummer dann mit dem letzten gerichtlichen Schriftsatz der entsprechenden Instanz abzugleichen. Dieses Verfahren sei von den Prozessbevollmächtigten regelmäßig kontrolliert worden. Fehler, wie die vorliegende Ermittlung der falschen Telefaxnummer, hätten die Prozessbevollmächtigten dabei nicht festgestellt und seien auch noch nicht aufgetreten. Der die Berufungsschrift unterzeichnende Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nicht davon ausgehen können, dass die Telefaxnummer fehlerhaft ermittelt und bezeichnet gewesen sei, da es an weiteren Umständen, die auf den Fehler hingewiesen hätten, gefehlt habe. Bei korrekter Angabe der Telefaxnummer wäre der Schriftsatz noch innerhalb der Frist beim [X.] mittels Telefax eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe die Berufungsbegründung selbst am 11. April 2008 um 21.33 Uhr an die bei der Adresse des [X.]s angegebene - falsche - Telefaxnummer gefaxt und dabei die Richtigkeit der Eingabe der Telefaxnummer in das [X.] und die richtige Bezeichnung des Berufungsgerichts überprüft.

3

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.

II.

4

Das [X.] hat die von der Beklagten begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt.

5

Zwar habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die einfache Aufgabe, die [X.] für das Telefax in die Berufungsbegründung einzusetzen, einer geschulten und zuverlässigen Fachangestellten übertragen dürfen. Die für das Heraussuchen der Telefaxnummer des Empfängers und das Einfügen in die Berufungsbegründung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten der Fachkraft erteilten Anweisungen seien aber keine ausreichenden Vorkehrungen, die sicherstellten, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet werde. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müsse ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schrift-sätze für eine [X.] sorgen. Solle der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, gehöre hierzu, dass in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf etwaige Übermittlungsfehler, insbesondere die Richtigkeit der verwendeten [X.], überprüft werde, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufzudecken.

6

Ob in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur [X.] bei fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax existierten, sei dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte, der die Berufungsbegründung unterzeichnet habe, selbst die Übermittlung per Telefax knapp 2 ½ Stunden vor Fristablauf vornehme, dann obliege es ihm, die [X.] in der zuvor beschriebenen Weise durchzuführen. Dies setze eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus. Der Vergleich der in das [X.] eingegebenen Nummer mit der in der Berufungsbegründung angegebenen (hier unrichtigen) [X.], auf die der Prozessbevollmächtigte sich bei der Übermittlung des [X.] beschränkt habe, stelle keine ausreichende Prüfung dar, um sicher zu gehen, dass die Übermittlung tatsächlich an das angeschriebene [X.] erfolgt sei.

7

Für eine solche abschließende Kontrolle habe im konkreten Fall jedenfalls deshalb Veranlassung bestanden, weil in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Schriftsatz zur Berufungsbegründung eine andere Telefaxempfängernummer enthalten habe als die Berufungsschrift und die beiden Anträge auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung, die ebenfalls per Telefax an die richtige [X.] übermittelt worden seien. Diese Kontrolle sei dem Prozessbevollmächtigten auch unschwer möglich gewesen.

III.

8

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

9

Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die versehentliche Übersendung des [X.] an das [X.] und damit die Versäumung der Begründungsfrist auf einem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhen.

Soll die zur Übermittlung verwendete Telefaxnummer aufgrund einer dienstlichen Anweisung von der [X.] unmittelbar einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten Telefaxnummer auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte [X.] mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen wird ([X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - [X.], juris Rn. 10; vom 13. Februar 2007 - [X.], [X.], 1690 Rn. 11).

So verhält es sich hier indessen nicht. Nach der glaubhaft gemachten Darstellung der Beklagten war das [X.] ihres Prozessbevollmächtigten vielmehr allgemein angewiesen, die Telefaxnummern zunächst aus dem Verzeichnis "Kauperts [X.] durch [X.]" herauszusuchen und sie sodann mit dem letzten gerichtlichen Schreiben der betreffenden Instanz abzugleichen. Durch diese Anweisung ist, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht hervorhebt, unnötigerweise eine zusätzliche Fehlerquelle geschaffen worden. Denn da sich bereits mehrere Schriftstücke in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Beklagten befanden, die die richtige Telefaxnummer des [X.]s enthielten, wäre es ausreichend, allein zweckmäßig und zur Minimierung des Fehlerrisikos geboten gewesen, das [X.] anzuweisen, die Telefaxnummer unmittelbar dem letzten gerichtlichen Schreiben des Adressatgerichts zu entnehmen. Da nicht auszuschließen ist, dass der der [X.] des Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterlaufene Fehler im Falle einer sachgerechten Büroorganisation vermieden worden wäre, ist der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt worden.

[X.]                                       [X.]                                       Dr. Hessel

                 Dr. Fetzer                                       Dr. Bünger

Meta

VIII ZB 39/10

17.08.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 31. März 2010, Az: 3 U 3/08, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2011, Az. VIII ZB 39/10 (REWIS RS 2011, 3956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3956

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZB 18/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZB 52/13

VIII ZB 40/13

VIII ZB 39/10

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