Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2014, Az. B 11 AL 2/14 R

11. Senat | REWIS RS 2014, 447

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Erfüllung der Anwartschaftszeit - Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses im arbeitsgerichtlichen Vergleich - keine nachträgliche Verschiebung der Rahmenfrist - Arbeitslosengeldbezug im Wege der Gleichwohlgewährung - Restleistungsanspruch - Rückabwicklung


Leitsatz

Die Gewährung von Arbeitslosengeld - auch im Wege der Gleichwohlgewährung - legt die Rahmenfrist fest, auch wenn später gerichtlich entschieden oder vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis noch für einige Zeit fortbesteht und Arbeitsentgelt gezahlt wird.

Tenor

Die Urteile des [X.] vom 6. Dezember 2013 und des [X.] vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab [X.] Anspruch auf Arbeitslosengeld ([X.]) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab [X.] im Bezug von [X.] (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem [X.]punkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf [X.] für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte [X.]. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht ([X.]) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 [X.] ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des [X.] und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs [X.] ([X.] in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 [X.] <[X.]B X>) geltend. Am [X.] schloss der Kläger vor dem [X.] mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum [X.] ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis [X.] zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende [X.] auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die [X.] vom 1.1. bis [X.] aufgrund des [X.] die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf [X.] vom 1.1.2009 bis [X.] wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 [X.] aF). Für die [X.] ab [X.] bewilligte sie dem Kläger [X.] für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf [X.] entstanden. Ihm stehe ab [X.] [X.] für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht ([X.]) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am [X.] eingetreten. Zu diesem [X.]punkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf [X.] für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab [X.] [X.] für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom [X.]). Das [X.] (L[X.]) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis [X.] seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf [X.] (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022). Zum [X.]punkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf [X.] entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom [X.] bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (B[X.]) vom 3.6.2004 ([X.] AL 70/03 R - [X.] 4-4300 § 123 [X.]) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf [X.] geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das B[X.] habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren [X.]punkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen [X.]s vom 6. Dezember 2013 sowie des [X.] vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von [X.] ab [X.] für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom [X.] und [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger [X.] ab [X.] für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf [X.] erworben.

Gemäß § 118 [X.] 1 [X.]B III in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.]) haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der [X.] ([X.]) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 [X.] 1 [X.]B III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 [X.] 1 Nr 3 [X.]B III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 [X.] 1 [X.]B III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.]. Gemäß § 124 [X.] 2 [X.]B III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 [X.] 2 [X.]B III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am [X.], also mit Beginn des zuletzt erworbenen [X.]-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom [X.] bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf [X.] entstanden ist.

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf [X.] für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

2. Der Kläger hat zum [X.] kein neues Stammrecht auf [X.] erworben.

Gemäß § 118 [X.] 1 [X.]B III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 [X.]B III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden ([X.]) und den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung steht.

Der Kläger stand in der [X.] ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur [X.] (<[X.]>; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des [X.]s vom 3.6.2004 ([X.] [X.] 70/03 R - [X.] 4-4300 § 123 [X.]) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des [X.] ab [X.] verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

a) Nach § 24 [X.] 1 [X.]B III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach [X.] 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem [X.] in das Beschäftigungsverhältnis und nach [X.] 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem [X.] aus dem Beschäftigungsverhältnis.

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 [X.] 1 und 2, § 25 [X.] 1 S 1 [X.]B III hat in der [X.] vom 1.1. bis [X.] fortbestanden.

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (B[X.] Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.]; vgl auch B[X.] Urteil vom 3.6.2004 - [X.] [X.] 70/03 R - [X.] 4-4300 § 123 [X.]; [X.] in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer [X.], in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur [X.] fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend [X.] 2014, 428, 429; [X.], [X.] 2009, 127, 129; [X.]/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: [X.] NZS 2013, 767, 769).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis [X.] in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der [X.] auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 [X.] 1 und 2, § 25 [X.] 1 S 1 [X.]B III beitragsrechtlich beschäftigt.

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 [X.] 1 S 1 [X.]B III aF (jetzt § 142 [X.] 1 S 1 [X.]B III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die [X.] der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 [X.] 1 [X.]B III aF; § 143 [X.] 1 [X.]B III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf [X.].

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf [X.] am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf [X.] bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem [X.]punkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 [X.] 1 [X.] iVm § 119 [X.] 1 [X.]B III aF) und hatte sich bei der [X.] persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 [X.] 1 [X.] iVm § 122 [X.]B III aF) und [X.] beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am [X.], weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 [X.] 2 [X.]B III aF; dazu auch B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4100 § 117 [X.]9 S 95).

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom [X.] bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

c) Dem Urteil des [X.]s vom 3.6.2004 ([X.] [X.] 70/03 R - [X.] 4-4300 § 123 [X.]) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

Dort hatte der [X.] entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf [X.] noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf [X.]. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf [X.] erworben. Deshalb hat der [X.] in der Entscheidung betont (B[X.] aaO, Rd[X.]0), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

Der [X.] hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das [X.] auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen [X.]punkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4100 § 117 [X.]9; B[X.] Urteil vom [X.] - 7 [X.]/86 - [X.] 4100 § 117 [X.]0; B[X.] Urteil vom 3.12.1998 - B 7 [X.] 34/98 R - [X.] 3-4100 § 117 [X.]7; zustimmend [X.], Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, [X.] RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf [X.] bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von [X.] gekommen ist.

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von [X.] in der Weise, dass die Arbeitgeberin der [X.] aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 [X.]B X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die [X.] dem Kläger ab [X.] (erneut) [X.] bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

Der [X.] hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von [X.], auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von [X.] nach § 143 [X.] 3 [X.]B III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest (noch zu § 117 [X.]: B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] 4100 § 117 [X.]9; B[X.] Urteil vom [X.] - 7 [X.]/86 - [X.] 4100 § 117 [X.]0; zustimmend: [X.] in Gagel [X.]B II/[X.]B III, Stand 12/2013, § 143 Rd[X.]9; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, 5. Aufl 2013, § 143 Rd[X.]6; Söhngen in Eicher/[X.] [X.]B III, Stand April 2014, § 143 Rd[X.]8; [X.] in [X.]Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand [X.]B III, 6. Aufl 2012, § 143 Rd[X.]).

Bei dieser Auffassung ist der [X.] auch im Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 16/11 R - [X.] 4-4300 § 123 [X.]) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von [X.] in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf [X.] entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von [X.] im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf [X.] bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf [X.] - wie sich aus § 143 [X.] 1 [X.]B III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK [X.]B III § 143 Rd[X.]6; vgl auch [X.] in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom [X.] [X.] ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere [X.]en in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig [X.] gezahlt worden (B[X.] Urteil vom 3.12.1998 - B 7 [X.] 34/98 R - [X.] 3-4100 § 117 [X.]7 S 118 f).

Da der Kläger auch zum [X.] die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem [X.]punkt keinen neuen Anspruch auf [X.] für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf [X.] zu einem späteren [X.]punkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 [X.] 2 [X.]B III aF (jetzt § 137 [X.] 2 [X.]B III) bis zur Entscheidung der [X.] über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren [X.]punkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den [X.] zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von [X.], die mit Bescheid vom [X.] getroffen wurde, nicht getätigt.

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB B[X.] Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - [X.] 4-2600 § 137b [X.] RdNr 37).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 [X.] 2 [X.]B III aF, § 137 [X.] 2 [X.]B III) hätte beraten müssen (so das [X.] unter Hinweis auf [X.] Mannheim, Urteil vom [X.] - S 14 [X.] 3538/09 - Juris; [X.], [X.] Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des [X.], gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den [X.] bindend sind (§ 163 [X.]G), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich [X.] bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (B[X.] Urteil vom 3.12.1998 - B 7 [X.] 34/98 R - [X.] 3-4100 § 117 [X.]7 S 118 f), steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf [X.] erhebt. Denn nach einem Bezug von [X.] im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.] 1 [X.]G.

Meta

B 11 AL 2/14 R

11.12.2014

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Frankfurt, 28. September 2012, Az: S 16 AL 200/09, Urteil

§ 24 Abs 1 SGB 3, § 24 Abs 2 SGB 3, § 24 Abs 4 SGB 3, § 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 118 Abs 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 123 Abs 1 S 1 SGB 3, § 124 Abs 1 SGB 3, § 124 Abs 2 SGB 3, § 143 Abs 1 SGB 3, § 143 Abs 3 SGB 3, § 115 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2014, Az. B 11 AL 2/14 R (REWIS RS 2014, 447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 447

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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