Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.05.2019, Az. 10 C 1/18

10. Senat | REWIS RS 2019, 6748

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Gegenstand

Kommunalaufsichtliches Einschreiten zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung verfassungsgemäß


Leitsatz

Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG steht Maßnahmen der Kommunalaufsicht, mit welchen eine landesrechtlich zur Erhebung von Straßenbeiträgen verpflichtete Gemeinde zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung angehalten wird, nicht entgegen.

Tatbestand

1

Die klagende Gemeinde wendet sich gegen Verfügungen der [X.] zum Erlass einer [X.].

2

Ihr Haushalt wies in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils ein Defizit aus. Ihr Haushaltsplan für 2010 sah [X.] in Höhe von über 340 000 € vor. Der Beklagte wies die Klägerin ab April 2010 darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Haushaltslage zum Erlass einer [X.] verpflichtet sei und bat um ergänzende Erläuterungen. Mit kommunalaufsichtlichem Bescheid vom 23. Mai 2011 wies er sie zur Inkraftsetzung einer dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden [X.] spätestens bis zum 30. September 2011 mit Rückwirkung ab dem 1. Juni 2011 an, ordnete die sofortige Vollziehung der Anweisung an und drohte der Klägerin die Ersatzvornahme an. Die Klägerin erließ am 26. September 2011 rückwirkend zum 1. Juni 2011 eine Satzung, die einen Gemeindeanteil von 50 % des beitragsfähigen Aufwandes für überwiegend dem Anliegerverkehr, von 75 % für überwiegend dem innerörtlichen Verkehr und von 90 % für überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienende Verkehrsanlagen vorsah. Straßenbaumaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits geplant oder mit deren Ausführung bereits begonnen worden war, nahm die Satzung von ihrer Anwendung aus. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 änderte der Beklagte diese Satzung im Wege der Ersatzvornahme, indem er die [X.] auf 25 %, 50 % bzw. 75 % senkte, eine Differenzierung der Abstufung nach [X.] vorschrieb und den Vertrauensschutz für bereits geplante oder begonnene Maßnahmen strich. Den gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 zurück.

3

Die hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen ganz überwiegend erfolglos. Mit Urteil vom 12. Januar 2018 hat der [X.]hof die Androhung der Ersatzvornahme in dem Bescheid vom 23. Mai 2011 wegen fehlender Rechtsgrundlage aufgehoben und die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des [X.] im Übrigen zurückgewiesen. Die Anweisung zum Erlass einer [X.] sei nach Maßgabe des § 139 der [X.] Gemeindeordnung ([X.]) rechtmäßig, weil die Klägerin gemäß § 93 [X.] zum Ausgleich ihres Haushalts durch Abgabenerhebung verpflichtet sei. Hierdurch verdichte sich das ihr in § 11 [X.] Kommunalabgabengesetz ([X.]) eingeräumte Ermessen zu einer Erhebungspflicht. Dieser sei die Klägerin durch den Erlass ihrer Satzung nicht vollständig nachgekommen, weil sie ihr Einnahmepotenzial wegen der überhöhten [X.] und wegen des eingeräumten Vertrauensschutzes für begonnene oder geplante Maßnahmen nicht vollständig ausgeschöpft habe. Die von dem Beklagten verfügte Ersatzvornahme sei deshalb auf der Grundlage von § 140 [X.] rechtmäßig, insbesondere auch ermessensfehlerfrei erfolgt und verletze nicht das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

4

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsurteil verletze den Grundsatz der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG und die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Bescheide des Beklagten ließen der Klägerin nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Spielraum zur Ausgestaltung ihrer Satzung. Die Erhebung von [X.] dürfe ihr nicht verpflichtend vorgegeben werden. Die Gemeinden müssten selbst entscheiden, welche Einnahmequellen sie zur Erreichung eines Haushaltsausgleichs nutzen wollten. Dies dürfe die [X.] ihnen nicht alternativlos vorschreiben. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes sehe einen Vorrang der Finanzierung von Gemeinlasten aus Steuern vor. Das angegriffene Urteil und die Verfügung des Beklagten missachteten außerdem einen Grenzänderungsvertrag, den sie 1971 bei Eingemeindung der [X.] abgeschlossen habe. Zudem seien die kommunalaufsichtlichen Verfügungen willkürlich, da der Beklagte nicht in gleicher Weise gegen andere Kommunen mit einem Haushaltsdefizit vorgehe.

5

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] [X.]hofs vom 12. Januar 2018, soweit die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist, sowie das Urteil des [X.] Gießen vom 6. Juni 2013 zu ändern und die kommunalaufsichtlichen Verfügungen des Landrats des [X.] vom 23. Mai 2011 und vom 4. Oktober 2011 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Das [X.]erufungsurteil steht mit revisiblem Recht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO).

9

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat den [X.]escheid des [X.]eklagten vom 23. Mai 2011, soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ohne Verstoß gegen [X.] Recht für rechtmäßig erachtet.

a) Die Rechtmäßigkeit des [X.]escheides bemisst sich nach der für das Revisionsgericht maßgeblichen Auslegung des einschlägigen Landesrechts durch das [X.]erufungsgericht und der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 geltenden Sach- und Rechtslage. Dass sich die nach diesem Zeitpunkt erfolgten Änderungen des [X.] und der [X.] Gemeindeordnung Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt beigemessen hätten, hat das [X.]erufungsgericht nicht festgestellt und ist, soweit Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens erfolgt sind (Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von [X.] vom 28. Mai 2018, GV[X.]l. [X.]), mangels einer dahingehenden Übergangsregelung nicht ersichtlich.

Der [X.]eklagte konnte seine Anweisung an die Klägerin, mit Rückwirkung ab dem 1. Juni 2011 eine wirksame und den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes entsprechende [X.] in [X.] zu setzen, auf § 139 [X.] i.d.F. vom 7. März 2005 (GV[X.]l. I S. 142, geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 2011, GV[X.]l. I S. 786, im Folgenden: [X.] 2012) stützen. Die für eine Anweisung der [X.]sbehörde nach dieser Vorschrift erforderliche Verletzung von der Klägerin gesetzlich obliegenden Pflichten hat das [X.]erufungsgericht in Auslegung irrevisiblen Landesrechts bejaht. Danach hatte sich das nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden § 11 Abs. 1 des [X.] i.d.F. vom 17. März 1970 (GV[X.]l. I S. 225, geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2005, GV[X.]l. I S. 54, im Folgenden: [X.] 2005) bestehende Ermessen hinsichtlich der Erhebung von [X.] wegen des Haushaltsdefizits der Klägerin in den Jahren 2010 bis 2012 nach § 93 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 10 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und 3 [X.] 2012 zu einer Verpflichtung verdichtet, mögliche [X.]eiträge für Ausbaumaßnahmen auch tatsächlich zu erheben und die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage unabhängig davon zu schaffen, ob konkrete Ausbaumaßnahmen absehbar waren. Das [X.]erufungsgericht hat ferner aus dem Fehlen einer Satzung eine Pflichtverletzung der Klägerin abgeleitet, welche die [X.] grundsätzlich zu einem Einschreiten berechtigte. Weiterhin sei die Klägerin nach diesen Vorschriften angesichts ihrer Haushaltsnotlage daran gehindert gewesen, in einer [X.] höhere Gemeindeanteile am beitragsfähigen Aufwand vorzusehen als die in § 11 Abs. 3 [X.] 2005 festgeschriebenen Mindestsätze.

Die revisionsgerichtliche Überprüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das [X.]erufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO; [X.]VerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 [X.] 43.09 - [X.]VerwGE 138, 89 <91 f.>). [X.]undesrecht kann allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der irrevisiblen landesrechtlichen Normen durch das Revisionsgericht gebieten (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 [X.] 6.13 - juris Rn. 11). Die Auslegung des Landesrechts in dem angegriffenen Urteil verstößt jedoch nicht gegen höherrangiges Recht.

b) Die gesetzliche Verpflichtung von Gemeinden, einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen, ist mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG vereinbar. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden, die sie zu verantwortlichem Disponieren befähigt, im Rahmen der Gesetze. Die gesetzgeberische Ausgestaltung und [X.]eschränkung der Finanzhoheit der Gemeinden hat den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu wahren. Er ist verletzt, wenn die kommunale Gestaltungsfreiheit beseitigt wird oder kein hinreichender Spielraum für ihre Ausübung übrig bleibt. Zudem hat der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine landesrechtliche Verpflichtung zur Herbeiführung eines Haushaltsausgleichs oder jedenfalls zur Defizitminimierung ist mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, weil sie den Gestaltungsspielraum des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung in der Zukunft sichert (vgl. zu alledem [X.]VerwG, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 10 [X.] 43.09 - [X.]VerwGE 138, 89 Rn. 18 ff. - und - mit [X.]lick auf Gemeindeverbände - vom 16. Juni 2015 - 10 [X.] 13.14 - [X.]VerwGE 152, 188 Rn. 17 ff.).

Auch eine gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung von [X.] ist mit der kommunalen Finanzhoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 3. Dezember 1996 - 8 [X.] 205.96 - juris Rn. 4 und vom 16. November 2017 - 10 [X.] 2.17 - juris Rn. 6). Das gilt sowohl für eine ausdrückliche gesetzliche Erhebungspflicht als auch für eine Verpflichtung der Gemeinden, die sich - wie es das [X.]erufungsgericht hier erkannt hat - aus der Zusammenschau von Regelungen des kommunalen [X.] und des Kommunalabgabenrechts ergibt.

Dem Einwand der Klägerin, ein landesrechtlicher Vorrang der Einnahmeerzielung durch Gebühren und [X.]eiträge vor einer Steuerfinanzierung verstoße gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes, ist nicht zu folgen. Die Gemeindeordnungen sehen seit jeher Regelungen über die Rangfolge der gemeindlichen Einnahmen vor (vgl. näher Gern/[X.]rüning, [X.] Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, Rn. 1194; [X.], in: [X.]/[X.], Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 7 Rn. 5). Sie sind in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts gebilligt worden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 [X.] 32.90 - [X.]uchholz 11 Art. 106 GG Nr. 4 S. 4; [X.]eschluss vom 16. November 2017 - 10 [X.] 2.17 - juris Rn. 9). Das [X.]undesverfassungsgericht hält die Erhebung von [X.] für verfassungsmäßig, ohne einen Vorrang der Steuerfinanzierung anzunehmen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 25. Juni 2014 - 1 [X.]vR 668/10 u.a. - [X.]VerfGE 137, 1 Rn. 42). Die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die es mit [X.]lick auf den Grundsatz der Finanzierung von Gemeinlasten aus Steuern an die Erhebung [X.] parafiskalischer Sonderabgaben stellt (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 24. Januar 1995 - 1 [X.]vL 18/93 u.a. - [X.]VerfGE 92, 91 <113>), lassen sich schon wegen der mit [X.]eiträgen abgegoltenen Vorteile des [X.]eitragspflichtigen, aber auch wegen der eingeschränkten Möglichkeiten der Gemeinden zur Steuererhebung nicht auf die Erhebung kommunaler [X.]eiträge übertragen.

c) Auch dass das Landesrecht den [X.]eklagten ermächtigt, die angenommene gesetzliche Verpflichtung der Klägerin mit einer kommunalaufsichtlichen Anweisung durchzusetzen, steht mit Art. 28 Abs. 2 GG im Einklang.

Die staatliche Rechtsaufsicht über Gemeinden ist verfassungsrechtlich gebotenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung. Sie darf aber nicht im Wege einer Einmischungsaufsicht in kommunale Entscheidungsspielräume eindringen und der Gemeinde bestimmte Maßnahmen innerhalb eines bestehenden Gestaltungsspielraums alternativlos vorschreiben (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 [X.] 13.14 - [X.]VerwGE 152, 188 Rn. 35).

Dass das [X.]erufungsgericht die Aufsichtsmaßnahmen des [X.]eklagten als rechtmäßig angesehen hat, lässt einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG nicht erkennen. Namentlich hat der [X.]eklagte der Klägerin schon deshalb nicht im Wege unzulässiger Einmischungsaufsicht ein Mittel der Haushaltskonsolidierung vorgegeben, weil diese nach der berufungsgerichtlichen Auslegung des Landesrechts nach § 93 Abs. 1 und 2 [X.] 2012 zur Erhebung von [X.] verpflichtet war, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum verblieben wäre. [X.]ei der Durchsetzung einer gesetzlichen Verpflichtung der Gemeinde, welche ihr keinen Handlungsspielraum belässt, unterliegt die [X.]sbehörde von vornherein nicht dem Verbot eines alternativlosen Vorschreibens bestimmter Maßnahmen. Nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts drohte zum Zeitpunkt des Einschreitens zudem die rechtliche Möglichkeit der Erhebung von [X.] für die laufenden Maßnahmen zeitlich auszulaufen, weil die für die Erhebung von [X.]eiträgen erforderliche Satzung nach § 3 [X.] 2005 lediglich mit Rückwirkung für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten erlassen werden konnte. Im Übrigen waren nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts weitere Ausbaumaßnahmen bereits absehbar und der Erlass einer [X.]eitragssatzung auch deswegen zur landesrechtlich zwingend gebotenen Verringerung des Haushaltsdefizits erforderlich.

d) Der Anweisung zum Erlass einer rückwirkenden Satzung stand nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen des [X.]erufungsgerichts auch nicht der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen.

Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie gegenüber dem [X.]eklagten darauf vertraut hätte, keine [X.]eiträge erheben zu müssen. Dem hätte auch bereits die landesrechtliche Pflicht zur Einnahmeerzielung entgegengestanden.

Etwaige Zusagen im Verhältnis der Klägerin zu den Grundstückseigentümern konnten ihre landesgesetzlichen Verpflichtungen nicht modifizieren. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob derartige Pflichten gegenüber Dritten der Rechtmäßigkeit der kommunalrechtlichen Anweisung überhaupt entgegenstehen könnten. Soweit die Klägerin geltend macht, die Einwohner des [X.] hätten aufgrund des 1971 geschlossenen Grenzänderungs- und [X.] darauf vertraut, von [X.] verschont zu bleiben, lässt der vom [X.]erufungsgericht festgestellte Tatbestand darüber hinaus weder eine Vertrauensgrundlage im geltenden Recht noch ein tatsächlich entstandenes Vertrauen auf Seiten der [X.]ürger erkennen. Das Versprechen in § 7 Abs. 3 j) des Vertrages, beim Ausbau der [X.] die Kosten der Nebenanlagen ([X.] und [X.]ürgersteige) nicht auf die [X.]ürger umzulegen, umfasst nicht alle Verkehrsanlagen der Klägerin, sondern nur eine bestimmte [X.], und auch dort lediglich einen Teil der auszubauenden Einrichtung. Der Anweisung zum Erlass einer [X.]eitragssatzung als solcher kann es schon deshalb nicht entgegengehalten werden. Zudem hätte der Erlass des die landesrechtliche [X.]eitragserhebungspflicht begründenden Gesetzes eine etwaige, mit dem Vertrag geschaffene rechtliche Vertrauensgrundlage der [X.]ürger zerstört.

e) Die Anweisung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG ermessensfehlerhaft. Soweit die Klägerin im Anhörungsverfahren gegenüber dem [X.]eklagten eine Ungleichbehandlung mit anderen [X.] gerügt hat, welche ebenfalls keine [X.]eitragssatzung erlassen hätten, hat sie ihr Vorbringen in den Tatsacheninstanzen nicht mehr weiterverfolgt; das [X.]erufungsurteil enthält hierzu folglich keine Ausführungen. In ihrer Revisionsbegründung nennt sie zudem zwei [X.] ohne [X.]eitragssatzung, gegenüber denen der [X.]eklagte ebenfalls im Wege der [X.] vorgegangen sei. Anhaltspunkte für ein willkürlich nur gegen die Klägerin gerichtetes Vorgehen bietet daher selbst ihr eigener Vortrag nicht. Im Übrigen könnte sich ein Gleichbehandlungsanspruch nicht auf ein rechtswidriges Unterlassen des kommunalaufsichtlichen Hinwirkens auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen der Klägerin richten.

f) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der abgabenrechtlichen [X.]elastungsgleichheit oder das Äquivalenzprinzip ist nicht ersichtlich.

Der Einwand der Klägerin, die Staffelung der [X.] nach § 11 Abs. 3 [X.] 2005 sei nicht sachgerecht, weil jeder Grundstückseigentümer unabhängig von der Verkehrsbedeutung der [X.] durch eine Ausbaumaßnahme denselben Vorteil der Vermittlung einer Zuwegung zum öffentlichen [X.]nnetz genieße, geht an dem Zweck der Norm vorbei. Die in § 11 Abs. 3 [X.] 2005 vorgesehenen gemeindlichen Mindestanteile am Aufwand, die bei der Umlage auf die Grundstückseigentümer außer [X.]etracht bleiben, sollen typisierend den Vorteil der Allgemeinheit je nach der Verkehrsbedeutung der [X.] abbilden und ihn von dem Sondervorteil der Gruppe der Grundstückseigentümer abgrenzen, der eine [X.]eitragserhebung für den nach [X.] des gemeindlichen Anteils verbleibenden Aufwand rechtfertigt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 9 [X.] 2.17 - NVwZ-RR 2019, 70 Rn. 18; allg. zum gemeindlichen Anteil [X.]/[X.], Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 4 ff., 10).

Die Abstufungen in § 11 Abs. 3 [X.] 2005 genügen den Anforderungen, die das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der abgabenrechtlichen [X.]elastungsgleichheit an die [X.]emessung des eine [X.]eitragspflicht begründenden Sondervorteils der Grundstückseigentümer stellt. Dies hat der 9. Senat des [X.]undesverwaltungsgerichts für dessen weitgehend identische Nachfolgefassung entschieden (vgl. für § 11 Abs. 4 und 5 des [X.] in der Fassung vom 24. März 2013; [X.]VerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 9 [X.] 2.17 - NVwZ-RR 2019, 70 Rn. 15 ff.). Dieser [X.]ewertung schließt sich der Senat an.

Die Regelung verletzt auch nicht das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieses Prinzip setzt dem Gesetzgeber nur sehr weite Grenzen. Es verlangt, dass die Höhe des [X.]eitrags nicht außer Verhältnis zu dem Vorteil steht, den er abgelten soll, und dass einzelne [X.]eitragspflichtige im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig belastet werden (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 7. Dezember 2016 - 10 [X.] 11.15 - [X.]uchholz 430.5 [X.] Nr. 4 Rn. 18, und vom 15. November 2017 - 8 [X.] 17.16 - [X.]uchholz 437.1 [X.]etrAVG Nr. 27 Rn. 33). [X.]eides ist hier nicht der Fall. Mit den [X.]eiträgen wird lediglich ein Restaufwand auf die Grundstückseigentümer umgelegt, welcher der Gemeinde tatsächlich entstanden ist. Die unterschiedliche [X.]elastung von Grundstückseigentümern im [X.]ereich einer dem Anliegerverkehr dienenden [X.] im Vergleich zu Anliegern einer inner- oder überörtlichen Durchgangsstraße betrifft verschiedene Maßnahmen und ist lediglich die spiegelbildliche Folge der [X.]emessung des vom umlagefähigen Aufwand abgezogenen Vorteiles der Allgemeinheit. Ein Missverhältnis zu dem gebotenen Sondervorteil kann darin nicht gesehen werden.

g) Die unterschiedliche [X.]elastung von Grundstückseigentümern in Ländern mit voneinander abweichenden landesrechtlichen Grundlagen zur [X.]eitragserhebung verletzt schließlich offenkundig weder ein verfassungsrechtliches Prinzip der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse noch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, sondern ist Folge der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält die Verfassung kein allgemeines Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, welches föderal vielfältigen Gestaltungen in Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder entgegenstünde (vgl. [X.]VerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 [X.]vF 2/13 - [X.]VerfGE 140, 65 Rn. 37). Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist lediglich ein verfassungsrechtliches Kriterium, das den [X.]und nach der vorliegend nicht einschlägigen Kompetenznorm des Art. 72 Abs. 2 GG zum Tätigwerden ermächtigt.

2. Das [X.]erufungsgericht hat auch den [X.]escheid vom 4. Oktober 2011 über die Ersatzvornahme in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 ohne Verstoß gegen [X.] Recht für rechtmäßig gehalten.

Dem [X.]eklagten stand als Mittel der [X.] auch der Erlass von Satzungsvorschriften im Wege der Ersatzvornahme zur Verfügung. Davon ist das [X.]erufungsgericht in Auslegung des § 140 [X.] 2012 stillschweigend ausgegangen. Dies begegnet auch im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG keinen [X.]edenken (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 [X.] 14.01 - [X.]VerwGE 119, 25, <45> m.w.N.). Der Erlass einer Satzung oder einzelner Satzungsvorschriften entzieht der Klägerin noch nicht ihr Recht auf Setzung von Ortsrecht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

10 C 1/18

29.05.2019

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Januar 2018, Az: 8 A 1485/13, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 28 Abs 2 GG, § 11 Abs 3 KAG HE 2005, § 93 Abs 1 GemO HE 2005 2012, § 93 Abs 2 GemO HE 2005 2012

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.05.2019, Az. 10 C 1/18 (REWIS RS 2019, 6748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6748

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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