Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.04.2018, Az. VI ZB 44/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11087

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Zumutbare Vorkehrungen eines Einzelanwalts für einen Verhinderungsfall


Leitsatz

Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen treffen (Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. März 1990, VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 5. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

[X.]: 10.000 €

Gründe

I.

1

Der Kläger, der sich als Rechtsanwalt in den Vorinstanzen selbst vertreten hat, verlangt mit seiner Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 € wegen einer vermeintlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen von dem Beklagten zu 2 verfassten Artikel in der von den Beklagten herausgegebenen [X.]ung.

2

Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2016, dem Kläger zugestellt am 2. Juni 2016, abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt. Nachdem das [X.] mit Schreiben vom 5. August 2016 den Kläger darauf hingewiesen hat, dass innerhalb der am 2. August 2016 abgelaufenen Frist eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. August 2016, eingegangen am selben Tag, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung seines [X.] hat er - mit anwaltlicher Versicherung und unter Vorlage einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die [X.] vom 30. Juli bis 19. August 2016 - vorgetragen, er sei wegen eines plötzlich in dieser [X.] aufgetretenen Burnout-Zustandes nicht mehr in der Lage gewesen, die Berufungsbegründung rechtzeitig zu fertigen oder eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die Symptome des Burnouts habe er nicht deuten können, weil er eine solche Erkrankung noch nie zuvor in seinem Leben gehabt habe. Wegen des plötzlichen und unerwarteten Auftretens des für ihn unbekannten Burnout-Zustandes habe er als Einzelanwalt ohne Personal für diesen konkreten Ausfall keine präzisen Vorkehrungen treffen können, zumal frühere Bemühungen für [X.] ergeben hätten, dass keiner der übrigen vier Anwaltskollegen auf der [X.], auf der er wohne, zu einer Vertretung bereit gewesen sei.

3

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt, den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Es fehle insbesondere an einer Darlegung, welche Vorkehrungen der Kläger zur Wahrung von Fristen für den Fall seines unvorhergesehenen Ausfalls getroffen habe. Sowohl die unerwartet aufgetretene [X.] als auch die Tätigkeit des [X.] als Einzelanwalt ohne Personal auf einer Insel mit nur weiteren wenigen, nicht vertretungsbereiten Rechtsanwälten seien unerheblich und entbänden den Kläger nicht von der Pflicht, rechtzeitig für den Fall seines unerwarteten Ausfalls für eine Vertretung zu sorgen.

II.

4

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung des [X.] ist eine Entscheidung des [X.] insbesondere auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Begründung der Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Ablehnung des [X.] im angefochtenen Beschluss den Kläger in seinem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt.

5

1. Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gebietet es, einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (st. Rspr., vgl. [X.] [X.]K 11, 461, 463; zuletzt Senat, Beschluss vom 19. September 2017 - [X.]/16, [X.], 119 Rn. 6 und vom 12. Dezember 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 311 Rn. 4, jeweils mwN).

6

2. Davon ausgehend ist die Ablehnung des [X.] nicht zu beanstanden.

7

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen (Senatsbeschluss vom 6. März 1990 - [X.], [X.], 1026; [X.], Beschlüsse vom 26. September 2013 - [X.], NJW 2014, 228 Rn. 7 und vom 18. Mai 1994 - [X.]/94, [X.], 1520). Ein Rechtsanwalt muss allerdings, wenn er - wie hier - unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist (Senatsbeschluss vom 6. März 1990 - [X.], [X.], 1026; [X.], Beschlüsse vom 26. September 2013 - [X.], NJW 2014, 228 Rn. 10; vom 11. März 1987 - [X.], [X.], 785, 786; vom 8. Februar 2000 - [X.], juris Rn. 12; vom 18. September 2003 - [X.], [X.], 182 und vom 18. September 2008 - [X.], [X.], 3571 Rn. 9).

8

b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die danach erforderliche zumutbare Vorsorge für einen Verhinderungsfall getroffen hat. Aus dem von ihm vorgelegten Attest des behandelnden Arztes ergibt sich vielmehr, dass nach den eigenen Angaben des [X.] die als Burnout-Zustand gedeuteten Symptome in den "letzten Tagen" vor dem 5. August 2016 "immer wieder zeitweise" - also nicht ständig - aufgetreten seien, wobei er "beispielsweise Termine und [X.] übersehen" habe. Daraus ergibt sich aber schon nicht, dass der Kläger in den [X.]en, in denen die Symptome nicht auftraten, außerstande gewesen wäre, einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Ferner bestand für ihn in diesen [X.]en dringende Veranlassung, Vorkehrungen für den Verhinderungsfall zu treffen, zumal er als Einzelanwalt und ohne eigenes Personal tätig war. Hätte der Kläger rechtzeitig im Zustand der Gesundheit die für einen überraschenden Krankheitsfall gebotenen Absprachen getroffen, wäre es ihm nach dem Attest noch möglich gewesen, seinen Vertreter zu instruieren. Dem Vorbringen des [X.] ist nicht zu entnehmen, dass er entsprechende Vorsorge getroffen hat. Dabei vermag ihn auch nicht der Umstand zu entlasten, dass er auf der Insel angeblich keinen vertretungsbereiten Kollegen gefunden hätte. Dass der Kläger seine Anwaltstätigkeit auf einer Insel ausübt, auf der nur wenige Rechtsanwälte tätig sind, entbindet ihn nicht - wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt - von der Pflicht, für den Fall eines Ausfalls für eine Vertretungsregelung zu sorgen, was auch durch einen vertretungsbereiten Kollegen auf dem Festland erfolgen kann.

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Klein     

      

Meta

VI ZB 44/16

10.04.2018

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 5. September 2016, Az: 13 U 49/16

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO, § 520 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.04.2018, Az. VI ZB 44/16 (REWIS RS 2018, 11087)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1359-1360 REWIS RS 2018, 11087

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