Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2023, Az. III ZR 41/22

3. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3546

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Gegenstand

Entschädigungsanspruch des Betreibers eines Frisörsalons gegen Bundesland wegen coronabedingter Betriebsunterbrechung


Leitsatz

1. Zur Verhältnismäßigkeit einer sechswöchigen Betriebsuntersagung für Frisörgeschäfte im Frühjahr 2020 zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus.

2. Eine solche Betriebsuntersagung war angesichts der gesamten wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und unter Berücksichtigung des den Betriebsinhaber grundsätzlichen treffenden Unternehmerrisikos nicht derart gravierend, dass gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine verfassungsrechtliche Pflicht bestand, hierfür Entschädigungsansprüche zu normieren. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates ist begrenzt. Dementsprechend muss er sich in Pandemiezeiten gegebenenfalls auf seine Kardinalpflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 17. März 2022 - III ZR 79/21, BGHZ 233, 107).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 9. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist selbständig tätig und betreibt einen Frisörsalon in gemieteten Räumlichkeiten. Sie begehrt von dem beklagten [X.] Entschädigung für Einnahmeausfälle, die entstanden sind, weil sie ihr Geschäft im Frühjahr 2020 auf Grund von staatlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID-19-Krankheit vorübergehend schließen musste.

2

Am 17. März 2020 erließ die [X.]regierung "auf Grund von § 32 in Verbindung mit den § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 31 des Infektionsschutzgesetzes ([X.]) vom 20. Juli 2000 ([X.] 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020 ([X.] 148) geändert worden ist", die Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 ([X.] - [X.]). Die Verordnung wurde am 17. März 2020 durch öffentliche Bekanntmachung notverkündet und trat am 18. März 2020 in [X.]. Am 20. März 2020 wurde sie im [X.] veröffentlicht (GBl. [X.]). In § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 wurde die landesweite Schließung von Einrichtungen angeordnet (insbesondere Kultur- und Bildungseinrichtungen, Kinos, Schwimm- und Hallenbäder, Sportanlagen und Sportstätten, öffentliche Bibliotheken, Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen, bestimmte Verkaufsstellen des Einzelhandels, öffentliche Spiel- und Bolzplätze). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 gehörten Frisöre (zunächst) nicht zu den zu schließenden Einrichtungen. Durch Verordnung der [X.]regierung vom 20. März 2020, die nach Notverkündung am 21. März 2020 in [X.] trat und am 26. März 2020 im [X.] veröffentlicht wurde (GBl. [X.], im Folgenden: [X.]), wurde § 4 Abs. 1 der [X.] vom 17. März 2020 unter anderem wie folgt geändert:

"In Nummer 13 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt und folgende Nummern werden angefügt:

14. Frisöre, [X.], Massagestudios, Kosmetikstudios, Nagelstudios, Studios für kosmetische Fußpflege sowie Sonnenstudios und

15. …"

3

Die Ausnahmeregelung für Frisöre in § 4 Abs. 3 der [X.] entfiel. Ab dem 4. Mai 2020 war die Öffnung von [X.] wieder gestattet (Siebte Verordnung zur Änderung der [X.] vom 2. Mai 2020, GBl. S. 206).

4

Der Betrieb der Klägerin war in dem Zeitraum vom 23. März bis zum 4. Mai 2020 geschlossen, ohne dass die COVID-19-Krankheit zuvor dort aufgetreten war. Die Klägerin erkrankte auch nicht. Aus dem Soforthilfeprogramm des beklagten [X.] erhielt sie 9.000 €, die sie allerdings zurückzahlen muss.

5

Die Klägerin hat geltend gemacht, das beklagte Land schulde ihr eine Entschädigung in Höhe von 8.000 € für die mit der Betriebsschließung verbundenen erheblichen finanziellen Einbußen (Verdienstausfall, Betriebsausgaben). Die Maßnahme sei zum Schutz der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen. Ihr Entschädigungsverlangen sei gemäß §§ 56, 65 [X.] gerechtfertigt. Jedenfalls könne ihre Forderung auf § 55 des Polizeigesetzes für [X.] (in der bis zum 16. Januar 2021 geltenden Fassung; im Folgenden: [X.]), die Grundsätze des enteignenden/enteignungsgleichen Eingriffs und/oder den [X.] beziehungsweise direkt auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gestützt werden.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte sie ihre Ansprüche weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

8

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BeckRS 2022, 1456 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Ein Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestehe nicht. Die Klägerin gehöre nicht zu dem dort genannten Personenkreis (Ausscheider, [X.], Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 [X.]) und sei auch nicht nach § 31 Satz 1 [X.] einem Tätigkeitsverbot unterworfen gewesen. Vielmehr habe es sich um eine flächendeckende Betriebsschließung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 [X.] gehandelt. Die Klägerin habe keine Anknüpfungstatsachen für ihre Eigenschaft als Ansteckungsverdächtige gemäß § 2 Nr. 7 [X.] vorgetragen. Ihre bloße Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Frisöre begründe unter dem Gesichtspunkt der Kontaktmultiplikation noch keinen [X.]. Die Bezugnahme in der [X.] der [X.] auch auf § 31 [X.] bedeute nicht, dass die gemäß § 4 [X.] angeordneten Betriebsschließungen als darauf beruhende berufliche Tätigkeitsverbote anzusehen seien. Nach der Systematik der Verordnung hätten sich die Verbote nicht gegen die Klägerin persönlich gerichtet. Es sei nicht an eine konkrete, von ihr ausgehende Infektionsgefahr angeknüpft worden. Durch § 32 Satz 1 [X.] würden die [X.]regierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen für Maßnahmen nach §§ 28 bis 31 [X.] Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Zu den nach § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu treffenden notwendigen Schutzmaßnahmen gehörten auch Betriebsschließungen gegenüber "Nichtstörern". Unstreitig hätten zum Zeitpunkt der Betriebsschließung 2.746 Infektionen in [X.] vorgelegen, so dass das Auftreten einer übertragbaren Krankheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgestanden habe. Die Schließung der Betriebe sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen, um die Verbreitung des [X.] zumindest zu verlangsamen. Der Verordnungsgeber habe auch berücksichtigt, dass Schließungen immer nur für einen kurzen Zeitraum angeordnet werden dürften.

Eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] scheide aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die [X.] der §§ 56 ff [X.] seien als gesondert normierte Regelung des allgemeinen Aufopferungsanspruchs abschließend. Ihnen liege die bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, breitenwirksame Maßnahmen (gegenüber der Allgemeinheit) grundsätzlich entschädigungslos zu stellen. Dafür, dass der Gesetzgeber nach wie vor das Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung verfolge, spreche zudem, dass im Rahmen der Reformen zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Epidemie mit Ausnahme des [X.] (§ 56 Abs. 1a [X.]) keine weiteren Entschädigungsregelungen normiert worden seien.

Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf § 55 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 PolG BW stützen, weil die §§ 56 ff [X.] insoweit vorrangige und abschließende gesetzliche Sondervorschriften darstellten.

Die Klägerin habe keinen Anspruch aus enteignendem Eingriff. Es könne zwar unterstellt werden, dass die Betriebsschließung auch das unter dem Schutz des Art. 14 GG stehende Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen habe. Da die Sonderregelungen des [X.]es jedoch abschließend seien, trete die Rechtsfigur des enteignenden Eingriffs als subsidiäres Institut zurück. Die Betriebsschließung stelle auch kein Sonderopfer dar. Die angeordneten Betriebsschließungen hätten nicht nur den Betrieb der Klägerin betroffen. Es seien praktisch sämtliche Bereiche des öffentlichen und kulturellen Lebens lahmgelegt worden.

Ansprüche nach den Grundsätzen zum enteignungsgleichen Eingriff schieden aus, weil § 56 [X.] insoweit eine abschließende Sonderregelung enthalte und dieses [X.] grundsätzlich keinen Ausgleich für Nachteile gewähre, die auf so genanntes legislatives Unrecht gestützt würden. Es komme hinzu, dass die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass die [X.] rechtswidrig gewesen sei.

Art. 12 und Art. 14 GG verlangten nicht, dass eine Entschädigung zu gewähren sei. Da eine gesetzliche Regelung fehle, könne eine Entschädigung nicht durch einen Rückgriff auf das Verfassungsrecht und eine daran anknüpfende richterrechtliche Regelung zugesprochen werden. Dafür sei ausschließlich der Gesetzgeber (Parlament) zuständig.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die [X.] des [X.]es (§§ 56, 65 [X.]) bieten weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung eine geeignete Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin verlangten Ersatz ihrer behaupteten Einbußen (1. bis 3.). Entschädigungsansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht beziehungsweise aus enteignendem Eingriff steht bereits entgegen, dass die im Zwölften Abschnitt des [X.]es enthaltenen Entschädigungsbestimmungen eine abschließende spezialgesetzliche Regelung mit Sperrwirkung darstellen (4. und 5.). Entschädigungsansprüche kommen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung in Betracht. Es besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung von Ausgleichsansprüchen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (6. und 7.). Da an der Rechtmäßigkeit der angeordneten Betriebsschließung keine Zweifel bestehen, scheiden Ansprüche aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff von vornherein aus (8.).

1. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 7 [X.].

a) Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhält eine Entschädigung in Geld, wer als Ausscheider (§ 2 Nr. 6 [X.]), [X.] (§ 2 Nr. 7 [X.]), Krankheitsverdächtiger (§ 2 Nr. 5 [X.]) oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 [X.] Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Nicht von der Regelung erfasst sind Fallgestaltungen, in denen Dritte, die nicht zu dem Kreis der in § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Personen gehören, auf Grund von [X.], die auf [X.]verordnungen nach § 32 [X.] i.V.m. § 28 Abs. 1 [X.] beruhen, materielle Einbußen erleiden. In diesen Fällen ist § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] von vornherein nicht einschlägig, weil solche Verbote nicht nur gegenüber bestimmten Personen als infektionsschutzrechtlichen Störern, sondern gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ergehen ([X.], Urteil vom 17. März 2022 - [X.], [X.], 107 Rn. 17 ff; siehe auch VGH [X.], Urteil vom 2. Juni 2022 - 1 S 926/20, juris Rn. 117 ff). Die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu treffenden notwendigen Schutzmaßnahmen werden dort nicht auf den genannten Personenkreis - Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider - beschränkt, sondern können grundsätzlich gegenüber der Allgemeinheit - und damit auch gegenüber gesunden und nicht ansteckungsverdächtigen Personen - angeordnet werden (VGH [X.] aaO Rn. 184). So liegt der Fall hier.

b) Die Klägerin gehört bereits nicht zu dem Kreis der nach § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich Anspruchsberechtigten. Sie war insbesondere nicht Ansteckungsverdächtige im Sinne von § 2 Nr. 7 [X.]. [X.] liegt vor, wenn von einer Person anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. [X.] setzt voraus, dass die jeweilige Person mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem mit Krankheitserregern kontaminierten Gegenstand hatte, also eine [X.] Verbindung zwischen Gefahrenlage und ansteckungsverdächtiger Person besteht. Die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss wahrscheinlicher sein als das Gegenteil (BVerwGE 142, 205 Rn. 31; vgl. auch VGH [X.] aaO Rn. 182). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zutreffend verneint ([X.] 15 ff). Die bloße Zugehörigkeit der Klägerin zur Berufsgruppe der Frisöre war nicht geeignet, einen [X.] im Sinne des § 2 Nr. 7 [X.] zu begründen. Trotz exponentieller Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-[X.] konnte im Frühjahr 2020 nicht von einer "flächendeckenden Ansteckungsverdächtigkeit" der gesamten Bevölkerung ausgegangen werden. Bis Anfang Mai 2020 waren bezogen auf die Gesamtbevölkerung insgesamt nur circa 0,2 % der in [X.] lebenden Menschen infiziert (VGH [X.] aaO). In [X.] lagen bei einer Einwohnerzahl von rund 11 Millionen zum Zeitpunkt des Erlasses der Corona-Änderungsverordnung vom 20. März 2020 lediglich 2.746 festgestellte Infektionen vor ([X.], 17).

c) Die Schließung des Betriebs der Klägerin ab dem 23. März 2020 war Folge der auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] erlassenen [X.] vom 17. März 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 20. März 2020, wonach der Betrieb der in § 4 Nr. 1 bis 15 genannten Einrichtungen, darunter auch Frisöre, landesweit und generell untersagt wurde (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 117 ff, 173 ff). Die Klägerin wurde somit nicht gezielt personenbezogen - quasi punktuell - als infektionsschutzrechtliche Störerin mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot nach § 31 Satz 1 [X.] belegt, sondern sie war Teil der von den landesweiten Betriebsschließungen betroffenen Allgemeinheit.

Die Auffassung der Klägerin, aus der Bezugnahme auf § 31 [X.] in der [X.] der [X.] ergebe sich, dass ihr gegenüber eine Maßnahme nach § 31 [X.] angeordnet und sie als ansteckungsverdächtige, nach § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich anspruchsberechtigte Person behandelt worden sei, trifft damit nicht zu. § 31 [X.] wird in der [X.] lediglich neben § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] genannt. Da die in Rede stehende [X.] die Klägerin (nur) als Angehörige der Allgemeinheit erfasste, findet die Maßnahme jedoch ihre Grundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Es ist deshalb nicht tragfähig, von der Zitierung unter anderem des § 31 [X.] in der [X.] der [X.] des beklagten [X.] darauf zu schließen, dass die Normadressaten der Rechtsverordnung in der Rechtsfolge wie Adressaten einer Maßnahme auf der Grundlage dieser Bestimmung zu behandeln wären.

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Bezugnahme auf § 31 [X.] in der Verordnungspräambel im Zusammenhang mit den landesweiten [X.] ("Lockdown") keine Bedeutung zukommt.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung ergibt sich auch nicht aus § 65 Abs. 1 [X.].

a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] ist eine Entschädigung in Geld zu leisten, soweit auf Grund einer Maßnahme zur Verhütung übertragbarer Krankheiten nach §§ 16, 17 [X.] Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird. § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] bestimmt, dass eine Entschädigung nicht erhält, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind. Dadurch wird klargestellt, dass eine Entschädigung nur dann geleistet werden soll, wenn sich die seuchenhygienische Maßnahme gegen einen Nichtstörer gerichtet hat (Begründung des Entwurfs des [X.], BT-Drucks. 14/2530, [X.]). Die Vorschrift ist Ausprägung des Aufopferungsgedankens und stellt daher eine spezialgesetzliche Regelung für die im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht bestehenden Entschädigungsansprüche zugunsten von Nichtstörern dar ([X.], Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 23).

b) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist § 65 Abs. 1 [X.] nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig. Durch den Verweis auf die §§ 16, 17 [X.] wird ausschließlich auf den Vierten Abschnitt des [X.]es "Verhütung übertragbarer Krankheiten" Bezug genommen. Diese Vorschriften sind einschlägig, solange (nur) die Gefahr des Auftretens einer übertragbaren Krankheit besteht; sobald hingegen eine übertragbare Krankheit beziehungsweise eine erste Infektion aufgetreten ist, gelten die spezielleren Vorschriften des Fünften Abschnitts (§§ 24 ff [X.]) mit der Folge, dass die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 [X.] trifft und eine Entschädigung nur noch auf der Grundlage von § 56 [X.] in Betracht kommt ([X.] aaO Rn. 24 ff, insb. Rn. 27).

Im vorliegenden Fall dienten die [X.] vom 17. März 2020 und die Änderungsverordnung vom 20. März 2020 sowie die Folgeverordnungen der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit. Diese hatte sich zu den Zeitpunkten des Verordnungserlasses bereits in [X.] und in ganz [X.] ausgebreitet. Die [X.] ([X.]) hatte am 11. März 2020 den COVID-19-Ausbruch zur [X.] erklärt und für [X.] bereits mehr als 20.000 bestätigte Fälle mit knapp 1.000 Todesfällen gezählt (siehe auch Lagebericht des [X.] - [X.] - vom 12. März 2020, [X.]). Am 17. März 2020 vermeldete das [X.] 7.156 bestätigte Fälle in [X.], davon 1.479 in [X.], und stufte das Risiko für die Bevölkerung als "hoch" ein, auch wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass diese bereits flächendeckend angesteckt war (siehe oben [X.]. b). Am 1. April 2020 lag die Zahl der Infektionen deutschlandweit bei 67.366. In [X.] wurden 13.410 Infektionen festgestellt (VGH [X.] aaO Rn. 181; siehe auch [X.] aaO Rn. 28).

3. Die Klägerin kann den geltend gemachten Entschädigungsanspruch auch nicht auf eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 oder § 65 Abs. 1 [X.] stützen. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

Aus der Entstehungsgeschichte der Entschädigungstatbestände des [X.]es sowie aus der Gesetzgebungstätigkeit während der Corona-[X.] ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber übersehen haben könnte, für auf § 28 Abs. 1 [X.] gestützte infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit keine Entschädigung vorgesehen zu haben. Den Vorschriften, die regeln, dass nur bestimmte Beeinträchtigungen zu entschädigen sind, liegt vielmehr das Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung zugrunde. Der Gesetzgeber hat mit §§ 56, 65 [X.] ein plangemäß vollständiges Entschädigungsregime geschaffen, das bewusst nur bestimmte Beeinträchtigungskonstellationen erfassen sollte. Danach bleiben (rechtmäßige) infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit grundsätzlich entschädigungslos ([X.] aaO Rn. 40 ff).

4. Das Berufungsgericht hat einen Entschädigungsanspruch aus § 55 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 PolG BW ebenfalls zu Recht abgelehnt.

a) Danach können unbeteiligte Personen, denen gegenüber die Polizei eine Maßnahme getroffen hat, eine angemessene Entschädigung für den ihnen dadurch entstandenen Schaden verlangen. [X.]rechtliche Entschädigungsbestimmungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sind jedoch neben den Vorschriften des [X.] nicht anzuwenden, soweit eine Entschädigung für rechtmäßig auferlegte infektionsschutzrechtliche Beschränkungen in Rede steht ([X.] aaO Rn. 49 ff). Dass diese Sperrwirkung nur für rechtmäßig auferlegte Beschränkungen gilt, ergibt sich daraus, dass die Entschädigungsansprüche der §§ 56, 65 [X.] rechtmäßige Maßnahmen betreffen und das [X.] keine Regelung über die Haftung für rechtswidrige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen enthält ([X.] aaO Rn. 50). Demgemäß ist in der Begründung zum Entwurf des [X.] darauf hingewiesen worden, dass weitergehende Ansprüche aus Amtshaftung unberührt bleiben (BT-Drucks. 14/2530, S. 87).

Dass im vorliegenden Fall die [X.] vom 17. März 2020 und die Änderungsverordnung vom 20. März 2020 auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 [X.] rechtmäßig ergangen sind, hat das Berufungsgericht ausführlich und zutreffend begründet ([X.] 19-25).

b) Soweit die Klägerin die Verhältnismäßigkeit der [X.] nach § 4 Abs. 1 Nr. 15 [X.] in der Fassung der Änderungsverordnung im Hinblick auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) in Zweifel zieht, teilt der [X.] diese Bedenken nicht.

aa) Die landesrechtlichen Regelungen, die Betriebsschließungen anordneten, verfolgten das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die durch die Corona-[X.] hervorgerufenen Gefahren zu bekämpfen. Mit den einschneidenden Maßnahmen wollte der Staat seine Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bürger (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) wahrnehmen und verfolgte mithin einen legitimen Zweck ([X.], NVwZ 2020, 1457, 1458), der selbst schwere Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann (vgl. [X.], NJW 2022, 1672 Rn. 21). In der zweiten Märzhälfte 2020 bestand nach den Erkenntnissen des hierzu berufenen [X.] (§ 4 [X.]) eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, und es drohte eine Überlastung des Gesundheitssystems (VGH [X.] aaO Rn. 204 ff).

bb) Die sechswöchige [X.] war auch geeignet, erforderlich und angemessen, um den angestrebten Zweck zu erreichen.

(1) Hinsichtlich der Geeignetheit ist entscheidend, ob das eingesetzte Mittel schlechthin oder objektiv untauglich ist. Die Möglichkeit der Zweckerreichung ist ausreichend, wobei dem Normgeber grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahme zusteht (vgl. [X.]E 126, 331, 361 f; 143, 246 Rn. 285; [X.] aaO S. 1458). [X.], insbesondere epidemiologische Erkenntnisse sind zu berücksichtigen ([X.] aaO S. 1459). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die ausgesprochenen [X.] waren insbesondere geeignet, das Aufeinandertreffen von Menschen (auch) in einem Frisörgeschäft zu verhindern und dadurch drohende [X.] zu unterbinden und einen Multiplikationseffekt zu verhindern. Hierdurch sollte dem exponentiellen Wachstum entgegengewirkt und die Verbreitung des SARS-CoV-2-[X.] verlangsamt werden. Die Überlastung der medizinischen Versorgungskapazitäten im Land wurde vermieden und wichtige Zeit für die Entwicklung von Therapie- und Präventionsmöglichkeiten (zB die Bereitstellung von Impfstoffen) gewonnen (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 212 zur Schließung von Fitnessstudios).

(2) Die auf wenige Wochen beschränkte [X.] war auch erforderlich, weil gleich geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung standen.

Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Normgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber insoweit ebenfalls ein Beurteilungsspielraum zusteht ([X.], NJW 2022, 139 Rn. 204 - [X.]). Nach der Erkenntnislage zu Beginn der Corona-[X.] durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass es kein gleich geeignetes milderes Mittel zur Verhinderung von Übertragungen des SARS-CoV-2-[X.] als die verfahrensgegenständliche [X.] gab, da hierdurch jedenfalls sicher Kontakte zwischen Menschen, die grundsätzlich eine Gefahr der Übertragung des Coronavirus darstellen, vermieden werden konnten. Impfschutz, eine hinreichende Immunisierung der Bevölkerung auf Grund abgelaufener Infektionen oder erfolgversprechende Therapiemöglichkeiten standen zu diesem Zeitpunkt [X.] nicht zur Verfügung (siehe auch VGH [X.] aaO Rn. 215 f). Verstärkte Hygienemaßnahmen wie zum Beispiel die Beschränkung der Kundenzahl und das Tragen von [X.] hätten das Infektionsrisiko in den betroffenen Betriebsstätten zwar begrenzen, nicht aber auf Null reduzieren können. Ein einem gänzlichen Kontaktverbot vergleichbarer Schutz wäre dadurch nicht erreicht worden (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 217).

(3) Die [X.] war auch verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen).

Eine Maßnahme ist verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen), wenn der mit ihr verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (zB [X.]E 100, 313, 375 f; 155, 119 Rn. 195). Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ([X.], NJW 2022, 167 Rn. 135 - [X.]I).

Der durch die [X.] bewirkte Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin und in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat erhebliches Gewicht. Entgegen der Auffassung des beklagten [X.] wurde durch die sechswöchige [X.] auch der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt.Denn solche Maßnahmen greifen unmittelbar in den Betrieb als wirtschaftlichen Organismus ein. Es wird damit dessen ungestörtes Funktionieren unterbunden und der Inhaber daran gehindert, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten und aufrechterhaltenen Organisation sachlicher und persönlicher Mittel den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen. Dies kann existenzgefährdend sein oder gar zum vollständigen Verlust des Gewerbebetriebs führen. Es geht daher nicht allein um dem Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG unterliegenden Chancen und Erwerbsmöglichkeiten (BeckOGK/[X.], [X.], § 839 Rn. 1083 m. zahlr. [X.] [Stand: 1. April 2023]; siehe auch [X.], Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 59; abweichend VGH [X.] aaO Rn. 229 ff; offengelassen von [X.], Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 BvR 1073/21, juris Rn. 11).

Die Klägerin musste ihr Frisörgeschäft vom 23. März bis Anfang Mai 2020, insgesamt sechs Wochen lang, geschlossen halten, obwohl sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu dem Infektionsgeschehen nichts beigetragen hatte. Dem stand jedoch die Notwendigkeit gegenüber, auf die exponentielle Weiterverbreitung des Coronavirus und die befürchtete Überlastung des Gesundheitswesens mit weitreichenden kontaktbeschränkenden Maßnahmen zu reagieren, um das Infektionsgeschehen abzubremsen, dadurch Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen zu schützen und die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in [X.] sicherzustellen (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 222).

[X.] in die Rechte der von Betriebsschließungen Betroffenen ist zudem durch die verschiedenen und umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen für die von der [X.] betroffenen Unternehmen entscheidend relativiert worden. Die "[X.]", die ab dem 25. März 2020 zur Verfügung stand, und für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten bis zu 9.000 € betragen konnte, führte in [X.] zu 245.000 Bewilligungen mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Milliarden Euro. Die "[X.]" des Bundes erreichte in [X.] einen Umfang von insgesamt 32,9 Millionen Euro. [X.], dass [X.] die [X.] für Kurzarbeitergeld gelockert wurden. [X.] gewährte die [X.] (einschließlich der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen) in Höhe von 22,07 Milliarden Euro (VGH [X.] aaO Rn. 223).

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist weiter zu bedenken, dass die Dauer der Schließungsanordnung mit sechs Wochen der Klägerin unter Berücksichtigung des von ihr grundsätzlich zu tragenden [X.] noch zumutbar war. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Verordnungsgeber von Anfang an eine "Ausstiegs-Strategie" im Blick hatte und ein schrittweises Öffnungskonzept entwickelte und umsetzte (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 224).

5. Eine Entschädigungspflicht des beklagten [X.] nach den Grundsätzen über den enteignenden Eingriff ist ebenfalls zu verneinen.

a) Ansprüche aus dem richterrechtlich entwickelten Institut des enteignenden Eingriffs scheitern bereits daran, dass das den §§ 56, 65 [X.] zugrundeliegende und gesetzgeberisch als abschließend gedachte Konzept einer punktuellen Entschädigung im Bereich der Eigentumseingriffe nicht durch die Gewährung richterrechtlicher Ansprüche unterlaufen werden darf. Die infektionsschutzrechtlichen [X.] gehen auch insoweit vor ([X.], Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 55 ff).

b) Unabhängig von der Frage der Sperrwirkung der §§ 56, 65 [X.] ist der Anwendungsbereich des [X.] des enteignenden Eingriffs nicht eröffnet, wenn es darum geht, im Rahmen einer [X.] durch flächendeckende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen verursachte Schäden auszugleichen. Zur Bewältigung eines derartigen "Globalphänomens" ist das [X.] des enteignenden Eingriffs nicht entwickelt worden. Es ist keine geeignete Grundlage, um massenhaft auftretende Schäden auszugleichen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 1987 - [X.], [X.], 350, 361 f zur Haftung der öffentlichen Hand für weitflächig auftretende, durch Luftverunreinigungen verursachte Waldschäden). Der [X.] hat eine Haftung aus diesem [X.] deshalb bisher nur angenommen bei einzelfallbezogenen Eigentumsbeeinträchtigungen durch hoheitliche Realakte, straßenrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse oder Verwaltungsakte ([X.], Urteile vom 10. Dezember 1987 aaO und vom 10. Februar 2005 - [X.], NJW 2005, 1363; siehe auch Beschluss vom 29. Januar 1998 - [X.]/97, NJW 1998, 1398, 1399).

6. Ebenso wenig kann der Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Entschädigung zuerkannt werden.

Bei den hier in Rede stehenden, auf § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützten infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen (Betriebsschließungen) handelt es sich um den Vollzug von Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse, die die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich bringen, sind als Ausdruck der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen ([X.], Urteil vom 17. März 2022 aaO Rn. 59). Der Gesetzgeber kann jedoch bei der Regelung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unter dem Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung ausnahmsweise verpflichtet sein, [X.] vorzusehen, um eine unzumutbare Belastung des Eigentümers zu verhindern. Ausgleichsmaßnahmen bedürfen jedoch immer einer gesetzlichen Grundlage. Bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist daher kein Raum für eine Entschädigung ohne gesetzliche Grundlage ([X.]E 100, 226, 244 f). Fehlt eine Vorschrift - wie im Fall von flächendeckenden infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] - ist es daher unzulässig, einen Ausgleichsanspruch kraft Richterrechts zu gewähren. Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber, dem das Budgetrecht zusteht, ihn geregelt hat ([X.] aaO Rn. 59 ff; siehe auch VGH [X.] aaO Rn. 259 f).

Außerdem ist die Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung bislang vor allem auf Härtefälle zulasten einzelner Eigentümer angewandt worden, während es im Rahmen einer [X.] um eine unkalkulierbare Vielzahl von Betroffenen geht ([X.] aaO Rn. 61; VGH [X.] aaO).

7. Der Umstand, dass die infektionsschutzrechtlichen [X.] aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 nach dem geltenden Recht (§ 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 56, 65 [X.]) keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche begründen, ist auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.

a) Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, für Belastungen, wie sie für die Klägerin mit der in den [X.] liegenden Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einhergingen, Ausgleichsansprüche zu regeln. Das Ausmaß der Schließung von Frisörgeschäften mit einer Dauer von sechs Wochen war unter Berücksichtigung des den Betriebsinhaber grundsätzlich treffenden [X.] nicht unzumutbar. Demgegenüber waren die gesamtstaatlichen Auswirkungen der Corona-[X.] außerordentlich. Die [X.] hatte gravierende Auswirkungen in nahezu allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Da die Grundbelastung der Bevölkerung bereits hoch war und die [X.] in der Krise mehr abverlangt als unter normalen Verhältnissen, verschiebt sich der Vergleichsmaßstab zur Bestimmung einer Ausgleichspflicht für entstandene Schäden. Eine besondere, die Regelung gesetzlicher Entschädigungsansprüche bedingende Belastungsintensität kann sich erst dann ergeben, wenn Einzelne gerade im Vergleich zu sonstigen, ebenfalls intensiv Betroffenen signifikant stärker betroffen sind (VGH [X.] aaO Rn. 269). Daran fehlt es hier.

Eine Betriebsschließung von sechs Wochen war angesichts der gesamten wirtschaftlichen, [X.] und sonstigen Auswirkungen der [X.] nicht derart gravierend, dass gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine verfassungsrechtliche Pflicht bestand, hierfür Entschädigungsansprüche zu normieren. Die Normierung von Entschädigungsansprüchen, die die wirtschaftlichen Schäden, die in [X.]zeiten durch [X.] entstanden sind, abbilden, würde die Grenze zu einer allgemeinen staatlichen Gefährdungshaftung überschreiten und zur Überforderung des Staates führen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates ist begrenzt. Die Verfassung verpflichtet ihre Staatsorgane nicht zu unmöglichen Leistungen. Dementsprechend muss der Staat in [X.]zeiten sich gegebenenfalls auf seine Kardinalpflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 270).

Es entspricht der Rechtsprechung des [X.]s, dass staatliche Ausnahmezustände wie zum Beispiel Kriege, komplexe militärische Auslandseinsätze oder [X.]zeiten unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung keine Eintrittspflicht des Staates für zivile Schäden begründen können (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2016 - [X.]/15, [X.], 173 Rn. 18 zur Unanwendbarkeit des Amtshaftungsrechts auf zivile Schäden bei bewaffneten Auslandseinsätzen [X.] Streitkräfte). Hilfeleistungen für von einer [X.] schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Hieraus ergibt sich zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist. Erst eine solche gesetzliche Regelung kann konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen (vgl. [X.]E 27, 253, 283 zum Ausgleich von Besatzungsschäden). Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung kann der Staat zum Beispiel dadurch nachkommen, dass er - wie im Fall der COVID-19-[X.] geschehen - haushaltsrechtlich durch die Parlamente abgesicherte Ad-hoc-Hilfsprogramme auflegt ("[X.]"), die die gebotene Beweglichkeit aufweisen und eine lageangemessene Reaktion erlauben, indem Hilfen spürbar und zeitnah ausgezahlt werden ([X.] aaO Rn. 62). Dabei kommt dem Staat ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, der sich daran zu orientieren hat, für grundsätzlich wirtschaftlich gesunde Unternehmen die Folgen der sie unverschuldet treffenden [X.] abzumildern (vgl. VGH [X.] aaO Rn. 272). Die oben unter 4 [X.] (3) dargestellten staatlichen Hilfen im Rahmen des ersten Lockdowns genügten diesen Anforderungen. Davon hat auch die Klägerin profitiert, deren Liquidität durch Zahlung von 9.000 € im Rahmen der "[X.]" sichergestellt wurde.

b) Fehlt es somit an einer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Schaffung von Ausgleichsansprüchen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob § 56 Abs. 1 [X.] im Wege der verfassungskonformen Auslegung als Entschädigungstatbestand gegenüber von flächendeckenden Betriebsschließungen betroffenen infektionsschutzrechtlichen Nichtstörern herangezogen werden könnte, nicht mehr an (zu dieser Frage siehe auch [X.], Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 BvR 1073/21, juris Rn. 29 ff). Ungeachtet dessen ist eine verfassungskonforme Auslegung von § 56 Abs. 1 [X.] dahingehend, die Klägerin wie eine Ansteckungsverdächtige zu behandeln und zu entschädigen, abzulehnen (vgl. [X.] aaO Rn. 21). Für § 65 Abs. 1 [X.] gilt nichts Anderes (vgl. aaO Rn. 35).

8. Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. Art. 34 GG) beziehungsweise enteignungsgleichem Eingriff scheiden schon deshalb aus, weil die streitigen Verordnungen vom 17. und 20. März 2020 rechtmäßig ergangen sind (siehe ergänzend [X.] aaO Rn. 64 ff).

[X.]     

  

Reiter     

  

Kessen

  

Herr     

  

Liepin     

  

Meta

III ZR 41/22

11.05.2023

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 9. Februar 2022, Az: 4 U 28/21, Urteil

Art 14 Abs 1 S 2 GG, § 2 Nr 7 IfSG, § 28 Abs 1 S 1 IfSG, § 28 Abs 1 S 2 IfSG, § 32 IfSG, § 56 Abs 1 S 1 IfSG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2023, Az. III ZR 41/22 (REWIS RS 2023, 3546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3546

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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