Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2021, Az. 2 B 34/21

2. Senat | REWIS RS 2021, 1445

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Gegenstand

Gerichtliche Bestätigung einer Disziplinarverfügung nach dem DG BW bei nur teilweise erwiesenen Pflichtenverstößen


Leitsatz

1. Das mit einer Disziplinarklage oder Disziplinarverfügung angelastete Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG kann sich aus einer Mehrzahl von Handlungen und Pflichtenverstößen zusammensetzen, die nach Möglichkeit durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme geahndet werden sollen. Es ist nicht erforderlich, dass zwischen den einzelnen Pflichtenverstößen ein inhaltlicher, zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang besteht.

2. Die in § 10 Abs. 2 Satz 1 LDG BW für das behördliche Disziplinarverfahren eröffnete Möglichkeit der Beschränkung des Disziplinarverfahrens (durch Ausscheiden solcher Handlungen, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen), kann auf das gerichtliche Disziplinarverfahren nach dem LDG BW nicht ohne Weiteres übertragen werden, weil die Disziplinargerichte in Verfahren nach dem LDG BW (anders als gemäß § 56 Satz 1 BDG) - jenseits der in § 21 Satz 2 AGVwGO BW geregelten Ersetzungsbefugnis - kein eigenes Ermessen ausüben.

3. Das Disziplinargericht kann eine in einer behördlichen Disziplinarverfügung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG BW ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auch dann aufrechterhalten, wenn es einzelne von mehreren dem Beamten vorgeworfene Handlungen für nicht erwiesen hält, die übrigen Tatvorwürfe aber - auch ohne die nicht erwiesenen - die Höchstmaßnahme tragen und sich dies mit der bereits in der Disziplinarverfügung zum Ausdruck kommenden Einschätzung des Dienstherrn deckt. Die Rechtswidrigkeit der den Beamten in seinen Rechten verletzenden disziplinaren Ahndung wegen des nicht erwiesenen Pflichtenverstoßes wird damit - durch die sich aus den Gründen des Urteils ergebende teilweise Änderung des zugrunde liegenden Tatvorwurfs - bei Aufrechterhaltung der im Ergebnis bestätigten Disziplinarverfügung beseitigt (§ 2 LDG BW i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 25. März 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

[X.]ie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 2 [X.] [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) ist zulässig, aber nicht begründet.

2

1. [X.]er 1961 geborene Kläger steht als [X.] (Besoldungsgruppe [X.]) im [X.]ienst des beklagten [X.]. Mit der angefochtenen Verfügung vom 19. Mai 2015 entfernte das Polizeipräsidium den Kläger aus dem Beamtenverhältnis. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium aus, der Kläger habe die ihm als Polizeibeamten zur Verfügung stehenden dienstlichen Möglichkeiten missbraucht, indem er über mehrere Jahre hinweg mehrfach unberechtigt [X.] aus den polizeilichen Auskunftssystemen erhoben und diese gegen Entgelt an einen [X.] zur Verschaffung einer weiteren Einnahmequelle verkauft habe. [X.]er Unbestechlichkeit als Bestandteil der [X.]ienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung komme eine herausragende Bedeutung zu. Ferner sei der Kläger aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er die [X.]urchführung einer verdeckten polizeilichen Maßnahme an den Überwachten verraten habe. Auch sei der Kläger aufgrund des Betrugs im Zusammenhang mit einem fingierten Verkehrsunfall von Mitte Februar 1999 und dem damit zusammenhängenden Versicherungsbetrug aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. [X.]ie unberechtigten Abfragen aus den polizeilichen Informationssystemen Mitte August 2011 und die Weitergabe der Erkenntnisse an seine Bekannte stützten die Würdigung zum Vertrauensverlust, wenngleich die konkrete Schwere und der Umfang der unberechtigten Abfragen samt Weitergabe alleine betrachtet die Entfernung nicht trügen. [X.]ie [X.] stellten erst recht in ihrer Gesamtbewertung die Grundlage eines die Entfernung begründenden [X.] dar. [X.]as einheitliche [X.]ienstvergehen wiege besonders schwer, weil durch die Vielzahl, den zu betrachtenden Gesamtzeitraum der Pflichtverletzungen und den Gehalt der Kernpflichtverstöße das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren sei.

3

[X.]as Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. In einem ersten Berufungsverfahren hat der [X.]hof die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 13. November 2018 - [X.]/17 -). [X.]ieses erste Berufungsurteil hat das [X.] mit Beschluss vom 18. Juli 2019 - 2 B 7.19 - ([X.] 303 § 295 ZPO Nr. 18) aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den [X.]hof zurückverwiesen.

4

Auch im erneuten Berufungsverfahren hat der [X.]hof die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: [X.]ie Klage gegen die [X.]isziplinarverfügung sei zulässig, aber nicht begründet. [X.]ie Verfügung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. [X.]er Kläger habe die ihm obliegenden [X.]ienstpflichten schuldhaft verletzt. Bereits durch die unberechtigten Halteranfragen und die Weitergabe der hierdurch ermittelten [X.]aten an einen Zeugen gegen Bezahlung habe der Kläger vorsätzlich gegen seine Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 34 Satz 3 (a.F. - nunmehr § 34 Abs. 1 Satz 3), § 35 Abs. 1 Satz 2 sowie § 37 Abs. 1 BeamtStG verstoßen und damit ein innerdienstliches [X.]ienstvergehen begangen. [X.]ieses [X.]ienstvergehen sei als schwerwiegend zu qualifizieren. [X.]aneben trete die unerlaubte Abfrage in den polizeilichen Auskunftssystemen, wenngleich dieses [X.]ienstvergehen bei isolierter Betrachtung eine Entfernung des [X.] aus dem [X.]ienst nicht zu rechtfertigen vermöge. [X.]em habe bereits das Polizeipräsidium in der angegriffenen [X.]isziplinarentscheidung Rechnung getragen. Keiner weiteren Aufklärung bedürfe vor diesem Hintergrund, ob der Kläger seinen Pkw einem Zeugen für einen fingierten Verkehrsunfall im Februar 1999 zur Verfügung gestellt und diesen im [X.] vor der gegen ihn laufenden Observation gewarnt habe. Hierzu habe auch die nochmalige Vernehmung der Zeugen keine neuen, hinreichend belastbaren Erkenntnisse zutage gefördert, die geeignet seien, die zugunsten des [X.] bestehende Unschuldsvermutung zu widerlegen. [X.]urch das [X.]ienstvergehen habe der Kläger das Vertrauen des [X.]ienstherrn und der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren. [X.]ementsprechend sei es nicht zu beanstanden, dass ihn der Beklagte nach § 31 Abs. 1 Satz 1 LBG [X.] aus dem [X.]ienst entfernt habe.

5

2. [X.]ie Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des [X.] beimisst. [X.]abei ist der Senat wegen des [X.] nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darauf beschränkt, ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung zu entscheiden, ob ein Revisionszulassungsgrund vorliegt. Rechtliche Gesichtspunkte, die der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, können nicht berücksichtigt werden.

6

[X.]er Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage:

"Kann das Gericht in einem (...) [X.]isziplinarverfahren (nach dem [X.] [X.]) die in einer behördlichen [X.]isziplinarverfügung vorgeworfenen und in einer Entlassungsverfügung mündenden [X.]ienstvergehen nach [X.]urchführung einer gerichtlichen Beweisaufnahme teilweise ausscheiden, da sie sich als nicht erwiesen herausstellen, und die [X.]isziplinarverfügung dennoch (ggf. unter Anwendung von § 21 Satz 2 AGVwGO) aufrechterhalten?"

7

a) [X.]ie so formulierte Frage könnte im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. [X.]ie konkrete Fragestellung und ihre Erläuterung unter der Überschrift "Grundsätzliche Bedeutung" in der Beschwerdebegründung sind zumindest durch zwei Aspekte geprägt, die mit den maßgeblichen rechtlichen Vorgaben für das gegen den Kläger geführte [X.]isziplinarverfahren nicht in Einklang stehen.

8

Zum einen geht die formulierte Frage von einer Mehrzahl von [X.]ienstvergehen aus, die teilweise vom Gericht "ausgeschieden" und teilweise der disziplinarrechtlichen Ahndung zugrunde gelegt werden. Insoweit deckt sich die Fragestellung mit den teilweise ungenauen Formulierungen des Berufungsurteils ([X.]). Wie bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG belegt, geht es um ein [X.]ienstvergehen, das sich ggf. aus einer Mehrzahl von Handlungen und [X.]ienstpflichtverletzungen des Beamten zusammensetzt. Für den Begriff des [X.]ienstvergehens kommt es insbesondere nicht darauf an, dass zwischen den einzelnen [X.]n des Beamten ein inhaltlicher, zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang besteht (BVerwG, Urteile vom 14. Februar 2007 - 1 [X.] 12.05 - BVerwGE 128, 125 Rn. 21 ff. und vom 28. Juli 2011 - 2 [X.] 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 19). [X.]iese Mehrzahl von Handlungen und [X.]n soll nach Möglichkeit durch eine einheitliche [X.]isziplinarmaßnahme geahndet werden, die aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Beamten zu bestimmen ist. [X.]er Beklagte ist in der angegriffenen Entscheidung vom 19. Mai 2015 ([X.] ff.) davon ausgegangen, dass der Kläger als aktiver Beamter ein [X.]ienstvergehen i.[X.]. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat; in der Verfügung erfasst sind aber mehrere historische Sachverhalte, bei denen der Kläger nach Einschätzung des Beklagten die ihm obliegenden [X.]ienstpflichten verletzt hat (unberechtigte Halteranfragen und Weitergabe dieser [X.]aten gegen Entgelt, Beteiligung an einem fingierten Verkehrsunfall, Preisgabe verdeckter polizeilicher Maßnahmen und nicht dienstlich veranlasste Abfragen in polizeilichen Auskunftssystemen sowie die unberechtigte Weitergabe dieser Erkenntnisse).

9

Zum anderen wird in der Fragestellung der Begriff "ausscheiden" verwendet. Im Kontext mit disziplinarrechtlichen Rechtsfiguren oder Vorschriften verweist dieser Begriff auf eine Vorschrift wie § 56 Satz 1 B[X.]G über die Beschränkung des [X.]isziplinarverfahrens durch das Gericht. [X.]anach kann das Gericht im gerichtlichen Verfahren das [X.]isziplinarverfahren beschränken, indem es solche Handlungen ausscheidet, die für die Art und Höhe der zu erwartenden [X.]isziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen. [X.]as für das streitgegenständliche [X.]isziplinarverfahren maßgebliche Recht des beklagten [X.] [X.] kennt keine der Vorschrift des § 56 Satz 1 B[X.]G entsprechende Bestimmung. [X.]ie in § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] für das behördliche [X.]isziplinarverfahren vorgesehene Beschränkung des [X.]isziplinarverfahrens (im Bundesrecht § 19 Abs. 2 B[X.]G) kann nicht ohne Weiteres auf das gerichtliche [X.]isziplinarverfahren übertragen werden, weil die [X.]isziplinargerichte in [X.] - jenseits der in § 21 Satz 2 AGVwGO [X.] normierten Ersetzungsbefugnis - kein eigenes Ermessen ausüben. [X.]en Gesetzesmaterialien (vgl. LT-[X.]rs. 14/2996 [X.] ff., 147 ff.) kann nicht entnommen werden, dass die Norm im gerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar sein soll (BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 - 2 [X.] 4.15 - BVerwGE 155, 6 Rn. 75). Im Übrigen geht die Beschwerde auch nicht von einem "Ausscheiden" voraussichtlich nicht ins Gewicht fallender Handlungen i.[X.]. § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] oder § 56 Satz 1 B[X.]G aus. Vielmehr geht es darum, dass das Gericht einige der in der [X.]isziplinarverfügung dem Kläger vorgeworfenen Handlungen nach der gerichtlichen Beweisaufnahme als nicht erwiesen angesehen hat.

b) [X.]er Sache nach wirft die Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob das Gericht nach dem für das [X.]isziplinarverfahren in [X.] maßgeblichen Recht die [X.]isziplinarverfügung der Behörde - ggf. unter Anwendung von § 21 Satz 2 AGVwGO [X.] - auch dann aufrechterhalten und die Klage gegen die Verfügung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO abweisen kann, wenn es einige der in der [X.]isziplinarverfügung dem Beamten vorgeworfenen Verhaltensweisen nach der gerichtlichen Beweisaufnahme als nicht erwiesen ansieht.

[X.]ie so verstandene Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s beantwortet werden kann. Bezogen auf den Umfang der Verpflichtung des [X.]isziplinargerichts zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts hat das [X.] bereits entschieden, dass eine [X.]isziplinarverfügung, die auf mehrere [X.]ienstpflichtverletzungen des Beamten gestützt ist und die Entfernung des Beamten aus dem [X.]ienst ausspricht, mangels Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung des Beamten nicht der Aufhebung nach § 2 [X.] [X.] i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt, wenn bereits einzelne [X.]ienstpflichtverletzungen die disziplinarrechtliche [X.] begründen und durch die Nichtberücksichtigung anderer [X.]ienstpflichtverletzungen Verteidigungsrechte des Beamten im Verfahren nicht verletzt werden (BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 - 2 [X.] 4.15 - BVerwGE 155, 6 Rn. 76 bis 78 m.w.N.).

§ 21 Satz 2 AGVwGO [X.] schreibt vor, dass, sofern ein [X.]ienstvergehen erwiesen ist, das Gericht die Verfügung auch aufrechterhalten oder zugunsten des Beamten ändern kann, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt ist. [X.]abei finden die Vorschriften des [X.]disziplinargesetzes über die Bemessung von [X.]isziplinarmaßnahmen Anwendung (Satz 3). Auch diese Vorgaben dienen der Beschleunigung des [X.]isziplinarverfahrens und gehen von der vollen [X.]isziplinarbefugnis des [X.]ienstherrn aus. Auf die Anfechtungsklage des betroffenen Beamten hin prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit der Behördenentscheidung, nicht jedoch deren Zweckmäßigkeit. Erweist sich die Abschlussverfügung des [X.]ienstherrn als rechtswidrig und verletzt diese den Kläger in seinen Rechten, soll das Gericht die Verfügung nicht nur aufheben, sondern im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens auch bestätigen oder mildernd ändern können. [X.]abei tritt die gerichtliche Entscheidung nicht an die Stelle der behördlichen, sondern verändert diese lediglich vergleichbar einer Teilaufhebung des Verwaltungsakts. [X.]as Gericht hat sich bei seiner Entscheidung innerhalb der Grenzen des Streitgegenstands zu halten, für den es nicht nur auf den in der Verfügung dargestellten Sachverhalt, sondern auch auf den Vorwurf der Verletzung einer konkreten [X.]ienstpflicht ankommt. [X.]ementsprechend ist es dem Gericht verwehrt, aus dem dargestellten Sachverhalt eine andere als die dem Beamten in der Verfügung zur Last gelegte Pflichtverletzung herzuleiten und dem Urteil zugrunde zu legen. [X.]ie Aufrechterhaltung oder Änderung der Abschlussverfügung des [X.]ienstherrn ist dem Gericht nur dann möglich, wenn die festgestellte Rechtsverletzung mit der gerichtlichen Entscheidung beseitigt ist. Fehler im behördlichen Verfahren können durch Nachholung im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Ferner kann die Rechtsverletzung auch dadurch beseitigt werden, dass ein Fehler der Bemessungsentscheidung durch die gerichtliche Ermessensentscheidung gemäß § 21 Satz 2 AGVwGO [X.] korrigiert wird (Gesetzentwurf der [X.]regierung, Gesetz zur Neuordnung des [X.]disziplinarrechts, LT-[X.]rs. 14/2996, S. 147 bis 149).

[X.]ie angegriffene [X.]isziplinarverfügung lastet dem Kläger vier konkrete Verhaltensweisen an; demgegenüber geht das Berufungsurteil nach eigener Beweisaufnahme lediglich davon aus, dass zwei Tatkomplexe erwiesen sind (unberechtigte Halteranfragen nebst Weitergabe dieser [X.]aten gegen Entgelt sowie nicht dienstlich veranlasste Abfragen in den polizeilichen Auskunftssystemen POLAS-[X.] und LABIS nebst unberechtigte Weitergabe dieser Erkenntnisse). Angesichts dieser Verletzung der Rechte des [X.] durch die [X.]isziplinarverfügung vom 19. Mai 2015 - Anlastung von zwei [X.]ienstpflichtverletzungen, die sich im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärung nicht haben erweisen lassen - war das Berufungsgericht nach den vorstehenden Ausführungen zur Funktion des § 21 Satz 2 AGVwGO [X.] befugt, die Verfügung aufrechtzuerhalten und die Klage gegen sie abzuweisen. Mit der Feststellung des Berufungsgerichts, die Beweisaufnahme habe nicht den Nachweis erbracht, dass der Kläger seinen Pkw einem Zeugen für einen fingierten Verkehrsunfall am 17. Februar 1999 zur Verfügung gestellt und diesen im [X.] vor der gegen ihn laufenden Observation gewarnt habe, ist die durch die [X.]isziplinarverfügung begründete Verletzung der Rechte des [X.] - auch wenn sich dies nur aus den Gründen des Urteils ergibt - beseitigt.

Bei der Anwendung von § 21 Satz 2 AGVwGO [X.] ist hier zu berücksichtigen, dass das Polizeipräsidium in der angegriffenen [X.]isziplinarverfügung (S. 60 bis 63) deutlich zum Ausdruck gebracht hat, bereits der Tatkomplex der mehrmaligen unberechtigten Abfrage von [X.] aus den polizeilichen Auskunftssystemen nebst Weitergabe dieser [X.]aten gegen Entgelt an einen Autohändler zur Verschaffung einer weiteren Einnahmequelle als solcher führe zu der der Behörde obliegenden Annahme, der Kläger habe durch ein schweres [X.]ienstvergehen das Vertrauen des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung i.[X.]. § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] endgültig verloren. [X.]emgegenüber stützten die unberechtigten Abfragen aus den polizeilichen Auskunftssystemen und deren unberechtigte Weitergabe an [X.]ritte die bisherigen Würdigungen zum Vertrauensverlust, trügen aber angesichts der konkreten Schwere und des Umfangs der unberechtigten Abfragen samt Weitergabe allein betrachtet eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht (Verfügung S. 69 f.). [X.]iese Bewertungen der beiden - nach Ansicht des [X.]hofs nachgewiesenen - [X.]ienstpflichtverletzungen decken sich mit denen des Berufungsurteils ([X.] ff.).

Es besteht auch nicht der in der Beschwerdebegründung angedeutete Unterschied zwischen der [X.]isziplinarverfügung und dem Berufungsurteil hinsichtlich des Zeitraums und der Intensität der Geschäftsbeziehung "[X.] gegen Geld". [X.]as Berufungsurteil nimmt insoweit einen Zeitraum von 1998 bis Anfang 2000 und einen Austausch von dreimal jährlich an ([X.]). [X.]ie [X.]isziplinarverfügung nennt zwar in der Überschrift (Verfügung S. 11) den Zeitraum zwischen 1997 und Frühjahr 2000, stellt aber im weiteren Verlauf der Ausführungen klar (Verfügung S. 13), dass wegen der Nichterweislichkeit des genauen Beginns wie des Endes der Geschäftsbeziehung von einem Gesamtgeschäftszeitraum von zwei bis drei Jahren und mindestens sechs entlohnten Halteranfragen auszugehen ist.

Bei dieser Verfahrensweise ist auch dem Zweck der Beteiligung des Personalrats Rechnung getragen. Vor Erlass der [X.]isziplinarverfügung hat das Polizeipräsidium den örtlichen Personalrat mit Schreiben vom 14. April 2015 um Mitwirkung gebeten. Auch in diesem Schreiben hat das Polizeipräsidium auf seine Absicht hingewiesen, den Kläger aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ferner hat das Polizeipräsidium zum einen den Entwurf der [X.]isziplinarverfügung beigefügt und zum anderen darauf hingewiesen, dass die im [X.]isziplinarverfahren angefallenen Akten vom Vorsitzenden oder von einem von ihm beauftragten Mitglied des Personalrats eingesehen werden können. [X.]amit war dem Personalrat, der der beabsichtigten Entfernung des [X.] aus dem Beamtenverhältnis zugestimmt hat, bei seiner Beschlussfassung die konkrete Begründung der vom [X.]ienstherrn angestrebten disziplinarrechtlichen Ahndung bekannt. In der Verfügung hat der [X.]ienstherr klargestellt, dass bereits der Tatkomplex der mehrmaligen Übermittlung der [X.] gegen Entgelt zur Entfernung des [X.] aus dem Beamtenverhältnis führen soll.

3. [X.]as Berufungsurteil leidet auch nicht an den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängeln.

a) [X.]ie Rüge der "zu extensiven Anwendung von § 21 Satz 2 AGVwGO [X.]" ist unbegründet. Bei dieser Norm handelt es sich nicht lediglich um eine "Verfahrensvorschrift". Vielmehr regelt sie als zentrale Norm die Befugnisse der [X.]isziplinargerichte im Verhältnis zur Abschlussverfügung des [X.]ienstherrn für den Fall, dass ein [X.]ienstvergehen erwiesen ist, der betroffene Beamte durch die Verfügung zwar verletzt worden ist, die gerichtliche Entscheidung diese Rechtsverletzung aber beseitigt.

b) Unbegründet ist ebenfalls die Verfahrensrüge, das Gericht habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet.

(Vermeintliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des [X.]s sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie können daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel i.[X.]. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. Zu diesen Mängeln gehören Verstöße gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs sowie denkfehlerhafte, aus Gründen der Logik schlechterdings unmögliche oder sonst willkürliche Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54, vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 65, vom 29. Juli 2010 - 8 B 106.09 - Rn. 31 und vom 21. April 2020 - 8 B 62.19 - [X.] 2020, 122 Rn. 11). Ein [X.]enkfehler liegt nicht bereits dann vor, wenn die tatrichterliche Würdigung auch anders hätte ausfallen können. [X.]enkgesetze werden durch unrichtige Schlussfolgerungen nur dann verletzt, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt nur eine einzige Folgerung gezogen werden kann, jede andere Folgerung aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglich ist und das Gericht die allein mögliche Folgerung nicht gezogen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - 8 B 3.72/8 [X.] 7.72 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 62 und vom 6. März 2008 - 7 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8). Solche Mängel zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

[X.]ie Beschwerdebegründung beanstandet, dass der [X.]hof die Annahme, der Kläger habe [X.] unberechtigt abgefragt und gegen Entgelt an [X.]ritte weitergegeben, auf die Aussagen des [X.] gestützt hat. Insoweit sind die oben dargestellten Voraussetzungen für einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt. [X.]enn das Berufungsgericht hat sich eingehend mit dem stark divergierenden [X.] dieses Zeugen im Zeitraum seit dem Gespräch mit einem Bediensteten der [X.]polizeidirektion vom 9. August 2001 befasst und seine Einschätzung auch hinsichtlich des Verhaltens dieses Zeugen in der zweiten Berufungsverhandlung begründet, in der der Zeuge trotz der Erläuterung des Gerichts bewusst nicht zu einer verwertbaren Aussage bereit gewesen sei. [X.] hat das Berufsgericht auf die mehrfach wiederholten Aussagen dieses Zeugen aus den Jahren 2011 und 2014. Einen Logikverstoß begründen diese Erwägungen nicht. Tatsächlich wendet sich die Beschwerde gegen die von ihr als unzutreffend bewertete Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts, die jedoch der Überprüfung durch das [X.] grundsätzlich entzogen ist. Ob das [X.] seine freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und dem [X.] - "[X.] gegen Geld" - mehr oder weniger überzeugend begründet hat oder ob ein anderes Beweisergebnis nähergelegen hätte, hat das [X.] nicht zu überprüfen.

Auch die Überlegungen des [X.]hofs im Hinblick auf die Aussagen des [X.] gegenüber der Rechtsanwältin M. sind nicht aus Gründen der Logik zu beanstanden. Nach den oben aufgeführten Grundsätzen unzureichend ist auch das Vorbringen der Beschwerde, die Begründung des Berufungsgerichts, wonach den Angaben des [X.] aus den Jahren 2011 und 2014 zu seinem Verhältnis zum Kläger Glauben zu schenken ist, nicht aber den anderslautenden Bekundungen dieses Zeugen aus den Jahren 2016 und 2021, wonach der Kläger ihm keine [X.] gegen Entgelt geliefert habe, sei "nicht schlüssig", "überzeuge nicht", "erschließe sich nicht" oder sei "verwunderlich". [X.]ies gilt auch für den Verweis in der Beschwerdebegründung auf die Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs.

c) Nicht begründet ist schließlich der Vorwurf, das Berufungsgericht habe gegen die aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Verpflichtung verstoßen, wonach in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. [X.]enn der [X.]hof hat in dem angegriffenen Berufungsurteil dargelegt, weshalb er die Angaben des [X.] aus den Jahren 2011 und 2014 zu seiner Geschäftsbeziehung zum Kläger als inhaltlich zutreffend bewertet, nicht aber die anderen, gegenteiligen Bekundungen dieses Zeugen.

4. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gerichtsgebühren aus den analog anzuwenden Bestimmungen des [X.]rechts erhoben werden (BVerwG, Urteile vom 21. April 2016 - 2 [X.] 4.15 - BVerwGE 155, 6 Rn. 81 f. und - 2 [X.] 13.15 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 42 Rn. 35 f. sowie Beschluss vom 25. Februar 2021 - 2 [X.] - NVwZ-RR 2021, 540 Rn. 35 f.).

Meta

2 B 34/21

29.10.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 25. März 2021, Az: DL 16 S 2459/19, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 BeamtStG, § 33 Abs 1 S 2 BeamtStG, § 34 Abs 1 S 3 BeamtStG, § 35 Abs 1 S 2 BeamtStG, § 37 Abs 1 BeamtStG, § 47 Abs 1 S 1 BeamtStG, § 19 Abs 2 S 1 BDG, § 56 S 1 BDG, § 2 DG BW, § 10 Abs 2 S 1 DG BW, § 31 Abs 1 S 1 DG BW, § 38 Abs 1 S 1 DG BW, § 21 S 2 VwGOAG BW 2008, § 21 S 3 VwGOAG BW 2008, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 108 Abs 1 S 2 VwGO, § 113 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2021, Az. 2 B 34/21 (REWIS RS 2021, 1445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1445

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