Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2013, Az. B 11 AL 14/11 R

11. Senat | REWIS RS 2013, 5375

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld - Erstattungspflicht des Arbeitgebers - Befreiungstatbestand - sozial gerechtfertigte Kündigung - betriebsbedingte Kündigung - Unternehmerentscheidung - Sozialauswahl - tarifvertragliche Regelung


Leitsatz

Zum Nichteintritt der Erstattungspflicht des Arbeitgebers für gezahltes Arbeitslosengeld wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch sozial gerechtfertigte Kündigung, wenn allen nach tarifvertraglicher Regelung kündbaren Arbeitnehmern gekündigt worden ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 10 147,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin der beklagten [X.] ([X.]) zur Erstattung von Arbeitslosengeld [X.]) einschließlich hierauf entfallender Beiträge nach der hier noch anwendbaren früheren Fassung des § 147a [X.] ([X.]) verpflichtet ist.

2

Die Klägerin ist ein Unternehmen im Bereich der Energieversorgung. In dem von ihr bzw ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Pumpspeicherwerk in M. waren 2004 insgesamt 69 Arbeitnehmer beschäftigt, unter ihnen der 1950 geborene [X.] (im Folgenden: Arbeitnehmer), der bereits seit 1980 im Produktionsbereich M. tätig war; für ihn galt eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Vierteljahres.

3

Unter dem [X.] schlossen die beteiligten Arbeitgeberverbände und [X.] einen "Tarifvertrag zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V.". Nach diesem Tarifvertrag ([X.]) waren zwar betriebsbedingte Kündigungen mit einem Beendigungsdatum vor dem 31.12.2007 grundsätzlich ausgeschlossen (§ 3 [X.] [X.]). Gleichzeitig wurde aber vereinbart, die im Rahmen der Strukturierung des Energiekonzerns bzw der Umstrukturierung in den Unternehmen notwendigen Personalanpassungsmaßnahmen unter Nutzung bewährter sozialverträglicher Instrumente zu bewältigen, dazu Näheres in gesonderten Tarifverträgen bzw Betriebsvereinbarungen zu regeln und insoweit abweichend von [X.] auch betriebsbedingte Kündigungen zuzulassen (§ 3 Nr 4 [X.]). Ausweislich einer Protokollnotiz zum [X.] wurde zudem vereinbart, sozialverträgliche Instrumente iS von § 3 Nr 4 [X.] seien zB "Teilzeit, Altersteilzeit, Vorruhestand und strukturelle Kurzarbeit mit Q[X.]lifizierungsmaßnahmen".

4

In Umsetzung des [X.] vereinbarte die Klägerin am [X.] mit ihrem Gesamtbetriebsrat einen Rahmeninteressenausgleich (RI), wonach [X.] betriebsbedingte Kündigungen nach Maßgabe des § 3 [X.] ausgeschlossen waren und zu den sozialverträglichen Instrumenten [X.] der "Vorruhestand für alle Jahrgänge bis einschließlich 1951" zählte. Außerdem wurde ein Rahmensozialplan ([X.]) abgeschlossen, der für Mitarbeiter der Jahrgänge 1950 und 1951 eine Vorruhestandsregelung und insoweit ein Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsverhältnis frühestens mit Erreichen des 55. Lebensjahres vorsah.

5

In der Folgezeit legte der Stellenplanentwurf der Klägerin für die Geschäftsjahre 2004 und 2005 für das Pumpspeicherwerk M. wegen technischer Überholung und Nachrüstung sowie Auslagerung der Kraftwerksteuerung bzw eines Teils der Instandhaltung einen Personalabbau um elf von 69 Arbeitsplätzen fest.

6

Die Klägerin und der Arbeitnehmer vereinbarten mit Änderungsvertrag vom [X.] die Verringerung der Arbeitszeit ab 1.1.2004 auf 30 Stunden pro Woche mit entsprechend reduziertem Arbeitsentgelt, eine Versetzung in die "betriebliche Organisationseinheit [X.]" sowie eine Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge.

7

Mit Schreiben vom 1.12.2003 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers "fristgerecht zum 30. Juni 2005" und führte zur Begründung [X.] aus, aufgrund des notwendigen [X.] sei eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen nicht möglich.

8

Die [X.] bewilligte und zahlte dem Arbeitnehmer [X.] für die [X.] ab 1.7.2005. Außerdem übernahm sie für ihn im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Rentenversicherung.

9

Gegenstand des Klageverfahrens war zunächst ein von der Beklagten erlassener sog Grundlagenbescheid vom 27.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2006. Das Sozialgericht (SG) hat diesen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 4.7.2007).

Während des Berufungsverfahrens erging der Bescheid vom [X.], mit dem die Beklagte von der Klägerin gemäß § 147a [X.] Erstattung von [X.] und von Beiträgen für die [X.] vom 6.4. bis 30.8.2007 in der Gesamthöhe von 10 147,53 Euro forderte. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom [X.] als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, der Bescheid vom [X.] sei gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden.

Das [X.] ([X.]) hat den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben (Urteil vom 18.5.2011). In den Entscheidungsgründen hat das [X.] [X.] ausgeführt: Über den allein noch streitgegenständlichen Erstattungsbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sei auf Klage zu entscheiden. Es könne dahinstehen, ob der Bescheid wegen der erst im Berufungsverfahren erfolgten Anhörung gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) bereits aus formalen Gründen rechtswidrig sei. Jedenfalls schließe der [X.] des § 147a Abs 1 S 2 Nr 4 [X.] eine Erstattungspflicht der Klägerin aus. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers sei durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden. Das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe iS des § 1 Abs 2 [X.] ([X.]) folge aus der unternehmerischen Entscheidung der Umstrukturierung des Konzerns, der technischen Überholung und Nachrüstung des Kraftwerks M., der Auslagerung der Kraftwerkssteuerung sowie eines Teils der Instandhaltung und dem damit verbundenen Personalabbau. Die Kündigung sei auch nicht nach § 1 Abs 3 [X.] sozial ungerechtfertigt, weil der Arbeitnehmer einer der wenigen Arbeitnehmer gewesen sei, denen nach den tariflichen Regelungen habe gekündigt werden können, und die Klägerin allen entsprechenden Arbeitnehmern gekündigt habe, so dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, eine weitergehende [X.] vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]G) seien die tarifvertraglichen Regelungen zulässig und wirksam; eine grobe Fehlerhaftigkeit sei zu verneinen.

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des [X.] gemäß § 103 [X.] und eine Verletzung des § 147a Abs 1 S 2 Nr 4 [X.]. Das [X.] habe nicht ermittelt, ob der Arbeitnehmer im [X.]punkt der Kündigung anderen Personen gegenüber unterhaltspflichtig iS des § 1 Abs 3 S 1 [X.] gewesen sei. Das Urteil könne auch auf dem Verfahrensfehler beruhen. Den Feststellungen des [X.] sei nicht zu entnehmen, dass es keine lebensjüngeren Mitarbeiter bzw keine Mitarbeiter mit geringerer Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw solche ohne Unterhaltspflichten gegeben habe. Die Rechtsauffassung des [X.] lasse sich auch nicht auf die von diesem zitierte Rechtsprechung des [X.]G stützen und sie sei nicht mit der Zielsetzung der Erstattungsregelung vereinbar, nämlich der Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse älterer Arbeitnehmer und Vereitelung der Frühverrentung auf Kosten der Versichertengemeinschaft. Hilfsweise werde vorgetragen, dass nach dem objektiven Inhalt des § 3 Nr 4 [X.] betriebsbedingte Kündigungen nicht wirksam vereinbart worden seien.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18.5.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 SGG). Das [X.] hat zu Recht eine Erstattungspflicht der [X.]lägerin nach § 147a [X.] verneint.

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], der den früheren Grundlagenbescheid in vollem Umfang ersetzt hat, Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden ist. Über diesen Bescheid ist auf [X.]lage zu entscheiden (vgl [X.], 231, 234 = [X.] zu § 541 RVO; [X.], 41, 42 = [X.]-4100 § 128 [X.] mwN). Das allein den ersetzten Bescheid betreffende erstinstanzliche Urteil ist gegenstandslos geworden. Dass das [X.] mit seiner Entscheidung nicht nur den Bescheid vom [X.], sondern - gewissermaßen klarstellend - auch den von der [X.]lägerin angefochtenen Widerspruchsbescheid vom [X.] aufgehoben hat, obwohl dieser bereits auf § 96 SGG verwiesen hatte, erfordert keine Änderung des zweitinstanzlichen Urteilsausspruchs.

2. Das [X.] hat seiner Entscheidung zu Recht die ab 1.1.2004 geltende Fassung des § 147a [X.] - vgl [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848), Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.] 3002), Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22.12.2005 ([X.] 3686) - zu Grunde gelegt. Die Vorschrift, die nach § 434l [X.] eine Auslaufnorm ist (vgl [X.] in [X.], [X.], § 147a Rd[X.]78, Stand Juni 2004), bleibt weiterhin anwendbar, weil der [X.] des Arbeitnehmers am [X.] entstanden ist und sich die Anspruchsdauer somit nach § 127 [X.] [X.] in der vor dem 1.1.2004 geltenden Fassung richtet (vgl § 434l Abs 4 [X.], § 434j Abs 3 [X.]).

3. Es kann dahinstehen, ob - wovon das [X.] ausgegangen ist - unter den festgestellten tatsächlichen Umständen die Grundvoraussetzungen für eine Erstattungspflicht der [X.]lägerin gemäß § 147a Abs 1 S 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung erfüllt sind und ob die angefochtenen Bescheide nicht schon wegen Fehlens einer Anhörung gemäß § 24 SGB X als rechtswidrig angesehen werden können. Denn das [X.] hat zu Recht angenommen, dass eine Erstattungspflicht der [X.]lägerin jedenfalls nach § 147a Abs 1 S 2 [X.] 4 [X.] ausgeschlossen ist.

a) Nach § 147a Abs 1 S 2 [X.] 4 [X.] tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte [X.]ündigung beendet hat. Der [X.] beruht auf der Überlegung, dass es an der erforderlichen Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit fehlt, wenn er sich im Rahmen des [X.]ündigungsrechts bewegt (vgl [X.] 81, 156 = [X.]-4100 § 128 [X.] ff; BSG [X.]-4100 § 128 [X.]; [X.], 159 = [X.]-4100 § 128 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 147a Rd[X.] 135, Stand 2010). Da die Befreiungsregelung allein auf die [X.] Rechtfertigung der [X.]ündigung abstellt, sind andere formelle Erfordernisse der ordentlichen [X.]ündigung (zB die Anhörung des Betriebsrats, Einhaltung der [X.]ündigungsfrist) irrelevant (vgl ua [X.] aaO Rd[X.] 138, Stand 2010; [X.] in Gagel, [X.]/[X.], § 147a [X.] Rd[X.] 153, Stand Oktober 2008).

b) Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers durch die schriftliche [X.]ündigung des Arbeitgebers vom 1.12.2003 zum 30.6.2005 beendet worden. Dies ist nicht deswegen anders zu sehen, weil die [X.]lägerin mit dem Arbeitnehmer eine Freistellung bereits für die [X.] ab 1.1.2004 vereinbart hatte. Denn unabhängig davon, ob während der Freistellungsphase wegen fortdauernder Arbeitnehmerpflichten noch ein Beschäftigungsverhältnis bestand, ist den tatsächlichen Feststellungen des [X.] zu entnehmen, dass der Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die [X.]ündigung des Arbeitgebers und nicht etwa die zuvor geschlossene Freistellungsvereinbarung gewesen ist (vgl zur Begrenzung der Überprüfung durch das [X.], 49, 50 f = [X.]-4100 § 119 [X.]; [X.], 159 = [X.]-4100 § 128 [X.]).

c) Die Auffassung des [X.], wonach die [X.]lägerin das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers durch sozial gerechtfertigte [X.]ündigung iS des § 1 [X.]SchG beendet hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für die Beurteilung auf den [X.]ündigungsausspruch vom 1.12.2003 oder den [X.]punkt des [X.]ündigungszugangs abzustellen ist (vgl ua [X.] Urteil vom [X.], 2 [X.], [X.]E 114, 258 = NJW 2006, 108; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 147a Rd[X.] 137, Stand 2010).

Nach § 1 [X.]SchG in der bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung des [X.] ([X.] 3843), der durch das spätere Gesetz vom 24.12.2003 ([X.] 3002) für den hier zu entscheidenden Fall keine wesentliche Änderung erfahren hat, ist die [X.]ündigung gegenüber einem Arbeitnehmer sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (Abs 1, [X.]). Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iS des [X.] gekündigt worden, so ist die [X.]ündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers [X.] Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (Abs 3 S 1).

aa) Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] war die [X.]ündigung des Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse iS des § 1 [X.] [X.]SchG bedingt. Dem Berufungsurteil ist insbesondere zu entnehmen, dass für den Arbeitnehmer jedenfalls nach dem 30.6.2005 ein Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden war. Zu der vom Arbeitnehmer bis Ende 2003 im Pumpspeicherwerk M. ausgeübten Tätigkeit hat das [X.] festgestellt, dass ua wegen Auslagerung der [X.]raftwerkssteuerung bzw eines Teils der Instandhaltung an einen anderen Standort elf Arbeitsplätze, darunter der des Arbeitnehmers, weggefallen waren (zur [X.]n Auswahl nachfolgend unter [X.]). Soweit der Arbeitnehmer im Zuge des [X.] vom [X.] ab 1.1.2004 in die betriebliche Organisationseinheit [X.] versetzt wurde, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.], dass dort zu keinem [X.]punkt vollwertige Arbeitsplätze vorhanden waren und jedenfalls ab [X.] ein Arbeitsplatz überhaupt nicht mehr zur Verfügung stand. Auszugehen ist ferner davon, dass der Arbeitnehmer nicht an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden konnte (vgl § 1 [X.] S 2 [X.] 1 Buchst b [X.]SchG; insoweit fehlt es ohnehin an einem Widerspruch des Betriebsrats, vgl § 1 [X.] S 2 [X.] 1 Halbs 2 [X.]SchG).

Das [X.] hat auch zu Recht ausgeführt, dass die dem Wegfall des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zugrunde liegenden unternehmerischen Entscheidungen nicht in Frage zu stellen sind. Dabei ist zu beachten, dass im gerichtlichen Verfahren nur zu prüfen ist, ob die zum Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses führende unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und, wenn ja, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl [X.] Urteile vom 7.12.1978, 2 [X.], [X.]E 31, 157; vom [X.], 2 [X.], [X.]E 65, 61; vom 17.6.1999, 2 [X.], [X.]E 92, 61, und vom [X.], 2 [X.], [X.], 266). Insoweit ergeben sich aus den Feststellungen des [X.] unter Einbeziehung des Akteninhalts keine Anhaltspunkte, die gegen das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iS des § 1 [X.] [X.]SchG sprechen könnten.

[X.]) Dem [X.] ist auch zuzustimmen, soweit es die [X.]ündigung des Arbeitnehmers nicht als sozial ungerechtfertigt iS des § 1 Abs 3 [X.]SchG angesehen hat. Insbesondere ist unter den Umständen des vorliegenden Falles - [X.]ündigung aller unter Berücksichtigung tarifvertraglicher Regelungen kündbaren Arbeitnehmer - davon auszugehen, dass keine (zusätzliche) [X.] erforderlich war.

Der Senat entnimmt zunächst den Regelungen des [X.], dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zwar grundsätzlich betriebsbedingte [X.]ündigungen mit einem Beendigungsdatum vor dem 31.12.2007 ausgeschlossen waren (§ 3 [X.] 1 [X.]), dass aber dennoch unter dem Vorbehalt der Nutzung "sozialverträglicher Instrumente" und des Vorliegens gesonderter Vereinbarungen betriebsbedingte [X.]ündigungen möglich waren (§ 3 [X.] 4 [X.], Protokollnotiz zum [X.]). Die Regelungen des [X.], der sich in seinem Geltungsbereich über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt (§ 162 SGG), sind der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl BSG [X.]100 § 117 [X.] 14; [X.]-2500 § 47 [X.] 5). Der Senat folgt auch nicht dem ([X.]) Vorbringen der Revision, nach dem objektiven Inhalt des § 3 [X.] 4 [X.] seien keine betriebsbedingten [X.]ündigungen wirksam vereinbart worden. Vielmehr ist § 3 [X.] dahingehend auszulegen, dass der in § 3 [X.] 1 [X.] vorgesehene [X.]ündigungsschutz stets unter dem Vorbehalt der einschränkenden Regelung in § 3 [X.] 4 [X.] stand.

Aus den genannten Regelungen des [X.] und den in Umsetzung des [X.] getroffenen Vereinbarungen des [X.] und des [X.] ergibt sich, dass der Arbeitnehmer zu jenen Arbeitnehmern zählte, bei denen betriebsbedingte [X.]ündigungen ausgesprochen werden konnten. Denn für ihn waren "sozialverträgliche Instrumente" iS des [X.] vorgesehen, die er - wie der Änderungsvertrag vom [X.] und die darin ua vereinbarte "betriebliche [X.]urzarbeit" zeigen - auch in Anspruch genommen hat. Den Feststellungen des [X.] lässt sich weiter entnehmen, dass die [X.]lägerin allen Arbeitnehmern, denen unter den genannten Voraussetzungen betriebsbedingt gekündigt werden konnte, auch tatsächlich gekündigt hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.] können die Tarifvertragsparteien Voraussetzungen und Ausnahmen eines [X.]ündigungsschutzes eigenständig regeln (vgl [X.] Urteil vom [X.], 2 [X.], AP [X.] 179 zu § 1 [X.]SchG 1969 Betriebsbedingte [X.]ündigung = [X.], 1120; Urteil vom [X.], 2 [X.], AP [X.] 180 zu § 1 [X.]SchG 1969 Betriebsbedingte [X.]ündigung = NZA-RR 2009, 205). Dabei ist ihnen ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen, der allerdings nicht zu einer grob fehlerhaften Auswahl führen darf (vgl § 1 Abs 4 [X.]SchG: [X.] Urteil vom [X.], 9 [X.], [X.]E 100, 339 = [X.], 1099; Urteil vom [X.], 2 [X.], aaO). Auch wenn das [X.] die Frage noch nicht abschließend geklärt hat, ob und in welchem Umfang die durch einen tarifvertraglichen [X.]ündigungsausschluss besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmer in die [X.] einzubeziehen sind (vgl [X.], [X.], 1388 f - unter Hinweis auf [X.] Urteil vom [X.], aaO sowie [X.] in [X.] - [X.] 46/2008 [X.] 2), ist es folgerichtig, die Herausnahme tarifvertraglich unkündbarer Arbeitnehmer aus der [X.] nicht im Hinblick auf den zwingenden Charakter des § 1 Abs 3 [X.]SchG abzulehnen. Dies entspricht auch der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (vgl [X.] in [X.]R-[X.]omm, 10. Aufl 2013, § 1 [X.]SchG Rd[X.] 666; [X.] in [X.]ittner/[X.]/Zwanziger, [X.]omm zum [X.]ündigungsschutzrecht, 8. Aufl 2011, § 1 [X.]SchG Rd[X.] 611 - jeweils mwN; [X.], Die Unkündbarkeit im Arbeitsrecht, Diss 2009, [X.] ff - zum [X.]; [X.]/[X.], [X.]omm zum [X.]SchG, 15. Aufl 2013, § 1 Rd[X.]21 ff; [X.] in Erfurter [X.]omm zum Arbeitsrecht, 13. Aufl 2013, 430 [X.]SchG § 1 Rd[X.]12; [X.]/Spinner, [X.]omm zum [X.]SchG, 9. Aufl 2004, § 1 Rd[X.]60 mwN).

Unter Beachtung der in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Maßstäbe ist deshalb im vorliegenden Fall von der Zulässigkeit der in § 3 [X.] 1 und § 3 [X.] 4 [X.] in Verbindung mit der Protokollnotiz zum [X.] geschaffenen Regelung auszugehen, wonach nur Arbeitnehmern, für die bestimmte sozialverträgliche Instrumente vorgesehen waren, ordentlich gekündigt werden konnte. Da in Umsetzung dieser Regelung allen kündbaren Arbeitnehmern auch tatsächlich gekündigt wurde und deshalb innerhalb dieses Personenkreises eine [X.] ohnehin ausschied, kommt jedenfalls bei dieser Sachlage eine (zusätzliche) [X.] nach § 1 Abs 3 [X.]SchG unter Einbeziehung tarifvertraglich unkündbarer Arbeitnehmer nicht in Betracht. Insofern geht auch das Vorbringen der Revision, das [X.] habe die Amtsermittlungspflicht verletzt, ins Leere.

Dieses Ergebnis entspricht zudem § 1 Abs 4 [X.]SchG, wonach bei Festlegung der Bewertung [X.]r Gesichtspunkte in einem Tarifvertrag die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann (vgl hierzu auch [X.], aaO, [X.] mwN). Eine grobe Fehlerhaftigkeit vermag der Senat nicht zu erkennen. Insoweit ist zu beachten, dass nach den Bestimmungen des [X.] bzw des [X.] und des [X.] die Möglichkeit der [X.]ündigung nur für Arbeitnehmer eröffnet wurde, denen bei Verlust des Arbeitsplatzes anderweitige Absicherungen im Sinne vorgesehener [X.]r Instrumente zur Verfügung standen. Die tarifliche Regelung stellt mit dieser Differenzierung die Schutzvorschrift des § 1 Abs 3 S 1 [X.]SchG nicht "auf den [X.]opf" (vgl [X.] Urteil vom [X.], aaO). Denn die "sozialverträglichen Instrumente" galten - wie bereits das [X.] zutreffend ausgeführt hat - nicht nur für ältere Arbeitnehmer. Es bedarf deshalb auch keines näheren [X.] auf die Einzelheiten der - hier noch maßgebenden - Rechtslage vor Inkrafttreten des [X.] vom 14.8.2006 ([X.] 1897) am 18.8.2006.

Die Annahme der [X.]n Rechtfertigung der [X.]ündigung des Arbeitnehmers steht schließlich auch nicht im Widerspruch zu den Zielen der Erstattungsregelung des § 147a [X.]. Denn bei der verhaltenssteuernden Funktion der Regelung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl [X.] 81, 156 = [X.]-4100 § 128 [X.] 1). Die vorliegende Beteiligung der Tarifpartner rechtfertigt es, für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers iS der Erstattungsregelung zu verneinen.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 [X.] Verwaltungsgerichtsordnung, die Festsetzung des Streitwerts auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.

Meta

B 11 AL 14/11 R

04.06.2013

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Cottbus, 4. Juli 2007, Az: S 12 AL 6/07, Urteil

§ 147a Abs 1 S 1 SGB 3 vom 24.12.2003, § 147a Abs 1 S 2 Nr 4 SGB 3 vom 23.12.2003, § 1 Abs 2 KSchG, § 1 Abs 3 KSchG, § 1 Abs 4 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2013, Az. B 11 AL 14/11 R (REWIS RS 2013, 5375)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5375

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