Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. V R 8/15

5. Senat | REWIS RS 2015, 2542

STEUERRECHT STEUERN UNTERNEHMEN BUNDESFINANZHOF (BFH) UMSATZSTEUER GESELLSCHAFT GESELLSCHAFTSFORMEN

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Gegenstand

Vorsteuerabzug bei beabsichtigter Unternehmensgründung


Leitsatz

Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2015  1 K 1523/14 U aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beabsichtigte die Aufnahme einer unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit über eine von ihm zu gründende GmbH, deren Alleingesellschafter er sein sollte. Geplant war der Erwerb der Vermögensgegenstände der bereits langjährig im Geschäft mit Bauelementen tätigen [X.] Der Kläger bezog hierfür Beratungsleistungen einer Unternehmensberatung zur Existenzgründung sowie eines Rechtsanwalts zu einem (geplanten) Unternehmenskauf. Der Erwerb der Vermögensgegenstände der B-GmbH unterblieb ebenso wie die GmbH-Gründung.

2

Der beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) nicht als Unternehmer geführte Kläger machte mit seiner Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2008 den Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die von ihm bezogenen Beratungsleistungen geltend. Das [X.] lehnte dies ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 686 veröffentlichten Urteil statt. Der Kläger sei --unter Berücksichtigung der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.] als Einzelperson vergleichbar einer [X.] berechtigt, aus Rechnungen über von ihm bezogene Beratungsleistungen zum Zwecke der Vorbereitung und Errichtung einer Ein-Mann-GmbH den Vorsteuerabzug vorzunehmen. Es habe objektiv erkennbar die Absicht bestanden, mit der Ein-Mann-GmbH umsatzsteuerpflichtige Umsätze auszuführen. Dem Vorsteuerabzug stehe weder der Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze getätigt wurden, noch die Tatsache entgegen, dass es tatsächlich nicht zur Gründung der Ein-Mann-GmbH gekommen sei. Unerheblich sei auch, dass der Kläger bei Bezug der [X.] in der Gründungsphase nicht selbst als natürliche Person besteuerte Umsätze ausführen wollte. Es sei zudem mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht vereinbar, zwischen einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft ohne [X.] und einer Zwei-Mann-Kapitalgesellschaft mit [X.] zu unterscheiden.

4

Hiergegen wendet sich das [X.] mit seiner Revision. Anders als bei [X.] und GmbH blieben natürliche Person und GmbH stets unterschiedliche Steuersubjekte. Damit fehle es an der Vergleichbarkeit. Auch der Gesellschafter stehe der GmbH als Dritter gegenüber. Die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen könnten auch zur Einschätzung des Werts einer GmbH-Beteiligung gedient haben. Es hätten auch andere Gestaltungsmöglichkeiten für die Erlangung des Vorsteuerabzugs bestanden.

5

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Kläger ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

8

1. Der Vorsteuerabzug steht nach den insoweit übereinstimmenden Regelungen des nationalen Rechts wie auch des Unionsrechts nur Unternehmern ("Steuerpflichtigen") zu. So setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG einen Leistungsbezug durch einen Unternehmer für dessen Unternehmen voraus und berechtigt Art. 168 MwStSystRL den Steuerpflichtigen "für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze" zum Vorsteuerabzug.

9

2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer eigenen unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Er beabsichtigte nicht, als Einzelunternehmer eine derartige Tätigkeit aufzunehmen.

3. Der Kläger ist auch nicht als Gesellschafter einer zu gründenden GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist der Gesellschafter nur dann Unternehmer (Steuerpflichtiger), wenn er entgeltliche Leistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt (vgl. hierzu zuletzt [X.]-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 [X.], und [X.]/14 [X.], [X.]:[X.], Rz 19 ff.). Danach sind der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten, die den Gesellschafter zum Steuerpflichtigen (Unternehmer) machen, da der bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen darstellt. Anders ist es nur, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht und es sich hierbei um eine wirtschaftliche Tätigkeit gegen Entgelt handelt.

Hieran fehlt es im Streitfall. Nach den Feststellungen des [X.] beabsichtigte der Kläger nicht, gegenüber der zu gründenden GmbH entgeltliche Leistungen zu erbringen.

4. Der Kläger ist schließlich auch nicht aufgrund eines Übertragungsvorgangs auf eine zu gründende Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.

a) Nach der [X.]-Rechtsprechung kann das Recht auf Vorsteuerabzug auch im Zusammenhang mit Übertragungsvorgängen auf Gesellschaften bestehen.

aa) Nach dem [X.]-Urteil vom 29. April 2004 [X.]/02 [X.] ([X.]:[X.]) ist eine [X.] zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die [X.] ist Steuerpflichtige, da sie die Veräußerung der von ihr erworbenen Vermögensgegenstände auf die noch zu gründende Aktiengesellschaft bewirkt ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 26 und 30).

Damit die [X.] zudem "für die Zwecke ihrer besteuerten Umsätze" (Art. 168 MwStSystRL, und [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 31) handelt, reicht es aus, dass im Verhältnis zwischen [X.] und Aktiengesellschaft eine Geschäftsveräußerung vorliegt, aufgrund derer es zu einer Rechtsnachfolge kommt (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG und Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL), so dass die "[X.] als Übertragender die besteuerten Umsätze des Begünstigten der Übertragung, nämlich der Aktiengesellschaft, berücksichtigen" kann ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 42).

bb) Im Urteil vom 1. März 2012 [X.]/10 [X.] ([X.]:[X.]) hat der [X.] zu einem "Investitionsumsatz", bei dem es sich um die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft handelte, entschieden, dass Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden.

cc) Schließlich hat der [X.] im Urteil vom 13. März 2014 [X.]/13 [X.] ([X.]:C:2014:147) entschieden, dass die unentgeltliche Überlassung eines [X.] durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft anders als die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft nicht in den Anwendungsbereich der Steuer fällt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit ist ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2014:147, Rz 35; vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 26. August 2014 XI R 26/10, [X.], 269, unter II.2.). Nach dem Urteil des [X.] führt selbst der [X.] nicht zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des Vorsteuerabzugs ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2014:147, Rz 43).

b) Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung dieser [X.]-Rechtsprechung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Dabei scheitert der Vorsteuerabzug nicht daran, dass die Gründung der GmbH entgegen der ursprünglichen Planung des [X.] als künftiger GmbH-Gesellschafter unterblieben ist.

Maßgeblich ist vielmehr, dass die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen --anders als die Vermögensgegenstände in den [X.]-Urteilen [X.] ([X.]:[X.]) und [X.] ([X.]:[X.]) zugrunde liegenden [X.] auch im Fall einer tatsächlich gegründeten GmbH nicht auf die GmbH übertragbar waren. Durch die vom Kläger bezogenen Leistungen sind keine auf eine GmbH übertragbaren Vermögenswerte ("Investitionsgüter") entstanden.

Bestätigt wird dies durch das [X.]-Urteil [X.] ([X.]:C:2014:147), nach dem eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung kein Recht auf Vorsteuerabzug des Gesellschafters begründet. Dies gilt auch für denjenigen, der eine Gesellschaftsgründung zwar beabsichtigt, aber aufgrund des Scheiterns der Gesellschaftsgründung nicht Gesellschafter wird.

5. Das Urteil des [X.], das die [X.]-Rechtsprechung im Hinblick auf das Erfordernis einer Vermögensübertragung nicht zutreffend gewürdigt hat, ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Mangels Vermögensübertragung stellt sich die vom [X.] aufgeworfene Frage nach einer ggf. unzulässigen Differenzierung zwischen Ein-Mann-Kapitalgesellschaft ohne [X.] und Zwei-Mann-Kapitalgesellschaft mit [X.] im Streitfall nicht.

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

V R 8/15

11.11.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 30. Januar 2015, Az: 1 K 1523/14 U, Urteil

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, Art 168 EGRL 112/2006, UStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. V R 8/15 (REWIS RS 2015, 2542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2542

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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