Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.03.2011, Az. 1 BvR 752/10

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 8761

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unterlassen einer Belehrung gem § 89 Abs 2 FamFG in Umgangsvereinbarung verletzt den Anspruchsinhaber nicht in Anspruch auf effektiven Rechtsschutz - Möglichkeit der Nachholung der Belehrung in einem gesonderten Verfahren


Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung seines Antrags, die gerichtliche Billigung einer Umgangsvereinbarung durch eine Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG zu ergänzen sowie gegen die Verwerfung seiner hiergegen gerichteten Beschwerde.

2

1. a) Der Beschwerdeführer traf im Oktober 2009 mit der Mutter seiner beiden Kinder eine Vereinbarung zur Regelung seines Umgangs, die [X.] gebilligt wurde. Einen Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung der Umgangsregelung gemäß dem seit 1. September 2009 geltenden § 89 Abs. 2 FamFG nahm das Amtsgericht nicht auf. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin, den die Umgangsvereinbarung billigenden Beschluss entsprechend zu ergänzen.

3

b) Mit angegriffenem Beschluss vom 22. Oktober 2009 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Nach Genehmigung des Vergleichs liege ein ordnungsgemäßer Vollstreckungstitel gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 FamFG vor. Die Anordnung eines Ordnungsmittels gemäß §§ 89, 90 FamFG sei, wie früher die eines Zwangsmittels gemäß § 33 [X.], in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen. Hierbei sei die Berechtigung der Maßnahme wie auch bisher zu prüfen.

4

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 9. Februar 2010 verwarf das [X.] die Beschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig (abgedruckt in [X.], [X.] f., m. Anm. [X.]).

5

Der isolierte Warnhinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG sei nicht anfechtbar, da die früher erforderliche Androhung vom Gesetzgeber bewusst durch einen bloßen Hinweis ersetzt worden sei, so dass auch die Ablehnung eines solchen Hinweises der isolierten Anfechtung nicht unterliegen könne. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers folge nichts anderes, zumal aus dem Verfassungsrecht nur ein Anspruch auf Eröffnung des Rechtswegs, hingegen kein Anspruch auf die Eröffnung eines Instanzenzugs hergeleitet werden könne. Die Rechtsbeschwerde sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen von § 70 Abs. 2 FamFG nicht zuzulassen.

6

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

8

Insbesondere verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

9

1. Allerdings hat das Amtsgericht die Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG zu Unrecht verweigert. Nach dieser Vorschrift, die auf nach Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitete [X.] anwendbar ist (vgl. [[X.]-6e7f8a7e5f16]Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.]-RG[/ref]), hat bereits der Beschluss, der die Regelung des Umgangs anordnet, auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den [X.] hinzuweisen. Hierdurch soll der bisherige eigenständige Verfahrensschritt der Androhung (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 6 [X.]) entfallen und so das Vollstreckungsverfahren beschleunigt werden (vgl. BTDrucks 16/6308, [X.]). In einen gerichtlich gebilligten Vergleich zur Regelung des Umgangs, wie er vorliegend geschlossen wurde, ist ebenfalls eine Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG aufzunehmen (vgl. [X.]/[X.], FamFG, 9. Aufl. 2009, § 89 Rn. 14; [X.], in: [X.]/[X.], Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 10; [X.], in: [X.], FamFG, 16. Aufl. 2009, § 89 Rn. 12; [X.], in: [X.], FamFG, 2009, § 89 Rn. 10; [X.], in: [X.] Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 8).

Die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde konnte auch nicht mit der Begründung verworfen werden, dass ein bloßer Hinweis und demnach auch das Unterlassen des Hinweises nach § 89 Abs. 2 FamFG nicht anfechtbar seien. Das [X.] übersieht bei seiner Argumentation, dass die Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG Voraussetzung für eine Vollstreckung der [X.]ist (vgl. [X.], Beschluss vom 8. April 2010 - 2 WF 40/10 -, [X.], [X.] 1366 <1368>; [X.], Beschluss vom 10. Juni 2010 - 13 [X.] -, [X.], [X.] 1930 <1931>; [X.], Beschluss vom 17. März 2010 - 16 WF 41/10 -, [X.], [X.] 1594 <1595>; [X.], in: [X.], ZPO, 28. Aufl. 2010, § 89 FamFG Rn. 8) und der Beschwerdeführer deshalb durch ihr Fehlen durchaus beschwert wird. Soweit ihn das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung auf ein gesondertes Verfahren verweist, wird die durch die Neuregelung gerade beabsichtigte Beschleunigung einer eventuell erforderlichen Vollstreckung vereitelt und der Beschwerdeführer hierdurch rechtlich benachteiligt.

2. Aus der Verletzung einfachrechtlicher Verfahrensbestimmungen resultiert gleichwohl noch kein Verstoß gegen den [X.]des Beschwerdeführers.

Der für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. [X.] 93, 99 <107>) fordert vom Gesetzgeber, dass er bei der normativen Ausgestaltung des Rechtswegs das Ziel eines wirkungsvollen Rechtsschutzes verfolgt. Die normative Ausgestaltung des Rechtswegs muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein. Das müssen auch die Gerichte bei der Ausle-gung und Anwendung dieser Normen beachten. Sie dürfen den Beteiligten den Zugang zu den in den [X.] eingeräumten Instanzen nicht in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. [X.] 74, 228 <234>; 112, 185 <208>; BVerfGK 5, 189 <193>; 10, 525 <527>; 11, 235 <238>). Das [X.]darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. [X.] 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG hier im Ergebnis noch zu verneinen. Die angegriffenen Entscheidungen führen zwar dazu, dass eine etwaige zwangsweise Vollziehung der Umgangsvereinbarung verzögert werden kann. Durch diese Verzögerung wird eine mögliche Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus der Umgangsvereinbarung aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Das [X.] durfte bei seiner Entscheidungsfindung davon ausge-hen, dass eine etwa erforderliche zwangsweise Vollziehung der Rechte des Beschwerdeführers aus der Umgangsvereinbarung auch bei einem Fortbestand der von ihm angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts möglich bleibt. Denn das Amtsgericht hatte die Erteilung der Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG nicht endgültig abgelehnt, sondern den Beschwerdeführer diesbezüglich auf eine Entscheidung "in einem gesonderten Verfahren" verwiesen. Tatsächlich ist der Beschwerdeführer nicht gehindert, erneut eine Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG zu beantragen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass im Falle schuldhafter Zuwiderhandlung der Kindesmutter ein Ordnungsmittel verhängt werden kann. Denn ein im Umgangsregelungsbeschluss oder in der gerichtlichen Billigung einer Umgangsvereinbarung fehlender Hinweis nach [[X.]-4ab2-bb75-40760886997e]§ 89 Abs. 2 FamFG[/ref] kann ohne Weiteres in einem gesonderten Beschluss nachgeholt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juni 2010 - 13 [X.] -, [X.], [X.] 1930 <1931>; [X.], Beschluss vom 17. März 2010 - 16 WF 41/10 -, [X.], [X.] 1594 <1595>; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2010 - 5 WF 28/10 -, [X.], [X.] 1103 <1104> - jeweils in Bezug auf vor dem 1. September 2009 erlassene [X.]; [X.], in: [X.]/Jaco- by/[X.], FamFG, 2009, § 89 Rn. 8; [X.], in: [X.], a.a.[X.], § 89 FamFG Rn. 8; [X.], in: [X.], a.a.[X.], § 89 Rn. 12; [X.], in: [X.], FamFG, 2011, § 89 Rn. 4; [X.], in: Bahrenfuss, FamFG, 2009, § 89 Rn. 20; [X.], in: [X.], a.a.[X.], § 89 Rn. 11).

Der Wortlaut von § 89 Abs. 2 FamFG steht der Möglichkeit nicht entgegen, die Belehrung noch nach dem anordnenden Beschluss abzugeben. Dass nach neuem Recht bereits der anordnende Beschluss auf die Folgen der Zuwiderhandlung hinzuweisen hat, zwingt nicht zu der Schlussfolgerung, eine gleichwohl fehlende Belehrung könne nicht nachgeholt werden. Die gegenteilige Auffassung, wonach nur der anordnende Beschluss den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG enthalten und dieser nicht mehr später ergehen könne (vgl. jedenfalls missverständlich in diesem Sinne: [X.], in: [X.], [X.], 2009, § 89 FamFG Rn. 8; [X.], in: [X.]/Weinreich, FamFG, 2009, § 89 Rn. 10), hätte zur Konsequenz, dass ein neues [X.] eingeleitet und ein neuer Vollstreckungstitel geschaffen werden müsste. Dies lässt sich mit der Intention des Gesetzgebers, der mit der Neuregelung in § 89 Abs. 2 FamFG die Vollziehung von [X.] gerade vereinfachen und beschleunigen wollte (vgl. BTDrucks 16/6308, [X.]), nicht in Einklang bringen (vgl. [X.], in: Bahrenfuss, a.a.[X.], § 89 Rn. 20). Zugleich widerspricht eine derartige Auslegung von § 89 Abs. 2 FamFG dem verfassungsrechtlichen Gebot einer möglichst wirkungsvollen Ausgestaltung des Rechtsschutzes.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 752/10

09.03.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Frankfurt, 9. Februar 2010, Az: 1 UF 327/09, Beschluss

Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 151 Nr 2 FamFG, § 156 Abs 2 S 1 FamFG, § 86 Abs 1 S 2 FamFG, § 89 Abs 2 FamFG, § 33 Abs 3 S 6 FGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.03.2011, Az. 1 BvR 752/10 (REWIS RS 2011, 8761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8761

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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