Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. XII ZR 25/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2781

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 5. Juli 2006 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 138 Abs. 1 Aa, 1408, 1410 Zur [X.] von Eheverträgen mit einer Schwangeren ([X.] an Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - [X.] - FamRZ 2005, 1444 ff.). [X.], Urteil vom 5. Juli 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2006 durch die Vorsitzende [X.]in [X.] und die [X.] [X.], [X.], Dr. Ahlt und Dose für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des [X.] - des [X.] vom 13. Januar 2004 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Antragsgegnerin, die durch notariell beurkundeten Ehevertrag teil-weise auf Scheidungsfolgen verzichtet hatte, nimmt den Antragsteller im Rah-men des [X.] auf nachehelichen Unterhalt in [X.]. 1 Der 1963 geborene Antragsteller und die 1965 geborene [X.] heirateten am 2. August 1995. Aus der Ehe gingen die Söhne [X.], gebo-ren am 20. September 1995, und die Zwillinge [X.] und [X.], geboren am 9. März 1998, hervor. 2 Am 21. Juli 1995 schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem sie u.a. Gütertrennung vereinbarten und - vorbehaltlich der nachfolgenden 3 - 3 - Regelung - wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten. Hinsichtlich des Unterhalts vereinbarten die Parteien im Einzelnen: "[X.] – verpflichtet sich, an seine zukünftige Ehefrau, –, für den Fall der Scheidung ihrer Ehe Unterhalt gemäß den nachfolgend getroffenen Vereinbarungen zu zahlen. 4.1 Sollte für die Ehe Antrag auf Scheidung innerhalb der ersten 8 Jahre, gerechnet vom [X.]punkt der Eheschließung an, gestellt werden, gleich von welcher Seite, verpflichtet sich [X.] –, ab der Rechtskraft des Scheidungsurteils monatlich einen [X.] in Höhe von DM 1.500,-- (eintausendfünfhundert) an seine zukünftige Ehefrau, –, auf die Dauer von zwei Jahren, zu zahlen. Der [X.] erhöht sich auf DM 2.000,-- (zweitausend), wenn ein gemeinsames Kind vorhanden ist und dieses das 3. Lebensjahr nicht vollendet hat, oder bei [X.] mehrerer gemeinsamer Kinder das Jüngste von ihnen das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der erhöhte [X.] ist solange zu zahlen, bis das gemeinsame Kind, oder bei Vorhandensein mehrerer gemeinsamer Kinder das Jüngste von ihnen das 3. Lebensjahr vollendet hat. 4.2 Sollte in der [X.] nach Ablauf der ersten acht Jahre bis zur [X.], gerechnet vom [X.]punkt der Eheschließung an, Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt werden, gleich von welcher Seite, ist auf die Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom [X.]punkt der [X.] an, ein monatlicher Unterhalt in Höhe von DM 2.000,-- (zweitausend) zu zahlen. 4.3 Sollte nach Ablauf des [X.], gerechnet vom [X.]punkt der [X.] an, Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt werden, gleich von welcher Seite, ist auf die Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom [X.]-punkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils an, ein monatlicher Unter-halt in Höhe von DM 2.500,-- (zweitausendfünfhundert) zu zahlen. 4.4 Die Dauer der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt verlängert sich in den Fällen gemäß Ziffer 4.1 bis 4.3 über den jeweils vereinbarten [X.]raum hinaus, wenn ein gemeinsames Kind, oder mehrere gemein-same Kinder vorhanden sind und bei der Mutter leben. In diesem Fall endet die Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Unterhalts dann, wenn das gemeinsame Kind das 16. Lebensjahr vollendet, oder bei [X.] mehrerer gemeinsamer Kinder das Jüngste von ihnen das 16. Lebensjahr vollendet, gleichgültig ob die Ehefrau durch die Erziehung - 4 - der Kinder an der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gehindert ist oder nicht." 4 Über den Versorgungsausgleich haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen. 5 Der Antragsteller erzielte bis März 2003 als Prokurist des F. T.

Mineralölvertriebs ein Gehalt von monatlich 7.780 • brutto. Nach dem Tod seines [X.] im Februar 2003 erhielten der Antragsteller und sein Bruder auf-grund eines Erbauseinandersetzungsvertrages das Betriebsvermögen des [X.]. Beide sind seitdem Geschäftsführer von zwei Gesellschaften mit be-schränkter Haftung und beziehen von jeder Gesellschaft ein Gehalt. Die Antragsgegnerin ist Diplom-Betriebswirtin; sie war vor der Ehe in [X.] Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt und erzielte ein jährliches Bruttoeinkom-men von 100.000 DM. 6 Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden, den [X.] durch Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 60,33 • auf das [X.] der Antragsgegnerin durchge-führt, ihr die Ehewohnung zugewiesen und den Antragsteller gemäß seinem Anerkenntnis zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 766,94 • (1.500 DM) ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 9. März 2014 verurteilt. Den [X.] hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Antragsgegnerin hat das [X.] das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und ihr wie folgt Unterhalt - zuzüglich Zinsen auf die rückständigen Beträge - zuer-kannt: für die [X.] vom 11. April bis 31. Mai 2003 und die [X.] vom 1. Dezember 2003 bis 4. Januar 2004 monatlich 1.164 •, für die [X.] vom 1. Juni bis zum 30. November 2003 monatlich 1.198 •, für die [X.] vom 5. bis 31. Januar 2004 1.189,75 •, für die [X.] ab 1. Februar 2004 monatlich 1.624,94 •. Die [X.] - 5 - widerklage des Antragstellers, mit der dieser für den Fall, dass das Berufungs-gericht die notarielle Vereinbarung bezüglich des [X.] für un-wirksam halten sollte, beantragt hat, den [X.] insgesamt abzuwei-sen, ist als unzulässig verworfen worden. Mit der - zugelassenen - Revision ver-folgt der Antragsteller sein zweitinstanzliches Begehren weiter. Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg. 8 A. [X.]berufung: 9 Das Berufungsgericht hat den als [X.] bezeichneten [X.] als [X.]berufung behandelt und als verfristet verworfen. Dagegen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. 10 Nachdem die Berufungsfrist verstrichen war, konnte der Antragsteller sein Begehren, den [X.] in vollem Umfang abzuweisen, nur im Wege einer [X.]berufung erreichen. 11 Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung des [X.] ist die [X.]berufung bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der [X.] zulässig. Diese Frist hat der Antragsteller nicht gewahrt, da die Berufungserwiderung, in der die [X.] angekündigt wurde, erst am 14. Mai 2003 bei dem [X.] einging, nachdem die Berufungsbegründung am 10. März 2003 zugestellt worden war. 12 - 6 - Entgegen der Auffassung der Revision ist der Angriff des Antragstellers nicht als Abänderungswiderklage zu würdigen, denn er ist nicht auf künftige Abänderung eines Unterhaltstitels im Sinne des § 323 ZPO gerichtet. Die von der Revision aufgeworfene Frage, wie nach Inkrafttreten der [X.] bis zum Inkrafttreten des [X.] zu verfahren gewesen wäre, um eine Abänderung rechtfertigende Umstände in das Verfahren einzu-führen, die nach Ablauf der Frist für die [X.]berufung eingetreten sind, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Solche nachträglich eingetre-tenen Umstände hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Insbesondere hat er - entgegen den Ausführungen der Revisionsbegründung - nicht vorgetragen, nach dem Tod seines [X.] hätten sich seine Einkünfte drastisch verändert. Vielmehr hat er lediglich vorgetragen und belegt, in der [X.] von Dezember 2002 bis März 2003 nach wie vor jeweils ein Bruttoeinkommen von 7.780 • be-zogen zu haben. Abgesehen davon hat er sein Begehren darauf aber auch nicht gestützt. Grundlage hierfür war allein die Auffassung, das Einkommen der Antragsgegnerin sei auf deren Unterhaltsbedarf anzurechnen, so dass kein nennenswerter Unterhalt verbleibe. Daraus erhellt zugleich, dass der [X.]steller nicht Abänderung von einem bestimmten [X.]punkt an beantragt hat, sondern Abweisung des [X.] in vollem Umfang. 13 B. Berufung: 14 [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in [X.], 805 ff. veröffentlicht ist, kann die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt gemäß § 1570 BGB nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse verlangen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausge-führt: 15 - 7 - Der Ehevertrag halte einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 2 und 4 GG nicht stand, da er eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz des Antragstellers widerspiegele. Ihm sei es in erster Linie darum gegangen, die wirtschaftlichen Folgen einer eventuellen Scheidung für sich gering zu halten. Dies sei zwar zu akzeptieren, soweit es um die vereinbarte Gütertrennung und den ebenfalls vereinbarten Pflichtteilsverzicht gehe, da insoweit angesichts des Familienun-ternehmens berechtigte Interessen des Antragstellers sowie seines Bruders bestünden. Die Beschneidung des [X.]anspruchs der [X.]sgegnerin gemäß § 1570 BGB könne dagegen nicht hingenommen werden, weil sie hierdurch unangemessen benachteiligt werde. Der Antragsteller habe selbst eingeräumt, dass die Antragsgegnerin bei der Erörterung des Ehevertra-ges erklärt habe, dass sie mit dem Betrag nicht zurechtkomme. Sie habe dann offensichtlich nachgegeben, weil sie die geplante Heirat andernfalls in Gefahr gesehen habe. Insofern spreche schon der zeitliche Ablauf für sich. Nachdem nach Bekanntwerden der Schwangerschaft Differenzen zwischen den Parteien aufgetreten seien und die Antragsgegnerin deshalb zu ihrer Mutter gezogen sei, habe ihr der Antragsteller am 9. Juli 1995 einen Heiratsantrag gemacht. Der Hochzeitstermin sei auf den 2. August 1995 vereinbart worden. Danach habe der Antragsteller der Antragsgegnerin den Entwurf für den Ehevertrag vorgelegt und eindeutig erklärt, dass ohne Unterzeichnung eine Heirat nicht stattfinden werde. Zu dieser [X.] hätten Monate der Ungewissheit hinter der [X.] gelegen, in denen sie mit dem Problem belastet gewesen sei, entweder ih-ren Beruf aufgeben zu müssen oder zu versuchen, die Doppelbelastung durch Beruf und Kindesbetreuung auch im Hinblick auf ihre erhebliche Verschuldung nach dem Kauf einer Eigentumswohnung zu tragen. Nach der für sie positiven Entwicklung durch den Heiratsantrag sei sie dann mit dem Ehevertrag und der Aussicht konfrontiert worden, ohne eine Unterzeichnung des [X.] - vor den geschilderten Problemen zu stehen. Bei dieser Situation sei von einer einseitigen Dominanz des Antragstellers bei den Vertragsverhandlungen [X.], der in gesicherten Verhältnissen lebe, jedenfalls solange das Famili-enunternehmen wirtschaftlich erfolgreich sei, während sich die Antragsgegnerin in einer Drucksituation befunden habe. 17 Zwar beinhalte der Ehevertrag keinen so genannten Globalverzicht, da der Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen und eine Vereinbarung über den Betreuungsunterhalt getroffen worden sei. Es könne jedoch nicht außer [X.] gelassen werden, dass der vereinbarte Unterhalt weit unter dem gesetzli-chen Unterhalt liege. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin unstreitig vor der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit ein jährliches Bruttoeinkommen von 100.000 DM erzielt habe. Aufgrund der nachfolgenden Aufgabenverteilung in der Ehe habe sie dieses Einkommen und die Chance einer weiteren berufli-chen Entwicklung auf lange [X.] verloren. Beides sei bei der inhaltlichen Prü-fung des Ehevertrages, wie sie gemäß den Entscheidungen des [X.] anhand der Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 und 3 GG vorzunehmen sei, zu berücksichtigen. Es könne dahinstehen, ob der Ehevertrag als sittenwid-rig im Sinne des § 138 BGB anzusehen sei, jedenfalls müsse eine Korrektur gemäß § 242 BGB erfolgen. Dass die im Ehevertrag getroffene Regelung unangemessen sei, ergebe sich auch daraus, dass der vereinbarte Unterhalt von 766,94 • monatlich noch nicht einmal ausreiche, um die Miete in Höhe von 825 • aufzubringen, die die Antragsgegnerin für die von ihr und den Kindern bewohnte Wohnung zahlen müsse. Wenn die Antragsgegnerin auf einen Unterhalt in der vereinbarten Höhe beschränkt werde, würden auch die Interessen der Kinder betroffen, weil die Antragsgegnerin entweder arbeiten und sich sodann der Betreuung der Kinder nicht in vollem Umfang widmen könne, oder aber ihre Lebensverhältnisse in 18 - 9 - einer Weise einschränken müsse, die sich zwangsläufig auch auf die Kinder auswirken würde. Die deshalb gebotene Anpassung führe zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegnerin der volle Betreuungsunterhalt zustehe. Dadurch, dass sie aufgrund der Betreuung der Kinder an einer vollen Berufstätigkeit ge-hindert sei und noch auf lange [X.] gehindert sein werde, erleide sie Nachteile in beruflicher und finanzieller Hinsicht, die selbst durch den nach den §§ 1570, 1578 BGB zuzubilligenden Betreuungsunterhalt nicht in vollem Umfang ausge-glichen würden. Dabei sei es fraglich, ob sie in Zukunft eine berufliche Position erreichen könne, die sie ohne die langjährige Kinderbetreuung eventuell er-reicht hätte. Dass die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Ziff. 6 BGB verwirkt habe, weil sie sich [X.] zugewandt und dies zum Anlass der Trennung genommen habe, könne nicht angenommen werden. Der Antragsteller habe den Vortrag nicht bestritten, dass das kurzzeiti-ge Verhältnis mit [X.] lange beendet gewesen sei, bevor es im November 1999 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, bei der die Antragsgegnerin Verletzungen erlitten habe. I[X.] Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand. 19 1. Wie der Senat in seinem - nach Erlass der hier angefochtenen Ent-scheidung ergangenen - Urteil vom 11. Februar 2004 ([X.] 158, 81 ff.) darge-legt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der [X.] nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichti-gung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe un-zumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu die-sem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor [X.] danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgeregelun-gen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (vgl. etwa Senatsur-teile [X.] 158 aaO, 97 ff. und vom 25. Mai 2005 - [X.] ZR 221/02 - FamRZ 2005, 1449, 1450 und - [X.] - FamRZ 2005, 1444, 1446). Ob aufgrund einer vom gesetzlichen Scheidungsfolgenrecht abweichen-den Vereinbarung eine evident einseitige Lastenverteilung entsteht, die hinzu-nehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint, hat der Tatrichter zu prüfen. Er hat dabei zunächst - im Rahmen einer [X.] - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im [X.]punkt ihres Zustandekommens [X.] zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertrags-schluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensver-hältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den 21 - 11 - Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen. Das Verdikt der Sittenwid-rigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den [X.] aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass die-ser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen ange-strebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des be-günstigten Ehegatten gerechtfertigt wird. Soweit ein Vertrag danach Bestand hat, erfolgt sodann eine Ausübungs-kontrolle nach § 242 BGB. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im [X.]punkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nun-mehr - im [X.]punkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft - aus dem verein-barten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des [X.] der Ehe unzumutbar ist. Hält die Berufung eines Ehegatten auf den ver-traglichen Ausschluss der Scheidungsfolge der richterlichen [X.] nicht stand, so führt dies im Rahmen des § 242 BGB noch nicht zur Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten Ausschlusses. Der [X.] hat viel-mehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rech-nung trägt (Senatsurteile [X.] 158 aaO 100 f. und vom 25. Mai 2005 - [X.] - aaO S. 1446). 22 - 12 - 2. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Ehevertrag der Parteien gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist, zwar letztlich offen gelassen, aber angenommen, der Vertrag halte jedenfalls einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab der [X.]. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 und 4 GG nicht stand und sei deshalb in dem Sinne anzupassen, dass der gesetzliche Unterhalt geschuldet werde. Dagegen bestehen im Endergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Beden-ken. 23 a) Auch wenn das Berufungsgericht das Ergebnis der Wirksamkeitskon-trolle gemäß § 138 Abs. 1 BGB hat dahinstehen lassen, hat es in tatrichterlicher Verantwortung eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände vorge-nommen, insbesondere Feststellungen zu der Situation bei Abschluss des [X.] und den für die Antragsgegnerin hierdurch eintretenden persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen getroffen. Diese Feststellungen rechtfer-tigen die Würdigung, dass die getroffene Unterhaltsregelung keinen Bestand hat, weil sie offensichtlich zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der künftigen Entwicklung - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung zu ver-sagen ist. 24 b) Das [X.] ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die Schwangerschaft der Ehefrau bei Abschluss der Vereinbarung für sich allein nicht ausreicht, die Nichtigkeit der Vereinbarung zu begründen. Dies ist [X.] nicht zu beanstanden. Nach den getroffenen Feststellungen war es der Wunsch der Antragsgegnerin, dass das erwartete Kind ehelich geboren werde. Der Antragsteller habe sich jedoch geweigert, sie ohne Ehevertrag zu heiraten. Deshalb habe sie trotz Bedenken letztlich den Vertrag unterschrieben, weil für sie die Befürchtung im Vordergrund gestanden habe, der Doppelbelastung von Kindererziehung und Beruf nicht gewachsen zu sein und zugleich den [X.] - 13 - lichkeiten aus der Finanzierung der - aus steuerlichen Gründen erworbenen - Eigentumswohnung nicht nachkommen zu können. Dieser Geschehensablauf vermag zwar allein eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nicht zu begründen, bildet aber ein Indiz für eine schwächere Verhandlungsposition der [X.]. Der Vertrag ist daher einer verstärkten richterlichen Kontrolle zu [X.], wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berück-sichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - [X.] ZR 296/04 - aaO S. 1447). c) Der Ehevertrag ist allerdings nicht schon deshalb sittenwidrig, weil die Ehegatten den Betreuungsunterhalt abweichend von den [X.] geregelt haben. Zwar gehört der Betreuungsunterhalt zum Kernbe-reich der Scheidungsfolgen. Das bedeutet indessen nicht, dass er keiner [X.] Modifizierung zugänglich wäre. Entscheidend ist vielmehr, ob die getroffene Regelung die Antragsgegnerin - gemessen an den Verhältnissen im [X.]punkt des Vertragsschlusses - in sittenwidriger Weise benachteiligt. 26 Das ist in zeitlicher Hinsicht nicht der Fall, da der Ehevertrag vorsieht, dass die Antragsgegnerin den festgelegten Unterhalt beanspruchen kann, bis das jüngste Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat, vorausgesetzt es lebt bei ihr. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob die Mutter durch die Erziehung des Kindes bzw. der Kinder an einer beruflichen Tätigkeit gehindert ist. Dies geht jedenfalls teilweise über die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderun-gen an die Erwerbsobliegenheit des Kinder betreuenden Ehegatten hinaus (vgl. hierzu die Nachweise bei [X.]/[X.]/[X.] Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. [X.]. 403). 27 Die Parteien haben in ihrem Ehevertrag allerdings auch die Höhe des [X.] abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt und 28 - 14 - einen Betrag von 1.500 DM (bzw. von 2.000 DM, wenn das jüngste Kind das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat) vereinbart, falls innerhalb von acht [X.] nach der Heirat Scheidungsantrag gestellt wird. Mit weiterem zeitlichem Bestand der Ehe sollte dieser Betrag auf 2.000 DM bzw. 2.500 DM steigen. Dass die genannten Beträge nach der Vorstellung der Parteien unter [X.] hätten hochgerechnet werden sollen, wird von der Revision erstmals geltend gemacht und steht in Widerspruch zu der vom Antragsteller im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung, er habe "kei-nen Cent mehr zu zahlen" als erstinstanzlich anerkannt. Abgesehen davon ist die Auffassung der Revision, im Rahmen der rechtlichen Bewertung sei nicht der nominal vereinbarte Betreuungsunterhalt zugrunde zu legen, sondern der unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes hochgerechnete Betrag, weil dem unterhaltsberechtigten Ehegatten die entsprechende Kaufkraft habe zur Verfügung stehen sollen, unbehelflich. Eine solche [X.] hätte gemäß § 1410 BGB der notariellen Beurkundung bedurft, deren Fehlen im Zweifel zur Nichtigkeit jedenfalls der Unterhaltsvereinbarung geführt hätte (§§ 125, 139 BGB). Eines rechtlichen Hinweises auf eine vertragliche Verpflich-tung zur Zahlung höheren Unterhalts bedurfte es deshalb nicht. Eine Festlegung von Unterhaltsbeträgen rechtfertigt das Verdikt der Sit-tenwidrigkeit nicht schon immer dann, wenn der eheangemessene Unterhalt (§ 1578 BGB) - nach den im [X.]punkt des Vertragsschlusses bestehenden oder vorhersehbaren Einkommensverhältnissen - nicht erreicht ist. Zu berück-sichtigen ist aber bereits, dass der für den [X.]raum von acht Jahren zwischen Heirat und Scheidungsantrag vereinbarte Betrag von 1.500 DM nur 200 DM über dem Betrag lag, der nach der [X.] Tabelle (Stand: 1. Juli 1992) dem notwendigen Eigenbedarf (Existenzminimum) eines erwerbstätigen [X.] entsprach. Da der Vertrag keine Wertsicherungsklausel enthält, war ab-sehbar, dass der vereinbarte Unterhalt nicht ausreichen würde, um das Exis-29 - 15 - tenzminimum für die Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu decken. Schon nach der vom 1. Januar 1996 an geltenden [X.] Tabelle war insofern für ei-nen erwerbstätigen Ehegatten ein Betrag von 1.500 DM vorgesehen. Von aus-schlaggebender Bedeutung ist aber in jedem Fall, wenn die vertraglich vorge-sehene Unterhaltshöhe nicht annähernd geeignet ist, die ehebedingten [X.] des ein Kind betreuenden Ehegatten auszugleichen. Die Antragsgegnerin war vor der Ehe als Diplom-Betriebswirtin in einem Anwaltsbüro tätig und erzielte ein Bruttojahreseinkommen von 100.000 DM. Aus Anlass der Eheschließung und der ca. sechs Wochen später erfolgten [X.] ist sie zunächst aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und hat sich der Familienarbeit gewidmet. Nach den Regelungen des Ehevertrages, die [X.] nur eine Kinderbetreuung durch die Mutter und einen darauf gründenden Unterhaltsanspruch vorsehen, muss davon ausgegangen werden, dass dies auch der Lebensplanung der Parteien entsprach. 30 Bei dieser Sachlage werden die Nachteile, die die Antragsgegnerin in fi-nanzieller Hinsicht, ihrer beruflichen Entwicklung sowie beim Aufbau einer Al-tersversorgung und eines eigenen Vermögens erleidet, bei weitem nicht ausge-glichen. Eine angemessene Kompensation steht dem nicht gegenüber. Dass die Antragsgegnerin den Betrag von 1.500 DM monatlich erhalten würde, bis das jüngste Kind 16 Jahre alt ist, stellt einen solchen Ausgleich nicht dar. Denn selbst bei der Betreuung von nur einem Kind wird dem betreuenden Ehegatten eine Erwerbsobliegenheit grundsätzlich nicht vor Vollendung des achten Le-bensjahres des Kindes angesonnen. Die Nachteile, die die Antragsgegnerin bis dahin finanziell und beruflich erleiden würde, würden durch einen zeitlich länger bestehenden Unterhaltsanspruch in der betreffenden Höhe auch nicht annä-hernd kompensiert. Es spricht alles dafür, dass sie sich auf diese sie erheblich benachteiligende Regelung nur eingelassen hat, um die in Aussicht gestellte 31 - 16 - Heirat nicht zu gefährden und der befürchteten Doppelbelastung durch Beruf und Kindererziehung nicht ausgesetzt zu sein. Dafür, dass die besonderen [X.] der Ehegatten, der von ihnen angestrebte oder gelebte Ehetyp oder sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten eine solche Regelung rechtfertigen würden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Mit Rücksicht darauf kann die in dem Ehevertrag enthaltene Unterhaltsregelung jedenfalls keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. 3. Rechtsfolge der Nichtigkeit der Unterhaltsregelung ist, dass der [X.]steller der Antragsgegnerin gemäß § 1570 BGB Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse schuldet. Diesen Unterhalt hat das [X.] unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkünfte errechnet. Dagegen sind aus Rechtsgründen keine Bedenken zum Nachteil des Antrags-gegners ersichtlich. Auch die Revision erinnert hiergegen nichts. 32 4. Der Unterhalt ist nicht nach § 1579 Nr. 6 BGB ganz oder teilweise zu versagen. Wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen festgestellt hat, war das Verhältnis der Antragsgegnerin zu [X.] bereits 33 - 17 - beendet, als es nach einer im November 1999 stattgefundenen tätlichen Ausei-nandersetzung zwischen den Parteien, bei der die Antragsgegnerin verletzt wurde, zur Trennung kam. Hahne [X.] [X.] Ahlt Dose

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.11.2002 - 36 [X.]/00 - [X.], Entscheidung vom 13.01.2004 - 11 UF 713/02 -

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XII ZR 25/04

05.07.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. XII ZR 25/04 (REWIS RS 2006, 2781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2781

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