Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2022, Az. B 11 AL 12/21 R

11. Senat | REWIS RS 2022, 8765

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Auszahlungsanspruch - Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers für die Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber der BA - Aufzahlungsfall - Berechnung der Erstattungsforderung - monatsweise Gegenüberstellung


Leitsatz

1. Die Nachrangigkeit einer Leistung besteht in Höhe der vorrangigen Leistung auch, wenn die Höhe der nachrangigen Leistung (hier: Arbeitslosengeld II) die der vorrangigen Leistung (hier: Arbeitslosengeld) übersteigt (sog Aufzahlungsfälle).

2. Bei der Erstattung von Arbeitslosengeld II durch den SGB III-Träger ist auf den Monat als Bezugsgröße und nicht auf Teilzeiträume abzustellen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. März 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Auszahlung von Arbeitslosengeld ([X.]) für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015, das die Beklagte wegen eines Erstattungsanspruchs des beigeladenen Jobcenters einbehalten hat.

2

Der 1989 geborene Kläger bezog vom Beigeladenen während seiner bis zum 10.6.2015 dauernden Ausbildung bis Mai 2015 aufstockend [X.] ([X.]) iHv monatlich 378,39 [X.] (Bescheid vom 18.12.2014). Für Juni 2015 bewilligte ihm der Beigeladene [X.] iHv insgesamt 555,35 [X.] (Bescheid vom [X.]).

3

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten bereits am [X.] arbeitsuchend und am 27.4.2015 arbeitslos mit Wirkung zum 11.6.2015. Diese bewilligte ihm [X.] auf Grundlage einer fiktiven Bemessung für die Dauer von 300 Tagen ab dem 11.6.2015 (Bescheid vom [X.]). Den täglichen Leistungsbetrag setzte sie für die [X.] vom 11.6. bis 3[X.] unter Hinweis auf einen vorläufigen Erstattungsanspruch eines Leistungsträgers auf Null [X.], für die [X.] ab dem [X.] auf 26,38 [X.] fest. Den vom Beigeladenen geltend gemachten Erstattungsanspruch iHv 527,60 [X.] für Juni 2015 (Schreiben vom [X.]) erkannte die Beklagte an (Schreiben an Beigeladenen vom 16.7.2015) und teilte dem Kläger mit, dass er für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 wegen der Zahlung des [X.] und des Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers keinen Anspruch auf [X.] habe (Bescheid vom 16.7.2015). Gleichzeitig setzte sie den täglichen Leistungsbetrag bereits ab dem 11.6.2015 auf 26,38 [X.] fest und führte aus, für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 seien dem "Berechtigten" 527,60 [X.] ausgezahlt worden (Änderungsbescheid vom 16.7.2015). Die vom Kläger erhobenen Widersprüche gegen die beiden Bescheide blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2015).

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von [X.] iHv 26,38 [X.] pro Tag für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 verurteilt (Urteil vom 7.3.2017). Der Ausschlusstatbestand des § 104 Abs 1 Satz 3 [X.]B X greife ein. Es fehle an einem Rangverhältnis, weil eine eigene Leistungspflicht des "nachrangig" verpflichteten Trägers neben der des "vorrangig" verpflichteten Trägers bestehe.

5

Das L[X.] hat nach Zulassung der Berufung der Beklagten das Jobcenter beigeladen und die Klage unter Aufhebung des Urteils des [X.] abgewiesen (Urteil vom [X.]). Der Anspruch des [X.] sei wegen der [X.] nach § 107 Abs 1 [X.]B X erloschen. § 104 Abs 1 Satz 3 [X.]B X habe dem Erstattungsanspruch des Beigeladenen nicht entgegengestanden, da die [X.]-Leistung nachrangig sei. Der Erstattungsanspruch sei nicht auf den Betrag beschränkt, den der Beigeladene für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 geleistet habe (370,23 [X.]), denn Zweck von § 104 [X.]B X sei es, den nachrangig verpflichteten Leistungsträger so zu stellen, als wenn der vorrangig verpflichtete Leistungsträger rechtzeitig geleistet habe.

6

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger, die vom L[X.] vorgenommene Auslegung und Anwendung von § 104 [X.]B X verletze - auch im Kontext mit der Verweisung in § 40a [X.]B II - materielles Recht. Das L[X.] übersehe, dass es sich um einen "Aufzahlungsfall" handele und hinsichtlich dieser "Aufzahlung" keine nachrangige Leistung vorliege. Es fehle an einem Vorrang-/Nachrangverhältnis. Hilfsweise macht der Kläger geltend, der Erstattungsanspruch sei - wenn er bestanden habe - nach einer kalendertäglichen Übereinstimmung für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 zu ermitteln und betrage daher lediglich 370,23 [X.], sodass er jedenfalls noch einen Auszahlungsanspruch iHv 157,37 [X.] habe. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richte sich nach den Vorschriften des [X.]B III, und [X.] werde gemäß § 154 Satz 1 [X.]B III nach Kalendertagen berechnet und geleistet. Auch § 41 Abs 1 Satz 1 [X.]B II sehe vor, dass Leistungen anteilig zu erbringen seien, wenn diese nicht für einen vollen Monat zustünden.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. März 2021 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

9

Sie verweist auf den Zweck der gesetzlichen Regelung der Erstattungsansprüche, wonach der nachrangig verpflichtete Leistungsträger so zu stellen sei, als wenn der vorrangig verpflichtete Leistungsträger rechtzeitig von Anfang an geleistet hätte.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und verweist auf die Ausführungen des L[X.].

Entscheidungsgründe

Die vom [X.] zugelassene und auch im Übrigen zulässige Revision des [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Auszahlung von [X.] für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 zusteht, denn der Anspruch gilt aufgrund eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen als erfüllt.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben der vorinstanzlichen Entscheidung die Bescheide der [X.] vom 16.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2015, mit denen die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger das für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 bewilligte [X.] auszuzahlen. Wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, ist der [X.]-Anspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht angefochten und damit nicht Streitgegenstand ([X.] vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]2).

Zutreffende Klageart ist die - vom Kläger auch erhobene - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des Bescheids vom 16.7.2015, die Abänderung des Änderungsbescheids vom 16.7.2015 - beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2015 - und die Verurteilung der [X.] zur Auszahlung des ihm für den streitigen [X.]raum bewilligten [X.] iHv 26,38 Euro pro Tag, zumindest aber iHv insgesamt 157,37 Euro.

Die Bescheide vom 16.7.2015 ersetzen den ersten Bewilligungsbescheid vom [X.], durch den für Juni und Juli 2015 zunächst nur ein täglicher Leistungsbetrag von Null Euro unter Hinweis auf einen vorläufigen Erstattungsanspruch festgesetzt war. Mit dem Änderungsbescheid vom 16.7.2015 sind dem Kläger [X.]-Leistungen auch für Juni und Juli 2015 bewilligt worden, gleichzeitig hat die Beklagte sowohl im Änderungsbescheid als auch im Bescheid vom 16.7.2015 einen Auszahlungsanspruch des [X.] für den streitigen [X.]raum vom 11.6. bis 30.6.2015 verneint, unter Hinweis auf die vom Kläger bezogenen [X.]-Leistungen und den Erstattungsanspruch des Beigeladenen. Den beiden aufeinander bezogenen Bescheiden vom 16.7.2015 ist zu entnehmen, dass die Beklagte eine (belastende) rechtsverbindliche Feststellung mit Regelungscharakter zu dem aus ihrer Sicht nicht bestehenden Auszahlungsanspruch mit Ablehnung der Auszahlung getroffen hat (vgl zuletzt [X.] B 5 R 24/21 R - Rd[X.]1 ff - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; BSG vom 24.10.2013 - [X.] R 31/12 R - juris Rd[X.]6).

Mit seinen Widersprüchen hat sich der Kläger sowohl gegen die Erstattung an sich als auch gegen die [X.] gewandt. Zu Recht sind SG und [X.] davon ausgegangen, dass sich der Widerspruchsbescheid inhaltlich auf beide Widersprüche bezieht - und nicht etwa nur auf den mit Geschäftszeichen aufgeführten Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.7.2015. Das folgt insbesondere aus der Bezeichnung im Rubrum des Widerspruchsbescheids "gegen die Bescheide vom 16. Juli 2015" sowie aus den Ausführungen zu der Höhe der Erstattung, die sich allein aus dem Änderungsbescheid ergibt.

2. Die angefochtenen Bescheide vom 16.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2015 sind formell rechtmäßig. Insbesondere durfte die Beklagte durch Verwaltungsakt feststellen, dass der ihr gegenüber bestehende [X.]-Anspruch des [X.] für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 erloschen war. Diese Befugnis ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses (siehe [X.] B 5 R 24/21 R - Rd[X.]3 mwN - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die [X.] in § 107 Abs 1 [X.] tritt kraft Gesetzes ein und verklammert [X.] die Erstattungsansprüche der §§ 102 bis 105 [X.] mit dem Anspruch des Leistungsberechtigten. Soweit in diesem Dreiecksverhältnis ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger kraft gesetzlicher Fiktion als erfüllt (stRspr; [X.] vom [X.] - [X.] 3-1300 § 104 [X.] f; BSG vom 16.5.2012 - [X.] A[X.]05/11 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]2; BSG vom [X.] KR 15/16 R - [X.], 10 = [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]6 mwN; zuletzt [X.] B 5 R 24/21 R - Rd[X.]4 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Im Rahmen des [X.] zwischen Kläger und Beklagte wird die konkrete Rechtsfolge (Nichtauszahlung wegen Erfüllung) erst durch die Entscheidung der [X.] bewirkt, den Erstattungsanspruch des anderen Leistungsträgers in einer bestimmten Höhe anzuerkennen und zu erfüllen.

3. Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte kann dem Anspruch des [X.] den Einwand der [X.] entgegenhalten, denn der Anspruch des [X.] auf [X.] für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 iHv 527,60 Euro ist aufgrund des in dieser Höhe bestehenden Erstattungsanspruchs des Beigeladenen erloschen.

Gemäß § 107 Abs 1 [X.] gilt der Anspruch des ([X.] gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Dies ist hier der Fall, denn der Beigeladene hat gegen die Beklagte wegen der Zahlung von [X.] einen Erstattungsanspruch aus § 40a Satz 1 [X.] iVm § 104 Abs 1 Satz 1 [X.].

Nach § 40a Satz 1 [X.] (rückwirkend zum 1.1.2009 durch das [X.] zur Änderung des [X.] personalrechtlicher Bestimmungen vom 28.7.2014, [X.] 1306 eingeführt) steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 [X.] gegen den anderen Sozialleistungsträger ein Erstattungsanspruch zu, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben [X.]raum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach diesem Buch erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt wird. § 40a Satz 1 [X.] enthält - anders als Satz 2 - nur eine klarstellende Rechtsgrundverweisung auf § 104 [X.], regelt jedoch keinen eigenen Erstattungsanspruch ([X.] in [X.]/Voelzke, [X.], 5. Aufl 2020, § 40a Rd[X.]9; [X.] in [X.]/[X.], [X.], §  40a Rd[X.]6, Stand Mai 2021; [X.], info also 2019, 118, 119; vgl auch [X.] in [X.], § 40a [X.] RdNr 31, Stand [X.]; weiter differenzierend [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2021, § 40a Rd[X.]9 ff). Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung "für denselben [X.]raum" in § 40a Satz 1 [X.] bezogen auf die Voraussetzung der [X.]identität von bestehenden erstattungsrechtlichen Grundsätzen abweichen wollte ([X.] in [X.]/Voelzke, [X.], 5. Aufl 2020 § 40a RdNr 33 ff; [X.], info also 2019, 118, 121). In den Gesetzesmaterialien ist durchgehend von einer "Klarstellung" die Rede (vgl BT-Drucks 18/1311 [X.], 11).

Gemäß § 104 Abs 1 [X.] ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 [X.] vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit dieser Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis hat (Satz 1). [X.] verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (Satz 2). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (Satz 3). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs 3 [X.]).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs gemäß § 40a Satz 1 [X.] iVm § 104 Abs 1 Satz 1 [X.] liegen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.], an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), vor. Die Beklagte und der Beigeladene sind Leistungsträger iS von § 104 Abs 1 [X.] iVm § 12 SGB I, und der Beigeladene hat entsprechend dem für ihn geltenden Leistungsrecht zu Recht [X.]-Leistungen erbracht. Der Kläger hatte gegen den Beigeladenen trotz Bewilligung von [X.] durch die Beklagte für Juni 2015 (Änderungsbescheid vom 16.7.2015) weiterhin einen Leistungsanspruch auf [X.] für Juni 2015, schon weil ihm wegen seines am 10.6.2015 endenden Ausbildungsverhältnisses geringeres Einkommen als in den anderen Monaten zugeflossen ist und die Beklagte das [X.] zu diesem [X.]punkt noch nicht gezahlt hatte. Der Anspruch des [X.] auf [X.] ist nicht nachträglich durch die Bewilligung von [X.] entfallen, sondern bestand wegen der vorrangigen Pflicht der [X.] zur Gewährung von [X.] nur nachrangig, sodass die Voraussetzungen des § 103 [X.] nicht vorliegen. Die nach § 104 [X.] erforderliche sachliche Kongruenz (vgl zur erforderlichen Gleichartigkeit der Leistungen Senatsurteil vom 12.10.2017 - [X.] AL 20/16 R - [X.] 4-4300 § 56 [X.] Rd[X.]9 f) von [X.] und [X.] liegt jedenfalls deswegen vor, da beide Leistungen der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts des Leistungsberechtigten dienen. Die Leistungen sind auch in zeitlicher (Juni 2015; siehe zum Monatsprinzip 4.) und persönlicher (Leistung an den Kläger) Hinsicht kongruent.

Der Beigeladene als Grundsicherungsträger ist im Verhältnis zur [X.] vorliegend der nachrangig verpflichtete Leistungsträger iS von § 104 [X.] (zur Anwendbarkeit des § 104 [X.] bei Vorleistung des Grundsicherungsträgers vgl Senatsurteile vom 23.2.2011 - [X.] AL 15/10 R - [X.] 4-3250 § 51 [X.] Rd[X.]5 und vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]4; BSG vom 20.12.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]8), was bereits die Rechtsgrundverweisung in § 40a Satz 1 [X.], die Nachrang-Vorschrift des § 5 Abs 1 [X.] ([X.] vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - [X.] 4-2500 § 44 [X.]5 Rd[X.]6) sowie die Anrechnung des [X.] als Einkommen nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] ([X.] vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]5) deutlich machen.

Die Voraussetzungen des § 104 Abs 1 Satz 2 [X.] liegen ebenfalls vor. Wäre es zu einer rechtzeitigen Auszahlung des [X.] im streitigen [X.]raum gekommen, hätte wegen dessen Berücksichtigung als Einkommen eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Erbringung von [X.]-Leistungen nicht in der gewährten Höhe bestanden, denn dann wäre [X.] dem Kläger noch im Juni 2015 zugeflossen. Dabei kommt es - anders als das [X.] meint - nicht darauf an, dass dies der üblichen Zahlungspraxis der [X.] entspricht, sondern aufgrund der gesetzlichen Regelung geboten ist. [X.]-Leistungen werden nach § 337 Abs 2 [X.]I - hier in der Fassung vom [X.] - in Abweichung von § 41 SGB I "monatlich nachträglich ausgezahlt". Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des [X.] als für einen konkreten Monat ausgezahlte Leistung muss es den Leistungsempfängern am Ende des betreffenden Monats noch zufließen (siehe auch BT-Drucks 15/1831 [X.]; BT-Drucks 17/3283; [X.] in [X.]/[X.], [X.], §  11 Rd[X.]99 mit Verweis auf die fachlichen Hinweise der [X.] zu § 11 [X.], Stand Dezember 2019). Soweit vertreten wird, [X.] müsse erst am Tag nach dem Monatsende auf dem Konto der Leistungsberechtigten verfügbar sein (vgl [X.] in [X.], § 337 [X.]I Rd[X.]6, Stand 1.12.2019; [X.] in Eicher/[X.], [X.]I, § 337 Rd[X.]0, Stand April 2017; [X.] in [X.]/Voelzke, [X.]I, 2. Aufl 2019, § 337 RdNr 86) steht dem entgegen, dass § 337 Abs 2 [X.]I die Formulierung "nach Ablauf des Zahlungszeitraums" der Vorgängervorschrift des § 122 [X.] (außer Kraft am [X.] durch Art 82 Abs 1 des Gesetzes vom [X.], [X.] 594), nicht beibehalten hat, was entstehungsgeschichtlich auf einen geforderten Auszahlungszeitpunkt schon am Monatsende hindeutet. § 337 [X.]I entspricht damit auch nicht mehr § 614 Satz 2 BGB, wonach im Arbeitsverhältnis eine Vergütung, die nach [X.]abschnitten bemessen ist, (erst) nach dem Ablauf dieses [X.]abschnitts zu entrichten ist.

Entgegen der Auffassung der Revision entfällt die [X.]keit der Leistungen des Beigeladenen nicht dadurch, dass die Höhe der zu beanspruchenden [X.]-Leistungen vorliegend die Höhe des [X.] übersteigt, der Kläger also zusätzlich zu seinem [X.] "aufstockend" einen Anspruch auf [X.] hat. Die Ausnahmeregelung des § 104 Abs 1 Satz 3 [X.], nach der ein Erstattungsanspruch nicht besteht, "soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen", greift vorliegend nicht. Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, wird bereits aus dem Wort "soweit" deutlich, dass lediglich in Höhe der Differenz der beteiligten Leistungsansprüche kein Rangverhältnis besteht (so auch [X.] in LPK-[X.], 5. Aufl 2019, § 104 Rd[X.]; [X.] in Schütze, [X.], 9. Aufl 2020, § 104 Rd[X.]6). Damit bewirkt die Regelung eine Begrenzung des Umfangs des Erstattungsanspruchs in den sogenannten Aufzahlungs- oder Aufstockerfällen, sodass hinsichtlich des [X.] weiterhin ein Anspruch des Leistungsempfängers gegen den nachrangigen Leistungsträger besteht (vgl Senatsurteil vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]7; BSG vom 20.12.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]8). § 104 Abs 1 Satz 3 [X.] bezieht sich allein auf die - hier nicht gegebene - Situation unabhängig voneinander bestehender Leistungspflichten, bei denen kein Fall des doppelten Bezugs von kongruenten Leistungen vorliegt (so beispielsweise bei einem Anspruch auf Sozialgeld anstelle des gezahlten [X.], [X.] vom 31.10.2012 - [X.] R 9/12 R - [X.] 4-1300 § 104 [X.] Rd[X.]4 f).

4. Der Erstattungsanspruch des Beigeladenen besteht auch - wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat - in Höhe der vollständigen von der [X.] für die [X.] vom 11.6. bis 30.6.2015 bewilligten [X.]-Leistungen (527,60 Euro).

Der Umfang der Erstattungsansprüche der §§ 102 ff [X.] wird von zwei "Eckpfeilern" bestimmt: Zum einen soll der erstattungsberechtigte Leistungsträger im Wege des Erstattungsanspruchs nicht mehr erhalten können, als er selbst dem Sozialleistungsempfänger an Leistungen erbracht hat, und zum anderen soll der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht mehr erstatten müssen, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte (vgl § 103 Abs 2, § 104 Abs 3, § 105 Abs 2 und § 106 Abs 3 [X.]). Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist demnach begrenzt durch das, was der erstattungspflichtige Träger jeweils selbst unmittelbar dem Berechtigten gegenüber zu leisten gehabt hätte ([X.] vom 22.5.1985 - 1 RA 45/84 - [X.], 128, 133 = [X.] 1300 § 103 [X.] S 20; BSG vom 30.5.2006 - B 1 KR 17/05 R - [X.] 4-3100 § 18c [X.] Rd[X.]5; Kater in [X.], § 104 [X.] Rd[X.]3, Stand 1.8.2022; [X.] in Schütze, [X.], 9. Aufl 2020, § 104 Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.], §  104 Rd[X.]6, Stand Juli 2021).

Gemäß § 104 Abs 3 [X.] richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Der nachrangig verpflichtete Leistungsträger hat im Hinblick auf § 104 Abs 3 [X.] grundsätzlich die Entscheidung des vorrangigen Leistungsträgers nach Grund und Höhe zu akzeptieren (BSG vom [X.] - 7 [X.] - [X.], 36, 39, 43 = [X.] 3-1300 § 104 Nr 8 [X.]8, 23), die sich nach dessen Bewilligungsbescheid gegenüber dem Leistungsempfänger bestimmt und vorliegend im streitigen [X.]raum 26,38 Euro pro Tag, dh insgesamt 527,60 Euro beträgt.

Soweit der Umfang des Erstattungsanspruchs auch durch die [X.]dauer bestimmt wird, für die er besteht (Überschneidungszeitraum), ist bei der Erstattung von [X.]-Leistungen auf den Monat als Bezugsgröße abzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass [X.] nach § 154 Satz 1 [X.]I für Kalendertage berechnet und geleistet wird, denn die Auszahlung erfolgt nach § 154 Satz 2 iVm § 337 Abs 2 [X.]I monatsweise. Aus dem Verweis auf § 104 Abs 3 [X.] lässt sich damit - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zwingend auf eine klar aus dem Wortlaut des § 104 Abs 1 und 3 [X.] folgende tageweise Betrachtungsweise bei der Erstattung von [X.] durch die Beklagte schließen. Die für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften des [X.]I umfassen sowohl das Kalendertagsprinzip (Berechnung und Leistung) als auch das Monatsprinzip (Auszahlung). So hat das BSG eine monatsweise Gegenüberstellung auch bei Renten und Kinderzuschüssen angenommen, die als Jahresbeträge errechnet und in monatlichen Teilbeträgen zu zahlen waren ([X.] vom 22.5.1985 - 1 RA 45/84 - [X.], 128, 132 = [X.] 1300 § 103 [X.] S 20).

Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Umstand, dass der [X.]-Anspruch hier nur für einen Teil des Monats besteht und damit im streitigen [X.]raum abweichende [X.]einheiten (Tage/Monate) vorliegen. Eine Berechnung der [X.] nach der kleineren Einheit (vgl [X.], info also 2021, 250, 252 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Vorbemerkungen zu §§  102 bis 114 Rd[X.]1, Stand August 2022; Kater in [X.], § 104 [X.] Rd[X.]6, Stand 1.8.2022) folgt daraus nicht. Die Regelung des § 104 Abs 3 [X.] zielt darauf ab, die Höhe des Erstattungsanspruchs auf den Leistungsumfang festzulegen bzw zu begrenzen, den der erstattungspflichtige Träger jeweils selbst hätte erbringen müssen (BT-Drucks 9/95 S 25 zu § 110). Der von der [X.] zu leistende Betrag bleibt sowohl bei einer tageweisen als auch bei einer monatsweisen Gegenüberstellung gleich. Allerdings hätte eine tageweise Gegenüberstellung zur Folge, dass die von den §§ 102 ff [X.] bezweckte Vermeidung von Doppelleistungen insoweit unterlaufen würde, als der Kläger Leistungen (hier iHv 157,37 Euro) erhielte, die ihm bei rechtzeitiger Leistung der [X.] nicht zugestanden hätten. Wie sich aus dem Wortlaut des § 104 Abs 1 Satz 2 [X.] ergibt, soll demgegenüber aber der nachrangig verpflichtete Leistungsträger - hier der Beigeladene - im Nachhinein so gestellt werden, wie er gestanden hätte, wenn der vorrangig verpflichtete Leistungsträger - hier die Beklagte - rechtzeitig von Anfang an geleistet hätte (vgl [X.], info also 2019, 118, 121). Das für die Leistungsberechnung nach dem [X.] geltende Monatsprinzip 41 Abs 1 Satz 2 und 3 [X.]), bei dem auch ein nur für einen Teilzeitraum des Monats bezogenes Einkommen für den Bedarf des gesamten Monats berücksichtigt wird (§ 11 Abs 2 [X.]), muss deshalb nach dem Normzweck des § 104 [X.] auch für die "Rückabwicklung" im Rahmen des Erstattungsanspruchs gelten, da nur so nachträglich die Berücksichtigung des [X.] entsprechend den §§ 11 ff [X.] als Einkommen erfolgen kann.

5. Wegen dieses Erstattungsanspruchs nach § 104 [X.] sind die [X.]-Leistungen des Beigeladenen - auch in der von der [X.] angenommenen Höhe von 527,60 Euro - als rechtmäßige Zahlung von [X.] anzusehen ([X.] vom 20.12.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]0), sodass der Anspruch des [X.] gegen die Beklagte nach §  107 [X.] als erfüllt gilt und kein Anspruch des [X.] auf Auszahlung von weiterem [X.] besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG.

Meßling                B. [X.]                Söhngen

Meta

B 11 AL 12/21 R

29.11.2022

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Cottbus, 7. März 2017, Az: S 39 AL 619/15, Urteil

§ 40a S 1 SGB 2, § 41 Abs 1 S 1 SGB 2, § 41 Abs 1 S 2 SGB 2, § 41 Abs 1 S 3 SGB 2, § 154 S 1 SGB 3, § 154 S 2 SGB 3, § 337 Abs 2 SGB 3 vom 03.04.2013, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 104 Abs 1 S 2 SGB 10, § 104 Abs 1 S 3 SGB 10, § 104 Abs 3 SGB 10, § 107 Abs 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2022, Az. B 11 AL 12/21 R (REWIS RS 2022, 8765)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8765

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 11/11 R (Bundessozialgericht)

(Rangfolge von Erstattungsansprüchen gegenüber dem Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - …


B 11 AL 24/10 R (Bundessozialgericht)

(Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen die BA - rückwirkende Insolvenzgeldbewilligung - Einkommensberücksichtigung - Erfüllungsfiktion - fehlende …


L 13 R 729/16 (LSG München)

Anspruch auf Auszahlung einer Rentennachzahlung


B 13 R 9/12 R (Bundessozialgericht)

Erstattungsrechtsstreit - Jobcenter - Grundsicherungsträger - Rentenversicherungsträger - rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung …


B 1 KR 12/14 R (Bundessozialgericht)

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsstreit zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse - Erstattungsanspruch bei Beauftragung einer Krankenkasse zur …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.