Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. 3 StR 267/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 282

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 267/13
vom
12. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Betruges

-
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-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 12.
Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6.
Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen [X.] 3., 4. und 5. der Urteilsgründe;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.] 1., 2. und 8. der Urteilsgründe mit den Feststellungen unter [X.] 5. und 7. der Urteilsgründe sowie den Feststellungen zu den [X.]en betreffend die Gewinnspielprodukte "Ihr Bonusvorteil", "[X.] Tipp" und "[X.]"; die übrigen Feststellungen zu diesen Einzelstrafen werden aufrechterhalten,
c) mit den zugehörigen Feststellungen
aa) im [X.],
[X.]) soweit das [X.] festgestellt hat, dass ein Betrag r-liegt, weil Ansprüche Dritter entgegenstehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
-
3
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in neun Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und "festgestellt, dass ein Ansprüche Verletzter entgegenstehen."
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].
I. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen:
Sogenannte Gewinnspieleintragungsdienste schließen mit Verbrauchern gegen eine monatliche Gebühr Verträge über deren Eintragung bei diversen (kostenlosen) Gewinnspielen, die im Rahmen von Werbeveranstaltungen un-terschiedlicher Firmen angeboten werden. Zur Kontaktaufnahme mit den [X.] und zum Abschluss der Verträge bedienen sich die Gewinnspieleintra-gungsdienste (interner oder externer) Call-Center. Der telefonische Vertrags-schluss wird aufgezeichnet, die Aufzeichnung als "Voice-File"
in dem Datensatz des Kunden
abgespeichert, der ansonsten aus Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefon und Bankverbindung besteht. Dieses Voice-File wird in der Branche
-
wenn auch rechtlich unzutreffend -
darüber hinaus als Erklärung des Kunden verstanden, weiteren Kontaktaufnahmen zu Werbezwecken zuzustimmen. Ebenfalls in diesem Datensatz wird vermerkt, wenn der Kunde die monatlichen Gebühren nicht zahlt, sei es, weil er den Vertrag storniert hat, bereits [X.] Gebühren zurückgebucht werden oder A[X.]uchungsversuche mangels 1
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Kontendeckung scheitern. Regelmäßig unternehmen jedoch die Gewinn-spieleintragungsdienste keine Bemühungen, etwaige Forderungen tatsächlich geltend zu machen. Vielmehr werden entsprechende Kunden zukünftig lediglich nicht mehr kontaktiert.
Diese Untätigkeit der Gewinnspieleintragungsdienste wollte der Ange-klagte, der seit November 2008 als Adresshändler selbständig tätig war und dem deshalb die Usancen der Branche geläufig waren, zu eigenen Zwecken nutzen. Als Verantwortlicher seiner eigenen Unternehmen M.

und F.

handelnd kauf-te und übernahm er von acht Personen Kundendatensätze diverser Gewinn-spieldienste, wobei er jeweils verschwieg, dass es ihm darum ging, diejenigen Kunden herauszufinden, gegen die
Forderungen bestanden, um diese selbst
-
unter Einschaltung von Inkassounternehmen -
geltend zu machen ([X.] 1. bis 8. der Urteilsgründe). Die Geschäftspartner gingen dementsprechend von ei-nem in der Branche üblichen Kauf von Adressdaten aus, der dazu diente, mit den entsprechenden Kunden zu eigenen Zwecken erneut Kontakt aufzuneh-men;
hierfür werden

a-tensatz bezahlt. Forderungen wurden in keinem Fall übertragen.
Unter Übermittlung der auf diese Weise erlangten Kundendaten beauf-tragte der Angeklagte zwischen März und November 2010 acht Inkassounter-nehmen mit der Geltendmachung der angeblich ihm zustehenden Forderungen (Fälle [X.] 1. bis 4. und 6. bis 9. der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall (A.
I[X.] 5 der Urteilsgründe) beauftragte der (gutgläubige) Verantwortliche der C.

GmbH das Inkassounternehmen; dieser Gesellschaft hatte der Angeklagte zuvor die -
angeblich ihm zustehenden -
Forderungen zur Eintrei-bung abgetreten, wobei ihm vertraglich 73,5
% der durch das Inkasso einge-4
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henden Zahlungen zustanden. Um einen Forderungserwerb gegenüber den Inkassounternehmen nachweisen und um auf etwaige Beschwerden von Schuldnern reagieren zu können, benötigte der Angeklagte Schriftstücke, die den von ihm behaupteten Forderungserwerb (scheinbar) belegten. Daher legte er den acht Datenverkäufern im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit und/oder zeitlich nach der Datenübergabe von ihm -
zuletzt unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes -
gefertigte Dokumente vor, ohne seine wahre Absicht, einen Forderungserwerb zu erzielen, zu offenbaren. Diese Dokumente wurden von den Geschäftspartnern wiederholt unterzeichnet, oftmals ohne von deren genauem
Inhalt im Einzelnen Kenntnis zu nehmen.
Die Inkassounternehmen versandten gutgläubig jeweils eine Vielzahl von [X.], auf die insgesamt
Zahlungen in Höhe von 1.345.437,02

-
im Fall [X.] 5. der Urteilsgründe gemittelt über die C.

GmbH -

n-geklagten. Weitere 72.492,99

n diesbezüglicher Anspruch von den Ermittlungsbehörden gepfändet wurde.
Das [X.] hat das Vorgehen des Angeklagten als versuchten Be-trug in mittelbarer Täterschaft in neun Fällen gewürdigt. Die Inkassounterneh-men hätten als gutgläubige Werkzeuge die Verbraucher über die Forderungs-inhaberschaft des Angeklagten getäuscht. Da nicht auszuschließen sei, dass die Angeschriebenen, die die Kammer nicht gehört hat, nur gezahlt hätten, um Ruhe vor weiteren, in der Sache als nicht gerechtfertigt erkannten Forderungs-schreiben zu haben, sei jeweils nur von einem Versuch auszugehen gewesen.
[X.] Die Revision wendet sich im Umfang der Aufhebung erfolgreich gegen die Feststellung des [X.]s, es seien in keinem Fall beim Ankauf von Kundendaten auch Forderungen abgetreten worden. Während hinsichtlich 6
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zweier Produkte aus dem Komplex [X.] 2. der Urteilsgründe das Urteil auf eine Verfahrensrüge aufzuheben ist, werden die Feststellungen bezüglich anderer Geschäftsvorgänge (Komplexe [X.] 5. und 7. der Urteilsgründe) bzw. eines einzelnen Produkts ("[X.]") von der Beweiswürdigung nicht getra-gen.
1. Bezüglich eines etwaigen Erwerbs von Forderungen aus den Produk-ten "[X.] Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" hat die Revision mit einer Rüge der Verletzung des §
261 [X.] Erfolg. Das [X.] hat sich insoweit nicht mit allen erhobenen Beweisen auseinandergesetzt und daher seine Überzeu-gung nicht aus dem vollständigen Inhalt der Beweisaufnahme geschöpft. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
In der Hauptverhandlung vom 28.
Juni
2012 überreichte die Verteidigung eine E-Mail des Veräußerers P.

H.

vom 1.
Juni 2010 an den Ange-klagten, die sodann "allseits in Augenschein genommen wurde". Dieser Nach-richt mit dem Text "[X.]

, anbei die Rechnung mit der Bitte um
schnellstmögliche Überweisung. Beste Grüße P.

" war eine Rechnung der Firma des P.

H.

vom selben Tag an das Unternehmen M.

des [X.] über "Kosten Inkassoauftrag für das Produkt [X.] Tipp" in Höhe von 1.444,99 EUR beigefügt.
a) Die Rüge ist zulässig. Entgegen der Ansicht des [X.] war der Beschwerdeführer nicht gehalten vorzutragen, weshalb das Be-weismittel zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich war. Die Entscheidung, auf die der [X.] Bezug nimmt ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2002 -
5 StR 42/02, [X.], 150, 152), betraf eine anders [X.] Fallkonstellation. Dort ging es um gemäß §
254 [X.] verlesene Verneh-mungsniederschriften. Die darin enthaltenen Angaben der vernommenen Per-9
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sonen stehen jedoch in unmittelbarer Wechselwirkung zu den Äußerungen die-ser Personen in der Hauptverhandlung oder anderer dort erhobener Beweise, weshalb sich (vermeintliche) Widersprüche zwischen den Inhalten der verlese-nen Vernehmungsniederschriften sowie zwischen diesen und den [X.] in der Hauptverhandlung zweifelsfrei geklärt haben können. Dann besteht kein Anlass mehr, diese in den Urteilsgründen näher zu erörtern; dies ist im Revisionsverfahren indes nicht rekonstruierbar. Um eine solche, in der ange-führten Entscheidung ausdrücklich als Ausnahme bezeichnete Konstellation
ging es vorliegend jedoch nicht. Der Nachricht lagen keine im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gewonnenen, retrospektiven
Angaben zugrunde, son-dern ihr Inhalt war selbst Teil des aufzuklärenden Geschehens und im Grund-satz geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des [X.]

in der Hauptverhandlung zu wecken (s. unten b)). Die Beurteilung der Revisionsrüge bedarf hier daher keiner unzulässigen
Rekonstruktion der Hauptverhandlung.
Der Zulässigkeit der Rüge steht auch nicht entgegen, dass der [X.] -
das Protokoll zutreffend wiedergebend -
vorgetragen hat, die Urkunde sei in Augenschein genommen worden. Zwar werden durch diese Form der Beweiserhebung regelmäßig nur das Vorhandensein und die Be-schaffenheit der Urkunde belegt, nicht aber ihr Inhalt; zu dessen Erfassung [X.] es grundsätzlich der Verlesung ([X.], Beschluss vom 13.
April 1999
-
1 [X.], [X.], 424). Diese strenge Differenzierung findet jedoch dann eine Grenze, wenn auch der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst wird. [X.] sich -
wie vorliegend -
der Text bereits aus einem flüchtigen Betrachten, kann dessen Bedeutung nicht
ausge-blendet werden und ist mithin Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnah-me.
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b) Die Rüge ist auch begründet. Das [X.] hätte sich vor dem [X.], dass es die Angaben des [X.]

, der in seiner Verneh-mung bekundet hatte, dass eine Abtretung von Forderungen zu keinem Zeit-punkt besprochen bzw. vereinbart worden sei, als glaubhaft erachtet hat, mit den Dokumenten auseinander setzen müssen, in denen von einem "Inkasso-auftrag" die Rede ist und die daher für einen anderen Kenntnisstand des [X.] sprechen könnten.
c) Auf diesem Unterlassen beruht das Urteil, soweit es um die Produkte "[X.] Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" geht. Dagegen kommt bezüglich des Produkts "Ihr Premium Anteil" ein Forderungsübergang unabhängig vom [X.] des [X.]

schon deshalb nicht in Betracht, da dieser nicht Gläubiger der entsprechenden Forderungen war.
2. Im Fall [X.] 1. der Urteilsgründe hat die [X.] zu den von dem beauftragten Inkassounternehmen eingetriebenen Forderungen aus einem Produkt namens "[X.]"
lediglich mitgeteilt, es existiere kein Vertrag über deren Abtretung. Soweit damit das Fehlen eines schriftlichen Vertrages angesprochen sein sollte, wäre dies zur Begründung der Feststellung, der An-geklagte sei nicht Forderungsinhaber geworden, nicht ausreichend, weil ein Schriftformerfordernis für Forderungsabtretungen nicht besteht.
Es fehlt zudem jegliche
Beweiswürdigung dazu, weshalb das [X.] davon
ausgegangen ist, dass der Angeklagte nicht Gläubiger
dieser Forderungen geworden
sei. Diese war auch nicht aus anderen Gründen entbehrlich: Zwar erscheint es auf-grund des zeitlichen Zusammenhangs und der im Einzelnen mitgeteilten Da-tenübermittlung durch den Angeklagten an das Inkassounternehmen möglich, dass es sich insoweit tatsächlich um Forderungen aus dem Produkt "Tippalli-anz"
(Komplex [X.] 1. der Urteilsgründe) handelte, die lediglich im Rahmen der 13
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[X.] fälschlich eine andere Bezeichnung erhalten haben. Dem Urteil mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt sich dies indes nicht.
3. Die Feststellung, bei dem Erwerb von Datensätzen bezüglich des Pro-dukts "[X.]"
durch den Angeklagten von einer Person namens

K.

(Komplex [X.] 7. der Urteilsgründe) sei es nicht zu einer Abtretung bestehen-der Forderungen gekommen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften
Beweiswürdi-gung. Insoweit hat das [X.] -
der Angeklagte hat von seinem Schweige-recht Gebrauch gemacht und der Verkäufer war nicht näher identifizierbar
-
einzig
auf eine handschriftliche Erklärung des Inhalts "Hiermit übertrage ich die Gewinnspielkunden von [X.] mit allen Rechten an Herr

. Fi.

"
abgestellt. Diese dokumentiere keine wirksame Forderungsabtretung, da nur von der Übertragung von Kunden die Rede und im Übrigen die Erklärung für
eine wirksame Abtretung zu unbestimmt sei.
Dies hält revisionsrechtlicher Kontrolle nicht stand. Zum einen hätte sich das [X.] bereits mit der -
angesichts der Geschehensabläufe in den anderen festgestellten Fällen naheliegenden -
Möglichkeit auseinandersetzen müssen, ob der schriftlichen Vereinbarung gegebenenfalls eine mündliche an-deren Inhalts vorausgegangen sein könnte. Darüber hinaus durfte es nicht le-diglich den Wortlaut der schriftlichen Erklärung zum Gegenstand seiner Ausle-gung machen; Berücksichtigung finden müssen auch die außerhalb des Erklä-rungsakts liegenden Begleitumstände, soweit sie einen Schluss auf den [X.] zulassen ([X.], Urteil vom 19.
Januar 2000 -
VIII ZR 275/98, [X.], 1002, 1003 mwN; [X.], [X.], 56.
Aufl., §
337 Rn.
32). Auch wenn die am Geschäft Beteiligten dem [X.] nicht zur Verfügung standen, hätte es jedenfalls darstellen müssen, aufgrund wel-cher Anhaltspunkte es davon ausgegangen ist, dass Umstände, aufgrund derer 16
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von einer Forderungsabtretung auszugehen gewesen wäre, tatsächlich nicht gegeben waren.
Auch der weitere Hinweis der [X.] auf die vermeintlich fehlende Bestimmtheit einer etwaigen Abtretungserklärung (hierzu [X.], Urteil vom 7.
Juni 2011 -
VI ZR 260/10, NJW 2011, 2713) verfängt nicht, weil ein Schrift-formerfordernis nicht besteht und schon deshalb auch diesbezüglich nicht allein auf den Wortlaut, sondern auf die Gesamtumstände abzustellen war. Darüber hinaus begegnet bei Abtretung einer Forderungsmehrheit die Abtretung "aller" Forderungen unter dem Gesichtspunkt der Bestimmbarkeit keinen Bedenken ([X.]/[X.], [X.], 73.
Aufl., §
398 Rn. 15).
4. Auch zu dem unter [X.] 5. der Urteilsgründe dargestellten [X.] ist die Würdigung der [X.], der Angeklagte habe keine Forderungen erworben, nicht frei von [X.]. Da die Revision bereits mit der Sachrü-ge durchdringt, bedarf es eines [X.] auf die zu diesem Komplex erhobe-nen Verfahrensrügen
nicht.
Das
Urteil kann insoweit schon deshalb keinen Bestand haben, weil das [X.] sich nicht mit der Frage befasst hat, welches Recht auf die [X.] zwischen dem Angeklagten und dem seit 2005 gewöhnlich in der [X.] le-benden

I.

anzuwenden war. Die Anwendung [X.] Rechts wäre nach Art. 3 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17.
Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldver-hältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom-I-VO), die gemäß Art. 2 Rom-I-VO auch dann Anwendung findet, wenn es sich bei dem nach ihren Vor-schriften maßgeblichen Recht nicht um das Recht eines Mitgliedstaates der [X.] handelt, nur bei entsprechender Rechtswahl durch die 18
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Parteien bedenkenfrei. Feststellungen zu einer etwaigen Rechtswahl hat das [X.] indes nicht getroffen.
Da das anzuwendende Recht nach Art. 12 Abs.
1 Buchst. a) Rom-I-VO insbesondere auch für die Auslegung von Verträgen und damit auch der diesen zugrundeliegenden Erklärungen maßgebend ist, es sich bei der Auslegung von Erklärungen jedoch um eine ureigene Aufgabe des Tatrichters handelt ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 1952 -
5 StR 509/52, NJW 1952, 1186), ist es dem Senat verwehrt, die festgestellten Erklärungen des Angeklagten und des

I.

selbst nach [X.] Recht auszulegen, um festzustellen, ob unabhängig von der Frage des anzuwendenden Rechts unterschiedliche Ergebnisse aus-geschlossen werden könnten.
Darüber hinaus erweist sich die bei der Anwendung [X.] Rechts vorgenommene Beweiswürdigung durch das [X.] als rechtsfehlerhaft. Die Überzeugung, der Angeklagte habe von

I.

keine Forderungen aus den jeweiligen Gewinnspielprodukten erworben, hat die [X.] im [X.] auf die schriftlichen Vereinbarungen sowie den korrespondierenden [X.] zwischen dem Angeklagten und dem Veräußerer sowie auf dessen schriftliche Angaben im Ermittlungsverfahren gestützt. Die
Beweiswür-digung weist jedoch Lücken auf, weil die
[X.]
den Erklärungsinhalt zweier E-Mail-Nachrichten des

I.

an den Angeklagten vom 9. und 10.
Juni 2010 nur teilweise ausgeschöpft hat. Während I.

den Angeklagten in der ersten E-Mail aufforderte, das Inkasso bezüglich Forderungen aus den Produkten "Suberbonus49 und [X.]" sofort zu stoppen, teilte er am [X.] mit, dass der Angeklagte mit den übrigen Produkten machen könne, was er wolle. Nicht zu beanstanden ist zwar die Schlussfolgerung des [X.]s, dass der [X.] keinen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des
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-
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-

I.

zum Zeitpunkt der Datenübergabe am 19.
Mai 2010 zulasse. Es [X.] sich jedoch darüber hinaus mit der sich aufdrängenden Möglichkeit ausei-nandersetzen müssen, dass in dem Schreiben vom 10.
Juni 2010 eine [X.] der bis dahin unberechtigten Geltendmachung der Forderungen aus den übrigen Produkten durch den Angeklagten gemäß §
185 Abs.
2 [X.] liegen könnte. Jedenfalls wäre der nachfolgende Vertrag vom 14.
Juni 2010 im Lichte dieser Nachrichten und des Kenntnisstandes des

I.

auszulegen gewesen. Dass in diesem Vertrag die Produktnamen -
was beiden bewusst war
-
zur Verschleierung gegenüber den Endkunden um ein Kürzel erweitert wurden, ließe das übereinstimmend Gewollte unberührt (falsa demonstratio non
nocet).
5. Bezüglich der übrigen Produkte hält die Feststellung des Landge-richts, es sei zu keinem Zeitpunkt zu Forderungsabtretungen gekommen, der revisionsrechtlichen Kontrolle in materiell-rechtlicher Hinsicht stand. Die Ausle-gung der mündlichen und schriftlichen Erklärungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Begleitumstände hält sich im Rahmen des dem Tatrichter obliegen-den [X.].
Auch die weiteren Verfahrensrügen dringen nicht durch. Hinsichtlich der Produkte "[X.]" und "[X.]" (Komplex [X.] 1. der Urteilsgründe) gilt dies schon deshalb, weil nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Fest-stellungen der Verkäufer dieser Datensätze nicht Gläubiger etwaiger Forderun-gen war, so dass Beanstandungen mit dem Ziel, deren Erwerb durch den [X.] zu belegen, ins Leere laufen. Den übrigen [X.] bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] der Erfolg versagt.
I[X.] Die aufgezeigten Fehler schlagen nur in den Fällen auf den Schuld-spruch durch, in denen ein
Inkassounternehmen ausschließlich Forderungen 23
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13
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eingetrieben hat, die Gegenstand der diesbezüglichen Geschäfte waren. Dies betrifft die Fälle [X.] 3., 4. und 5., in denen jeweils Forderungen aus lediglich einem von dem Zeugen I.

erworbenen Gewinnspielprodukt eingetrieben [X.] und der Senat die Möglichkeit eines Forderungskaufs schon wegen der fehlenden Feststellung des anzuwendenden Rechts nicht beurteilen kann. Mit aufzuheben sind die zugehörigen Feststellungen, zu denen auch diejenigen zu dem [X.] von dem Verkäufer

I.

bezogen auf die Gewinnspiel-produkte "[X.]", "Maxxikombi
100" und "Bonusrunde
100" zählen (Komplex [X.] 5. der Urteilsgründe). In den übrigen abgeurteilten Fällen kann der Schuldspruch bestehen bleiben, weil ihnen jeweils auch das Inkasso von Forderungen zugrunde liegt, deren Gläubiger der Angeklagte nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.]s nicht geworden ist.
In den Fällen [X.] 1. (bezüglich der Produkte "[X.]", "Ihr Bonusvor-teil", "[X.] Tipp", "[X.]" und "Maxxikombi
100"), [X.] 2. (bezüglich der Produkte "[X.]", "Bonusrunde
100" und "Maxxikombi
100"), und [X.] 8. (bezüglich der Produkte "[X.]", "Max Vorteilsgemein-schaft",
"[X.] sucht den Supermillionär" und "[X.] den Preis") ist aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler allerdings der Strafausspruch nebst den Feststellungen zu den [X.]en unter [X.] 2., 5. und 7. sowie -
bezo-gen auf das Produkt "Allianz Tipp
ABO" -
[X.] 1. der Urteilsgründe aufzuhe-ben. Die übrigen Feststellungen zu diesen Strafaussprüchen sind dagegen rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben (§
353 Abs.
2 [X.]). Die Einzelstrafen in den Fällen [X.] 6. (zwei Jahre und
sechs Monate), [X.] 7. (drei Jahre und sechs Monate) und [X.] 9. (zwei Jahre und drei [X.]) haben hingegen Bestand. Die Aufhebung eines Teils der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

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-
14
-
IV. Da
die aufgezeigten Rechtsfehler sich auf die Bestimmung des aus der Tat [X.] im Sinne des §
73 Abs.
1 Satz 1 StGB (zu
diesem Erfordernis in der Konstellation des Versuchs [X.], Urteil vom 29.
Juni 2010 -
1 [X.], [X.], 477, 478 f.) erstrecken, muss auch die Feststellung ge-mäß §
111i Abs.
2 [X.] aufgehoben werden. Dabei ist mit Blick auf §
73 Abs.
1 Satz 2 StGB
-
entgegengesetzt zu der Interessenlage des Angeklagten bei der Frage nach der Vollendung des Betruges -
davon auszugehen, dass die jeweiligen Kunden [X.] gezahlt haben.

t-erhalten werden. Allerdings sind die Feststellungen zu dem aus den Taten [X.] 6., 7. und 9. [X.] rechtsfehlerfrei getroffen worden. Jedoch hat die Kammer es versäumt, sich mit der
Regelung des §
73c StGB auseinanderzu-setzen, was auch im Rahmen einer Entscheidung nach §
111i Abs.
2 [X.] grundsätzlich geboten ist (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010 -
4 [X.], [X.]St 56, 39, 44 mwN). Zwar ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte über Vermögenswerte verfügt. Deren Umfang hat das [X.] indes nicht dargestellt; dies wäre jedoch im Hinblick auf den erheb-lichen Betrag erforderlich gewesen, der von der Feststellung nach §
111i Abs.
2 [X.] umfasst wurde.
[X.] Pfister Schäfer

Mayer Gericke
27
28

Meta

3 StR 267/13

12.12.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2013, Az. 3 StR 267/13 (REWIS RS 2013, 282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 282

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 267/13

VI ZR 260/10

1 StR 245/09

4 StR 215/10

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