Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2015, Az. 3 StR 102/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 4538

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Gegenstand

Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs und gewerbsmäßigen Bandenbetrugs: Vermögenschaden bei Erlöschen der Zahlungspflicht des Getäuschten durch täuschungsbedingt erwirkte Zahlung; täuschungsbedingter Irrtum des Verfügenden


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 4. September 2014

a) soweit es den Angeklagten [X.]betrifft,

aa) im Schuldspruch zu Fall II.2. der Urteilsgründe dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Betruges schuldig ist,

bb) hinsichtlich der Einzelstrafe im Fall II.3. der Urteilsgründe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum irrtumsbedingt eingetretenen Vermögensschaden im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("Aktion Privatsphäre") aufrecht erhalten,

[X.]) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Fall [X.] der Urteilsgründe sowie in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über das Absehen von einer Verfallsanordnung;

b) soweit es den Angeklagten [X.]    betrifft,

aa) im Schuldspruch zu Fall II.6. der Urteilsgründe dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Betruges schuldig ist,

bb) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum irrtumsbedingt eingetretenen Vermögensschaden im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("Aktion Privatsphäre") und zur Einbindung des Angeklagten in das Tatgeschehen im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("Werbe- stop") aufrecht erhalten,

[X.]) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Fall [X.] der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) soweit es die Mitangeklagten [X.]     und      M.     betrifft,

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Fall [X.] der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die jeweilige Gesamtstrafe;

d) soweit es die Mitangeklagte [X.]      betrifft,

aa) hinsichtlich der Einzelstrafe zu Fall II.3. der Urteilsgründe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum irrtumsbedingt eingetretenen Vermögensschaden im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("Aktion Privatsphäre") aufrecht erhalten,

bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Fall [X.] der Urteilsgründe sowie in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über das Absehen von einer Verfallsanordnung, soweit der von der [X.] fest-gestellte Betrag 159.301 € übersteigt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwie-sen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen "gewerbsmäßigen" Betruges und gewerbsmäßigen [X.] in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und festgestellt, dass gegen ihn wegen eines Betrages in Höhe von 1.002.706,80 € deshalb nicht auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Den Angeklagten [X.]     hat es des gewerbsmäßigen [X.] in drei Fällen und des "gewerbsmäßigen" Betruges schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt. Die nicht revidierenden Mitangeklagten [X.],       M.     und [X.]hat das [X.] wegen deren jeweiliger Beteiligung an diesen Fällen zu Bewährungsstrafen verurteilt; hinsichtlich der Mitangeklagten [X.]hat es zusätzlich festgestellt, dass einer Verfallsanordnung Ansprüche Verletzter entgegenstehen, jedoch an sich ein Betrag von 351.699 € dem Verfall von Wertersatz unterliegt. Die [X.] wenden sich gegen ihre Verurteilungen mit der allgemeinen Sachrüge und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

I. Revision des Angeklagten S.

3

1. Aus den in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten zutreffenden Gründen fehlt es nicht an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage und ist die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge nicht begründet.

4

2. [X.] [X.] der Urteilsgründe ("Forderungsmanagement") hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Weder tragen die Feststellungen die Annahme eines vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs (§ 263 Abs. 5 St[X.]) noch sind diese ausreichend belegt. Im Einzelnen:

5

a) Nach den diesbezüglichen Feststellungen fasste der Angeklagte zusammen mit dem Angeklagten [X.]       und der Mitangeklagten [X.]den Entschluss, gemeinsam sogenanntes Forderungsmanagement zu betreiben. Über die Firmen [X.]                       und [X.]schlossen sie Verträge mit anderen Unternehmen, den sog. Produktgebern, ab, für die sie Forderungen gegenüber den ihnen genannten Personen geltend machen sollten. Die einzuziehenden Forderungen sollten aus dem telefonischen Vertrieb von Gewinnspieleintragungsdiensten und [X.] resultieren. 50% der generierten Einnahmen sollten an die jeweiligen Produktgeber zurückfließen, den Rest sollten die Angeklagten [X.], [X.]      und [X.]vereinnahmen.

6

Auf dieser Grundlage versendeten die Angeklagten Schreiben an die von ihren Vertragspartnern mitgeteilten Kunden, mit denen sie die Zahlung der ihnen genannten Ansprüche anmahnten. In den Fällen der Forderungen, die mit dem Vertrieb des [X.] "[X.]” in Zusammenhang standen, wurden die Kunden in den von den Angeklagten versendeten Schreiben aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 99 € zur Vertragsbeendigung zu zahlen. Die Geschädigten wurden zum Teil durch die in den Mahnschreiben aufgeführte Drohung, dass rechtliche Schritte eingeleitet würden bzw. dass im Falle von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen höhere Kosten entstünden, zu Zahlungen veranlasst, obwohl weitere Maßnahmen gar nicht geplant waren. In einigen Fällen wurde bei den überwiegend älteren Adressaten der Eindruck hervorgerufen, dass sie tatsächlich einen Vertrag geschlossen hatten und damit ein entsprechender Irrtum erregt. Insgesamt erwirkten die Angeklagten auf diese Weise Zahlungen in Höhe von 192.398 €.

7

Hinsichtlich der aus dem Gewinnspieleintragungsdienst "[X.]" geltend gemachten Ansprüche sah der Angeklagte die Möglichkeit, dass es sich um nicht bestehende Forderungen handelte, und billigte dies ([X.]). Bezüglich der Forderungen aus den vertriebenen [X.] sowie einem Teil der anderen Gewinnspieleintragungsdienste wusste der Angeklagte [X.], "dass diese Forderungen tatsächlich nicht berechtigt waren, d.h. dass entweder gar keine Forderungen bestanden oder aber dass entsprechende Verträge aufgrund von Betrugshandlungen zustande gekommen waren" ([X.] f.). Hinsichtlich des verbleibenden Teils der Gewinnspieleintragungsdienste, aus denen die angemahnten Zahlungsansprüche resultierten ("[X.]", "[X.]", "[X.]" und "WinTotal 24"), wusste er zumindest, "dass derartige Gewinnspiele unter falschen Versprechungen vertrieben wurden, was hinsichtlich dieser Gewinnspiele auch tatsächlich der Fall war" ([X.]).

8

b) Diese Feststellungen genügen nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 [X.], wonach im Urteil die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben sind, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen ([X.], Beschluss vom 13. Januar 2005 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13). Rechtsbegriffe müssen durch die ihnen zugrunde liegenden Vorgänge aufgelöst werden, sofern sie nicht allgemein geläufig sind oder sich die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen aus dem Urteilszusammenhang ergänzen lassen ([X.], [X.], 7. Aufl., § 267 Rn. 9; [X.], [X.], 26. Aufl., § 267 Rn. 38 jeweils mwN).

9

Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens (§ 263 Abs. 1 [X.]) nicht hinreichend. Ein solcher scheidet aus, wenn durch die [X.] erwirkte Zahlung eine entsprechende Zahlungspflicht des [X.] erlischt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, [X.]R St[X.] § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 80). Dies kommt vorliegend in den Fällen in Betracht, in denen die angeschriebenen Kunden zunächst tatsächlich einen Vertrag mit den Produktgebern geschlossen hatten. Dass die Befreiung von der vertraglichen Zahlungspflicht keinen kompensationsfähigen Vorteil begründete, weil es sich um nach § 123 B[X.] anfechtbare Verträge handelte (vgl. [X.] aaO), lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen nicht nachvollziehen. Allein die pauschale, nicht näher ausgeführte Feststellung, die Verträge seien aufgrund von Betrugshandlungen oder falschen Versprechungen zustande gekommen, zeigt die Voraussetzungen eines Anfechtungsrechts nach § 123 B[X.] oder anderer auf Vertragsaufhebung gerichteter Rechte der Kunden nicht auf; der Rechtsbegriff des Betrugs ist ebenso ausfüllungsbedürftig wie die Deutungsspielräume zulassende Wendung "falsche Versprechungen". Insbesondere wird nicht ersichtlich, dass die Kunden über den Wert der erworbenen Gegenleistung getäuscht worden waren. Mangels näherer Feststellungen zu den vertriebenen Gewinnspieleintragungsdiensten und [X.] lässt sich deren Wert nicht in Beziehung zu den jeweils geltend gemachten Forderungen setzen; dass die Teilnahme an Gewinnspieleintragungsdienste oder erworbene [X.] per se wertlos sind, versteht sich nicht von selbst.

Schon aus diesem Grund bedarf der Schuldspruch der Aufhebung. Die Urteilsgründe lassen offen, ob die bei der Bestimmung des Vermögensschadens berücksichtigten Einzelzahlungen der Geschädigten auch auf Fälle zurückgingen, in denen gar kein Vertragsschluss zwischen den Kunden und den Produktgebern zustande gekommen war. Die in den Urteilsgründen enthaltene tabellarische Auflistung differenziert insoweit - was für sich genommen allerdings noch keinen Rechtsfehler begründet - nicht.

c) Daneben besteht ein durchgreifender Rechtsfehler darin, dass das [X.] seinen Schluss, die in die Bestimmung des Vermögensschadens eingestellten Zahlungen seien ausschließlich auf Fälle zurückgegangen, in denen zuvor mit den angeschriebenen Kunden entweder gar kein Vertrag zustande gekommen oder ein solcher aufgrund von Betrugshandlungen bzw. unter falschen Versprechungen erwirkt worden war, nicht auf eine tragfähige Beweisgrundlage gestützt hat. Auch der Beweiswürdigung zum Vorsatz des Angeklagten [X.]lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher Umstände die [X.] die Überzeugung gewonnen hat, dass die - für sich betrachtet rechtsfehlerfrei begründeten - subjektiven Vorstellungen des Angeklagten auch in objektiver Hinsicht zutrafen. Dies gilt insbesondere auch für die anhand der Beweiswürdigung nicht nachvollziehbare Differenzierung, wonach den hinsichtlich der Produkte "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "WinTotal 24" geltend gemachten Zahlungsansprüchen sämtlich zunächst zustande gekommene Vertragsabschlüsse zugrunde lagen, die jedoch auf falsche Versprechungen zurückgingen ([X.]), hinsichtlich der übrigen Gewinnspieleintragungsdienste und [X.] jedoch entweder gar keine Forderungen bestanden oder solche aufgrund von Betrugshandlungen zustande gekommen waren ([X.]).

Darüber hinaus entbehrt die Annahme des [X.]s, sämtliche festgestellten Zahlungen seien irrtumsbedingt geleistet worden, einer sie tragenden Beweiswürdigung. Dem Urteil lässt sich - auch im Gesamtzusammenhang - nicht entnehmen, aufgrund welcher Umstände sich die [X.] hiervon überzeugt hat. Dass ein Teil der Adressaten auf die Mahnschreiben und Angebote zur Vertragsaufhebung in Kenntnis der Rechtslage und unbeeinflusst von der Drohung, es würden andernfalls rechtliche Schritte eingeleitet, nur deshalb zahlten, weil sie mit der Angelegenheit nicht weiter belästigt werden wollten, liegt im Hinblick darauf, dass sich der festgestellte Gesamtschaden aus mehreren hundert Einzelzahlungen zusammensetzt, nicht derart fern, dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigten (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 23. Juni 2015 - 1 [X.] juris Rn. 4; vom 7. August 2014 - 3 StR 105/14, juris Rn. 3).

3. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ("Verbraucherschutz") tragen bereits die - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen zum Komplex "Der Verbraucherberater" ([X.]) der Urteilsgründe) den Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen [X.]. Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil nicht auszuschließen ist, dass die [X.] im Komplex "Aktion Privatsphäre" ([X.]) der Urteilsgründe) den Vermögensschaden fehlerhaft bestimmt hat und damit für Tat II.3. der Urteilsgründe von einem unzutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist.

a) Nach den zum Komplex "Aktion Privatsphäre" getroffenen Feststellungen erbrachte der Angeklagte [X.]ab dem [X.] unter dem Produktnamen "Aktion Privatsphäre" - später auch "Meine Privatsphäre" - Leistungen auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes. Gegen Zahlung eines Jahresbeitrags bot er insbesondere Hilfestellungen bei unerwünschten Vertragsschlüssen an. Diese Leistungen bestanden in der Weiterleitung von Widerrufs- und Kündigungsschreiben, der Ausgabe von Gutscheinen hinsichtlich der Beratung durch qualifizierte Rechtsbeistände sowie der Einrichtung einer Kundenhotline. [X.] agierte der Angeklagte hierbei über die von ihm geleitete Firma [X.]              , deren eingetragene Geschäftsführerin seine Lebensgefährtin war. Nachdem die [X.] im Laufe des Jahres 2011 zunehmend in immer größere finanzielle Schwierigkeiten geraten war, übernahm die neu gegründete [X.]                      , deren Geschäftsführer der Angeklagte [X.]     war, ca. 13.000 Bestandskunden der "Aktion Privatsphäre/Meine Privatsphäre". Die Angeklagten [X.], [X.]      und [X.]fassten dabei den Entschluss, den Mitarbeiterstab und das Leistungsprogramm erheblich einzuschränken. So wurden die Kundenhotline eingestellt und - mangels finanzieller Mittel - Gutscheine für die anwaltliche Beratung von Kunden nicht mehr zur Verfügung gestellt. Die Kunden unterrichteten sie hierüber nicht, stattdessen mahnten sie den nächsten Jahresbeitrag in Höhe von 69 € an und unterbreiteten Angebote zur Vertragsbeendigung für Beträge zwischen 39 € bis 89 €. Hierdurch wurde den Kunden in allen Fällen der falsche Eindruck vermittelt, der ursprüngliche Leistungsumfang könne noch erbracht werden bzw. eine Vertragsaufhebung sei nur einvernehmlich möglich und nicht auch wegen der tatsächlich eingetretenen Leistungsunfähigkeit. Die daraufhin zahlenden Kunden hätten ihre Zahlungen nicht erbracht, wenn sie um die mangelnde Leistungsfähigkeit der [X.]          (richtig: [X.]                 ) gewusst hätten. Dies war den Angeklagten [X.], [X.]      und [X.]     auch bewusst, wobei sie dies billigten. In der [X.] vom 1. September 2011 bis 30. April 2012 kam es hierdurch zu Zahlungen der Kunden in einer Gesamthöhe von 109.171 €.

b) Die Annahme der [X.], die in die Berechnung des Vermögensschaden eingestellten Zahlungen gingen sämtlich auf [X.]e Irrtümer der angeschriebenen Kunden zurück, ist nicht ausreichend belegt. Der Schluss des [X.]s beruht ausschließlich auf der Erwägung, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass Kunden für allenfalls noch rudimentäre Leistungen einen vollen Jahresbeitrag zahlen oder noch Zahlungen für die vorzeitige Beendigung eines Vertrages erbringen, aus dem ihnen ohnehin keine nennenswerten Gegenleistungen mehr zufließen ([X.] 69). Dabei begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob das [X.] seinen Schluss auch aus der Vernehmung (eines Teils) der Geschädigten gewonnen hat. Die [X.] konnte ihren Schluss auf die [X.]e Fehlvorstellung der [X.] insoweit auch auf Indizien stützen (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 2013 - 3 [X.], [X.], 215, 216; Beschluss vom 4. September 2014 - 1 [X.], [X.], 98, 100 mwN). Allerdings hat sie sich nicht mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass die Kunden jedenfalls teilweise - insbesondere auf die Angebote zur Vertragsbeendigung hin - unbeeinflusst von Gedanken zur Leistungsfähigkeit bzw. -willigkeit der Angeklagten in dem Bestreben, nicht weiter belästigt zu werden, gezahlt haben könnten. Angesichts des Umstandes, dass sich der insoweit festgestellte Gesamtschaden aus über 1.600 Einzelzahlungen zusammensetzte, liegt es nicht fern, dass zumindest bei einigen Zahlenden eine solche Motivation handlungsleitend war.

Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Einzelstrafe auf dem Rechtsfehler beruht. Auch wenn angesichts der Erwägung des [X.]s nahe liegt, dass dem Großteil der festgestellten Einzelzahlungen [X.]e Irrtümer zugrunde lagen und diese zur Bestimmung des Vermögensschadens heranzuziehen sind, obliegt die Prüfung und Entscheidung, ob und in welchem - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung zu ermittelnden (vgl. auch [X.], Urteil vom 14. August 2008 - 3 [X.], [X.]St 54, 69, 125) - Maß dies der Fall war, dem Tatrichter. In diesem Umfang sind die ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 [X.]).

4. Die Feststellung bezüglich des [X.] von der Verfallsanordnung nach § 111i Abs. 2 [X.] erweist sich bereits aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler im Fall [X.] der Urteilsgründe, die sich auf die Bestimmung des aus der Tat [X.] im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 St[X.] erstrecken, als rechtsfehlerhaft. Die rechtsfehlerhafte Bestimmung des Vermögensschadens im Fall II.3. der Urteilsgründe wirkt sich demgegenüber nicht aus, weil mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 St[X.] - entgegengesetzt zu der Interessenlage des Angeklagten bei der Frage nach der Vollendung des Betruges - davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Geschädigten irrtumsbedingt gezahlt haben (vgl. hierzu und zur Anwendung des § 73 St[X.] in der Konstellation des Versuchs [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 267/13, juris Rn. 27 f.).

Allerdings ist die vom [X.] getroffene Feststellung nach § 111a Abs. 2 [X.] darüber hinaus vollständig aufzuheben, weil die [X.] nicht geprüft hat, ob bereits aufgrund der Härtevorschrift des § 73c St[X.] von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abzusehen wäre. Hierzu hätte es sich angesichts der Feststellungen gedrängt sehen müssen, denn es ist fraglich, in welchem Umfang die aus den Straftaten erlangten Vermögensvorteile im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden waren (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. März 2015 - 3 [X.], [X.], 270; vom 6. November 2014 - 4 StR 290/14, [X.], 70, 71).

Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass der einem Auffangsrechtserwerb des Staates gemäß § 111i Abs. 5 [X.] unterliegende Zahlungsanspruch den Angeklagten als Gesamtschuldner treffen könnte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. März 2015 - 3 [X.], [X.], 270; vom 17. September 2013 - 5 [X.], [X.], 474, 475; Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39, 45 ff.).

5. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.]ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:

[X.] ("Lichtenheimer") wird der Schuldspruch durch die rechtsfehlerfrei begründete Feststellung getragen, dass den auf die Entgegennahme der versendeten Nachnahmeschreiben erbrachten Zahlungen [X.]e Irrtümer der zahlenden Kunden zugrunde lagen. Dass daneben auch sämtliche auf die Versendung von Mahnschreiben und Vertragsauflösungsangeboten geleisteten Zahlungen irrtumsbedingt waren, hat das [X.] indes nicht ausreichend belegt; der [X.] nimmt insoweit auf die zu den Fällen [X.] und II.3. der Urteilsgründe dargelegten Gründe Bezug. Es ist allerdings auszuschließen, dass sich der Rechtsfehler bei der Bestimmung des Schuldumfangs zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. In die Schadensberechnung eingestellt hat die [X.] ausschließlich eingegangene Zahlungen in Höhe von 57 € und 59 €. Angesichts der im Urteil genannten, von dem Angeklagten in den verschiedenen Schreiben geltend gemachten Beträge ist jedoch ersichtlich, dass diesen Zahlungen ausschließlich Nachnahmesendungen zugrunde lagen, so dass die [X.] mit Blick auf deren im Vergleich zu Mahnschreiben oder Vertragsauflösungsangeboten unterschiedlichen Bedeutungsgehalt ohne Rechtsfehler von einem entsprechenden Irrtum der Kunden hat ausgehen können.

Der Schuldspruch war hinsichtlich des Falles II.2. der Urteilsgründe allerdings neu zu fassen. Die Verwirklichung des [X.] gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 St[X.] wird nicht in die Urteilsformel aufgenommen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juli 2006 - 2 [X.], juris Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 58. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN).

II. Revision des Angeklagten [X.]

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

2. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]      wegen gewerbsmäßigen [X.] (§ 263 Abs. 5 St[X.]) im Fall [X.] der Urteilsgründe hält aus den zur Revision des Angeklagten [X.]dargestellten Gründen sachlichrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

3. In den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe weist der Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, da der Schuldumfang in diesen Fällen jeweils rechtsfehlerhaft bestimmt ist. Hierzu gilt:

a) Wie bereits zur Revision des Angeklagten [X.]ausgeführt tragen die Feststellungen zum Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("Der Verbraucherberater") den Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen [X.] (§ 263 Abs. 5 St[X.]) im Fall 3. der Urteilsgründe. Für den dortigen Teilabschnitt [X.]) ("Aktion Privatsphäre") ist der festgestellte Vermögensschaden jedoch nicht rechtsfehlerfrei belegt. Der [X.] nimmt insoweit ebenfalls Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Revision des Angeklagten [X.]. Die Feststellungen unterliegen in demselben Umfang der Aufhebung.

b) Im Fall II.4. der Urteilsgründe tragen die dort unter [X.]) und b) rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen [X.].

Allerdings ist das [X.] auch im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("[X.]") von einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken der Angeklagten [X.]      und [X.]ausgegangen und hat die insoweit erwirkten Zahlungen zur Bestimmung des Vermögensschadens herangezogen ([X.] 45). Den Schluss, dass der Angeklagte [X.]      auch in dieser Tatphase mittäterschaftlich mit dem Angeklagten [X.]agierte, tragen die Feststellungen jedoch nicht. [X.], die der Angeklagte [X.]      in diesem Abschnitt leistete, werden in den Urteilsgründen nicht geschildert; auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils lassen sich solche nicht entnehmen. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Angeklagte [X.]      eingetragener Geschäftsführer der [X.]                           war, die in dem vorangegangenen Geschehen ([X.]) der Urteilsgründe) in die Tat eingebunden war. Dass der Angeklagte [X.]über diese Firma auch im Komplex "[X.]" agierte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Hiergegen spricht überdies, dass die insoweit zur Bestimmung des Vermögensschadens vom [X.] berücksichtigten Zahlungen der Geschädigten auf dem Geschäftskonto der der Angeklagten [X.]zuzurechnenden Firma [X.]       eingingen. Auch die von der [X.] in der Beweiswürdigung als Beleg für ihre Feststellungen herangezogene und für glaubhaft erachtete Einlassung des Angeklagten [X.]zeigt die Beteiligung des Angeklagten [X.]      nicht auf. Hieraus folgt lediglich, dass dieser im Fall II.4. der Urteilsgründe "als Geschäftsführer der [X.]-             ... involviert gewesen" war ([X.] 80). Eine Einbindung des Angeklagten [X.]      während der Phase "[X.]" im Jahr 2012 folgt hieraus ebenso wenig wie aus seiner Einlassung, wonach er "Kenntnis von sporadischen Nachnahmesendungen in 2012 für den Angeklagten [X.]... gehabt, aber nicht den genauen Umfang gekannt" habe ([X.] 86).

Auch wenn die im Komplex "[X.]" eingegangenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.770 € im Verhältnis zu dem unter Fall [X.]) der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei festgestellten Vermögensschaden (30.640 €) deutlich geringer ausfallen, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die Bemessung der für Fall II.4. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe von einem Jahr auf dem Rechtsfehler beruht. Der Aufhebung bedürfen die Feststellungen allerdings nur, soweit die Einbindung des Angeklagten [X.]      in das im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellte Geschehen unter [X.]) der Urteilsgründe betroffen ist (§ 353 Abs. 2 [X.]).

4. Hinsichtlich der verbleibenden Verurteilung im Fall [X.] der Urteilsgründe weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Jedoch war der Schuldspruch neu zu fassen, da die Begehung des Betruges als gewerbsmäßig (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 St[X.]) - wie bereits zur Revision des Angeklagten [X.]dargelegt - nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist.

5. Für das weitere Verfahren weist der [X.] darauf hin, dass das neue Tatgericht bei Bildung der Gesamtstrafe die Vorverurteilung des Angeklagten durch das [X.] vom 9. November 2012 entsprechend den Ausführungen des [X.] in der Antragsschrift vom 20. März 2015 zu berücksichtigen haben wird. Sollten in der neuen Hauptverhandlung keine Feststellungen bezüglich einer strafbaren Beteiligung des Angeklagten [X.]      im Komplex [X.]) der Urteilsgründe ("[X.]") möglich sein, wäre allerdings auch die für Fall II.4. der Urteilsgründe neu festzusetzende Einzelstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 9. November 2012 gesamtstrafenfähig.

III. Gemäß § 357 [X.] war die Aufhebung des Urteils wie folgt auf die Nichtrevidenten zu erstrecken:

1. Die Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten [X.]im Fall [X.] ("Forderungsmanagement") der Urteilsgründe erfasst aufgrund der materiell-rechtlichen Akzessorietät der Teilnahme auch die jeweilige Verurteilung der Mitangeklagten [X.]und       M.     wegen Beihilfe zum "gewerbsmäßigen" Betrug.

2. Hinsichtlich der Mitangeklagten [X.]ist deren Verurteilung im Fall [X.] der Urteilsgründe ("Forderungsmanagement") wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.3. der Urteilsgründe aufzuheben. Beides entzieht auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Der Aufhebung unterliegt ferner die Feststellung nach § 111i Abs. 2 [X.], soweit das [X.] in die Bestimmung des aus der Tat [X.] im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 St[X.] auch die im Rahmen der Tat [X.] der Urteilsgründe zugeflossenen Beträge (192.398 €) eingerechnet hat. Insoweit beruht das Urteil auf demselben sachlichrechtlichen Mangel, was zur Anwendung von § 357 [X.] auf die Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 [X.] führt (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2014 - 4 StR 290/14, [X.], 70, 71 mwN). Ausgehend von der von der [X.] festgestellten Gesamtsumme von 351.699 €, in deren Höhe Ansprüche Verletzter einer Verfallsanordnung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegenstehen, verbleibt ein nicht von der Erstreckung erfasster Betrag in Höhe von 159.301 €. Darüber hinaus kommt eine Aufhebung wegen der Nichterörterung der Vorschrift des § 73c St[X.] nicht in Betracht (vgl. [X.] aaO). Jedoch wird das neue Tatgericht - auch hinsichtlich des bestehenbleibenden Betrags von 159.301 € - darüber zu entscheiden haben, ob die Mitangeklagte hinsichtlich des dem [X.] unterliegenden Zahlungsanspruchs des Staates (§ 111i Abs. 5 [X.]) nur als Gesamtschuldnerin haftet.

Becker                        Hubert                           Schäfer

               Spaniol                         Gericke

Meta

3 StR 102/15

01.10.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 4. September 2014, Az: 14 KLs 22/13

§ 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2015, Az. 3 StR 102/15 (REWIS RS 2015, 4538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4538

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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