Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.03.2011, Az. 5 C 16/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 8890

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Gegenstand

Entschädigung wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren als Richter; schwerbehinderter Einstellungsbewerber


Leitsatz

1. Einstellungsbewerber werden im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber ihnen die in § 82 Satz 2 SGB IX angeordnete Besserstellung gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern durch Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vorenthält, obwohl ihnen im Sinne von § 82 Satz 3 SGB IX die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.

2. Ob die fachliche Eignung im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX offensichtlich fehlt, ist an dem vom öffentlichen Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung bzw. Bewerbungsaufforderung bekannt gemachten Anforderungsprofil zu messen (wie BAG, Urteil vom 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 -).

3. Für den Nachweis, dass für die Nichteinladung einer Bewerberin oder eines Bewerbers zum Vorstellungsgespräch ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, kann ein öffentlicher Arbeitgeber nur solche Gründe heranziehen, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der "offensichtlich" fehlenden Eignung eine abschließende Regelung.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung, weil im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung um eine Einstellung in den Richterdienst (als Arbeitsrichterin) des beklagten [X.] gegen das Verbot der Benachteiligung Schwerbehinderter verstoßen worden sei.

2

Die 1967 geborene Klägerin hat die Befähigung zum Richteramt erworben. Vor dem Studium der Rechtswissenschaft war sie längere [X.] erwerbstätig. Während des Studiums (Wahlfach: Arbeitsrecht) war sie als ehrenamtliche Richterin am [X.] tätig. In der [X.] hat sie die Note "befriedigend" (Gesamtpunktzahl 7,56) erzielt. Wegen einer Handverletzung, aufgrund derer ein Grad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt, brach sie die Zweite Juristische Staatsprüfung zunächst ab und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der [X.] tätig; gleichzeitig arbeitete sie an einer Dissertation aus dem Bereich des Arbeitsrechts. Im Oktober 2006 schloss sie das Zweite Juristische Staatsexamen (Wahlfachgruppe: Arbeitsrecht) mit der Gesamtnote "befriedigend" (6,78 Punkte) ab.

3

Mit Schreiben vom 1. März 2007 bewarb sich die Klägerin beim [X.], Familie und Frauen ([X.]) des Beklagten um eine Einstellung in den höheren Justizdienst, bevorzugt als Richterin in der [X.]sbarkeit. Dabei nahm sie auf eine "Stellenausschreibung auf Ihrer [X.]seite" Bezug. Aus den eingereichten Bewerbungsunterlagen ging hervor, dass die Klägerin durch Bescheid der [X.] vom 29. Januar 2007 gemäß § 2 Abs. 3 des [X.] ([X.]) einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden war. Nach Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sandte das [X.] der Klägerin ihre Bewerbungsunterlagen unter dem 10. April 2007 mit der Begründung zurück, dass aufgrund des gegenwärtig bei Bewerbungen für die Juristeneinstellung bestehenden hohen [X.]s und des zu beachtenden Leistungsprinzips im Hinblick auf das von der Klägerin erzielte Ergebnis in der [X.] keine Möglichkeit gesehen werde, sie für eine künftige Einstellung vorzumerken.

4

Mit Schreiben vom 13. April 2007 rügte die Klägerin, dass sie unter Verstoß gegen § 82 Satz 2 [X.] nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, und machte einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geltend. Das [X.] lehnte es ab, eine Entschädigung zu gewähren. Von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch sei abgesehen worden, weil es der Klägerin mit Blick auf das von ihr im [X.] Staatsexamen erzielten Ergebnis, das weit unterhalb dem der eingestellten Mitbewerber liege, im Sinne von § 82 Satz 3 [X.] offensichtlich an der fachlichen Eignung fehle.

5

Das Verwaltungsgericht hat die auf Entschädigungszahlung gerichtete Klage mit Urteil vom 12. März 2008 abgewiesen, weil der Beklagte zu Recht von der offensichtlichen fachlichen Ungeeignetheit der Klägerin ausgegangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe zwar dargelegt, dass sie entgegen § 82 Satz 2 [X.] nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden und daher eine Benachteiligung wegen ihrer Gleichstellung mit Schwerbehinderten zu vermuten sei. Die an externe Bewerber gerichtete allgemeine Anregung des [X.] im [X.], sich für mit Volljuristen zu besetzende Stellen in seinem Geschäftsbereich zu bewerben, könne grundsätzlich die Einladungspflicht nach § 82 Satz 2 [X.] auslösen. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch sei auch nicht wegen offensichtlicher fachlicher Ungeeignetheit der Klägerin im Sinne von § 82 Satz 3 [X.] entbehrlich gewesen. Ob eine Bewerberin fachlich offensichtlich ungeeignet sei, beurteile sich jeweils nach dem vom öffentlichen Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung festzulegenden und zu dokumentierenden Anforderungsprofil. In dem [X.]auftritt seien indes weder Mindestpunktzahlen oder Examensnoten noch sonstige Kenntnisse oder Kriterien als Anforderungen für eine Einstellung genannt. Mit dem Bestehen der [X.] habe die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 des [X.] (DRiG) die Befähigung zum Richteramt (Volljuristin) erlangt und sei damit - mangels eines konkreten Anforderungsprofils - nicht offensichtlich fachlich ungeeignet.

6

Diese Benachteiligungsvermutung habe der Beklagte indes widerlegt. Er habe im Sinne von § 22 Halbs. 2 AGG überzeugend nachgewiesen, dass ausschließlich sachliche, nicht auf die Behinderung der Klägerin bezogene Gründe für die Auswahlentscheidung maßgeblich gewesen seien. Nach dem bei Einstellungen im öffentlichen Dienst zu beachtenden Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) sei es zulässig, bei Berufsanfängern, bei denen fachliche Leistungen im engeren Sinne noch nicht vorliegen könnten, das die Eignung erfassende Prognoseurteil auf während der Ausbildung erbrachte Leistungen zu stützen und damit hier auf die Examensergebnisse des [X.] Juristischen Staatsexamens abzustellen. Der Beklagte habe mit der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellung der Bewerber bezüglich der hier in Rede stehenden Einstellungsrunde nachgewiesen, dass das maßgebliche [X.] für eine Einstellung im [X.]punkt der Bewerbung der Klägerin zwischen 8,16 Punkten (Bewerber/in mit Zweitstudium) und 11,20 Punkten gelegen habe. Hiervon sei die von der Klägerin im [X.] Staatsexamen erzielte Punktzahl von 6,78 deutlich entfernt. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass Bewerber mit auch nur ansatzweise vergleichbaren Noten für die Einstellung im Geschäftsbereich des [X.] in Frage gekommen wären und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien. Weil kein Bewerber mit 8,16 Punkten (ohne Zweitstudium) oder darunter zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, sei hinreichend ausgeschlossen, dass ihre Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen allein oder im Rahmen eines Motivbündels als negatives Kriterium herangezogen worden sei oder eine fehlende Behinderung bei der Einstellungsentscheidung als positives Kriterium gedient habe; für die Ablehnung sei allein die mangelnde Qualifikation der Klägerin ursächlich gewesen. Dies gelte auch in Ansehung der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung des [X.], dessen rechtlicher Ansatz zugrunde gelegt worden sei. Es könne daher offenbleiben, ob die Klägerin vor der Geltendmachung des Entschädigungsanspruches einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel hätte in Anspruch nehmen müssen, dem Beklagten die anderweitige Vergabe von entsprechenden Stellen zu untersagen und der Klägerin vorab ein Vorstellungsgespräch zu gewähren. Schließlich komme es nicht darauf an, ob der Umstand, dass die Klägerin auch gegen die Länder [X.] und [X.] angestrengt habe, als ein Indiz gegen eine ernsthafte Bewerbung zu werten sei.

7

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Entschädigungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung von § 82 [X.] i.V.m. § 22 AGG und macht vor allem geltend, das Berufungsurteil verkenne, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch, also im Bewerbungsverfahren, nicht dadurch widerlegt werden könne, dass sie auch bei [X.] im Ergebnis nicht hätte eingestellt werden müssen.

8

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - [X.] - zu Unrecht verneint. Es hat die Anforderungen des § 22 [X.] an die Widerlegung der Kausalitätsvermutung verkannt, soweit es hierfür die tatsächliche Einstellungspraxis des Beklagten herangezogen und den Nachweis für ausreichend angesehen hat, dass in dem in Rede stehenden Zeitraum auch eine nicht behinderte Bewerberin oder ein nicht behinderter Bewerber mit vergleichbaren Examensnoten wie die der Klägerin mit einer Bewerbung nicht zum Zuge gekommen und eingestellt worden wäre (1.). Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine hinreichenden Feststellungen zur angemessenen Höhe der Entschädigung getroffen hat, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.).

1. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Dieser findet seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] in der Fassung vom 5. Februar 2009 ([X.]) (1.1). Die insoweit nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 [X.] erforderliche Benachteiligung der Klägerin liegt darin, dass ihr der Beklagte die in § 82 Satz 2 [X.] angeordnete Besserstellung gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern durch Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vorenthalten hat, obwohl ihr im Sinne von § 82 Satz 3 [X.] die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlte (1.2). Der darüber hinaus für die Annahme eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Nachteil ist gegeben (1.3). Der Entschädigungsanspruch wurde innerhalb der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] geltend gemacht (1.4). Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann ihm nicht entgegengehalten werden (1.5). Auch war die Klägerin nicht gehalten, durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes dem Beklagten die anderweitige Vergabe von entsprechenden Stellen zu untersagen und ihr vorab ein Einstellungsgespräch zu gewähren (1.6).

1.1 § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist anzuwenden. Für Benachteiligungen wegen einer Behinderung im Rahmen von Stellenbesetzungsverfahren, die zeitlich nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes liegen, gelten dessen Vorschriften ohne Einschränkung (vgl. § 33 Abs. 3 [X.]). Das [X.] trat am 18. August 2006 in [X.]. Der Beklagte lehnte die Bewerbung der Klägerin, ohne diese vorher zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben, Anfang April 2007 ab.

Die Beteiligten unterfallen auch dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis (als [X.]in) im höheren Justizdienst des Beklagten gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 [X.] als Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; der Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 [X.]).

1.2 Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 [X.] (a). Zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 [X.] eine Benachteiligung verboten ist, gehört die Behinderung der Klägerin (b). Die Klägerin wurde dadurch benachteiligt, dass sie unter Verletzung des § 82 Satz 2 und 3 [X.] nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde (c).

a) Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 [X.] als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 [X.] als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 25 und 38) entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] an einen derartigen Verstoß zu binden (so auch z.B.: [X.], Urteil vom 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - juris Rn. 25).

b) Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1 [X.], wegen der gemäß § 7 [X.] Beschäftigte nicht benachteiligt werden dürfen, entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 3 des [X.] - [X.] - (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 31). Er ist damit weiter gefasst als der Begriff der Schwerbehinderung (§ 2 Abs. 2 [X.]) und der ihr gleichgestellten Behinderung (§ 2 Abs. 3 i.V.m. § 68 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Er erfasst alle Menschen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen. Demzufolge handelt es sich bei der Behinderung der Klägerin, die mit Bescheid der [X.] vom 29. Januar 2007 mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden ist, um eine solche im Sinne des § 1 [X.].

c) Die Klägerin ist durch das Vorgehen der Beklagten auch im Sinne des § 7 [X.] benachteiligt worden.

Benachteiligung im Sinne des [X.] des § 7 [X.] ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in [X.] gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 32). Eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen ist insbesondere gegeben, wenn ein (künftiger) Arbeitgeber einer gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht nachkommt, durch die im Sinne des § 5 [X.] eine bisher in Beschäftigung und Beruf benachteiligte Gruppe gezielt gefördert werden soll. Die Benachteiligung liegt dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Die betreffende Person wird weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält. Eine gesetzliche positive Maßnahme im Sinne von § 5 [X.] ist angesichts ihres drittschützenden Charakters nicht neutral, sodass die in den Schutzbereich der betreffenden Vorschrift fallenden Personen im Falle ihres Unterlassens unmittelbar benachteiligt werden. Für die gegenüber anderen weniger günstige Behandlung als solche trägt die Beschäftigte oder der Beschäftigte mangels einer abweichenden Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast. § 22 [X.] greift insoweit nicht ein (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 47).

§ 82 Satz 2 und 3 [X.] begründet eine solche Handlungspflicht, bei deren Nichterfüllung eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen anzunehmen ist. Danach haben öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Menschen oder die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, die sich um einen frei werdenden und neu zu besetzenden sowie neue Arbeitsplätze beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich. Der Gesetzgeber stellt damit schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen zum Ausgleich ihrer im Allgemeinen tatsächlich schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Bewerbungsverfahren besser als die nicht schwerbehinderten Konkurrentinnen und Konkurrenten. Anders als diese sollen schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen, auch wenn ihre fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle zweifelhaft sein mag, solange sie nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Der öffentliche Arbeitgeber hat sich in diesem Fall über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus einen persönlichen Eindruck von der schwerbehinderten Bewerberin oder dem schwerbehinderten Bewerber und dem ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, insbesondere von ihrem positiven Leistungsprofil zu verschaffen.

Ziel des § 82 Satz 2 [X.] ist es, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen am Arbeitsleben durch eine ausgleichende Bevorzugungsregelung zu fördern. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich daher auf alle im Stellenplan des öffentlichen Arbeitgebers verzeichneten und verfügbaren Stellen. Verfügbarkeit ist zu bejahen, wenn eine besetzbare Stelle nicht besetzt ist, frei wird oder neu geschaffen wurde. In Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck beschränkt sich die Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht auf Bewerbungen, die auf eine konkrete Stellenanzeige oder Stellenausschreibung antworten. Führt der öffentliche Arbeitgeber - wie hier - ein Besetzungsverfahren durch, obliegt ihm diese Pflicht vielmehr auch hinsichtlich der sogenannten Initiativbewerbungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie ohne Bezug auf eine ausdrückliche Stellenausschreibung abgegeben werden. Nicht erforderlich ist, dass der zu besetzende Arbeitsplatz auch tatsächlich gemäß § 82 Satz 1 [X.] gemeldet worden ist. Die Verletzung der Meldepflicht ließe die Pflicht unberührt, schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

Der Klägerin fehlte auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle im Sinne von § 82 Satz 3 [X.]. Ob dies der Fall ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil dieser Stelle und dem Leistungsprofil der Bewerberin oder des Bewerbers zu ermitteln. Für die Stellenvergabe im öffentlichen Dienst gilt insoweit das verfassungsrechtlich garantierte Prinzip der Bestenauslese, d.h. der [X.] des Art. 33 Abs. 2 GG, uneingeschränkt. Danach hat nur die für die zu besetzende Stelle am besten geeignete Bewerberin oder der am besten geeignete Bewerber einen Anspruch auf Einstellung oder Beförderung, sobald und solange sich der öffentliche Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt - wie hier - dafür entschieden hat, verfügbare Stellen im Wege der Bewerberauswahl zu besetzen. Dem Prinzip der Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 [X.] geschützten Personengruppen unterworfen. Fehlen einer Bewerberin oder einem Bewerber die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, verschafft ihnen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch darauf, von bestimmten Qualifikationsmerkmalen befreit zu werden (s.a. Ziffer 17 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf).

Die sachgerechte Prognose, wer von den Bewerberinnen und Bewerbern die zukünftigen Aufgaben am besten erfüllen wird, erfordert die Festlegung eines konkreten Anforderungsprofils. Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind (vgl. Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <60 f.>; [X.] <1. Kammer des [X.] Senats>, Beschluss vom 20. September 2007 - 2 BvR 1972/07 - [X.] 2008, 167 <168>). Dabei gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zur abschließenden Beurteilung der Frage, wie differenziert ein Anforderungsprofil sein darf, das jedenfalls diskriminierungsfrei und der zu besetzenden Stelle angemessen sein und eine an dem Prinzip der Bestenauslese entsprechende Auswahl- und Besetzungsentscheidung gewährleisten muss. Bei einem rechtmäßigen Anforderungsprofil werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber an den aufgestellten Kriterien gemessen, um dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gerecht zu werden.

Der öffentliche Arbeitgeber ist bei der Erstellung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen und gegebenenfalls tarifvertraglichen Vorgaben gebunden. Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen. Eine Einengung des [X.] der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerberinnen und Bewerber um ein öffentliches Amt darf nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen ([X.] <1. Kammer des [X.] Senats>, Beschluss vom 20. September 2007 a.a.[X.]). Soweit es die Ersteinstellung von [X.] und Berufsanfängern in den höheren Justizdienst betrifft, bei denen fachliche Leistungen im engeren Sinn noch nicht vorliegen können, kann der öffentliche Arbeitgeber bestimmen, dass die fachliche Eignung u.a. durch eine bestimmte Gesamtnote im [X.] und [X.] Juristischen Staatsexamen nachzuweisen ist (vgl. Beschluss vom 1. Februar 2006 - BVerwG 2 PKH 3.05 - juris Rn. 11). Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und 3 [X.]. Denn schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, die nach den schriftlichen Bewerbungsunterlagen eine ihrerseits diskriminierungsfrei bestimmte fachliche Eignungsvoraussetzung, die im Anforderungsprofil ausdrücklich und eindeutig bezeichnet ist, nicht erfüllen, müssen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden (so auch: [X.], Urteil vom 21. Juli 2009 - 9 [X.] - NJW 2009, 3319 <3322>).

Seiner Aufgabe als Grundlage der leistungsbezogenen Auswahl entsprechend muss das Anforderungsprofil zwingend vor Beginn der Auswahlentscheidung festgelegt werden ([X.], Urteil vom 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - [X.]E 119, 262 <270>). Es ist für den öffentlichen Arbeitgeber während des Auswahlverfahrens verbindlich (Urteil vom 16. August 2001 a.a.[X.]). Der öffentliche Arbeitgeber muss das Anforderungsprofil dokumentieren, damit die Gründe für seine Entscheidung transparent sind und die Entscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann. Ohne Dokumentation wäre es dem öffentlichen Arbeitgeber ansonsten in nahezu jedem Fall möglich, Eignungsmerkmale nachzuschieben, die das Absehen von der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch rechtfertigen. Eine effektive gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 GG) der Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf durch ein benachteiligungsfreies Auswahlverfahren wäre damit praktisch nicht möglich. Das Benachteiligungsverbot würde weitgehend seiner Schutzwirkung beraubt werden. Schreibt der öffentliche Arbeitgeber eine konkrete Stelle ausdrücklich aus, erfolgt die notwendige Dokumentation des Anforderungsprofils in der Regel durch den Text der Stellenausschreibung oder -anzeige. Das Anforderungsprofil kann sich darüber hinaus aus allgemeinen, vom öffentlichen Arbeitgeber beispielsweise auf seiner Homepage oder in Form von in Broschüren veröffentlichten Hinweisen über die Einstellungsvoraussetzungen und Eignungsanforderungen ergeben. Das gilt vor allem bei einer Bewerbung ohne Bezug auf eine ausdrückliche Stellenausschreibung (sog. Initiativbewerbung), die in der Regel und auch hier einer Neueinstellung in den höheren Justizdienst als [X.]in oder [X.] sowie Staatsanwältin oder Staatsanwalt auf Probe zugrunde liegt.

Von diesen rechtlichen Vorgaben ist auch das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen. Es hat in Anwendung dieser Grundsätze auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zutreffend entschieden, dass die Klägerin gemäß § 82 Satz 2 [X.] zu einem Vorstellungsgespräch hätte eingeladen werden müssen, weil ihr nach § 82 Satz 3 [X.] die fachliche Eignung für die angestrebte Einstellung nicht offensichtlich fehlte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein Anforderungsprofil, dem die Klägerin hier offensichtlich nicht genügte, dem von ihr vorgelegten Ausdruck aus dem Internetauftritt des Beklagten nicht zu entnehmen; es sind weder Mindestpunktzahlen oder Examensnoten noch sonstige fachliche Kenntnisse oder Kriterien als Anforderung für eine Einstellung genannt. Insoweit sind keine zulässigen und durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben worden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Weil der öffentliche Arbeitgeber in der Verantwortung steht, ein Anforderungsprofil festzulegen und vorab nachvollziehbar zu dokumentieren, kann auch eine an der Examensnote orientierte, tatsächliche und gefestigte Einstellungspraxis, selbst wenn sie als solche bei den potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern bekannt sein sollte, schon im rechtlichen Ansatz nicht zur Ergänzung des Anforderungsprofils herangezogen werden, um den Ausnahmetatbestand des § 82 Satz 3 [X.] auszufüllen. Es kommt hinzu, dass von den Bewerberinnen und Bewerbern kein so genaues Wissen um in der Einstellungspraxis tatsächlich zugrunde gelegte Mindestexamensnoten verlangt werden kann, die zudem im Zeitverlauf wechseln und offen für Ausnahmen sind, dass mit der erforderlichen Gewissheit und Offensichtlichkeit Rückschlüsse auf die Eignung gezogen werden könnten. Überdies fehlt jeder Anhalt dafür, dass der Beklagte Regelungen darüber getroffen und transparent dokumentiert hätte, welche Bedeutung dem Vorstellungsgespräch für die Einstellungsentscheidung beizumessen ist und ob bzw. in welchem Umfange es geeignet ist, die durch die Examensnote veranlasste [X.] zu beeinflussen.

1.3 Zwischen der Behinderung der Klägerin und ihrer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren besteht ein Kausalzusammenhang. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass einer pflichtwidrig unterlassenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auch eine Indizwirkung im Sinne des § 22 [X.] beizumessen ist (a). Es ist aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Kausalitätsvermutung widerlegt hat. Die von ihm festgestellten Tatsachen tragen diesen rechtlichen Subsumtionsschluss nicht (b).

a) Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 [X.] erfordert, dass die Benachteiligung wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes - hier der Behinderung - erfolgt ist. [X.] reicht aus ([X.], Urteile vom 21. Juli 2009 a.a.[X.] S. 3321 f. und vom 17. August 2010 a.a.[X.] Rn. 31). Gemäß § 22 [X.] muss die Beschäftigte oder der Beschäftigte Indizien (sog. [X.]n) vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes vermuten lassen. § 22 [X.] senkt das [X.]. Es genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 47 unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 5. Februar 2004 - 8 [X.] - [X.]E 109, 265 <273 f.>).

Die Vorenthaltung des gesetzlich eingeräumten [X.]s hat eine doppelte Bedeutung. In ihr liegt einerseits die weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung), andererseits ist sie [X.] für die Kausalität. Die Indizwirkung ergibt sich daraus, dass der in Bezug auf das Bewerbungsverfahren gesetzlich eingeräumte [X.] seine entscheidende Rechtfertigung in der Schwerbehinderung oder einer ihr gleichgestellten Behinderung findet. Wird der oder dem Beschäftigten, die gerade wegen einer Behinderung zu gewährende verfahrensrechtliche Besserstellung pflichtwidrig vorenthalten, spricht zumindest der erste Anschein dafür, dass dieses Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers gleichfalls seinen Grund in der Behinderung hat. Andernfalls würde der durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährende Schutz vor einer Benachteiligung weitgehend leerlaufen ([X.], Urteil vom 21. Juli 2009 a.a.[X.] S. 3321; zum alten Recht im Ergebnis offengelassen Beschluss vom 22. Februar 2008 - BVerwG 5 B 209.07 - [X.] 436.61 § 81 [X.] Nr. 1). Als weiteres Indiz im Sinne des § 22 [X.] ist die Berufung auf ein nicht im maßgeblichen Anforderungsprofil enthaltenes Auswahlkriterium (hier: bestimmte Examensnoten) anzusehen ([X.], Beschluss vom 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - [X.]E 89, 276 <289 f.>).

b) Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 [X.] genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beeinflusst haben ([X.], Urteile vom 21. Juli 2009 a.a.[X.] S. 3322 und vom 17. August 2010 a.a.[X.] Rn. 45).

Die durch die Vorenthaltung des in § 82 Satz 2 [X.] eingeräumten [X.]s vermutete Kausalität kann nicht mit dem Hinweis darauf widerlegt werden, dass das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens, d.h. die Auswahlentscheidung und die daraufhin erfolgte Einstellung, unter dem Aspekt der fachlichen Eignung rechtlich nicht zu beanstanden sind. Für den nach § 22 [X.] möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung einer Bewerberin oder eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2 [X.] ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 [X.] geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der "offenkundigen" Nichteignung eine abschließende Regelung. Sie prägt auch die Anforderungen, die bei Verstößen im Bewerbungsverfahren bei auf die fachliche Eignung bezogenen Erwägungen für den Gegenbeweis zugrunde zu legen wären. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 82 Satz 2 [X.], der das Recht schwerbehinderter Menschen und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen auf ein benachteiligungsfreies Bewerbungsverfahren schützt ([X.], Urteile vom 21. Juli 2009 a.a.[X.] und vom 17. August 2010 a.a.[X.] Rn. 48). Dementsprechend knüpft der Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht an die behinderungsbedingte Nichteinstellung, sondern ausschließlich an Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren an, z.B. an einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 82 Satz 2 [X.]. Die - als Ergebnis des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens - nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG festgestellte bessere Eignung anderer Bewerberinnen und Bewerber rechtfertigt nur die Auswahlentscheidung und lässt nicht darauf schließen, dass auch das Bewerbungsverfahren tatsächlich ohne Benachteiligung einer Mitbewerberin oder eines Mitbewerbers durchgeführt worden ist. Wenn - wie durch § 82 Satz 3 [X.] vorgegeben - die Frage der fachlichen Eignung bereits bei der Reichweite der verfahrensbezogenen Pflichten des Arbeitgebers zu prüfen ist, würde es das dort normierte [X.] unterlaufen, wenn die fachliche Eignung auch für den Gegenbeweis herangezogen werden könnte; dieser ist auf andere Gesichtspunkte zu begrenzen. Nur dieses Verständnis entspricht § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.], der eine Entschädigung in Fällen, in denen der oder die Beschäftigte auch bei [X.] nicht eingestellt worden wäre, gerade nicht ausschließt, sondern diese lediglich der Höhe nach begrenzt. Beruht auch das Auswahlergebnis auf der Benachteiligung, besteht Anspruch auf vollen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 [X.].

Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 [X.] vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers berühren. Letzteres folgt aus dem insoweit abschließenden Charakter des § 82 Satz 3 [X.]. Damit wird dem öffentlichen Arbeitgeber - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht jede Möglichkeit genommen, unter Berufung auf die Examensnoten von einer Einladung schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber sowie der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch abzusehen. Der öffentliche Arbeitgeber kann dies hier allerdings nur dadurch erreichen, dass er vorab und bindend bestimmte Erfordernisse (wie z.B. Noten) zum Nachweis der geforderten fachlichen Qualifikation in ein - seinerseits diskriminierungsfreies und sachlich gerechtfertigtes - Anforderungsprofil aufnimmt. Auf diese Weise kann der öffentliche Arbeitgeber die Reichweite seiner Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und 3 [X.] steuern und zugleich Einladungen zu Vorstellungsgesprächen entgegenwirken, bei denen die Bewerberinnen und Bewerber aller Voraussicht nach keine [X.] haben. Bei einer vorrangig über Examensnoten gesteuerten Einstellungspraxis kommt die Bezeichnung an das Examensergebnis anknüpfender Kriterien bereits für die [X.] der Bewerberinnen und Bewerber auch dann in Betracht, wenn für die jeweilige Einstellungsrunde der Kreis der Bewerberinnen und Bewerber und deren Examensergebnisse noch nicht bekannt sind; verzichtet aber ein öffentlicher Arbeitgeber auf eine transparente vorherige Festlegung von Mindestanforderungen, um sich für die Einstellungsentscheidung eine gewisse Flexibilität zu erhalten, kann er sich nicht auf nachträglich gebildete Maßstäbe berufen.

Das Berufungsgericht hat für seine Bewertung, der Beklagte habe überzeugend nachgewiesen, dass ausschließlich sachliche, nicht auf die Behinderung bezogene Gründe für die Auswahlentscheidung kausal gewesen seien, allein an das maßgebliche [X.] in der hier zu überprüfenden Einstellungsrunde und den Umstand angeknüpft, die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass Bewerber mit auch nur ansatzweise vergleichbaren Noten für die Einstellung im Geschäftsbereich des [X.], Familie und Frauen in Frage gekommen oder zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien. Damit knüpft es aber allein an die durch die Examensnote indizierte fachliche Eignung der Klägerin an. Dies reicht nach dem Vorstehenden gerade nicht aus, um die Kausalitätsvermutung zu widerlegen. Andere Gründe, etwa im Bereich der persönlichen Eignung, sind von dem Berufungsgericht nicht festgestellt, von dem Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

1.4 Der Entschädigungsanspruch ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend gemacht worden.

1.5 Er ist auch nicht ausnahmsweise nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, insbesondere wegen mangelnder Ernsthaftigkeit der Bewerbung, ausgeschlossen. Mit Rücksicht auf die Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes vor Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf ist an einen derartigen Anspruchsausschluss ein strenger Maßstab anzulegen. Dass sich eine Bewerberin oder ein Bewerber nach Abschluss der juristischen Ausbildung - wie hier - parallel in mehreren Ländern um die Einstellung in den höheren Justizdienst bewirbt und zudem im Falle der Erfolglosigkeit der Bewerbungen im Hinblick auf eine jeweils unterlassene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch mehrere Entschädigungsklagen gegen verschiedene öffentliche Arbeitgeber erhebt, reicht für sich allein insoweit nicht aus ([X.], Urteil vom 21. Juli 2009 a.a.[X.]).

1.6 Dem Entschädigungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht hat, dem Beklagten die anderweitige Vergabe der Stelle vorläufig zu untersagen und ihm aufzugeben, ihr ein Vorstellungsgespräch zu gewähren (so aber VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Mai 2005 - 2 K 4552/03 - juris Rn. 55 ff.; zweifelnd [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 3 [X.] 07.2179 -). Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 82 Satz 2 [X.] knüpft an eine Benachteiligung bereits im Bewerbungsverfahren an und setzt gerade nicht voraus, dass andere Bewerberinnen oder Bewerber um einen Arbeitsplatz diesen nicht sollen erlangen dürfen. Der Entschädigungsanspruch ist auch kein Amtshaftungsanspruch, der dem Geschädigten nach § 839 Abs. 3 BGB abverlangt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Er gewährt eine Entschädigung für den immateriellen Schaden, der durch eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren bewirkt worden ist und die unabhängig davon eintritt, ob im Einzelfall mit dem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zugleich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfolgt ist ([X.], Urteil vom 22. Januar 2009 - 8 [X.] - [X.]E 129, 181). Der Entschädigungsanspruch ist ein verschuldensunabhängiger Anspruch, der grundsätzlich mit der Benachteiligungshandlung entsteht und für den das [X.] weder eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB anordnet noch sonst dem Benachteiligten als Entschädigungsvoraussetzung eine Schadensminderungs- oder Abwendungspflicht auferlegt. Ob in Fällen, in denen der öffentliche Arbeitgeber eine bestehende Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch offenkundig übersehen hat, der oder dem Schwerbehinderten ein entsprechender Hinweis abzuverlangen ist, kann offenbleiben; denn der Beklagte hat auch nach dem unverzüglichen Hinweis der Klägerin daran festgehalten, dass sie nicht einzuladen sei. Auch mit dem Anspruch eines Beamten auf Schadensersatz wegen entgangener Beförderung, für den eine entsprechende Schadensminderungspflicht angenommen wird (Urteil vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29), ist der vorliegende Entschädigungsanspruch nicht vergleichbar.

2. Zur Höhe des hiernach der Klägerin dem Grunde nach zustehenden Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] bedarf es weiterer Feststellungen. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine hinreichend tragfähigen tatsächlichen Feststellungen zur angemessenen Entschädigungshöhe getroffen. Eine höhere Entschädigung kann geboten sein, wenn die Klägerin aus mehreren Gründen unzulässig benachteiligt wird (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 38). Insoweit wird das Berufungsgericht insbesondere zu prüfen haben, ob der Beklagte auch gegen die bestehende Meldepflicht nach § 82 Satz 1 [X.] verstoßen hat.

Meta

5 C 16/10

03.03.2011

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. Januar 2010, Az: 12 B 08.1978, Urteil

§ 2 SGB 9, § 82 SGB 9, § 7 Abs 1 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 15 Abs 1 AGG, § 22 AGG, § 1 AGG, Art 33 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.03.2011, Az. 5 C 16/10 (REWIS RS 2011, 8890)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8890

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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