Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. IV ZB 38/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4516

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[X.] [X.] vom 15. März 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________

ZPO § 516
Zur eindeutigen Erklärung der Berufungsrücknahme.
[X.], Beschluss vom 15. März 2006 - [X.]/05 - [X.] LG Münster - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] am 15. März 2006 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 19. Juli 2005 wird auf ihre Kosten als unzulässig verwor-fen. Streitwert: 125.000 •

Gründe: [X.] Die [X.]en streiten um die Erbberechtigung nach der 1991 ver-storbenen Großmutter der Klägerin und Mutter der [X.]. 1 Das [X.] hat die Klage auf Feststellung der Alleinerbenstel-lung der Klägerin und Herausgabe des der [X.] und der [X.] erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins abgewiesen. Die ge-gen die Klägerin gerichtete Widerklage auf Auskunft über die erzielten Mieteinnahmen aus dem [X.] hat es ebenfalls [X.] - 3 -

sen. Der auch gegenüber der [X.] erhobenen Widerklage auf Auskunftserteilung hat es stattgegeben. Dagegen hat ihr damaliger gemeinsamer Prozessbevollmächtigter für die Klägerin und die [X.] ("Namens der Berufungsklä-gerinnen") unter Vorlage einer Urteilsabschrift Berufung eingelegt. Im Eingang der Berufungsschrift ist die entsprechende jeweilige [X.]be-zeichnung mit "Klägerin, [X.] und Berufungsklägerin" bzw. mit "[X.] und Berufungsklägerin" aufgeführt. 3 In einem späteren Schriftsatz hat ihr Prozessbevollmächtigter er-klärt: 4 "– nehmen wir die namens der Klägerin und [X.] zur Fristwahrung eingelegte Berufung hiermit [X.]." Auf Rückfrage der Berichterstatterin hat er anschließend mitgeteilt, seine vorgenannte Erklärung sei so zu verstehen, 5 "dass die Berufung namens der [X.] – [X.]genommen wurde. Die Berufung für die Klägerin und [X.] – ist nicht zurückgenommen worden".
Anschließend hat er die Berufung der Klägerin begründet. 6 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] ihre Berufung als unzulässig verworfen, weil auch "die namens der Klägerin" eingelegte Berufung wirksam zurückgenommen worden sei. Vor dem Hintergrund der verwandten [X.]bezeichnungen sei die [X.] - 4 -

klärung eindeutig dahin zu verstehen, dass die Klägerin und auch die [X.] gemeint gewesen seien. Der fehlende Artikel vor "[X.]" begründe keine Zweifel. Die objektiv nicht veran-lasste Rückfrage ändere an der eindeutigen Berufungsrücknahme nichts. Es sei unzulässig, dieser Erklärung nachträglich - im Lichte der [X.] Mitteilung des Prozessbevollmächtigten - einen anderen Sinn zu geben. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. 8 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen ei-nen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen ([X.]Z 151, 42, 43; 221, 223; 155, 21, 22; [X.], Beschlüsse vom 22. November 2005 - [X.] 43/04 - in juris dokumentiert - und vom 24. Juni 2003 - [X.]/03 - NJW 2003, 2991 unter II), sind nicht erfüllt. 9 Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Ent-scheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich. 10 1. Zutreffend geht die Rechtsbeschwerde allerdings davon aus, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Eingreifen des [X.] erfordert, [X.]n die angefochtene Entscheidung Verfahrensgrundrechte einer [X.] - etwa auf Gewährung rechtlichen 11 - 5 -

Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) - verletzt und darauf beruht ([X.]Z 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). 2. Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier indes nicht vor. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht der Klägerin den Zugang zur Berufungsinstanz nicht aufgrund von über-spannten Anforderungen versagt (vgl. hierzu [X.] 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; [X.] NJW 2001, 2161, 2162; [X.]Z 151, 221, 227 f.). 12 a) Rücknahmeerklärungen unterliegen als Prozesshandlungen der uneingeschränkten Nachprüfung - auch auf ihre Auslegung hin - durch das Revisionsgericht (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 1996 - [X.] - FamRZ 1996, 1142 unter 2). Dieses hat verfahrensrechtliche Erklärun-gen frei zu würdigen und dabei unter Heranziehung aller für das [X.] erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Bezeichnungen bestehenden Auslegungsgrenzen darauf ab-zustellen, welcher Sinn ihnen aus objektiver Sicht beizumessen ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. Januar 1979 - [X.] - VersR 1979, 373 unter II und Beschluss vom 16. Juli 1998 - [X.] - [X.], 1529 un-ter 2; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 546 Rdn. 11 m.w.N.). 13 b) Diese Nachprüfung ergibt, dass hier der Prozessbevollmächtigte auch die Rücknahme des von ihm für die Klägerin - und nicht nur des für die [X.] - eingelegten Rechtsmittels erklärt hat. 14 - 6 -

Die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme setzt voraus - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht -, dass sie, [X.]n auch nicht unbedingt ausdrücklich, so doch eindeutig erklärt wird. Der Rechtsmittelführer muss klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er das Verfahren nicht mehr fortsetzen und ohne Entscheidung des Rechtsmittelgerichts beenden will (allgemeine Ansicht, vgl. nur [X.], [X.] vom 23. September 1987 - [X.] - NJW-RR 1989, 195 unter [X.] und Urteil vom 3. April 1996 - [X.]/94 - NJW-RR 1996, 885 unter [X.]; [X.]/[X.], 2. Aufl. Aktualisie-rungsband § 516 Rdn. 9; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 516 Rdn. 4). Das war hier der Fall. 15 aa) Der Prozessbevollmächtigte hat namens beider Berufungsklä-gerinnen "Berufung" eingelegt und unter Wiederholung der in der Beru-fungsschrift - in Übereinstimmung mit dem Rubrum der angefochtenen Entscheidung - zutreffend wiedergegebenen beiden [X.]bezeichnungen - Klägerin und [X.] - auch für beide das Rechtsmittel [X.]genommen. Bereits die Angabe der [X.]bezeichnungen beider Rechtsmittelführer lassen an der gebotenen Klarheit keine Zweifel auf-kommen, dass auch die Rücknahmeerklärung auf beide Rechtsmittel zu beziehen ist. 16 Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dem Wortlaut des Schriftsatzes nicht zu entnehmen, dass nur "eine" Berufung zurück-genommen wurde, was dann nur die der [X.] gewesen sein könne. Die Schriftsätze zur Einlegung wie zur Rücknahme führen nur die Rechtsmittelbezeichnung "Berufung" in der Einzahl auf. Für [X.] entsprechende prozessuale Erklärungen abgegeben werden sollten, 17 - 7 -

muss sich dann not[X.]digerweise aus den darauf bezogenen [X.]be-zeichnungen ergeben. Es handelt sich - was auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt - um die Berufungen zweier [X.]en aus verschiedenen [X.]stellungen mit ganz unterschiedlichen Angriffszielen. Erst die zu-sätzliche [X.]benennung ermöglicht bei der gewählten Formulierung in den Schriftsätzen eine Zuordnung, die hier mit der erforderlichen Deut-lichkeit bei Einlegung und Rücknahme erkennbar in gleicher Weise er-folgt ist. Für eine irrtümliche Bezeichnung der [X.] auch als "Klägerin" ist dem [X.] nichts zu entnehmen. Erst recht wäre ein solcher Irrtum für Rechtsmittelgegner und Gericht nicht "ganz offensichtlich" gewesen. Nur in solchen Fällen kann nach den [X.] von Treu und Glauben aber in Betracht kommen, eine Rücknahme als unwirksam zu behandeln (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. Dezember 1987 - [X.] - [X.]R ZPO § 515 Abs. 2 Erklärung 1 und 21. März 1977 - [X.] - VersR 1977, 574; [X.]/ [X.], aaO). Dafür ist aber weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. 18 bb) Es trifft ferner nicht zu, dass bei anderer Sicht der Dinge als der der Rechtsbeschwerde überhaupt keine Berufung zurückgenommen worden wäre. Im Gegenteil macht die Annahme einer nur auf die [X.] beschränkte Rücknahmeerklärung [X.]ig Sinn, weil diese dann der [X.] Auskunft über den Nachlass zu geben hätte, auch [X.]n die Klägerin mit der begehrten Feststellung ihrer Alleinerbenstel-lung Erfolg haben würde. Die [X.] der Klägerin und die der [X.] sind insoweit gleichgerichtet, als beide jedwede erb-19 - 8 -

rechtliche Berechtigung der [X.] verneinen. Eine rechtskräftig fest-gestellte Auskunftsverpflichtung der [X.] trotz fehlender Nachlassbeteiligung der [X.] ist deswegen nicht plausibel. Der Vorwurf der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe [X.] - gleichsam nur formal - auf [X.]bezeichnungen abgestellt, ist mithin nicht haltbar. [X.]) Das wird durch den unbestritten gebliebenen Vortrag der [X.] noch verstärkt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der [X.] habe ihr mit Schreiben unter dem Datum des [X.] erklärt, die fristwahrend eingelegte Berufung werde mit gleicher Post zurückgenommen. In einem anschließenden [X.] mit ihrem [X.] habe er dann mitgeteilt, die Klägerin und ihre Mutter wollten nicht länger streiten und hätten vereinbart, eine wirtschaftliche Lösung zu erreichen. 20 Auch vor diesem Hintergrund geht die Rüge der [X.], das Berufungsgericht habe sich [X.] nur mit den [X.]bezeichnungen befasst. Die erforderliche Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände lässt an der von ihm festgestellten Rücknahme beider Berufungen keine Zweifel. Die spätere anders lautende Interpreta-tion seitens des Prozessbevollmächtigten - auf die vom Berufungsgericht 21 - 9 -

zutreffend als nicht veranlasst angesehene Rückfrage seitens des [X.] konnte den eindeutigen Erklärungen nachträglich keinen anderen Sinn verleihen (vgl. [X.]/[X.], aaO vor § 128 Rdn. 25).
Terno [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 28.02.2005 - 11 O 452/02 - [X.], Entscheidung vom 19.07.2005 - 10 U 43/05 -

Meta

IV ZB 38/05

15.03.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. IV ZB 38/05 (REWIS RS 2006, 4516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4516

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