Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.05.2017, Az. XI R 40/14

11. Senat | REWIS RS 2017, 10177

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Gegenstand

Kein Abzug anteiliger Vorsteuern aus der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes einer Lotsenbrüderschaft beim Seelotsen


Leitsatz

Umsatzsteuer auf von einer Lotsenbrüderschaft bezogene Eingangsleistungen, die sie zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Selbstverwaltungsaufgaben verwendet, kann der der Lotsenbrüderschaft zugehörige Seelotse nach anteiliger Umlegung auf ihn --auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer-- nicht als Vorsteuer abziehen .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. September 2014  4 K 53/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Seelotse, gehört der für das [X.] zuständigen [X.] ([X.]), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Seelotswesen ([X.]), an. Eine [X.] besteht aus den für dieses [X.] bestallten [X.] (§ 27 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Sie hat die ihr durch Gesetz oder Verordnung übertragenen Aufgaben zu erfüllen (§ 27 Abs. 2 Satz 1 [X.]) und im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des [X.]s zu wahren und zu fördern (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Die Ausgaben der [X.], die u.a. die Lotsgelder für Rechnung ihrer [X.] einnimmt und diese nach Abzug der anteiligen Ausgaben verteilt, werden von den Mitgliedern anteilmäßig getragen (§ 27 Abs. 3 [X.]).

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) hat die [X.] zur Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben Leistungen in Auftrag gegeben, für die ihr Vorsteuern in Höhe von insgesamt ... € in Rechnung gestellt wurden, wovon ... € auf laufende Verwaltungskosten und ... € auf die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes entfielen. Die davon im Rahmen der anteilmäßigen [X.] auf den einzelnen [X.] anteilig entfallenden Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € (laufende Verwaltungskosten) und ... € (Errichtung Verwaltungsgebäude) wurden in der Lotsgeldabrechnung für Dezember 2008 von dem jeweils auszuzahlenden Lotsgeld abgezogen.

3

Der Kläger machte diese der [X.] in Rechnung gestellten und (u.a.) auf ihn anteilig umgelegten Beträge in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2008 als Vorsteuern geltend.

4

Der frühere Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt [X.]) erkannte nur die auf den Kläger entfallende Vorsteuer aus den laufenden Verwaltungskosten als abziehbar an und lehnte den Abzug der anteiligen Vorsteuer aus der Gebäudeerrichtung ab.

5

Den hiergegen eingelegten Einspruch des [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück.

6

Die anschließende Klage hatte gleichfalls keinen Erfolg.

7

Das [X.] führte im Wesentlichen aus, der Kläger sei als Lotse und Mitglied der [X.] nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorsteuerabzugsberechtigt für [X.], die von der [X.] für die Erfüllung der ihr nach dem [X.] obliegenden Aufgaben verwendet würden. Diese [X.] hätten dem Tätigkeitsbereich der [X.] gedient und seien nicht "für das Unternehmen" des jeweiligen [X.] erbracht worden.

8

Aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer folge nichts anderes.

9

Das [X.]-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 87 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er rügt unzutreffende Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und des Art. 168 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

Der Kläger ist im [X.] der Ansicht, dass ihm der Vorsteuerabzug im Wege der (unionsrechtskonformen) Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nach Maßgabe des unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes und in entsprechender Anwendung der Urteile des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] vom 29. April 2004 [X.]/02 ([X.]:[X.], [X.] --UR-- 2004, 362) und [X.] vom 1. März 2012 [X.]/10 ([X.]:[X.], [X.], 366) zu gewähren sei.

Sein Vorsteuerabzugsrecht sei unzulässig eingeschränkt, da er nach §§ 27, 28 [X.] gezwungen sei, für seine zum vollen Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze wesentliche Vorleistungen von der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten [X.] zu beziehen, und dadurch endgültig mit den anteiligen nichtabziehbaren Vorsteuern der [X.] wirtschaftlich belastet sei.

Zwar sei die [X.] Auftraggeberin und in den Rechnungen ausgewiesene Leistungsempfängerin der in Rede stehenden [X.]. Dies schließe aber nicht aus, dass die unternehmerisch tätigen [X.] als Leistungsempfänger im umsatzsteuerrechtlichen Sinne anzusehen seien, wenn eine zivilrechtliche Gestaltung, die den Vorsteuerabzug ohne Probleme zugelassen hätte, unter den hier gegebenen Bedingungen des nationalen Rechts nicht möglich gewesen sei.

Auch der [X.] ([X.]) habe in seinen Urteilen vom 6. Oktober 2005 V R 40/01 ([X.]E 212, 138, [X.], 13) und vom 23. September 2009 XI R 14/08 ([X.]E 227, 218, [X.], 243) berücksichtigt, dass die Beteiligten rechtlich keine Möglichkeit gehabt hätten, eine im Hinblick auf den Vorsteuerabzug günstigere Gestaltung zu wählen.

Nach dem [X.] weise eine [X.] Ähnlichkeiten mit einer GbR auf und dürfe nach dem Grundsatz der [X.] nicht anders als eine nicht unternehmerisch tätige Personengesellschaft behandelt werden.

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 2 [X.], die unter dem [X.] auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig werde, dürfe die [X.] ihren [X.] keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Nach den Grundsätzen der [X.]-Urteile [X.] vom 29. Oktober 2015 [X.] ([X.]:[X.], [X.], 901) und [X.] vom 12. September 2013 [X.] ([X.]:C:2013:543, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2014, 59) bestünden jedoch Zweifel daran, ob eine [X.]brüderschaft eine nicht als Steuerpflichtige zu behandelnde "sonstige Einrichtung" i.S. von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2011 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 8. Februar 2010 dahingehend zu ändern, dass der Vorsteuerabzug um ... € erhöht wird, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Im Übrigen ist der Kläger der Ansicht, dass eine Vorlagepflicht i.S. von Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) bestehe, weil vorliegend die unionsrechtliche Rechtslage nicht hinreichend geklärt sei. Er beantragt, dem [X.] u.a. die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL einer nationalen Regelung wie § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 UStG a.F. entgegenstehen, wonach weder die [X.] noch die [X.] selbst ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitions- und laufende Verwaltungskosten, die bei der [X.] für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der [X.] angefallen seien, geltend machen können.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es hält die Vorentscheidung für zutreffend und führt im Wesentlichen aus, die [X.] sei hinsichtlich der in Rede stehenden [X.] auch als Leistungsempfängerin aufgetreten. Sie sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerfähig und insoweit selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie habe aber vorliegend keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, sondern im Rahmen mittelbarer Staatsverwaltung hoheitlich gewirkt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit [X.] vom 2. Juni 2017 ergänzend vorgetragen, der Betrieb und die Unterhaltung der Lotseinrichtungen gehöre nicht zu den Tätigkeiten der [X.]. Ferner macht der Kläger u.a. geltend, die meisten Kriterien, die der [X.] in seinem Urteil [X.] ([X.]:[X.], [X.], 901) für das Vorliegen einer sonstigen Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL aufgestellt habe, sprächen dagegen, dass die [X.] als solche beurteilt werden könne.

Entscheidungsgründe

II.

Im Streitfall hat zum 1. Juli 2016 ein gesetzlicher [X.] stattgefunden. Beklagter und [X.] ist nunmehr das [X.] Das Rubrum des Verfahrens war entsprechend zu ändern (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 16. Mai 2013 III R 8/11, [X.], 511, [X.], 1040, Rz 11; vom 5. September 2013 XI R 12/12, [X.], 404, [X.], 39).

III.

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, die der [X.] in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes anteilig als Vorsteuer abzuziehen.

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Vorsteuerabzug erfordert außerdem, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).

b) Der Kläger ist zwar Unternehmer und deshalb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ein [X.] geleitet nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater (§ 1 Satz 1 [X.]). Der für ein Seelotsrevier bestallte [X.] übt seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf (§ 21 Abs. 1 [X.]) in eigener Verantwortung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]) gegen Entgelt einschließlich der entstandenen Auslagen ([X.]) aus (§ 45 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

c) Die fraglichen [X.] wurden aber nicht [X.] von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG für das Unternehmen des jeweiligen [X.]n (anteilig) ausgeführt; die [X.]n waren nicht Leistungsempfänger der betreffenden Eingangsumsätze.

aa) Die Vorentscheidung ist zutreffend davon ausgegangen, dass Leistungsempfänger grundsätzlich derjenige ist, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.], 218, [X.], 243, Rz 23; vom 28. August 2013 XI R 4/11, [X.], 41, [X.], 282, Rz 34; vom 28. August 2014 V R 49/13, [X.], 283, [X.], 128, Rz 25; vom 20. Mai 2015 XI R 2/13, [X.], 546, [X.], 101, Rz 37; jeweils m.w.[X.]). Für die Bestimmung des Leistungsempfängers ist unbeachtlich, wer --wie das [X.] ebenso zutreffend erkannt [X.] zivilrechtlicher Eigentümer des bezogenen Leistungsgegenstands wird, wem die Leistung wirtschaftlich zuzuordnen ist oder wer die empfangene Leistung bezahlt hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 218, [X.], 243, Rz 23, m.w.[X.]).

bb) Das [X.] hat vor diesem Hintergrund in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die [X.], die Partei der den fraglichen [X.] zugrunde liegenden Schuldverhältnisse war und an die als Anspruchsberechtigte auch tatsächlich geleistet wurde, hinsichtlich dieser Umsätze auch als Leistungsempfängerin anzusehen ist.

cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind zwar bei gemeinschaftlicher Bestellung durch eine Bruchteilsgemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und die selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit [X.] der Mehrwertsteuerrichtlinie ausübt, die Miteigentümer als Leistungsempfänger anzusehen (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 283, [X.], 128, m.w.[X.]). Ein vergleichbarer Fall liegt hier [X.] als der Kläger meint-- aber nicht vor. Denn die [X.]n haben die Aufträge für die fraglichen [X.] schon nicht gemeinschaftlich erteilt. Die Auftragserteilung erfolgte allein durch die [X.], was im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht.

Aus gleichem Grund ist auch der vom Kläger angeführte Fall des unternehmerisch tätigen Ehegatten, der den anteiligen Vorsteuerabzug aus den von den Ehegatten bezogenen Bauleistungen beanspruchen kann, soweit der seinem Unternehmen zugeordnete Anteil am Gebäude seinen Miteigentumsanteil nicht übersteigt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 212, 138, [X.], 13, Leitsatz 2), nicht vergleichbar. Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer ist als Ehegatte auch [X.] als der Kläger im [X.] Empfänger der mit der Mehrwertsteuer belasteten Eingangsumsätze (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 212, 138, [X.], 13, unter [X.], Rz 25).

d) Die mit Mehrwertsteuer belasteten und von der [X.] bezogenen Eingangsumsätze werden außerdem nicht von den [X.]n für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet.

Sie dienen --wie das [X.] festgestellt [X.] der Erfüllung der der [X.] obliegenden [X.]. Diese Feststellung und Würdigung des [X.] hat der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie für den [X.] [X.] von § 118 Abs. 2 [X.]O bindend sind (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 6. September 2016 IX R 44/14, [X.]E 255, 148, [X.]/NV 2017, 191, Rz 28). Die von den [X.]n im Rahmen des § 27 Abs. 3 [X.] anteilig zu tragende Umsatzsteuer wird mithin nicht aufgrund der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeit derselben geschuldet oder entrichtet.

e) Auch wurden die fraglichen [X.] den [X.]n nicht [X.] von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG in Rechnung gestellt.

Sie sind mithin nicht im Besitz einer Rechnung, die ihren jeweiligen Namen als Erwerber oder Dienstleistungsempfänger enthält, um das Vorsteuerabzugsrecht ausüben zu können (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil [X.][X.] vom 4. Mai 2017 [X.]/15, [X.]:[X.], [X.] --[X.]-- 2017, 362, Rz 67; ferner [X.]-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15, [X.]E 255, 348, [X.], 60, Rz 10 ff.).

2. Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht ist den [X.]n nicht im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ein Recht auf anteiligen Vorsteuerabzug zu gewähren.

a) Der [X.] hat mit [X.] ([X.]:[X.], [X.], 362, Rz 41 f.) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, dessen einziger Gesellschaftszweck die Vorbereitung der wirtschaftlichen Tätigkeit eines anderen Steuerpflichtigen ist und der keinen steuerbaren Umsatz bewirkt hat, in Anwendung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer ein Recht auf Abzug im Zusammenhang mit steuerbaren Umsätzen geltend machen kann, die von dem zweiten Steuerpflichtigen bewirkt wurden. Diese Entscheidung des [X.] betraf einen Fall, in dem sich die Mehrwertsteuer, die der erste Steuerpflichtige abziehen wollte, auf Leistungen bezog, die dieser in Anspruch genommen hatte, um beabsichtigte steuerbare Umsätze des zweiten Steuerpflichtigen zu ermöglichen (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.], 366, Rz 33).

Im Streitfall haben die [X.]n, die ein Recht auf Vorsteuerabzug beanspruchen, dagegen keine Leistungen bezogen. Zudem wurden die Eingangsumsätze für eine (ggf. nicht wirtschaftliche) Tätigkeit der [X.] verwendet.

b) Nach dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.], [X.], 366, Rz 38) sind die Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft selbst ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden.

aa) Danach können die Gesellschafter einer Gesellschaft in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie vor Eintragung und mehrwertsteuerlicher Erfassung ihrer Gesellschaft Investitionen getätigt haben, die für die künftige Nutzung des Grundstücks durch die Gesellschaft erforderlich sind, als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden, und sind daher grundsätzlich befugt, ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend zu machen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.], 366, Rz 31).

Abweichend hiervon haben die [X.]n keine Leistungen bezogen, sondern (nur) gemäß § 27 Abs. 3 [X.] die Aufwendungen der [X.] für die Gebäudeerrichtung und laufende Verwaltung anteilig getragen. Dies (allein) gibt kein Recht auf Vorsteuerabzug. Zudem liegt --wie [X.] eine Verwendung für (ggf. nicht wirtschaftliche) Zwecke der [X.] vor.

bb) Im Übrigen wäre die [X.] selbst zum Abzug der betreffenden Vorsteuerbeträge berechtigt, wenn sie --was mit der Vorentscheidung im Streitfall unentschieden bleiben kann, weil die [X.] keinen Vorsteuerabzug geltend macht-- als Unternehmerin gehandelt hätte.

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts --wie die in § 27 Abs. 1 Satz 2 [X.] als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausdrücklich bezeichnete [X.]-- war nach dem für das Streitjahr maßgebenden § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage ausübte. Erfolgte ihre Tätigkeit --wie im Streitfall nach Maßgabe des [X.] dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, war sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 1. Dezember 2011 V R 1/11, [X.]E 236, 235, [X.]/NV 2012, 534, Rz 15; vom 14. März 2012 XI R 8/10, [X.]/NV 2012, 1667, Rz 28; vom 13. Februar 2014 V R 5/13, [X.]E 245, 92, [X.]/NV 2014, 1159, Rz 15; vom 10. Februar 2016 XI R 26/13, [X.]E 252, 538, [X.]/NV 2016, 865, Rz 34; jeweils m.w.[X.]). Abhängig von der Frage, ob größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen oder nicht, könnte die [X.] mithin selbst den Vorsteuerabzug aus den fraglichen Eingangsumsätzen geltend machen, so dass für diesen Fall die nationalen Vorschriften das Recht auf den betreffenden Vorsteuerabzug schon nicht ausschließen würden.

cc) Selbst wenn die [X.] dagegen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre, könnten die [X.]n den anteiligen Vorsteuerabzug nicht beanspruchen. Denn die von ihnen im Rahmen der anteilmäßigen Ausgabentragung [X.] von § 27 Abs. 3 [X.] an die [X.] gezahlte Mehrwertsteuer wäre in diesem Fall schon nicht zum Zwecke und im Hinblick auf eine wirtschaftliche Tätigkeit der [X.]n getragen worden.

Die Ansicht des [X.], die [X.] sei "aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die Tätigkeit und Umsatzerzielung der Lotsen ein Vehikel der gemeinsamen Umsatzerzielung der [X.]n", berücksichtigt nicht hinreichend, dass eine [X.] nach ihrer gesetzlichen Aufgabenbeschreibung "im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des [X.]nreviers" (nicht die Belange der [X.]n) "zu wahren und zu fördern" hat (§ 27 Abs. 2 [X.]) und damit nach Auffassung des [X.]s jedenfalls in erster Linie der "Sicherheit der Schiffahrt" (§ 2 [X.]) --und damit der Gefahrenabwehr-- dient.

c) Aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität lässt sich nichts für die Rechtsansicht des [X.] herleiten.

aa) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität spiegelt sich in der Regelung über den Vorsteuerabzug wider, die den Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlasten soll, weshalb das gemeinsame Mehrwertsteuersystem eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. z.B. [X.]-Urteile [X.] vom 13. März 2014 [X.]/13, [X.]:C:2014:147, [X.], 353, Rz 41; [X.] vom 22. Oktober 2015 [X.]/14, [X.]:[X.], [X.], 917, Rz 27; jeweils m.w.[X.]).

bb) Auch danach können die unternehmerisch tätigen [X.]n den anteiligen Abzug der fraglichen Vorsteuern nicht beanspruchen. Denn die mit Mehrwertsteuer belasteten und von der [X.] bezogenen Eingangsumsätze werden nicht von den [X.]n für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet. Sie dienen --wie bereits ausgeführt-- der Erfüllung der der [X.] nach dem [X.] obliegenden Aufgaben, so dass die von dem einzelnen [X.]n anteilig zu tragende Steuer nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldet oder entrichtet wird.

Im Übrigen ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität keine Regel des Primärrechts, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz anzuwenden ist, den er einschränkt. Er erlaubt es daher nicht, den Anwendungsbereich des [X.] gegenüber einer eindeutigen Bestimmung --wie im Streitfall Art. 168 Buchst. a MwStSystRL-- auszuweiten (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2014:147, [X.], 353, Rz 43, Sätze 1 und 2).

Entgegen der Ansicht des [X.] rechtfertigt der Hinweis des [X.] in Rz 43 Satz 3 seines Urteils [X.] ([X.]:C:2014:147, [X.], 353) auf das [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.], [X.], 366) keine andere Beurteilung. Denn die Ausführungen des [X.] im Urteil [X.] sind --wie [X.] angesichts der hier gegebenen anderweitigen Sach- und Rechtslage nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragbar.

cc) Außerdem verstößt es nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, den Mitgliedern eines Zusammenschlusses gemäß Art. 168 Buchst. a MwStSystRL ein Abzugsrecht für die Mehrwertsteuer zu verweigern, die von diesem Zusammenschluss im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen des Zusammenschlusses, die gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerbefreit sind und somit keinerlei Abzugsrecht verleihen, gezahlt worden ist (vgl. [X.]-Urteil [X.][X.], [X.]:[X.], [X.] 2017, 362, Rz 66). Vorliegend kann für die grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigten [X.]n als Mitglieder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts [X.] von § 27 Abs. 1 Satz 2 [X.] nichts anderes gelten, falls diese Körperschaft nicht selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Deshalb rechtfertigt auch der vom Kläger ferner angesprochene Grundsatz der [X.] kein anderes Ergebnis. Im Übrigen wird die [X.] als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber anderen privatrechtlichen Gesellschaftsformen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit [X.] von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ausüben, jedenfalls nicht schlechter behandelt.

d) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob die [X.] --was der Kläger unter Hinweis auf die [X.]-Urteile Saudacor ([X.]:[X.], [X.], 901) und [X.] ([X.]:C:2013:543, NVwZ 2014, 59) entgegen dem [X.] für fraglich hält-- als sonstige Einrichtung [X.] von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL, die nicht als Steuerpflichtige zu behandeln ist, beurteilt werden kann.

Selbst wenn die [X.] keine sonstige Einrichtung im vorgenannten Sinne, sondern Unternehmerin wäre, stünde unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Vorsteuerabzug ihr, nicht jedoch den [X.]n zu.

3. Die vom Kläger beantragte Vorlage an den [X.] scheidet aus, weil die unionsrechtliche Rechtslage zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs u.a. durch die [X.]-Urteile Faxworld ([X.]:[X.], [X.], 362), [X.] ([X.]:[X.], [X.], 366), [X.] ([X.]:C:2014:147, [X.], 353) und [X.][X.] ([X.]:[X.], [X.] 2017, 362) hinreichend geklärt ist.

Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V besteht danach nicht (vgl. dazu z.B. Beschlüsse des [X.] vom 30. August 2010  1 BvR 1631/08, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 288, unter B.[X.]; vom 6. September 2016  1 BvR 1305/13, NVwZ 2017, 53, Rz 7; ferner [X.]-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII K 1/16, [X.]E 254, 481, [X.], 198, Rz 26 ff.; jeweils m.w.[X.]). Allein der Umstand, dass der [X.] einen Fall wie den vorliegenden noch nicht entschieden hat, rechtfertigt --entgegen der Ansicht des [X.]-- keine [X.]-Vorlage (vgl. dazu auch Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 119 [X.]O Rz 114, m.w.[X.]).

4. Die mündliche Verhandlung war nach dem Eingang des Schriftsatzes vom 2. Juni 2017 nicht wiederzueröffnen.

a) Nach § 121 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 2 [X.]O hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob eine bereits geschlossene mündliche Verhandlung wiedereröffnet wird. Das Ermessen ist allerdings auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung der Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, z.B. weil anderenfalls der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt oder die Sachaufklärung unzureichend ist (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 5. November 2014 IV R 30/11, [X.]E 248, 81, [X.], 601, Rz 49, m.w.[X.]).

b) Zu einer solchen Entscheidung gibt der nach Schließung der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2017 beim [X.] eingegangene Schriftsatz des [X.] vom selben Tag keine Veranlassung. Der [X.] kommt --wie [X.] auch unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Ausführungen zu keinem anderen Entscheidungsergebnis.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 40/14

31.05.2017

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 10. September 2014, Az: 4 K 53/11, Urteil

§ 2 Abs 3 UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 1 SeelotG, § 2 SeelotG, § 21 Abs 1 SeelotG, § 21 Abs 2 SeelotG, § 27 SeelotG, § 28 SeelotG, § 45 Abs 1 S 2 SeelotG, Art 9 EGRL 112/2006, Art 168 EGRL 112/2006, Art 169 EGRL 112/2006, § 93 Abs 3 S 2 FGO, UStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.05.2017, Az. XI R 40/14 (REWIS RS 2017, 10177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10177

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 K 2565/16 (FG München)

Rückwirkende Berichtigung von Rechnungen ohne Angabe der Steuernummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden


XI R 28/18 (Bundesfinanzhof)

Rechnungsangaben beim Vorsteuerabzug - handelsübliche Bezeichnung


Referenzen
Wird zitiert von

14 K 2411/21

2 K 894/16

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