Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2010, Az. B 14 AS 44/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 323

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf für erwerbsfähigen Gehbehinderten - kein Anspruch gem § 21 Abs 4 SGB 2 - keine unmittelbare oder analoge Anwendung von § 28 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 2 - keine Erhöhung der Regelleistungen - kein Anspruch gem § 23 Abs 1 SGB 2 - kein unabweisbarer laufender besonderer Bedarf - Verfassungsmäßigkeit - keine ergänzende Sozialhilfe - Hilfsmittelversorgung (hier: C-leg) umfasst auch Stromkosten - ärztliche Behandlung gem § 27 SGB 5)


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten für die [X.] vom [X.] bis zum [X.] einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf nach dem [X.] (S[X.]B II).

2

Der 1975 geborene Kläger ist rechtsseitig unterschenkelamputiert und mit einer computergesteuerten Beinprothese ("[X.]") versorgt. Die Versorgungsverwaltung stellte zu seinen [X.]unsten mit Bescheid vom 23.11.2005 einen [X.]rad der Behinderung ([X.]dB) von 60 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "[X.]" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest. Der [X.] gewährte ihm auf [X.]rundlage des § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (S[X.]B XII) in Verbindung mit § 55 Abs 2 [X.] Sozialgesetzbuch [X.] (S[X.]B IX) eine Betreuung im Rahmen des "Ambulant Betreuten [X.]" für die [X.] ab [X.] zunächst befristet bis zum 28.02.2007 (Bescheid vom 18.9.2006) und sodann bis zum August 2009.

3

Der Kläger bezog in der [X.] vom 11.12.2006 bis zum 31.1.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.]B II und dabei unter anderem einen "Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige (35 % der maßgebenden Regelleistung)" in Höhe von 121 Euro monatlich (Bescheid vom 22.12.2006), anschließend bezog er Krankengeld.

4

Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 23.3.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.]B II für die [X.] vom [X.] bis zum [X.], ohne dabei einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zu berücksichtigen (Bescheid vom 12.4.2007; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (S[X.]) [X.], mit der er zuletzt noch geltend machte, ihm stehe wie einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung in Höhe von 17 Prozent der Regelleistung zu. Bedingt durch eine von der Prothese herrührende Materialbelastung bestehe bei ihm ein erhöhter Verschleiß von Hosen, Socken und Schuhen. Der sog [X.] müsse alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden, wodurch zusätzliche Aufwendungen für die Wäsche entstünden. Daneben fielen erhebliche zusätzliche Stromkosten an, da der Akku für das [X.] in der Nacht aufgeladen werden müsse. Zudem würden wegen der bestehenden Schmerzen vom behandelnden Arzt [X.], Massagen sowie Lichttherapie angewandt, die er - der Kläger - selbst zahlen müsse.

5

Das S[X.] hat die [X.] als Trägerin der Leistungen nach dem S[X.]B XII zum Verfahren beigeladen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.11.2008). Die Berufung des [X.] hat das [X.] [X.] (LS[X.]) zurückgewiesen (Urteil vom 28.5.2009). Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand des Verfahrens sei allein, ob der Kläger von der Beklagten für den [X.]raum vom [X.] bis zum [X.] mit Erfolg einen Mehrbedarf aufgrund seiner Schwerbehinderung beanspruchen kann. Der Kläger sei berechtigt gemäß § 7 S[X.]B II und dabei insbesondere erwerbsfähig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.], § 8 Abs 1 S[X.]B II, weil seine Erwerbsfähigkeit so lange fingiert und als bestehend vorausgesetzt werde, bis gegebenenfalls die Einigungsstelle die Erwerbsfähigkeit des Arbeitsuchenden kläre (§ 44a Abs 1 Satz 3, § 45 S[X.]B II). § 21 Abs 4 Satz 1 S[X.]B II stütze das Begehren des [X.] nicht, denn im streitigen [X.]raum seien an ihn keine Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 33 S[X.]B IX bzw sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 S[X.]B XII erbracht worden. Die vom [X.] nach § 55 Abs 2 [X.] S[X.]B IX gewährten Hilfen für ein selbstbestimmtes Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten seien keine "sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" gemäß § 21 Abs 4 Satz 1 Fall 2 S[X.]B II. Ein Anspruch des [X.] ergebe sich ferner nicht aus einer analogen oder erweiternden Anwendung des § 21 Abs 4 S[X.]B II oder des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 S[X.]B II und schließlich nicht aus § 30 oder § 73 S[X.]B XII.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er macht geltend, die vom LS[X.] vorgenommene Auslegung des § 21 Abs 4 S[X.]B II verletze Art 3 [X.]rundgesetz ([X.][X.]). Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe sich vor allem gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen, die in der Lage seien (ggf durch eine nur geringfügige) Tätigkeit im Rahmen der Freibeträge ihren Lebensstandard zu erhöhen, während der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige von solchen Hinzuverdiensten die notwendigen Ausgaben für den behinderungsbedingten Mehrbedarf zu bestreiten habe.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 28. Mai 2009 und das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 27.11.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die [X.] vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.]B II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17/100 der Regelleistung zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (S[X.][X.]).

1. [X.]egenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2007. Der Streitgegenstand des Verfahrens wird durch diesen Bescheid auf den Zeitraum vom [X.] bis [X.] begrenzt. Der Kläger hat den Streitgegenstand zudem zulässigerweise insoweit beschränkt, als Kosten der Unterkunft nicht in Streit stehen. Darüber hinaus lassen sich - entgegen der Auffassung des [X.] - die weiteren Regelungen der Beklagten zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in rechtlich zulässiger Weise in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa [X.], 48 = [X.]-1500 § 71 [X.], jeweils Rd[X.]1; [X.] [X.]-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1). Das [X.] wird die erforderlichen Feststellungen zur Höhe deshalb auch bezogen auf die dem Kläger gewährte Regelleistung nachzuholen haben.

2. Der Kläger ist nach den Feststellungen des [X.] Berechtigter iS des § 7 Abs 1 [X.] idF des [X.] vom 30.7.2004 ([X.] 2014); insbesondere ist er trotz seiner behinderungsbedingten Einschränkungen erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 [X.]. Ob er damit neben einem Anspruch auf Regelleistung, der dem [X.]runde nach nicht zweifelhaft ist, auch Anspruch auf einen Mehrbedarf hat, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Bei seiner Prüfung insoweit ist das [X.] zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 4 [X.] (dazu unter 3.) bzw einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] (dazu unter 4.) nicht besteht. Andere Anspruchsgrundlagen nach dem [X.] gegen den beklagten [X.]rundsicherungsträger scheiden aus (dazu unter 5.); der geltend gemachte Mehrbedarf könnte aber gegenüber der Beigeladenen in § 73 [X.] begründet sein (dazu unter 6.).

3. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf des [X.] scheidet § 21 Abs 4 [X.] aus, wovon das [X.] zutreffend ausgegangen ist. Nach § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] (hier in der Fassung des [X.]esetzes zur Fortentwicklung der [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.], [X.] 1706) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] bis 3 [X.] erbracht werden, einen Mehrbedarf von [X.] der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Die vom [X.] bewilligte Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten hat als Leistung zur Teilhabe am Leben in der [X.] in § 55 Abs 2 [X.] 6 [X.] iVm § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] und gehört damit nicht zu den in § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] ausdrücklich genannten Leistungen nach § 33 [X.] und § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] bis 3 [X.]. Es handelt sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Bei Hilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 55 Abs 2 [X.] 6 [X.] geht es um die wohnbezogene Betreuung des behinderten Menschen, die - wie vorliegend - auch ambulant erfolgen kann. Die Leistungen, die gemäß § 55 Abs 1 [X.] nachrangig ua gegenüber den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der §§ 33 bis 43 [X.] (Kapitel 5) sind, zielen der Sache nach darauf ab, den behinderten Menschen so weit wie möglich zu befähigen, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen ([X.] in jurisPK-[X.], Stand September 2010, § 55 Rd[X.] 44). Solche Hilfen, die nicht als berufsbezogene, das Arbeitsleben betreffende Eingliederungsmaßnahmen erbracht werden, stellen keine sonstigen Hilfen iS des § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] dar (ebenso [X.] in [X.]K-[X.], Stand Juli 2010, § 21 Rd[X.]7.1; [X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 21 Rd[X.]2). Zudem setzt der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige wegen der [X.]ewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus (vgl [X.] <[X.]> Urteil vom [X.] - B 4 AS 59/09 R - [X.]-4200 § 21 [X.]), woran es vorliegend fehlt. Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf den Mehrbedarf auch nicht daraus herleiten, dass ihm im vorangehenden Bewilligungsabschnitt ein derartiger Anspruch nach § 21 Abs 4 [X.] zugebilligt worden war (vgl [X.] aaO Rd[X.]6).

4. Zutreffend hat das [X.] ferner entschieden, dass ein Anspruch auf Mehrbedarf nicht auf [X.]rundlage einer (entsprechenden) Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] besteht (eingefügt mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das [X.]esetz zur Fortentwicklung der [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.], [X.] 1706). Nach den Feststellungen des [X.] ist der Kläger erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, sodass § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] unmittelbar keine Anwendung findet. Eine entsprechende Anwendung scheidet aus, denn im Hinblick auf den Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen fehlt es für die analoge Anwendung an einer planwidrigen Regelungslücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "[X.]" nicht zugänglich zu machen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige anders als nicht erwerbsfähige Empfänger von Sozialgeld keinen Anspruch auf Leistungen wegen eines Mehrbedarfs haben, wenn sie Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" sind (Urteil vom [X.] [X.]/08 R - [X.]E 105, 201 = [X.]-4200 § 8 [X.], jeweils Rd[X.]3 ff). Die Anknüpfung an die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen ist hinreichendes Differenzierungskriterium im Hinblick auf die [X.]ewährung des in Rede stehenden Mehrbedarfs. Insbesondere eine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen liegt nicht vor, wie der [X.] bereits ausgeführt hat. Zwar bestehen für erwerbsfähige, gehbehinderte Hilfebedürftige zusätzliche Eingliederungs- und Vermittlungshemmnisse, deren Beseitigung entsprechende Kosten auslösen kann. Behinderungsbedingte Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, die zugleich den Zugang zu umfassenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] eröffnen, werden aber - für den Fall, dass solche Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden - im Wesentlichen durch den (höheren) Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 [X.] abgedeckt. Dementsprechend entfällt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] (bzw § 30 Abs 1 [X.] [X.]) auch für voll erwerbsgeminderte Hilfebedürftige, soweit sie (ausnahmsweise) Leistungen zur Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] und 2 [X.] in Anspruch nehmen und damit ebenfalls einen Mehrbedarf entsprechend § 21 Abs 4 [X.] erhalten (vgl § 28 Satz 3 [X.] 4 2. Halbs [X.]). Die Abgrenzung der Fallkonstellationen ausgehend von der gesetzgeberischen [X.]rundvorstellung, es bestehe kein [X.]rund für die [X.]ewährung eines Mehrbedarf für den Fall, dass die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dauerhaft möglich erscheint, erweist sich damit als folgerichtig und sachgerecht.

5. Andere Anspruchsgrundlagen gegen den beklagten [X.]rundsicherungsträger scheiden aus. Der [X.] geht im [X.] an die Rechtsprechung des 7b. [X.] des [X.] ([X.]E 97, 242 = [X.]-4200 § 20 [X.]; vgl auch das Urteil des erkennenden [X.]s vom 28.10.2009 - [X.] AS 44/08 R - [X.] - [X.]-4200 § 7 [X.]5) davon aus, dass die Regelungen des [X.] in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen (zuletzt Urteil vom [X.] zu Kosten eines [X.] bei AIDS - [X.] AS 13/10 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]4, und Urteil vom 28.10.2009 zu Mehrkosten einer [X.] - [X.] AS 44/08 R - [X.]-4200 § 7 [X.]5). Insbesondere scheidet § 23 Abs 1 [X.] als Rechtsgrundlage für das Begehren des [X.] schon deshalb aus, weil es sich bei den vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Bedarfen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen [X.]ewährung nicht zugänglich sind (vgl [X.] Urteil vom [X.], aaO, unter Hinweis auf [X.]-4200 § 7 [X.]5 ). Der [X.] geht schließlich davon aus, dass der vom [X.] geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen (vgl BVerf[X.]E 125, 175, 252 ff = juris Rd[X.]04 ff) nur dann eingreift, wenn nicht bereits auf [X.]rund einfachgesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist ([X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]3; im Einzelnen sogleich).

6. Nicht abschließend entscheiden kann der [X.] die Frage, ob dem Kläger gegen die Beigeladene ein Anspruch aus § 73 [X.] zusteht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 [X.] ist nach der Rechtsprechung des 7b. [X.]s, der sich der erkennende [X.] angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 [X.] geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der [X.]rundrechtsausübung tangiert sein (vgl [X.]E 97, 242, 250 = [X.]-4200 § 20 [X.] Rd[X.]2 f; [X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]9 f).

Ein Anspruch gegen die Beigeladene aus § 73 [X.] scheidet - anders als die Vorinstanzen meinen - nicht schon deshalb aus, weil der Bereich der [X.]rundrechtsausübung nicht tangiert wäre. Es kann hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe nicht ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass es sich um hinzunehmende Bagatellbedürfnisse oder Bedürfnisse ohne [X.]rundrechtsbezug handelt (hierzu Urteil des [X.]s vom 28.10.2009 - [X.] AS 44/08 R - [X.]-4200 § 7 [X.]5 Rd[X.]1). Vielmehr könnte durch eine nicht ausreichende Versorgung des Stumpfes und einen nicht ausreichenden Ausgleich seiner Behinderung das Recht des [X.] auf Leben ([X.]esundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 [X.][X.] berührt sein (zur Bedeutung dieses [X.]rundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerf[X.]E 115, 25 ff = [X.]-2500 § 27 [X.] 5). Ob ein entsprechender atypischer Bedarf beim Kläger besteht, der den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen zu prüfen sein.

a) Dabei ist den Vorinstanzen allerdings dahin zuzustimmen, dass die Kosten, die durch die Versorgung mit dem [X.] entstehen, relevante Bedarfe nach § 73 [X.] nicht auslösen können. Diese Kosten sind vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Mitglied der Kläger nach dem [X.]esamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ist, zu tragen. Die Energieversorgung im Zusammenhang mit dem Betrieb des Hilfsmittels gehört dabei zum Leistungsumfang nach § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (; vgl [X.]E 80, 93 = [X.] 3-2500 § 33 [X.]4). Diese Energiekosten sind - anders als die Batterien für Hörgeräte - nicht nach § 34 Abs 4 S[X.]B V iVm § 2 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Leistungspflicht der Krankenkasse (vom 13.12.1989, [X.] 2237, zuletzt geändert durch Art 1 Erste ÄndVO vom [X.], [X.] 44) ausgeschlossen. Damit scheidet ein Anspruch nach § 73 [X.] aus, denn die Kosten bleiben nicht ungedeckt.

Ähnliches gilt, soweit der Kläger Kosten für ärztliche Behandlungen (insbesondere mittels Akupunktur) geltend macht: Der Anspruch auf die medizinisch notwendige Krankenbehandlung wird für gesetzlich versicherte Hilfeempfänger durch die Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 S[X.]B V gedeckt. Soweit die ärztliche Behandlung bei gesetzlich krankenversicherten Hilfeempfängern nicht innerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift stattgefunden hat und eine Übernahme als Leistung der Krankenversicherung wegen fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzen ausscheidet, löst sie einen relevanten Bedarf nach § 73 [X.] nicht aus. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem [X.] keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem S[X.]B V, die Versicherungsschutz insbesondere auf [X.]rund abhängiger Beschäftigung erlangen. Im Hinblick auf die Akupunkturbehandlung hat der [X.]emeinsame Bundesausschuss (vgl § 91 S[X.]B V) mit Beschluss vom 18.4./19.9.2006 ([X.] [X.]14 vom 15.11.2006, 6952) die Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder mindestens eines Kniegelenks mit Wirkung vom 1.1.2007 als Methode der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt. Die Frage, ob die Kosten für eine entsprechend durchgeführte Behandlung übernommen werden, muss der Kläger damit gegenüber seiner Krankenkasse klären. [X.]esetzliche oder auf [X.]esetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen können nur innerhalb des [X.] nach dem S[X.]B V daraufhin zu prüfen sein, ob sie im Rahmen des [X.][X.] Art 2 Abs 1 gerechtfertigt sind (dazu BVerf[X.]E 115, 25 ff = [X.]-2500 § 27 [X.] 5). Ob wegen ihrer eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anderes für Hilfebedürftige nach dem [X.] gelten muss, wenn Leistungen nicht auf [X.]rund des fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzens, sondern wegen ihrem geringen Abgabepreis von der Versorgung nach dem S[X.]B V ausgenommen sind, kann offen bleiben. Ein solcher Fall liegt nach den bisherigen Feststellungen des [X.] nicht vor.

b) Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Kosten weisen der Art nach eine Nähe zu den Fällen eines notwendigen [X.] bei schwerer Erkrankung auf (dazu [X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Der Kläger macht in erster Linie erhöhte Aufwendungen für alle zwei Tage notwendig werdende 90-[X.]rad-Wäsche der Stumpfsocken geltend. Wenn durch mangelnde Sauberkeit des Stumpfsockens tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären, was das [X.] bislang nicht festgestellt hat, weist dieser geltend gemachte Bedarf eine sachliche Nähe zu den sog Hilfen zur [X.]esundheit gemäß §§ 47 ff [X.] auf, kann aber im System des S[X.]B V nicht befriedigt werden.

Fraglich ist insoweit aber, ob in diesem Fall Kosten anfallen, die einen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Stehen hier nur [X.] in Rede, so kann eine Verurteilung nach § 73 [X.] nach der bisherigen Rechtsprechung scheitern, weil dann trotz vorliegender [X.]rundrechtsbetroffenheit die entsprechenden Kosten selbst zu tragen wären. Welche Kosten für den Kläger bezogen auf den geltend gemachten Bedarf insoweit tatsächlich anfallen und ob es sich sowohl hinsichtlich der Kosten für die Wäsche als auch für die Bekleidung um Mehrkosten handelt, die nicht bereits durch die Regelleistung abgedeckt sind, wird das [X.] im Einzelnen zu überprüfen haben und abschließend zu entscheiden haben, ob solche Mehrkosten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Der [X.] hat insoweit ausgeführt, jedenfalls bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten in Höhe von rund 20 Euro scheitere ein Klagebegehren nicht bereits an einer in § 73 [X.] unter dem [X.]esichtspunkt der Rechtfertigung des [X.] enthaltenen "Bagatellgrenze" ([X.] aaO Rd[X.]0).

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 44/09 R

15.12.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Detmold, 27. November 2008, Az: S 10 (12) AS 84/07, Urteil

§ 21 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 28 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 2 vom 20.07.2006, § 20 SGB 2, § 23 Abs 1 SGB 2, § 27 Abs 1 SGB 5, § 33 Abs 1 S 1 SGB 5, § 55 Abs 2 Nr 6 SGB 9, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 73 SGB 12, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2010, Az. B 14 AS 44/09 R (REWIS RS 2010, 323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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