Bundessozialgericht, Urteil vom 14.09.2010, Az. B 7 AL 23/09 R

7. Senat | REWIS RS 2010, 3424

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld - Verkürzung der Anspruchsdauer für Ansprüche nach dem 31.1.2006 - Übergangsregelung - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Zur Verfassungsmäßigkeit der Reduzierung der Dauer des Arbeitslosengeldbezugs für Ansprüche, die nach dem 31.1.2006 entstanden sind.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ([X.]).

2

Der im April 1949 geborene Kläger war von 1964 bis November 2006 beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihm (Bescheid vom 16.11.2006; Änderungsbescheid vom 27.11.2006; Widerspruchsbescheid vom [X.]) antragsgemäß ab 19.12.2006 [X.] für die Dauer von zunächst 18 Monaten nach der ab 1.2.2006 geltenden Fassung des § [X.] - ([X.]); während des Berufungsverfahrens verfügte sie aufgrund des mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügten § 434r [X.] die Verlängerung der [X.]-Anspruchsdauer um sechs auf nunmehr 24 Monate (Änderungsbescheid vom 28.2.2008).

3

Die zuvor mit dem Ziel erhobene Klage, [X.] für die Dauer von insgesamt 32 Monaten nach der früheren Normfassung des § 127 [X.] (vor Rechtsänderung) zu erhalten, ist erst- und zweitinstanzlich erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <[X.]> Karlsruhe vom 5.12.2007; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Baden-Württemberg vom 1.10.2008). Das [X.] hat zwar angenommen, das auf Beitragszahlungen beruhende Anwartschaftsrecht auf [X.] umfasse die Dauer des möglichen Anspruchs und unterfalle auch insoweit dem Eigentumsschutz des Art 14 Grundgesetz (GG). Es hat aber einen Grundrechtsverstoß durch Kürzung des [X.]-Anspruchs ebenso verneint wie eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, weil die in der Kürzung der Anspruchsdauer liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums unter Berücksichtigung des in 434l Abs 1 [X.] geregelten Übergangsrechts (Anwendung des alten Rechts für vor dem 1.2.2006 entstehende Ansprüche) nicht zu beanstanden sei. Durch § 434r [X.] sei die Kürzung der Anspruchsdauer für ältere Versicherte zudem in zumutbarer Weise abgemildert worden.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Die Verkürzung der Anspruchshöchstdauer für ältere Arbeitslose von ursprünglich 32 auf 18 Monate durch § 127 Abs 2 [X.] sei verfassungswidrig. Diese Kürzung werde durch die über § 434r Abs 1 [X.] vorgenommene Verlängerung des [X.]-Anspruchs nicht vollständig ausgeglichen. Die Kürzung der Bezugsdauer sei ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das über Art 14 GG geschützte Anwartschaftsrecht, weil der angestrebte Zweck - die Verhinderung der Frühverrentungspolitik der Unternehmen - auf schonendere Weise durch eine Verschärfung der Arbeitgebererstattungspflicht des § 147a [X.] hätte erreicht werden können. Das Fehlen einer Übergangsregelung für das Anwartschaftsrecht (Stichtagsregelung: [X.] vor bzw ab 1.2.2006) verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zudem sei die Verkürzung der Anspruchsdauer unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] sowie den Gerichtsbescheid des [X.] aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 28. Februar 2008 zu verurteilen, ihm für weitere 240 Kalendertage Arbeitslosengeld zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Das [X.] hat zu Recht die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur, ob der [X.]läger einen zusätzlichen [X.]-Anspruch über 240 [X.]alendertage (= acht Monate, vgl § 339 [X.]) hat. Zwar hat das [X.] auch über die Höhe des Anspruchs auf [X.] entschieden. Ob dies zu Recht geschehen ist, kann dahinstehen; in der Revisionsbegründung wendet sich der [X.]läger jedenfalls nur gegen die verkürzte Bezugsdauer, sodass von einer entsprechenden Beschränkung der Revision auszugehen ist. Diese ist zulässig, weil es sich bei der Dauer des [X.]-Anspruchs um einen rechtlich und tatsächlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs handelt (zur Beschränkung der Revision allgemein [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 160 Rd[X.] 2a; zum Streitgegenstand im Arbeitsförderungsrecht [X.] Spellbrink/Eicher, [X.] Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 Rd[X.] 9 ff). Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich der [X.]läger gegen den einen Anspruch auf zusätzliches [X.] ablehnenden Bescheid vom 28.2.2008, der die Bescheide der Beklagten vom 16.11.2006, 27.11.2006 und 29.12.2006, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.], ersetzt und diese damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ), mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 iVm § 56 [X.]) oder mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wendet. Der [X.]läger hat ohnedies keinen 24 Monate übersteigenden Anspruch auf Gewährung von [X.].

Die Dauer des [X.]-Anspruchs bemisst sich gemäß § 127 Abs 1 [X.] nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der erweiterten Rahmenfrist und dem Lebensalter des Arbeitslosen bei der Entstehung des Anspruchs. Frühestens am 19.12.2006 lagen beim [X.]läger iS des § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs vor (§ 118 [X.]). Er hatte bei Entstehung des Anspruchs das 55. Lebensjahr vollendet, sodass sich nach der ab [X.] für ihn maßgebenden Fassung (§ 434l Abs 1 [X.]) des § 127 [X.] ([X.] am Arbeitsmarkt <[X.]> vom 24.12.2003 - [X.] 3002) zunächst ein [X.]-Anspruch höchstens für die Dauer von 18 Monaten ergab, der sich allerdings durch die zusammen mit der erneuten Änderung des § 127 [X.] ab 1.1.2008 ([X.] [X.] und anderer Gesetze <[X.]> vom [X.] - [X.] 681) erlassenen Übergangsvorschrift des § 434r Abs 1 [X.] auf höchstens 24 Monate verlängert hat. Nach § 434r Abs 1 [X.] (in der Normfassung des [X.]) erhöhte sich die Anspruchsdauer des [X.] unter weiteren Voraussetzungen bei am 31.12.2007 noch nicht erschöpften Ansprüchen für mindestens 58-Jährige auf 24 Monate; diese Dauer entspricht der gleichzeitigen Neuregelung des § 127 [X.], in dem ebenfalls insoweit eine Höchstdauer von 24 Monaten vorgesehen ist.

Ein über die Dauer von 24 Monaten hinausgehender Anspruch auf [X.] steht dem [X.]läger nicht zu. Ein solcher kann insbesondere nicht auf § 127 [X.] in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (des Gesetzes zur Neuausrichtung der [X.] vom 20.12.2001 - [X.] 4013; im Folgenden § 127 [X.] aF) gestützt werden, weil § 127 [X.] aF gemäß § 434l Abs 1 [X.] nur für Personen weiter gilt, deren [X.]-Anspruch bis zum [X.] entstanden ist.

Diese [X.]ürzung der [X.]-Anspruchsdauer begegnet jedenfalls im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es kann offen bleiben, ob das von Art 14 [X.] geschützte Anwartschaftsrecht, das der Versicherte nach §§ 123, 124 [X.] erworben hat, auch die Anspruchsdauer des § 127 [X.] umfasst (zum Meinungsstreit vgl: befürwortend Spellbrink in [X.], [X.], § 127 Rd[X.] 26 f, Stand Oktober 2005, sowie § 434l Rd[X.]3, Stand Mai 2008; verneinend [X.], [X.]I/[X.], § 434l Rd[X.]b, Stand Mai 2005, sowie [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 434l Rd[X.] 4, Stand Mai 2008). Die Verkürzung der Anspruchsdauer verletzte den [X.]läger unter Berücksichtigung des § 434r Abs 1 [X.] auch dann nicht in seinem Eigentumsrecht (Art 14 [X.]), wenn das Anwartschaftsrecht die Anspruchsdauer erfassen würde. Denn der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für eine sozialversicherungsrechtliche Anwartschaft schließt deren Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch eine wertmäßige Minderung nicht generell aus (vgl [X.] 100, 1 ff = [X.] 3-8570 § 10 [X.]; [X.] 117, 272 ff = [X.] 4-2600 § 58 [X.]). Die Verkürzung der [X.]-Bezugsdauer wäre für den [X.]läger - nur auf seine individuelle Betroffenheit kommt es insoweit an - eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 [X.]. Mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung regelt der Gesetzgeber abstrakt-generell die Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind, und bestimmt somit die Reichweite des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an ([X.] 53, 257 ff = [X.] 7610 § 1587 [X.]; [X.] 72, 9 ff = [X.] 4100 § 104 [X.]3; [X.] 74, 203 = [X.] 4100 § 120 [X.] 2; [X.] 76, 220 ff = [X.] 4100 § 242b [X.]; [X.] 117, 272, 293 = [X.] 4-2600 § 58 [X.] Rd[X.] 53 mwN).

Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums sowohl die Anerkennung des Privateigentums als auch die Gebote anderer Verfassungsnormen - insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - beachtet ([X.] 53, 257 ff = [X.] 7610 § 1587 [X.]; [X.] 74, 203 ff = [X.] 4100 § 120 [X.] 2; [X.] 76, 220 ff, 238 = [X.] 4100 § 242b [X.] [X.]5); greift er mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in durch Art 14 Abs 1 Satz 1 [X.] geschützte und in der Vergangenheit entstandene Rechtspositionen ein, gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Regelung zur Durchsetzung legitimer öffentlicher Interessen geeignet und erforderlich sein muss und den Betroffenen unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums (Art 14 Abs 2 [X.]) nicht übermäßig belasten darf ([X.] 72, 9 ff = [X.] 4100 § 104 [X.]3 mwN; [X.] 74, 203 ff = [X.] 4100 § 120 [X.] 2; [X.] 76, 220 ff, 238 = [X.] 4100 § 242b [X.] [X.]5).

Die zum [X.] vorgenommene Änderung diente der Sicherung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung. Ziel der für den Bereich der Arbeitsförderung getroffenen Regelungen des [X.] vom 24.12.2003 war es, angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit im Allgemeinen Beschäftigungshemmnisse im Arbeits- und Sozialrecht abzubauen und angesichts der im internationalen Vergleich relativ niedrigen Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer im Besonderen die von den Tarifvertragsparteien und der früheren Bundesregierung praktizierte Politik der Frühverrentung zu beenden (BT-Drucks 15/1204, [X.]). Die sich abzeichnende demographische Entwicklung mit einer zu erwartenden Verknappung des Arbeitskräfteangebots sowie die vorruhestandsbedingten Belastungen der Beitragszahler veranlassten den Gesetzgeber, dieser Tendenz entgegenzuwirken (BT-Drucks 15/1204, [X.], 10). Mit der Verkürzung der Bezugsdauer für das [X.] waren auch Einsparungen im Haushalt der [X.] verbunden. Trotz der mit der Änderung gleichzeitig verknüpften Belastungen in der Renten-, [X.]ranken- und Pflegeversicherung schätzte die damalige Bundesregierung die Nettoeinsparungen noch auf 2,2 % im Jahr 2008 (BT-Drucks 15/1204, [X.]). Die Vermeidung der sozial- und arbeitsmarktpolitisch unerwünschten Frühverrentung ist ein legitimes Gemeinwohlinteresse (vgl dazu [X.] 81, 156 ff = [X.] 3-4100 § 128 [X.]). Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der erstrebten Haushaltseinsparungen.

Insoweit stellt die Verkürzung der [X.]-Anspruchsdauer keine isolierte Maßnahme dar; sie ist vielmehr nur Teil eines - teilweise bereits bestehenden, teilweise geschaffenen - Gesamtpakets der aktiven Arbeitsförderung und der gesetzlich vorgesehenen Leistungen, die in besonderer Weise die ([X.] älterer Arbeitsloser zum Ziel haben. So wurde etwa durch § 218 [X.] die Möglichkeit eröffnet, iVm § 421f [X.] einen Eingliederungszuschuss (Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer) zu bewilligen. § 421j Abs 1 [X.] sah (und sieht weiterhin) unter im Einzelnen genannten Voraussetzungen eine Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer vor, die ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden. Nachdem Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers aber nicht zu der prognostizierten Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer geführt hatten (vgl BT-Drucks 16/7460, [X.]), verlängerte der Gesetzgeber die Bezugsdauer für das [X.] wieder für über 50-jährige und über 58-jährige Arbeitnehmer durch das [X.] und fügte parallel dazu mit § 434r Abs 1 [X.] eine Übergangsvorschrift zur nachträglichen Verlängerung am 31.12.2007 bestehender Ansprüche ein. Ziel dieser Änderung war es, die sich nach wie vor als schwierig gestaltende berufliche Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer zu verbessern (BT-Drucks 16/7460, [X.], 9). Die in Abhängigkeit von Lebensalter und Vorversicherungszeit vorgenommene Verlängerung der Bezugsdauer auf maximal 24 Monate sollte ältere Arbeitnehmer für die Dauer der Bemühungen um ein neues Arbeitsverhältnis materiell absichern (BT-Drucks 16/7460, [X.]). Flankiert wurde diese leistungsrechtliche Änderung durch die Einführung eines Eingliederungsgutscheins gemäß §§ 223, 224 [X.] (BT-Drucks 16/7460, [X.] f). Der Gesetzgeber hat mithin unter Auswertung zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnis seine ursprüngliche Reduzierung der Anspruchsdauer mit Rücksicht darauf wieder teilweise rückgängig gemacht, dass sich jedenfalls die mit der früheren Gesetzesänderung verbundenen Erwartungen über die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer nicht realisiert haben (vgl zur [X.]orrekturpflicht nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2009, Art 20 Rd[X.] 87 mwN). Gleichwohl bleiben als legitime Ziele die [X.], die ab 2006 genutzt wurde, um den Beitragssatz schrittweise von 6,5 % auf 4,2 %, 3,3 % und 2,8 % abzusenken, und die Abschaffung des Anreizes, ältere Arbeitnehmer zu entlassen.

Die Reduzierung der Anspruchsdauer trifft den [X.]läger auch nicht unverhältnismäßig im weiten Sinn; sie war geeignet, erforderlich und ist dem [X.]läger auch zumutbar. Die zum [X.] vorgenommenen Änderungen des § 127 [X.] sind unter Berücksichtigung der [X.]orrektur zum 1.1.2008 zur Erreichung der formulierten gesetzgeberischen Zielvorgaben geeignet. Insoweit steht der Eignung nicht entgegen, dass die Mehrausgaben in der Sozialhilfe aufgrund der bevorstehenden Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einem einheitlichen Leistungssystem nicht bezifferbar waren (vgl zum Fehlen einer genauen Bezifferung der Einsparung [X.] 50, 290, 332 f; 76, 220 ff = [X.] 4100 § 242b [X.]). Die [X.]ausalität der Ausgestaltung der [X.] Sicherungssysteme in bisheriger Form für die von den Unternehmen betriebene Frühverrentungspolitik war durch die Untersuchungen der vom [X.] eingesetzten Enquête-[X.]ommission "Demographischer Wandel - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik" (Schlussbericht der [X.]ommission vom 28.3.2002 - BT-Drucks 14/8800, [X.] f) bestätigt worden. Die von der Enquête-[X.]ommission ausgewerteten Untersuchungen hatten ergeben, dass Unternehmen die Frühausgliederung älterer Beschäftigter als kostengünstige Maßnahme der Personalumschichtung und des Personalabbaus genutzt und auf diese Weise die [X.]osten betrieblicher Anpassungsstrategien ua auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung übergewälzt haben (BT-Drucks 14/8800, [X.] mwN). Der Übergang älterer Arbeitnehmer in den Vorruhestand beruhte danach in der Regel auf einer freien Entscheidung der Betroffenen, die durch sozialrechtliche Anreize gefördert wurde (BT-Drucks 14/8800, [X.]; so auch Bäcker, [X.]rV 2003, 197, 198 f, und [X.], SF 2003, 231; kritisch [X.], [X.] 2003, 218, 221). Die [X.]ürzung der [X.]-Bezugsdauer baut diese beschäftigungspolitisch negativen Anreize ab und führte gleichzeitig zu finanzieller Entlastung des Haushalts der [X.] für Arbeit.

Die [X.]ürzung der [X.]-Bezugsdauer war in Anbetracht der gesetzgeberischen Zielsetzung auch erforderlich. Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit, der Frühverrentung durch eine Verschärfung der [X.]-Erstattungspflicht des Arbeitgebers für ausgeschiedene ältere Arbeitnehmer (§ 147a [X.]) entgegenzuwirken, schließt die Erforderlichkeit der [X.]ürzung der Bezugsdauer nicht aus. Zum einen steht dem Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung der zur Verfolgung seiner Ziele geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ein weiter Gestaltungsspielraum zu ([X.] 74, 203 ff = [X.] 4100 § 120 [X.] 2). Unerheblich ist, ob die notwendigen Einsparungen auch in anderen vom Gesetz erfassten Bereichen hätten erreicht werden können ([X.] 72, 9 ff = [X.] 4100 § 104 [X.]3; [X.] 76, 220 ff = [X.] 4100 § 242b [X.]). Zum anderen wurde die Erstattungsregelung des § 147a [X.] ohnedies bereits durch das [X.] mit dem Ziel verschärft, Arbeitgeber für eine Übergangszeit von der Entlassung älterer Arbeitnehmer abzuhalten, damit diesen der [X.]-Anspruch in der bis zum 31.12.2003 maßgeblichen Dauer erhalten bleibt (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 147a Rd[X.], Stand Januar 2009). Eine weitere Verschärfung der Erstattungspflicht des Arbeitgebers wäre mit der Gefahr eines Eingriffs in die Berufsfreiheit der Unternehmer verbunden gewesen.

Schließlich belastet die Verkürzung der [X.]-Anspruchsdauer den [X.]läger nicht übermäßig; sie ist ihm also auch zumutbar. Entgegen der Ansicht des [X.] ist dabei allenfalls von einem Verlust von (nur) zwei Monaten auszugehen. Auch nach § 127 [X.] aF hätte sich ein möglicher künftiger Anspruch des [X.] nämlich nicht - wovon die Revisionsbegründung ausgeht - auf 32 Monate belaufen. Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsänderung am [X.], erst recht zum Zeitpunkt der Rechtsänderung am 24.12.2003, hatte der im April 1949 geborene [X.]läger allenfalls einen (möglichen künftigen) Anspruch auf [X.] für 26 Monate. Das Ausmaß des Eingriffs muss sich an der von dem Zeitpunkt der Rechtsänderung an maßgeblichen, nicht an einer aus der alten Rechtslage sich erst künftig ergebenden Rechtsposition messen; hinzu kommt, dass diese Rechtsposition des [X.] zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes im Dezember 2003 noch schwächer war als am [X.]. Die weitgehende Sozialbindung sozialversicherungsrechtlicher Positionen führt zu einer weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl [X.] 101, 54, 75 f mwN); diese verengt sich (nur) in dem Maße, in dem die Anwartschaft durch den personalen Anteil eigener Leistungen des Versicherten geprägt ist ([X.] 53, 257 = [X.] 7610 § 1587 [X.]; [X.] 117, 272 = [X.] 4-2600 § 58 [X.]). Die Anwartschaft älterer Versicherter beruhte zwar nach der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung und wies somit einen stärkeren personalen Bezug auf. Dem hat der Gesetzgeber jedoch, soweit es den [X.]läger betrifft, durch die zum 1.1.2008 vorgenommene Verlängerung der [X.]-Anspruchsdauer (§ 434r Abs 1 [X.]) hinreichend Rechnung getragen. Durch die teilweise Reduzierung der vorherigen [X.]ürzung werden Vertrauensschutzgesichtspunkte verstärkt berücksichtigt. Zudem relativiert sich ein denkbarer Vertrauensschutz in eine längere Bezugsdauer angesichts der Tatsache, dass die mögliche [X.]-Bezugsdauer aufgrund der Rechtsnatur der "fließenden Anwartschaft" (BSG [X.] 3-4100 § 249c [X.] 6 [X.]5 f mwN) nur in begrenztem Umfang mit der Dauer der Beitragszahlung korrespondiert (Spellbrink in Spellbrink/Eicher, [X.] Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 Rd[X.] 27). Die Anwartschaft verschiebt sich bzw entsteht mithin unter Berücksichtigung der §§ 123, 124 [X.] immer wieder neu, sobald die Anwartschaft innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist erfüllt ist. Anders als im Rentenversicherungsrecht beruht das Anwartschaftsrecht also nicht auf der Gesamtheit der im Leben zurückgelegten versicherungsrechtlich relevanten Zeiten. Dem hat der Gesetzgeber schon durch eine Verschiebung des Wirksamwerdens der Änderung des § 127 [X.] um über zwei Jahre Rechnung getragen (§ 434l Abs 1 [X.]). Zudem müssen bei der Bewertung der Beitragsäquivalenz die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung mit einbezogen werden.

Ob die im Zusammenhang mit der Änderung des § 127 [X.] durch das [X.] eingefügte Übergangsvorschrift des § 434l Abs 1 [X.] allein ausreicht, um das Vertrauen aller Versicherten in den Fortbestand der langjährig unverändert gebliebenen bezugsdauerrelevanten Anwartschaft angemessen zu schützen (bejahend [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 434l Rd[X.] 4, Stand Mai 2008, [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2008, § 434l Rd[X.]5 und [X.], [X.]I/[X.], § 434l Rd[X.]b f, Stand Mai 2005; kritisch Spellbrink in [X.], [X.], § 434l Rd[X.]1 ff, Stand Mai 2008, und § 127 Rd[X.] 55 ff, Stand November 2004), muss vom Senat nicht entschieden werden, weil § 434r Abs 1 [X.] - zumindest soweit er die Rechtsstellung des [X.] berührt - einen ausreichenden und schonenden Übergang bewirkt hat. Denn für ihn hat sich die Höchstanspruchsdauer um einen Zeitraum von lediglich zwei Monaten im Vergleich zu der bis [X.] geltenden Rechtslage reduziert. Nichts anderes gilt, wenn man die Reduzierung der [X.]-Anspruchsdauer nicht an Art 14 [X.], sondern an Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 [X.] misst.

Die [X.]ürzung der [X.]-Bezugsdauer verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 [X.]. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl nur [X.] 100, 1 ff = [X.] 3-8570 § 10 [X.] mwN; [X.] 116, 229, 238). Die für die [X.]ürzung der Bezugsdauer durch § 127 idF des [X.] maßgebliche Übergangsvorschrift in § 434l Abs 1 [X.] differenziert zwar zwischen Versicherten, deren Anspruch (im Sinne eines Stammrechts) bis zum und jenen, deren Anspruch nach dem [X.] entstanden ist. Eine Stichtagsregelung ist vorliegend durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt. An den [X.] werden je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Anforderungen gestellt, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reichen ([X.] 113, 167 ff = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 mwN).

Zwar unterliegt der Gesetzgeber bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengeren Bindung ([X.] 55, 72, 88; 89, 365 = [X.] 3-2200 § 385 [X.] 4; [X.] 92, 53 ff = [X.] 3-2200 § 385 [X.] 6; [X.] 99, 367, 388). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Regelung § 434l Abs 1 [X.] iVm der des § 434r Abs 1 [X.] verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden. Grund für die vorgenommene Differenzierung ist die Regelung des Inkrafttretens bzw Wirksamwerdens einer belastenden gesetzlichen Regelung in einer die Interessen der von ihr Betroffenen möglichst schonenden Weise. Entsprechende Regelungen zur zeitlichen Geltung sind zulässig, wenn der Gesetzgeber die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen hat ([X.] 95, 64, 89; 101, 239, 270 mwN). § 434l Abs 1, § 434r Abs 1 [X.] sollen die belastende Wirkung der zum 1.1.2004 vorgenommenen [X.]ürzung der [X.]-Bezugsdauer abfedern. Inhaltlich differenziert der Gesetzgeber dabei systemkonform zwischen dem Stammrecht und dem Anwartschaftsrecht (zum [X.]riterium der Systemgerechtigkeit: [X.] 34, 103, 115; [X.] 59, 36 ff = [X.] 2200 § 1246 [X.] 83; [X.] 81, 156 ff = [X.] 3-4100 § 128 [X.]).

Die Tatsache, dass § 434l Abs 1 [X.] zwar den entstandenen [X.]-Anspruch in vollem, die Anwartschaft aber nur in gewissem Umfang schützt, begründet keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Der Umstand, dass das Wirksamwerden der belastenden Änderung des § 127 [X.] idF durch das [X.] auch in anderer Weise, zB durch übergangsloses In-[X.]raft-Setzen des § 127 zum 1.1.2004 für alle unter 45-jährigen Versicherten und den Erhalt der zum 1.1.2004 erworbenen Anwartschaften unter Einschluss der möglichen [X.]-Dauer für alle über 45-jährigen Versicherten (so Spellbrink in [X.], [X.], § 434l Rd[X.]5, Stand Januar 2005), möglich gewesen wäre, führt nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Der Gesetzgeber muss nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählen ([X.] 110, 412, 436 mwN). Darüber hinaus kommt dem Gesetzgeber aufgrund der Spezifität der sozialversicherungsrechtlichen Materie in diesem Bereich eine weite Gestaltungsfreiheit zu ([X.] 113, 167 ff = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 mwN). Der Gestaltungsfreiheit werden nur dort engere Grenzen gezogen, wo eine Ungleichbehandlung Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten hat ([X.] 92, 53 ff = [X.] 3-2200 § 385 [X.] 6 mwN). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 7 AL 23/09 R

14.09.2010

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Karlsruhe, 5. Dezember 2007, Az: S 11 AL 1591/07, Gerichtsbescheid

§ 127 Abs 2 SGB 3 vom 20.12.2001, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 24.12.2003, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 08.04.2008, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 15.07.2009, § 434j Abs 3 SGB 3, § 434l Abs 1 SGB 3, § 434r Abs 1 SGB 3, Art 3 Nr 2 Buchst b ArbMRefG, Art 3 Nr 4 ArbMRefG, Art 1 Nr 4 Buchst b SGB3uaÄndG 7, Art 1 Nr 11 SGB3uaÄndG 7, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.09.2010, Az. B 7 AL 23/09 R (REWIS RS 2010, 3424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 7 AL 33/09 R (Bundessozialgericht)

(Arbeitslosengeld - Sperrzeit - Arbeitsaufgabe - Arbeitnehmerkündigung - wichtiger Grund - Vorverlegung der Arbeitslosigkeit um …


B 11 AL 137/10 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit - Arbeitslosengeld - …


B 7 AL 79/11 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit - Arbeitslosengeld - …


B 11 AL 14/11 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosengeld - Erstattungspflicht des Arbeitgebers - Befreiungstatbestand - sozial gerechtfertigte Kündigung - betriebsbedingte Kündigung - …


B 11 AL 2/14 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosengeldanspruch - Erfüllung der Anwartschaftszeit - Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses im arbeitsgerichtlichen Vergleich - …


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