Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. 9 C 2/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 7405

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Gegenstand

Für Um- und Ausbau öffentlicher Straßen erhobene Beiträge; Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Für den Um- und Ausbau öffentlicher Straßen dürfen Beiträge von den Grundstückseigentümern erhoben werden, denen die Inanspruchnahme der Straße Vorteile bietet. Unter Berücksichtigung möglicher Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall hängt die Verfassungsmäßigkeit solcher Beiträge nicht davon ab, dass der Gesetzgeber eine generelle Obergrenze der Beitragshöhe festgelegt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf einen Straßenbeitrag nach [X.] Landesrecht.

2

Er und seine Ehefrau sind mit einem Anteil von 157/1 000 Miteigentümer des mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücks [X.] ... im Stadtgebiet der Beklagten. [X.] beschloss die Beklagte, die 1966 hergestellte Straße von Grund auf zu erneuern und teilweise umzugestalten. Die Arbeiten wurden im [X.] 2013 begonnen und im [X.] 2016 abgeschlossen. Den Anliegern gegenüber wurden sie noch nicht endgültig abgerechnet.

3

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 forderte die Beklagte vom Kläger als Gesamtschuldner eine Vorausleistung in Höhe von 1 700 €. Ausgehend von geschätzten Gesamtkosten von ca. 2,8 Mio. €, abzüglich eines Kostenanteils der Stadtwerke von 140 000 € und eines Eigenanteils der Beklagten in Höhe von 50 % des Restbetrages, entspricht die geforderte Vorausleistung knapp der Hälfte des damals angenommenen Beitrags.

4

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, die Sanierung der Straßen müsse aus Steuermitteln finanziert werden. [X.] ohne gesetzliche Obergrenze brächten unkalkulierbare finanzielle Risiken für Straßenanlieger mit sich.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge werde durch einen grundstücksbezogenen Sondervorteil gerechtfertigt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange keine - absolute oder relativ zum Grundstückswert festgelegte - Obergrenze des [X.]. Eine erdrosselnde Wirkung sei mit der Beitragserhebung regelmäßig nicht verbunden. Zur Vermeidung besonderer Härtefälle seien Stundungs- und gegebenenfalls weitergehende [X.] vorgesehen. Auch die Rechtsanwendung im vorliegenden Fall begegne keinen Bedenken.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen, die der Kläger mit Zustimmung der Beklagten eingelegt hat. Zur Begründung führt er aus, die Erhebung von [X.]n sei für die betroffenen Grundstückseigentümer nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig unzumutbar. Insbesondere junge Familien, aber auch alte Menschen mit überschaubarer Rente würden durch die Belastung überfordert. Mit der Bodenwertsteigerung der letzten Jahrzehnte sei keine entsprechende Erhöhung der Einkommen verbunden gewesen. Straßenbeiträge würden nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in ländlichen Regionen erhoben. Dort seien die Bodenwerte, nicht aber die Straßenbaukosten, erheblich geringer. Keinesfalls sei den Eigentümern zuzumuten, ihr Grundeigentum zu veräußern, nur um den Beitrag bezahlen zu können. Die Möglichkeit einer Ratenzahlung bewirke keine signifikante Entlastung; [X.] seien nur in einzelnen Härtefällen zulässig. Als möglicher Ausweg biete sich eine Obergrenze für Straßenbeiträge an, gekoppelt etwa an die Grundsteuer. Zu Unrecht fehle es im [X.] [X.]recht an derartigen Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger Lasten.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2017, berichtigt durch Beschluss vom 9. Juni 2017, zu ändern und den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2015 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das Urteil des [X.].

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist zulässig (§ 134 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der angefochtene Vorausleistungsbescheid auf § 11 des ([X.]) Gesetzes über kommunale Abgaben - [X.] H[X.] - in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 24. März 2013 (GVBl. S. 134) in Verbindung mit der [X.] der Beklagten - [X.] - gestützt werden kann.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] H[X.] sollen die Gemeinden für den Umbau und Ausbau der öffentlichen [X.]n, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen), der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben. [X.] sind die Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht nur vorübergehende Vorteile bietet (§ 11 Abs. 1 Satz 4 [X.] H[X.]). Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. Vom Aufwand bleiben mindestens 25 % außer Ansatz, wenn die Verkehrsanlage überwiegend dem Anliegerverkehr, mindestens 50 %, wenn sie überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr, und mindestens 75 %, wenn sie überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient (§ 11 Abs. 4 und 5 [X.] H[X.]). Die Beitragspflicht entsteht mit Fertigstellung; Vorausleistungen können ab Beginn der beitragsfähigen Maßnahme erhoben werden (§ 11 Abs. 8 und 10 [X.] H[X.]).

2. [X.]in [X.]nbaubeitrag ist grundsätzlich als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter gerechtfertigt. [X.]r genügt den Anforderungen, welche die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben stellt.

Im Gegensatz zu den Steuern, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung erhoben werden, sind Abgaben, die einen Sondervorteil ausgleichen sollen, als Vorzugslast zulässig. Darunter fallen Gebühren und Beiträge. Während Gebühren die Kosten individuell zurechenbarer Leistungen ganz oder teilweise decken sollen, gelten Beiträge die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen [X.]inrichtung ab. Der [X.]nbaubeitrag wird zur Finanzierung des [X.] oder -umbaus, also für einen besonderen Finanzbedarf, gegenleistungsbezogen erhoben ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - [X.][X.] 137, 1 Rn. 38 ff.).

3. Die Heranziehung zu [X.]nbaubeiträgen nach Maßgabe des § 11 [X.] H[X.] verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Gebot der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit.

Bei der Auswahl der Abgabengegenstände und -maßstäbe verfügt der Gesetzgeber über einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen allerdings zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen einer über den Zweck der [X.]innahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen [X.]en und Nichtbeitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Da [X.]nausbaubeiträge grundstücksbezogen erhoben werden, können nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren [X.]igentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten [X.]n in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem Nutzen der Allgemeinheit unterscheidet. [X.]in derartiger Sondervorteil kann in einer [X.]rhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks bestehen; eine messbare Steigerung seines Verkehrswertes ist nicht erforderlich ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - [X.][X.] 137, 1 Rn. 51 ff.).

Der durch den [X.]nbaubeitrag ausgeglichene Sondervorteil des Grundstückseigentümers besteht in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer öffentlichen Verkehrsanlage. [X.] wird nicht die schlichte, auch der Allgemeinheit zustehende [X.]nbenutzungsmöglichkeit, sondern die einem Grundstück, insbesondere einem solchen mit Baulandqualität, zugutekommende [X.]rhaltung der wegemäßigen [X.]rschließung. Dieser Vorteil ist geeignet, den Gebrauchswert der begünstigten Grundstücke positiv zu beeinflussen; er ist ihnen individuell zurechenbar ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - [X.][X.] 137, 1 Rn. 56, 58 f.; a.[X.], BayVBl. 2018, 229 <232 f.>). Diese Grundsätze gelten sogar für einen wiederkehrenden Beitrag, bei dem es wegen der Größe des [X.] an einem funktionalen Zusammenhang zwischen den Verkehrsanlagen und den beitragspflichtigen Grundstücken fehlt ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 a.a.[X.] Rn. 54, 64). Sie gelten erst recht für den auf eine bestimmte [X.]rschließungsstraße bezogenen einmaligen [X.]nbaubeitrag, den gerade ein solcher Zusammenhang kennzeichnet.

Der die Beitragspflicht begründende Vorteil muss entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht im jeweiligen [X.]inzelfall konkret quantifiziert werden (ebenso [X.], Urteil vom 27. März 2017 - 9 [X.]/15 - [X.] 2017, 136 = juris Rn. 39). Vielmehr reicht es im Rahmen des weiten, dem Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraums aus, dass die Beklagte ihren den Allgemeinnutzen abbildenden [X.]igenanteil in Abgrenzung zum grundstücksbezogenen Sondervorteil je nach der Verkehrsbedeutung der [X.] pauschal auf 25 %, 50 % bzw. 75 % festgelegt hat (§ 4 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 11 Abs. 4 [X.] H[X.]).

4. Die gesetzliche [X.]rmächtigungsgrundlage für den Beitrag in § 11 Abs. 1 [X.] H[X.] verstößt nicht deshalb gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, weil es an einer allgemeinen gesetzlichen Obergrenze für die Beitragshöhe fehlt. Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die [X.]rhebung von [X.]nbaubeiträgen einen [X.]ingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar. Dieser begegnet aber auch ohne allgemeine Obergrenze keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Unabhängig davon, ob die Belastung der Grundstückseigentümer mit einem Beitrag, der als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 11 Abs. 11 [X.] H[X.]), stets in den Schutzbereich des [X.]igentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreift oder grundsätzlich an der subsidiären Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist (offen lassend: [X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - [X.][X.] 137, 1 Rn. 37; s. auch Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - [X.][X.] 135, 126 Rn. 42 ff., jeweils m.w.[X.]), verletzt sie Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls dann, wenn sie eine erdrosselnde Wirkung entfaltet. [X.] ist das Ausmaß des - grundstücksbezogenen - [X.]nbaubeitrags dann, wenn dieser die Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Steuer- und Abgabenlast zur Aufgabe des [X.] zwingt. In diesem Zusammenhang reicht es allerdings nicht, wenn die Abgabe lediglich einzelne Betroffene derart extrem belastet. Von einer erdrosselnden Wirkung kann vielmehr nur die Rede sein, wenn dieser [X.]ffekt regelmäßig eintritt ([X.], Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - [X.][X.] 95, 267 <300 f.>; Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 - [X.][X.] 115, 97 <113, 115>).

Mit einer in diesem Sinn regelmäßig erdrosselnden Wirkung ist die [X.]rhebung von [X.]nbaubeiträgen auf der Grundlage des § 11 [X.] H[X.] nicht verbunden. Belege für die gegenteilige Behauptung des [X.] sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Senat hat die Beteiligten vielmehr auf eine Stellungnahme des [X.] an den [X.] vom 7. März 2018 hingewiesen. Danach ist in der jahrzehntelangen Beratungspraxis dieses Verbandes kein einziger Fall bekannt geworden, in dem Grundstückseigentümer aufgrund der [X.]rhebung von [X.] das eigengenutzte Grundstück hätten zwangsveräußern müssen. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt das erkennbar an einer Reihe von Vorschriften, die Vorsorge gegen eine übermäßige Beitragsbelastung treffen.

aa) So ist der Umbau bzw. Ausbau kommunaler [X.]n schon nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] H[X.] nur beitragspflichtig, soweit die Maßnahmen über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgehen. Die Voraussetzungen beitragspflichtiger [X.]nbaumaßnahmen sind in der Rechtsprechung des [X.], der für die Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen zuständig ist, hinreichend geklärt. Danach sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Der verändernde Um- und Ausbau mit dem Ziel einer verkehrstechnischen Verbesserung knüpft - unabhängig von der normalen Nutzungsdauer der [X.] - an ein konkretes Verbesserungsbedürfnis nach Maßgabe der jeweils bestehenden Verkehrssituation an und ist von daher besonders rechtfertigungsbedürftig. Demgegenüber kennzeichnet den Umbau in Form der schlichten [X.]rneuerung, dass ohne wesentliche bauliche Änderung oder Umgestaltung lediglich der alte, abgenutzte [X.]nbestand ersetzt wird. In dieser Konstellation setzt die Beitragserhebung zur Abgrenzung von bloßen Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten den Ablauf der normalen Nutzungsdauer voraus ([X.], Urteil vom 30. Januar 1991 - 5 U[X.] 2831/88 - NVwZ-RR 1992, 100; Beschluss vom 8. Januar 2018 - 5 A 1551/17.Z - juris Rn. 6). Wie sich mittelbar auch aus § 11a Abs. 6 Satz 3 und 4 [X.] H[X.] erschließt, liegt diese Nutzungsdauer bei rund 25 Jahren ([X.], Urteil vom 12. Januar 2018 - 8 A 1485/13 - juris Rn. 52).

Die Voraussetzung, dass der Umbau oder Ausbau der [X.] - sowohl im Fall der grundlegenden [X.]rneuerung als auch in dem der Verbesserung - stets erforderlich sein muss, erstreckt sich auch und gerade auf den Kostenaufwand und verhindert so eine "Luxussanierung" auf Kosten der [X.]en (vgl. auch [X.], [X.]rschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 44; [X.], in: [X.], Handbuch [X.], 2016, [X.]. [X.] Rn. 420 f.). Diese sind berechtigt, in die [X.] und die [X.] [X.]insicht zu nehmen (§ 11 Abs. 9 [X.] H[X.]), und können somit gegebenenfalls konkrete [X.]inwände erheben. Die [X.] hat zudem stets einen [X.]igenanteil an den Kosten der Baumaßnahme zu tragen, der, wie oben bereits erwähnt, je nach der Verkehrsbedeutung der [X.] zwischen mindestens 25 % und mindestens 75 % beträgt (§ 11 Abs. 4 [X.] H[X.]). Dieser [X.]igenanteil in Verbindung mit dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung hat einen disziplinierenden [X.]influss auf die Gemeinde.

Schließlich fördert die Anknüpfung der Beitragshöhe an den Vorteil, wie schon vom Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt, typischerweise eine Korrelation zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Grundstückseigentümer und wirkt so einer flächendeckenden Überforderung tendenziell entgegen. Das gilt zumal in Anbetracht des im angefochtenen Urteil ebenfalls bereits hervorgehobenen planerischen und verwaltungstechnischen Vorlaufs, der mit der Beitragserhebung regelmäßig verbunden ist. Werden die [X.]en schon frühzeitig über die bevorstehende [X.]nbaumaßnahme informiert, können sie rechtzeitig Rücklagen bilden. Damit sind sie in der Lage, die vorhersehbare Belastung schon von sich aus zeitlich angemessen zu verteilen.

bb) Davon abgesehen trägt die besondere - auf Vorausleistungen entsprechend anwendbare - [X.] (§ 11 Abs. 12, 13 [X.] H[X.]) wesentlich zur Abwendung übermäßiger Belastungen bei. Nach dieser Regelung, die nicht auf einzelne Härtefälle beschränkt ist, sondern lediglich (in der hier noch anwendbaren Fassung von 2013) den Nachweis eines berechtigten Interesses voraussetzt, soll auf Antrag eine Zahlung in bis zu fünf Jahresraten eingeräumt werden. Der Antrag ist vor Fälligkeit des Beitrags, also vor Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides, zu stellen (§ 2 [X.] H[X.] i.V.m. § 18 [X.]). Damit ist eine hinreichende Bedenkzeit gewährleistet, zumal die Beitragsveranlagung regelmäßig eine vorherige Anhörung voraussetzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] H[X.] i.V.m. § 91 [X.]).

Diese Stundungsvorschrift, die neben dem auf Härtefälle begrenzten Stundungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a [X.] H[X.] i.V.m. § 222 [X.] Anwendung findet (vgl. [X.]. 18/5453 S. 20), ist in mancher Hinsicht günstiger als dieser. Während die Stundungszinsen nach § 234, § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] jährlich 6 % betragen, liegt der Zinssatz nach § 11 Abs. 12 Satz 4 [X.] H[X.] bei höchstens 3 % über dem Basiszinssatz und kann überdies, anders als der feste Zinssatz des § 238 [X.], nach [X.]rmessen der [X.] weiter gesenkt werden. Nach § 11 Abs. 12 Satz 6 [X.] H[X.] sind zudem die Jahresraten wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Damit soll erreicht werden, dass nicht die gesamte Beitragssumme als vorgehende Last im Sinne dieser Vorschrift gilt, damit gerade bei höheren Beiträgen noch ein Beleihungsspielraum verbleibt (vgl. auch dazu [X.]. 18/5453 S. 20). Die soeben in [X.] getretene Neufassung des § 11 Abs. 12 [X.] H[X.] (Gesetz zur Neuregelung der [X.]rhebung von [X.] vom 28. Mai 2018, GVBl. [X.]) hat die [X.] noch einmal deutlich ausgeweitet. Ohne den Nachweis eines berechtigten Interesses ermöglicht sie nunmehr bis zu 20 Jahresraten; der Zinssatz liegt nur noch bei höchstens 1 % über dem Basiszinssatz.

b) Soweit trotz dieser im Gesetz generell getroffenen Vorkehrungen eine unbillige Härte im [X.]inzelfall besteht, ist ihr durch [X.] nach § 163 Abs. 1 Satz 1, § 227, § 234 Abs. 2 [X.] (i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, Nr. 5 Buchst. a und b [X.] H[X.]) Rechnung zu tragen. Solche Maßnahmen dürfen zwar nicht die dem gesetzlichen Abgabentatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren. Sie können aber geboten sein, wenn ein Gesetz, das in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, in [X.]inzelfällen zu Grundrechtsverstößen führt. Sie sind mithin geeignet, einem ungewollten Überhang des [X.] abzuhelfen. Die Möglichkeit von [X.] im [X.]inzelfall kann so dazu beitragen, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes insgesamt zu gewährleisten (stRspr, s. zuletzt [X.], [X.] vom 28. Februar 2017 - 1 BvR 1103/15 - juris Rn. 11 f. sowie vorgehend [X.], Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - [X.][X.] 151, 255 Rn. 13, jeweils m.w.[X.]).

[X.]ine Billigkeitsmaßnahme setzt stets einen besonderen Grund voraus. Neben einem sachlichen, auf eine besondere Grundstücks- bzw. Vorteilslage bezogenen Billigkeitsgrund (vgl. etwa [X.], [X.], § 8 Rn. 38, Stand September 2017) kommt insoweit ein persönlicher Billigkeitsgrund in Betracht. Die [X.]rhebung des Beitrags ist aus persönlichen Gründen unbillig, wenn sie die Fortführung der wirtschaftlichen [X.]xistenz des [X.]en gefährden würde. Vorrangig hat dieser allerdings alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um die Beitragsforderung zu begleichen ([X.], Beschluss vom 16. Juni 2011 - 6 [X.] 11.248 - juris Rn. 5; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. August 1990 - 8 C 42.88 - [X.] 401.0 § 222 [X.] Nr. 1 S. 5; [X.], Beschluss vom 29. September 1994 - [X.]/94 - [X.]/NV 1995, 370 = juris Rn. 64). Unter Berücksichtigung dessen kann ein persönlicher Billigkeitsgrund nach Lage des [X.]inzelfalls insbesondere dann gegeben sein, wenn der [X.]igentümer sein Wohngrundstück, das den wesentlichen Teil seines Vermögens bildet, aufgrund der Beitragsbelastung unverschuldet aufgeben müsste (so in anderem Zusammenhang [X.], Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 - [X.][X.] 102, 1 <21 f.>).

Liegt ein persönlicher Billigkeitsgrund vor, wird vorrangig eine Maßnahme entsprechend § 234 Abs. 2 [X.] in Betracht zu ziehen sein. Nach dieser Vorschrift, die dem § 227 [X.] vorgeht ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, § 234 [X.] Rn. 20, Stand Februar 2015; [X.], in: Tipke/[X.], [X.]/FGO, § 234 [X.] Rn. 12, Stand Januar 2016, jeweils m.w.[X.]), kann auf Stundungszinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre [X.]rhebung im [X.]inzelfall unbillig wäre. Das ist deshalb von Bedeutung, weil nach der allgemeinen [X.] (§ 222 [X.]) die, wie schon erwähnt, neben § 11 Abs. 12 [X.] H[X.] tritt, die Zahl der Jahresraten nicht begrenzt, der Zinssatz allerdings generell auf jährlich 6 % festgelegt ist (§ 238 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Soweit durch eine besondere Härte geboten, eröffnet § 234 Abs. 2 [X.] die Möglichkeit, die Zinslast trotz (noch weiter) gestreckter Jahresraten zu beseitigen oder auf ein individuell erträgliches Maß zu senken. Sollte auch der [X.] zur Vermeidung einer unbilligen Härte im [X.]inzelfall nicht ausreichen, ermöglicht der - ebenfalls entsprechend anwendbare - § 227 [X.] den teilweisen oder sogar vollständigen [X.]rlass der [X.] selbst.

Das Gesamtsystem aus Beitragspflicht im Regelfall und [X.] im Ausnahmefall ist auch nicht deshalb defizitär, weil abgrenzbare "Gruppenausnahmen", die im Interesse eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges gegebenenfalls normierungsbedürftig sein könnten (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - [X.][X.] 151, 255 Rn. 27), zu Unrecht ungeregelt geblieben wären. Die vom Kläger angeführten Gruppen etwaiger Härtefälle (junge Familien, alte Menschen jenseits des [X.]rwerbslebens, [X.]igentümer von Grundstücken mit geringen Bodenwerten in ländlichen Regionen) sind nicht hinreichend homogen. Andere generalisierend regelungsfähige und -bedürftige Fallgruppen sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Unter Berücksichtigung dessen enthält das Gesetz eine ausgewogene Regelung, die die verfassungsrechtliche Grenze des [X.] insgesamt einhält. Ob sich der zuständige Landesgesetzgeber gleichwohl entschließt, die [X.]nbaubeiträge ganz abzuschaffen oder in ihrer Höhe allgemein zu begrenzen, liegt in seinem rechtspolitischen [X.]rmessen.

5. Die Anwendung des insgesamt verfassungskonformen § 11 [X.] H[X.] auf den vorliegenden Fall ist schließlich von Bundesrechts wegen ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit hat das Verwaltungsgericht sowohl die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen als auch die nach Maßgabe des Landesrechts erforderlichen rechtlichen [X.]rwägungen angestellt. Danach hatte die M. [X.] vor der Ausbaumaßnahme die übliche Nutzungsdauer einer Ortsstraße von bis zu 25 Jahren mit nahezu 50 Jahren weit überschritten. Die der Vorausleistung zugrunde liegende Schätzung der Kosten einschließlich des Anteils der Stadtwerke daran ist - unbeschadet bestimmter Abweichungen von den später ermittelten realen Kosten - nach den Darlegungen des [X.] rechtlich vertretbar. Nach dem angefochtenen Urteil ist schließlich der Gemeindeanteil für die überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dienende M. [X.] zutreffend auf 50 % festgesetzt worden (§ 4 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 11 Abs. 4 [X.] H[X.]). Den diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz, gegen die Verfahrensrügen ohnehin ausscheiden (§ 134 Abs. 4 VwGO), ist die Revision nicht substantiiert entgegengetreten.

6. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

9 C 2/17

21.06.2018

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Frankfurt, 18. Mai 2017, Az: 6 K 164/16.F, Urteil

Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 163 Abs 1 AO, § 222 AO, § 227 AO, § 234 Abs 2 AO, § 238 Abs 1 AO, § 2 KAG HE 2013, § 4 Abs 1 KAG HE 2013, § 11 KAG HE 2013

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. 9 C 2/17 (REWIS RS 2018, 7405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7405

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