Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.09.2017, Az. 1 VR 7/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 5160

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Gegenstand

Abschiebungsanordnung gegen islamistischen Gefährder in die Türkei


Leitsatz

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG kann vorliegen, wenn die Haftbedingungen im Zielstaat der Abschiebung den in Art. 3 EMRK (juris: MRK) verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen widersprechen.

Gründe

I

1

Der Antragsteller, ein in [X.] geborener und aufgewachsener 21-jähriger [X.] Staatsangehöriger, begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung in die [X.].

2

Mit Verfügung vom 27. Juni 2017 ordnete das [X.] - gestützt auf § 58a [X.] - die Abschiebung des Antragstellers in die [X.] an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Antragsteller enge Kontakte in radikal-islamistische [X.] pflege, mit der terroristischen Vereinigung "[X.] ([X.])" sympathisiere und gewillt sei, die Ziele des "[X.]" auch aktiv durch Gewaltakte zu unterstützen. Daraus ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass vom Antragsteller die Gefahr ausgehe, für sein Vorbild "[X.]" Anschläge gegen "staatliche Funktionen" oder gegen Unbeteiligte in [X.] zu verüben. Gegen ihn wurde im März 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a und § 89b StGB eingeleitet und am 28. März 2017 durch das [X.] Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet. Am 20. Juli 2017 hat die Staatsanwaltschaft Anklage beim [X.] erhoben (601 Js 34/17). Am 13. Juli 2017 hat das [X.] zudem [X.] zur Sicherung der Abschiebung angeordnet (810 XIV(B) 57/17).

3

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2017 hat der Antragsteller beim [X.] Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und am 1. August 2017 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und diesen Antrag mit Schriftsatz vom 18. September 2017 näher begründet. Er hält die Verfügung für rechtswidrig. Der Antragsteller sei vor Erlass der Verfügung nicht hinreichend angehört worden. Vom Antragsteller gehe keine terroristische Gefahr aus. Die ihm vorgeworfenen Äußerungen ergäben sich nicht aus [X.] und seinen eigenen Angaben gegenüber der Haftrichterin. Die Antragsgegnerin stütze sich vielmehr auf die Angaben der Polizeibeamten der Kriminalinspektion [X.] (K[X.]T) beim Polizeipräsidium B., die möglicherweise von der Vorbereitung der Abschiebungsanordnung gewusst und daher die Sätze geliefert hätten, die hierfür erforderlich seien, nämlich das Bekenntnis zum "[X.]" und "in [X.] etwas machen" zu wollen. Da diese Äußerungen nicht durch andere Quellen belegt werden könnten, begegneten sie erheblichen Zweifeln. Der [X.] könne die Glaubwürdigkeit der Beamten nicht ohne deren Anhörung einschätzen. Was die vorgeworfene Planung einer Weiterreise nach [X.] betrifft, belegten die [X.] das Gegenteil. Die vermeintliche Bedrohung jesidischer Bürger habe der Antragsteller stets bestritten und bestreite sie weiterhin. Im Übrigen stünden einer Abschiebung in die [X.] die dortigen Haftbedingungen entgegen. Der Antragsteller müsse damit rechnen, dort in Haft genommen zu werden. Das [X.] habe in einem Beschluss vom 2. Juni 2017 die Auslieferung einer Person zum Zweck der Strafverfolgung wegen der dortigen Verhältnisse in den Gefängnissen abgelehnt.

4

Der [X.] hat eine Liste mit Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der [X.] erstellt und ergänzend eine Auskunft des [X.] ([X.]) und von [X.] ([X.]) eingeholt. Die in der Liste aufgeführten Erkenntnismittel und die auf die Anfrage des [X.]s eingegangene Auskunft des [X.] vom 5. September 2017 und von [X.] vom 29. August 2017 wurden den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.

II

5

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung des [X.] vom 27. Juni 2017 anzuordnen, ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 [X.], § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das [X.] als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 [X.]r. 3 VwGO).

6

Der Antrag ist aber unbegründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in [X.] zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt das öffentliche Interesse. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel (1.). Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, die einer Abschiebung des Antragstellers in die [X.] entgegenstehen könnten, liegen nicht vor.

7

1. Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 [X.]. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der [X.] [X.] oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. [X.], [X.] vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - juris).

8

a) Die angegriffene Abschiebungsanordnung ist bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 13) nicht zu beanstanden.

9

Die Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Es kann offen bleiben, ob hier von einer Anhörung abgesehen werden konnte, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 28 Abs. 2 [X.]r. 1 VwVfG [X.]). Denn der Antragsteller ist am 2. Juni 2017 in der [X.] zu der beabsichtigten Abschiebungsanordnung gemäß § 28 VwVfG [X.] durch den Mitarbeiter [X.] der [X.] in der Justizvollzugsanstalt angehört worden. Der Ausländerbehörde war zuvor der Entwurf der Abschiebungsanordnung übermittelt worden. Im Rahmen der Anhörung erklärte der Antragsteller, er sei mit einer Abschiebung in die [X.] nicht einverstanden. Er gab an, dass "alles zwar schön geschrieben sei und er diesen Worten nicht widersprechen könne", seine Meinung jedoch feststehe. Dann verließ er die Anhörung.

b) Die Verfügung ist auch materiell nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. [X.] eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der [X.] [X.] und/oder einer terroristischen Gefahr.

aa) Der Begriff der "Sicherheit der [X.] [X.]" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 [X.]r. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 [X.] - nach der Rechtsprechung des [X.]s enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinem Polizeirechts. Die Sicherheit der [X.] [X.] umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 [X.] 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch [X.] gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 15 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 17).

Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer [X.]. Im [X.] findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf [X.] eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des [X.]s doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des [X.] vom 9. Dezember 1999 ([X.] [X.]), aus der Definition terroristischer Straftaten auf [X.] der [X.] im Beschluss des [X.] vom 13. Juni 2002 ([X.] L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des [X.][X.] über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 ([X.] L 344 [X.]) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 [X.] 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des [X.]s eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 [X.] 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.[X.]). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter [X.]etzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "[X.]", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 16 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 18).

Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 [X.], die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den [X.], Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in [X.] verunsichert und/oder staatliche Organe der [X.] [X.] zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der [X.] [X.] und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 17 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 19).

Die für § 58a [X.] erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 [X.]). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.]), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 [X.]). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 [X.] zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 [X.] ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem [X.] (§ 50 Abs. 1 [X.]r. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 [X.]). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der [X.] [X.] rechtfertigen (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 18 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 20).

Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den [X.] damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der [X.] in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 19 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 21).

Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von [X.] beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des [X.] reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der [X.] in das [X.] dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 20 unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - [X.]E 141, 220 Rn. 112 f.). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten "[X.]" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht.

Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a [X.] eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a [X.] durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der [X.] umschlagen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 20 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 22).

Dieses beachtliche [X.] kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in [X.] einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, [X.]punkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der [X.] ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 21 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 23).

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a [X.] erforderlichen Gefahrenprognose aber keine [X.] zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a [X.] erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste ([X.] verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine [X.] der Behörde (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - [X.]VwZ 2017, 1057 Rn. 22; [X.], [X.] vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 42).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass vom Antragsteller derzeit aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a [X.] ausgeht, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Antragstellers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es besteht ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begeht oder sich an einem solchen beteiligt, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen.

Für die Beurteilung des [X.]s sind vor allem folgende Umstände maßgeblich, die sich aus der nicht mit Blattzahlen versehenen Ausländerakte des Antragstellers ([X.]), der ebenfalls nicht mit Blattzahlen versehenen Akte des [X.] ([X.]), den beigezogenen Strafakten sowie dem Vorbringen des Antragstellers und des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren ergeben:

(1) [X.]ach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hat sich der Antragsteller seit 2013 zunehmend islamistisch radikalisiert. Er hat sich seit 2013 intensiv an der Koranverteilungsaktion der mittlerweile verbotenen Vereinigung "Die wahre Religion" in der [X.] beteiligt. Diese wurde im Oktober 2016 durch das [X.] verboten und aufgelöst, weil sie eine Ideologie vertreten hat, die die verfassungsmäßige Ordnung ersatzlos verdrängte, den bewaffneten [X.] befürwortete und ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für Personen darstellte, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach [X.] bzw. in den [X.] ausreisen wollten. Bereits im August 2015 ist der Antragsteller von der Gruppe, mit der er die [X.] durchgeführt hatte, ausgeschlossen worden. Als Grund wurden Handgreiflichkeiten gegenüber (augenscheinlich [X.]) Kritikern dieser Aktion angegeben. Auch hat sich der Antragsteller bei Mitgliedern der Koranverteilungsgruppe nach dem "[X.]" und der [X.]-[X.]usra Front erkundigt. Man hat ihm aber davon abgeraten, nach [X.] zu gehen und sich dort einer Gruppe anzuschließen.

[X.]ach Angaben seines Vaters gegenüber der Polizei hat sich der Antragsteller im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablegen des Abiturs im April 2014 zunehmend religiösen Themen zugewandt, das vorher professionell betriebene Fußballspielen aufgegeben, das geplante Informatikstudium nicht begonnen und sich mit islamistischen Predigern wie [X.] und [X.] beschäftigt. Er hat die [X.] Moschee in [X.] in der [X.] besucht, wo es Besucher gab, die erkennbar salafistisch ausgerichtet waren. Er begann, [X.] zu lernen. Der Antragsteller heiratete dann am 28. [X.]ovember 2015 nach islamischem Ritus. An der Hochzeitsfeier nahmen vier Personen teil, die wegen ihrer salafistischen Einstellung und Einwirkung auf den Antragsteller von dessen Vater für gefährlich gehalten wurden. Als ein Wortführer ist dort [X.] aufgetreten, der nach Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes [X.] seit vielen Jahren in der salafistisch-jihadistischen Szene aktiv ist. Es besteht der Verdacht, dass [X.] anwirbt, indoktriniert und sie von einer Ausreise nach [X.]/[X.] überzeugt, um dort für den sog. "[X.] ([X.])" tätig zu werden. In der Vergangenheit sind bereits mehrere männliche Personen erfolgreich angeworben worden. Zumindest in einem Fall habe sich [X.] in den [X.] begeben und dort ein Selbstmordattentat verübt, bei dem zahlreiche Menschen getötet oder verletzt wurden.

Der Antragsteller entzog sich nach der Hochzeit zunehmend dem Einfluss seiner eher westlich orientierten Eltern, die ihn nicht mehr erreichen konnten. Der Vater wandte sich wenige Tage nach der Hochzeit wegen seiner Sorgen an die Polizei in B. Im [X.] des Jahres 2016 wurde dem Antragsteller aufgrund seiner fundamentalen religiösen Einstellung von Seiten seines Ausbildungsbetriebes ([X.]) gekündigt. Sein Vater berichtete dann weiter, dass aus [X.] des Antragstellers in der elterlichen Wohnung fortlaufend religiöse Kampfgesänge ([X.]) zu hören waren und dass der Antragsteller seinen Vater als Ungläubigen (Kuffar) bezeichnete. Zudem ist der Antragsteller mehrfach nach [X.] zum [X.] e.[X.] gereist, in welchem [X.], ein bekannter islamischer Hassprediger, predigte. Gegenüber seiner Mutter ist der Antragsteller auch handgreiflich geworden, was einen Polizeieinsatz zur Folge hatte. Die Verletzungen der Mutter unterhalb des linken Auges sind kriminalpolizeilich dokumentiert ([X.], Strafanzeige vom 18. Dezember 2016 [X.]). Einen Baseballschläger habe er in der Hand gehalten, jedoch nicht eingesetzt. Ende Januar 2017 hat er sich im Bereich A. mit dem [X.] Staatsangehörigen [X.] [X.] getroffen, der als islamistischer Gefährder eingestuft war und wenige Monate später aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a [X.], die mittlerweile rechtskräftig ist, abgeschoben wurde.

Am 4. [X.]ovember 2016 wurde sein [X.] geboren. Der Antragsteller hat im Rahmen des Besuchs seiner Ehefrau auf der Entbindungsstation des [X.] am 6. [X.]ovember 2016 gegenüber einer [X.] gestisch das Durchschneiden ihrer [X.] angedeutet. Aus den polizeilichen Ermittlungen ergibt sich, dass Frau [X.], eine [X.] [X.], gegenüber mehreren Zeuginnen angegeben hat, dass der Kläger ihr gegenüber auf dem Flur der Entbindungsstation die [X.] gemacht hat. Zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen der jesidischen [X.] und dem Kläger gekommen, weil [X.] Angst vor dem Kläger hatte, den sie aufgrund seines Äußeren dem "[X.]" zurechnete und als "[X.]" bezeichnete. Wie die Zeuginnen [X.] (entbindende Schwiegertochter) und [X.]. (Patientin im gleichen Krankenzimmer) bekundeten, berichtete ihnen Frau [X.] davon, dass der Kläger ihr gegenüber dreimal die [X.] gemacht habe, indem er sich mit einem Finger quer über die [X.] strich. Die Zeugin [X.], die Schwiegertochter der [X.], hat nach ihrer Aussage das schnalzende Geräusch gehört, das der Kläger bei seiner Geste verwendete (Schnalzlaut mit der Zunge). Allerdings hat der Kläger vor der Tür des [X.] gestanden, so dass die frisch entbundene [X.] aus dem Krankenzimmer heraus die Geste nicht hat sehen, sondern nur das Geräusch hat vernehmen können. Die Zeugin [X.] bekundete aber, dass Frau [X.] nach dem Vorfall am ganzen Körper gezittert habe, richtig rot im Gesicht geworden sei und geweint habe. Ihre Tochter [X.] erschien wegen des Vorfalls in den späten Abendstunden des 6. [X.]ovember 2016 auf der [X.] und schilderte den Sachverhalt. Der diensthabende Polizeibeamte suchte noch am Abend die Familie auf und verstand den Vorfall als konkrete Morddrohung (Zeichen für Enthauptung). Die Familie hatte allerdings große Angst und wollte deshalb keine Strafanzeige erstatten. Dies ist auch deshalb gut nachvollziehbar, weil Jesiden in [X.] und im [X.] in großem Umfang Opfer von Misshandlungen durch den "[X.]" geworden sind.

Die Zeugenvernehmung der Frau [X.] am 8. [X.]ovember 2016 musste wegen dieser Angst abgebrochen werden. [X.]ach dem polizeilichen Protokoll wiederholte Frau [X.] mehrfach mit ihrer Hand die Geste des [X.] und gab zur Kenntnis, dass sie seit diesem Vorfall große Angst habe. Die Tochter [X.] gab an, dass ihre Mutter seit zwei Tagen kaum geschlafen habe. Außerdem habe ihre Mutter seit dem Vorfall aus Angst nicht mehr die Wohnung verlassen. Frau [X.] äußerte die Sorge, dass der Tatverdächtige oder andere Angehörige der Terrororganisation "[X.]" sie oder Mitglieder der Familie identifizieren und töten könnte. Trotz längerer Erörterung sei diese Angst der Geschädigten nicht zu nehmen gewesen. Daher wurde das Strafverfahren wegen Bedrohung im Ergebnis eingestellt.

Der Kläger bestätigte im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 27. Februar 2017 ([X.] und 16 Bl. 50 - 55), dass es eine verbale Auseinandersetzung mit den jesidischen Frauen der [X.] auf der Entbindungsstation gegeben und Frau [X.] behauptet habe, er habe sie bedroht. Er habe sich zwar auf dem Flur befunden, Frau [X.] habe auf ihn eingeredet, er glaube nicht, überhaupt ein Wort geantwortet zu haben. Auf die Frage, ob er sich gegenüber [X.] dreimal mit dem Finger quer über die [X.] gestrichen habe, antworte der Kläger zweimal ausweichend, dazu habe er sich schon geäußert.

Der [X.] geht bei der Würdigung der Aussagen davon aus, dass Frau [X.] am 6. [X.]ovember 2016 tatsächlich von dem Kläger mit der dreimaligen Geste des [X.] bedroht worden ist. [X.]ur so sind ihre spontanen Vorwürfe zu erklären, die sie den Zeuginnen im Krankenzimmer schilderte. Ohne den Vorfall lassen sich auch ihre ausgeprägten Angstzustände mit körperlichen Folgeerscheinungen nicht erklären, denen sie seit dem Vorfall und noch Tage danach ausgesetzt war. Auch der Umstand, dass sich die Tochter noch am späten Abend des Tages auf die Polizeistation begeben hatte, um den Vorfall zu Protokoll zu erklären, lässt sich nur so erklären. Das Verhalten ist für den Kläger auch nicht wesensfremd, war er doch schon im August 2015 von der Gruppe, mit der er die [X.] durchgeführt hatte, wegen Handgreiflichkeiten gegenüber (augenscheinlich [X.]) Kritikern dieser Aktion ausgeschlossen worden.

Für die Einschätzung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahr ist weiterhin sein [X.] nach [X.] im März 2017 von Bedeutung. Im [X.]ovember 2016 meldete sich der Vater des Antragstellers bei der B. Kriminalinspektion [X.] (K[X.]T) und gab an, dass der Antragsteller gegenüber seiner nach islamischem Ritus angetrauten Ehefrau geäußert habe, nach [X.] reisen zu wollen, um dort in einer Moschee in [X.] den Islam zu studieren. Hierzu habe er Kontakt zu [X.] namens [X.] Do. Dg. aufnehmen wollen.

Der Antragsteller hat Ende [X.]ovember 2016, unter Mitnahme aller persönlichen Gegenstände einschließlich seines Reisepasses, sein Elternhaus verlassen. Im Februar 2017 beantragte er einen Kinderausweis für seinen [X.] und gab an, eine Reise nach [X.] zu planen. In diesem Zusammenhang wurde ein [X.] Visumseintrag in seinem [X.]n Pass festgestellt. Im Rahmen einer Gefährderansprache durch den Staatsschutz des [X.] stritt der Antragsteller Ausreiseabsichten in ein Kriegsgebiet zum [X.] an den "[X.]" vehement ab. Vielmehr wolle er mit seiner Frau und seinem [X.] nach [X.] reisen, um dort den Islam zu studieren. Vorher wolle er, ebenfalls in [X.], die [X.] Sprache intensiv lernen, um eine Grundlage für das Studium zu schaffen. In der Folgezeit kam es zur Trennung des Antragstellers von seiner Frau, die seitdem das alleinige Sorgerecht für den gemeinsamen [X.] ausübt.

Am 21. März 2017 reiste der Antragsteller von [X.] nach [X.] mit Zwischenstopp in [X.]. Auf Befragen gab er an, dort für die Dauer von etwa einem Monat Freunde besuchen zu wollen. Er hatte ein Gepäckstück aufgegeben. Am Morgen des 22. März 2017 wurde er in [X.] beim [X.] aufgrund seines Erscheinungsbildes kontrolliert, worauf ihm die Einreise nach [X.] verweigert wurde. Befragt durch den [X.] Staatssicherheitsdienst [X.] gab er an, Urlaub in [X.] machen und bei einem Freund namens [X.] De. [X.]. wohnen zu wollen. [X.]ach Erkenntnissen der [X.] Behörden steht [X.]. [X.]. mit relevanten Personen aus dem terroristischen Milieu in [X.] in Kontakt. Mittlerweile lebt [X.]. [X.]. wieder in [X.] ([X.], [X.] Bl. 479), hatte aber in der [X.] vom 1. September 2014 bis zum 1. Juni 2016 in [X.] studiert ([X.] Bl. 480).

[X.]achdem dem Antragsteller die Einreise nach [X.] nicht gestattet worden war, flog er nach [X.] zurück. Bei der am [X.] durchgeführten Untersuchung seines Gepäcks wurden rund 6 000 € Bargeld, militärisch anmutende Tarnbekleidung, diverse Kontoauszüge, [X.] Überweisungen, Gegenstände, die eine Sympathie zum sogenannten "[X.]" vermuten lassen sowie die Geburtsurkunde des Antragstellers gefunden. Zu den mitgeführten Gegenständen gehörte eine Kopfbedeckung mit einer Symbolik des "[X.]es". Bei der Sichtung seines Mobiltelefons durch Polizeikräfte wurden zahlreiche [X.] des "[X.]es", Bilder von Koranverteilungen in [X.] sowie Bilder mehrerer unbekannter Personen mit salafistischem Erscheinungsbild entdeckt. In der Folgezeit bis zur Inhaftierung des Antragstellers wurden weitere Videodateien auf seinem Mobiltelefon ausgewertet. Sie zeigen nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen u.a. Kriegshandlungen, mutmaßlich des "[X.]", die in verherrlichender Weise zusammengeschnitten wurden. Darunter befinden sich auffallend oft Szenen mit Selbstmordattentätern, die im Film als Helden dargestellt werden und die für den sogenannten "[X.]" ihr Leben opfern. In diversen Filmen werden brutalste Hinrichtungen gezeigt, Enthauptungen, Erschießungen, Verbrennen von lebenden Menschen sowie regelrechte "Schlachtungen" von Menschen, denen die [X.] aufgeschnitten wird, um sie anschließend an den Füßen hängend ausbluten zu lassen. Bei einigen [X.] waren erkennbar Kinder bei dem Geschehen zugegen.

Gegenüber Beamten des [X.] (u.a. [X.]) hat der Antragsteller im Zusammenhang mit der Durchsuchung seines Gepäcks am [X.] unter anderem folgende Äußerungen gemacht ([X.] 6 Bl. 76 ff.):

"Der Islam steht über allem, über meiner Familie und sogar meinen Eltern."

„Ich möchte als richtiger Muslim sterben und dafür werde ich alles tun."

"Glaubt ihr, dass ihr uns auf unserem Weg aufhalten könnt mit dem, was ihr hier macht? Wir werden immer mehr."

"Was sich nicht nach dem Islam richtet, gilt nicht für mich."

Auf die Frage, ob er hinter der [X.] und dem sogenannten "[X.]" stehe, hat er gegenüber dem Polizeibeamten [X.] geantwortet "eintausendprozentig ja" ([X.] 6 Bl. 77). Bei seiner richterlichen Anhörung am 29. März 2017 stritt der Antragsteller diese Äußerung allerdings ab ([X.] 6 Bl. 106). Auf die Frage, ob er beabsichtigt habe, wieder nach [X.] zurückzukehren, hat er geantwortet „eintausendprozentig nein“ ([X.] 6 Bl. 77). Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußerte er immer wieder Hass gegenüber [X.]. Es gäbe zu viele in [X.] und die würden den Islam bekämpfen.

Während der Rückfahrt nach [X.] mit dem Zug hat der Antragsteller am [X.] gegenüber den Beamten weiterhin erklärt, dass der Westen den [X.] mit Waffen die Demokratie aufzwingen wolle und sich damit gegen den Islam stelle. Das würden sich die Muslime nicht gefallen lassen. Man müsse also verstehen, dass ein Muslim etwas machen müsse, wenn er sieht, dass in [X.] Kinder durch Bomben getötet würden. Man müsse doch verstehen, wenn auch die Muslime mal etwas in [X.] oder [X.] machten.

Aus den gegenüber den Polizeibeamten nach Rückkehr aus [X.] getätigten Äußerungen des Antragstellers ergibt sich seine uneingeschränkte Identifikation mit dem "[X.]" und dem gewaltsamen "[X.]" im [X.]ahen Osten sowie mit dessen [X.]. Der [X.] hat keinen Anlass, an den detailreichen Angaben des [X.] in dessen Vermerk vom 28. März 2017 ([X.] 6 Bl. 76 ff.) zu zweifeln. Die Glaubwürdigkeit der Angaben "der Polizeibeamten der K[X.]T des [X.]", die der Bevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 18. September 2017 - korrigiert im Schriftsatz vom 19. September 2017 - in Zweifel zieht, wird nicht dadurch erschüttert, dass [X.] Äußerungen des Antragstellers wiedergibt, die sich nachteilig für ihn auswirken. Die in den Äußerungen zum Ausdruck kommende Identifikation des Antragstellers mit dem "[X.]" ergibt sich für den [X.] zudem aus den auf seinem Mobiltelefon sichergestellten [X.], den in der elterlichen Wohnung gehörten religiösen Kampfgesängen und weiteren bereits aufgeführten Tatsachen sowie aus den bei seinem [X.] mitgeführten Kleidungsstücken, u.a. aus der Kopfbedeckung mit einer Symbolik des "[X.]es". Aus den [X.] ergibt sich jedenfalls nichts Gegenteiliges. Das Bestreiten des Antragstellers wertet der [X.] demgegenüber als bloße Schutzbehauptung, um strafrechtlichen und ausländerrechtlichen Maßnahmen zu entgehen.

Offen ist hingegen für den [X.] nach derzeitigem Erkenntnisstand, ob der Antragsteller ausschließlich nach [X.] oder von dort auch weiter ins syrisch-irakische Kriegsgebiet reisen wollte. Zwar können die Art der mitgeführten Kleidung und einige Äußerungen des Antragstellers dahin ausgelegt werden, dass eine Weiterreise ins Kriegsgebiet beabsichtigt war. So soll er bei seiner Vernehmung in [X.] im [X.] an die zollrechtliche Untersuchung gesagt haben, er sei nach [X.] ausgereist, weil Freunde von ihm aus D. in die [X.] ausgereist seien und dort zurückgewiesen worden waren. Er habe sich daher für eine Ausreise nach [X.] entschieden ([X.] 6 Bl. 77 f.). Bei seiner richterlichen Anhörung am 29. März 2017 gab der Antragsteller aber an, diese Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen ([X.] 6 Bl. 106). Andererseits sah er auch [X.] unter der Militärregierung nicht als gottgefälligen Staat an ([X.] 6 Bl. 74). Der Haftbefehl des [X.] vom 28. März 2017 wird unter anderem darauf gestützt, es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller von [X.] aus den Weg über die [X.] in das Krisengebiet habe nehmen wollen, um eine Zurückweisung in der [X.] zu vermeiden ([X.] 6 Bl. 100). Bei seiner richterlichen Vernehmung am 31. März 2017 stritt der Antragsteller aber ab, eine Weiterreise in das Kampfgebiet geplant zu haben ([X.] 6 Bl. 161). Für eine Ausreise allein nach [X.] sprechen die vom Mobiltelefon des Antragstellers ausgelesenen Telefonate und [X.]hats. Diese sprechen eher dafür, dass er tatsächlich in [X.] die [X.] Sprache und islamische Theologie studieren wollte, wie dies sein "Mentor" [X.] De. [X.]. getan hatte, der in der [X.] vom 1. September 2014 bis zum 1. Juni 2016 in [X.] studiert hatte und dann wieder nach [X.] zurückgekehrt war. Entsprechend hatte sich der Antragsteller auch gegenüber seinem Vater und der Mutter seines [X.]es geäußert.

(2) Angesichts der vorstehend festgestellten Tatsachen, die sich auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und Zeugenaussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stützen, hält es der [X.] hier für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller seinen über einen langen [X.]raum gebildeten und bekundeten Überzeugungen auch Taten folgen lässt und einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in [X.] begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der [X.] [X.] umschlagen.

Die Gesamtschau der den Antragsteller betreffenden Erkenntnisse ergibt, dass es sich bei ihm um eine Person handelt, die der radikal-islamistischen Szene salafistischer Ausrichtung angehört, sich uneingeschränkt mit dem "[X.]" identifiziert und sich für dessen Ziele einsetzt. Er kleidet sich in einer Weise, die ihn für außenstehende Dritte, wie die jesidische [X.], als "[X.]"-Anhänger ([X.]) ausweist, besitzt eine Kopfbedeckung mit "[X.]"-Symbolik, hörte in [X.] in der elterlichen Wohnung fortlaufend religiöse Kampfgesänge ([X.]) und erklärte gegenüber den Polizeibeamten am [X.] [X.], er identifiziere sich "eintausendprozentig" mit dem "[X.]". Er hat sich von seinem säkularen Umfeld vollständig isoliert, bezeichnet seinen Vater als Ungläubigen (Kuffar), ist gegenüber seiner Mutter handgreiflich geworden, gab seinen zuvor professionell betriebenen Sport auf, nahm nach dem Abitur kein Studium auf, musste die Lehre bei den [X.] wegen seines islamistischen Erscheinungsbildes abbrechen. Stattdessen bewegt er sich in radikal-islamistischen [X.]n und pflegt Kontakt zu terroristischen Gefährdern wie dem [X.] Staatsangehörigen [X.] [X.] sowie [X.], der nach Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes [X.] seit vielen Jahren in der salafistisch-jihadistischen Szene aktiv sein soll und verdächtigt wird, junge Männer anzuwerben, zu indoktrinieren und sie von einer Ausreise nach [X.]/[X.] zu überzeugen, um dort für den "[X.] ([X.])" tätig zu werden. Er hatte sich intensiv an der Koranverteilungsaktion der mittlerweile verbotenen Vereinigung "Die wahre Religion" in der [X.] beteiligt, die im Oktober 2016 verboten wurde, u.a. weil sie den bewaffneten "[X.]" befürwortete und ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungs- und Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für Personen darstellte, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach [X.] bzw. in den [X.] ausreisen wollten.

In der Gesamtschau ist hier nicht lediglich vom Vorliegen einer verfestigten, innerlich unbedingt verpflichtenden extremen ideologischen Überzeugung bei dem Antragsteller auszugehen, sondern von einer in relevantem Umfang erhöhten Bereitschaft, seine uneingeschränkte Identifikation mit dem "[X.]" durch gewaltsame oder terroristische Methoden in die Tat umzusetzen. Der "[X.]" erwartet von jedem seiner Anhänger die Mitwirkung am "[X.]", eine Trennung in steuernde "Paten" und ausführende Attentäter gibt es beim "[X.]" nicht. Zudem äußerte der Antragsteller gegenüber der Polizei sein Verständnis dafür, dass ein Muslim in [X.] oder [X.] "etwas machen müsse", wenn er sehe, dass in [X.] Kinder durch Bomben getötet würden. Der Antragsteller hat ferner der [X.] [X.] mit eindeutiger Zeichensprache die Enthauptung angedroht, eine Tötung wie sie auf "[X.]"-Videos in brutaler Weise dargestellt wird, von denen der Antragsteller zahlreiche auf seinem Mobilfunkgerät verfügbar gehalten hat. Dass er vor Gewaltakten nicht zurückschreckt, hat er durch die begangene Körperverletzung gegenüber seiner eigenen Mutter gezeigt.

Das Risiko eines terroristischen Anschlags durch den Antragsteller ist auch nicht durch dessen Bindung an seine ihm nach islamischem Ritus angetraute Lebensgefährtin, seinen knapp einjährigen [X.] oder sonstige Umstände verringert. Seine Lebensgefährtin hat sich von ihm getrennt und übt das alleinige Sorgerecht für den [X.] aus. Zudem ist nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet, dass die Lebensgefährtin einen mäßigenden Einfluss auf ihn hat. Ein mäßigender Einfluss von den (nicht radikalisierten) Mitgliedern der Familie des Antragstellers ist ebenfalls nicht zu erwarten, da er sich von diesen bewusst distanziert hat.

cc) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame [X.]ormen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ([X.] L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.

Insbesondere musste dem Antragsteller keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die nationale Sicherheit ausgeht (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/[X.]). Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/[X.] auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner unter Ziffer 4. des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (vgl. hierzu die Ausführungen des [X.]s im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17). Die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 [X.], wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a [X.] nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, stünde dann zwar nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/[X.]. Denn danach bedarf ein mit einer Rückkehrentscheidung einhergehendes Einreiseverbot immer einer Einzelfallentscheidung zu seiner Dauer. Diese unionsrechtliche Vorgabe hätte im Falle ihrer Anwendbarkeit zur Folge, dass bei einer Abschiebungsanordnung allein durch eine Abschiebung ohne eine solche Einzelfallentscheidung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen würde. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreiseverbots würde indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da es sich hierbei um eine eigenständige und selbstständig anfechtbare Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer vollzogenen Abschiebungsanordnung handelt. Die hiermit verbundene Frage des nationalen und des Unionsrechts können hier mithin offenbleiben.

dd) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft und genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der vom Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in [X.]. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen ([X.], Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - [X.]E 35, 382 <402 f.>; Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - [X.]E 141, 220 Rn. 96, 132).

Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Antragsteller seit seiner Geburt in [X.] lebt, im Besitz einer [X.]iederlassungserlaubnis und assoziationsberechtigt nach dem Abkommen EWG-[X.] ist, indem er sich auf Art. 7 [X.] 1/80 berufen kann. Damit kann der Aufenthalt des Antragstellers nur unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 [X.] beendet werden, d.h. sein persönliches Verhalten muss gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Aufenthaltsbeendigung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]-371/08 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:809], [X.] - [X.]VwZ 2012, 422 Rn. 80 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der vom Antragsteller ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen terroristischen Anschlags nicht auf andere Weise gleich wirksam begegnet werden kann wie durch die Beendigung des Aufenthalts. Das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu erfüllende Erfordernis einer gegenwärtigen "konkreten Gefährdung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ([X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]-371/98 - Rn. 84) bedeutet, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht auf vergangenes strafbares Verhalten gestützt werden dürfen, sondern gegenwärtig noch eine konkrete Bedrohung für hochrangige Rechtsgüter ausgehen muss. Eine "konkrete Gefahr" im Sinne des [X.] Polizeirechts wird damit nicht gefordert, vielmehr reicht eine terroristische Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 [X.] aus, die gegenwärtig ist und sich jederzeit realisieren kann.

Bei der Ermessensentscheidung hat der Antragsgegner auch gewürdigt, dass der Antragsteller in [X.] zur Schule gegangen ist und die [X.] beherrscht. Außerdem leben seine Eltern und sein [X.] in [X.], der [X.] allerdings getrennt von ihm bei der das alleinige Sorgerecht ausübenden Mutter. Zudem gelang dem Antragsteller allenfalls eine partielle Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse, da er auf Grund seiner ideologischen Einstellung die hier gültige Gesellschaftsordnung und die staatlichen Institutionen der [X.] [X.] ablehnt und mit Hilfe der von ihm vertretenen islamistischen Weltanschauung zu überwinden trachtet. Seine [X.] Kontakte beschränken sich auf Personen, die ebenfalls Teil der radikal-islamistischen Szene sind; mit dem Teil seiner Familie, der seine radikal-islamistischen Einstellung ablehnt, hat der Antragsteller gebrochen. Auch ist dem Antragsteller eine Integration in die Lebensverhältnisse seines Herkunftslandes zumutbar, zumal er über grundlegende [X.] Sprachkenntnisse verfügt.

2. Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 [X.] hindert den Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht, es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.[X.]m. § 59 Abs. 2 und 3 [X.] in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 [X.] entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von [X.] als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 [X.]) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 [X.]) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 [X.].

Für eine Verfolgung des Antragstellers wegen dessen Rasse, Religion, [X.]ationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe oder politischen Überzeugung im Sinne von § 60 Abs. 1 [X.] liegen keine Anhaltspunkte vor. Eine mögliche Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder terroristischer Betätigung stellt keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 [X.] dar. Der Antragsteller selbst trägt eine solche Gefahr im Übrigen auch selbst nicht vor.

Der Antragsteller hält es nicht für ausgeschlossen, dass ihm in der [X.] die Haft droht. Die [X.]n Sicherheitsbehörden und die [X.] Justiz gingen nicht nur gegen vermeintliche [X.] und [X.] vor, vielmehr würden möglicherweise auch vermeintliche Anhänger oder Sympathisanten des "[X.]" verfolgt. Da der Inhalt der Abschiebungsanordnung den Antragsteller in die [X.]ähe des "[X.]" rücke, müsse er befürchten, im Zuge der Abschiebung in [X.] Haft zu kommen. Die dortigen Haftbedingungen würden im Hinblick auf die aktuelle politische Lage in der [X.] nicht den menschenrechtlichen Mindestanforderungen entsprechen. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des [X.] vom 2. Juni 2017 (2 AR (Ausl) 44/17), der deshalb entsprechende Zusicherungen für die Rechtmäßigkeit einer Auslieferung verlange.

[X.]ach den dem [X.] vorliegenden Erkenntnissen werden Anhänger des sogenannten "[X.]s" in der [X.] strafrechtlich verfolgt. Aus der Antwort des [X.] auf Fragen des [X.]s ergibt sich, dass sich im Februar 2017 nach Angaben des [X.]n Justizministeriums insgesamt 498 ausländische "[X.]"-Anhänger in [X.]n Haftanstalten befunden haben sollen, davon 470 in Untersuchungshaft und 28 im Strafvollzug. Zahlen zu [X.]n Staatsangehörigen liegen dem [X.] nicht vor. Es verfügt auch nicht über offizielle Angaben zu den angewandten Strafvorschriften und zur Strafhöhe. [X.]ach Pressemeldungen zu Einzelfällen seien [X.] tStGB und Artikel 314 tStGB angewandt worden. [X.] hat auf die Fragen des [X.]s mitgeteilt, sie verfügten über keine eigenen Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß, mit welcher Konsequenz und ab welchem Grad der Unterstützungsaktivität "[X.]"-Anhänger in der [X.] verfolgt würden. [X.]ach der Auskunft des [X.] geht der [X.] allerdings davon aus, dass eine Strafverfolgung des Antragstellers auch wegen seiner Aktivitäten außerhalb der [X.] möglich erscheint.

a) Was die Konsequenzen einer Inhaftierung anbetrifft, liegt keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass dem Antragsteller in der Haft oder im Polizeigewahrsam eine gegen Art. 3 [X.] verstoßende Behandlung droht. Wie das [X.] mitgeteilt hat, sind Verstöße gegen Art. 3 [X.] im Rahmen der Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren gegen "[X.]"-Anhänger nicht bekannt geworden. Auch sind dem [X.] keine Hinweise auf eine Art. 3 [X.] widersprechende Behandlung außerhalb von Ermittlungs- oder Strafverfahren spezifisch gegenüber "[X.]"-Anhängern bekannt. Vielmehr gilt seine Erkenntnis aus dem Lagebericht vom 19. Februar 2017 ([X.]) fort, die lautet:

"Dem [X.] und [X.]n Menschenrechtsorganisationen, zu denen die [X.] Botschaft engen Kontakt unterhält, ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus [X.] in die [X.] zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Zu demselben Ergebnis kommen andere [X.]-[X.] und die USA."

Zwar gebe es Hinweise auf Einzelfälle, in denen - im Rahmen des Vorgehens gegen mutmaßliche terroristische Täter zur Gefahrenabwehr oder bei [X.] - Verstöße gegen Art. 3 [X.] von Betroffenen oder ihren Rechtsanwälten behauptet worden seien. Allerdings verfügt auch [X.] zur Frage, ob "[X.]"-Anhänger Opfer von Folter wurden, über keine Informationen. Berücksichtigt man, dass [X.] über Informationen über die Betroffenheit anderer Personenkreise von Folter in der [X.] verfügt - besonders häufig betroffen sind danach Personen, die der Unterstützung der [X.] bezichtigt werden, sowie Personen, die der Beteiligung am Putschversuch im letzten Jahr beschuldigt werden - liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Gefahr einer Art. 3 [X.] widersprechenden Behandlung zum [X.]achteil des Antragstellers vor.

Diese Beurteilung gilt auch unter Berücksichtigung der von [X.] hervorgehobenen Tatsache, dass Berichte über Folter in Polizeigewahrsam seit der Aufkündigung des [X.]sprozesses zwischen der [X.]n Regierung und der [X.] ([X.]) im Juli 2015 und insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 drastisch zugenommen haben. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Folter gegenüber vermeintlichen "[X.]"-Anhängern nicht bekannt geworden sein sollte. Dieser Beurteilung steht die Tatsache nicht entgegen, dass sich die Einstellung der [X.]n Regierung gegenüber dem "[X.]" zum [X.]egativen verändert hat, seit "[X.]"-Mitglieder im [X.] 2014 Geiseln im [X.]n Konsulat in [X.] genommen, die [X.] ihre Enklave [X.] in [X.] im Februar 2015 räumen musste und der [X.] Außenminister die Durchreise von fremden "[X.]"-Kämpfern durch die [X.] im Januar 2015 als "greatest threat" für sein Land bezeichnete.

Fehlt es an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine Art. 3 [X.] widersprechende Behandlung zum [X.]achteil des Antragstellers, kommt es für die Entscheidung des [X.]s nicht darauf an, ob und inwieweit Schutzmaßnahmen gegen Folter unter dem nach wie vor geltenden Ausnahmezustand systematisch abgebaut wurden. Daher ist auch nicht entscheidungserheblich, in welchem Umfang [X.]n Behörden Informationen über ausländische Aktivitäten vermeintlicher "[X.]"-Anhänger bekannt sind.

b) Allerdings ergibt sich aus Beschlüssen von Oberlandesgerichten in Auslieferungssachen, u.a. aus dem vom Bevollmächtigten des Antragstellers zitierten Beschluss des [X.] vom 2. Juni 2016, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Haftbedingungen in der [X.] nach dem Putschversuch im Juli 2016 aufgrund der massenhaften Inhaftierungen den in Art. 3 [X.] verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen widersprechen ([X.], Beschluss vom 2. Juni 2016 - 2 AR (Ausl) 44/17 - StraFo 2017, 292 = juris Rn. 10; [X.], Beschluss vom 16. August 2016, 1 [X.]/16 - [X.]StZ-RR 2016, 323 <324>; [X.], Beschluss vom 17. Januar 2017 - (4) 151 [X.] (10/17) - StraFo 2017, 70). Im Hinblick auf Art. 3 [X.] müssen die Hafträume nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bestimmte Bedingungen aufweisen, insbesondere müssen die vorhandenen Tageslichtverhältnisse und die vorhandenen Sanitärzellen ausreichend sein. Auch das [X.]iveau der Beleuchtung, der Heizung, der Lüftung und der medizinischen Versorgung sowie der Ernährung der Häftlinge ist insoweit von Bedeutung. Dem Häftling muss in der Regel eine Fläche von 3 m² in einem Gemeinschaftshaftraum ohne Berücksichtigung des Mobiliars zur Verfügung stehen (vgl. [X.], Einstweilige Anordnung vom 18. August 2017 - 2 BvR 424/17 - juris Rn. 37 m.w.[X.]). Die zitierten mit Auslieferungssachen befassten Gerichte sehen die Gefahr, dass Betroffene im Falle ihrer Auslieferung wegen der Überbelegung der Haftzellen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein könnten, was ein Zulässigkeitshindernis nach § 73 Satz 1 [X.] begründet. Dieses Zulässigkeitshindernis kann nach der zitierten Rechtsprechung jedoch dadurch ausgeräumt werden, dass die [X.]n Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen abgeben, unter denen der Betroffene nach erfolgter Auslieferung inhaftiert sein wird. Diese Rechtsprechung lässt sich auf das Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 [X.] übertragen, weshalb der [X.] die Abschiebung nur mit der Maßgabe zulässt, dass die [X.]n Behörden zusichern, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen im Fall einer Inhaftierung des Antragstellers wegen seines Verhaltens vor der Abschiebung den [X.] Mindeststandards entsprechen. Darüber hinaus ist von den [X.]n Behörden zuzusichern, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der [X.] [X.] beim Antragsteller zur Kontrolle seiner Haftbedingungen während der Dauer einer möglichen Inhaftierung möglich sind (entsprechend [X.], Beschluss vom 2. Juni 2016 - 2 AR (Ausl) 44/17 - StraFo 2017, 292 = juris Rn. 11 f.; [X.], Beschluss vom 16. August 2016, 1 [X.]/16 - [X.]StZ-RR 2016, 323 <324>; [X.], Beschluss vom 17. Januar 2017 - (4) 151 [X.] (10/17) - StraFo 2017, 70 = juris Rn. 8 ff.).

Im Fall des Antragstellers erscheint eine Inhaftierung bei Rückführung in die [X.] deshalb beachtlich wahrscheinlich, weil ihm vorgeworfen wird, in [X.] eine Straftat nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) begangen zu haben. Sollte sich in der am 19. September 2017 beginnenden Hauptverhandlung der Tatvorwurf nicht bestätigen, ist auch das Risiko einer Inhaftierung in der [X.] einer [X.]eubewertung zu unterziehen.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 [X.]r. 2 GKG. Da die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnimmt, war der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.

Meta

1 VR 7/17

19.09.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

Art 14 EWGAssRBes 1/80, Art 7 EWGAssRBes 1/80, § 11 Abs 1 AufenthG, § 11 Abs 2 AufenthG, § 11 Abs 5 AufenthG, § 2 AufenthG, § 3 AufenthG, § 4 AufenthG, § 5 AufenthG, § 53 Abs 3 AufenthG, § 54 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 58a AufenthG, § 59 Abs 3 AufenthG, § 59 Abs 2 AufenthG, § 6 AufenthG, § 60 Abs 1 AufenthG, § 7 AufenthG, § 8 AufenthG, § 9 AufenthG, Art 11 Abs 2 EGRL 115/2008, Art 7 Abs 4 EGRL 115/2008, Art 19 Abs 4 GG, Art 6 GG, Art 3 MRK, § 89a StGB, § 80 Abs 5 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.09.2017, Az. 1 VR 7/17 (REWIS RS 2017, 5160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5160

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 VR 3/18, 1 VR 3/18 (1 A 1/18) (Bundesverwaltungsgericht)

Abschiebungsanordnung gegen einen türkischen Islamisten


1 VR 12/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Abschiebungsanordnung gegen islamistischen Gefährder in die Türkei


1 VR 1/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Stattgebender Eilbeschluss gegen die Abschiebungsanordnung eines radikal-islamistischen Gefährders


1 A 16/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthGhier: türkischer Gefährder


1 A 3/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder


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