Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. VI ZB 3/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3370

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[X.] vom 19. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des [X.] daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonde-ren Fragen des internationalen Privatrechts stellen. [X.], Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.] 3/07 - [X.]AG Mitte
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 19. Juni 2007 durch die Vize-präsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 24. Zivilkammer des [X.] vom 11. November 2006 wird auf Kosten des [X.] verworfen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.958,90 •. Gründe: [X.] Der Kläger nimmt die [X.] auf Schadensersatz von 1.958,90 • nach einem Verkehrsunfall in B. in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage an die Beklagte zu 2, eine in [X.] ansässige Versicherungsgesellschaft mit einer Niederlassung in [X.], unter der Anschrift ihrer inländischen [X.] zugestellt. Es hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2006 abgewie-sen. Gegen das am 13. März 2006 zugestellte Urteil hat der Klägervertreter am 12. April 2006 Berufung beim [X.] eingelegt. Nach entsprechender Ver-längerung der Berufungsbegründungsfrist hat er die Berufung am 13. Juni 2006 begründet. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2006 haben die [X.] beantragt, die 1 - 3 - Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil diese beim [X.] hätte eingelegt werden müssen. Bei der [X.] zu 2 handele es sich um eine Ak-tiengesellschaft nach [X.] Recht mit Sitz in [X.]. Der [X.] Gerichtsstand der [X.] zu 2 sei danach in [X.]. Der Sitz der [X.] im Inland begründe lediglich den besonderen Gerichtsstand nach § 21 ZPO. Der Kläger hat am 29. Mai 2006 beantragt, hilfsweise für den Fall, dass sich das [X.] der Ansicht der [X.] anschließen würde, [X.] gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegrün-dungsfrist zu gewähren und die Sache an das [X.] zu verweisen. Am selben Tag hat er Berufung gegen das Urteil vom 7. März 2006 beim [X.] eingelegt und Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2006 hat das [X.] den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim [X.] eingelegte Berufung ausgesetzt. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss vom 11. November 2006 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, da die Fragen zur [X.] des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.], die der Streitfall aufwirft, bereits [X.] durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind. 2 2. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler seine Zuständigkeit für die [X.] gegen das Urteil des Amtsgerichts verneint und die Berufung des [X.] verworfen. 3 - 4 - a) Das [X.] hat in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass es sich bei der [X.] zu 2 um eine Aktiengesellschaft nach französi-schem Recht mit Sitz in [X.] handelt, die in [X.] lediglich über eine Niederlassung verfügt. Der allgemeine Gerichtsstand der [X.] zu 2 liegt mithin im Ausland (§ 17 ZPO), so dass die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] dem Wortlaut nach gegeben sind. Dies gilt auch, soweit sich die Berufung gegen den [X.] zu 1 richtet (vgl. Senat, [X.] 155, 46, 49 f.). Auch die Rechtsbeschwerde zieht dies nicht in Zweifel. 4 b) Der Senat sieht keine Veranlassung, im Streitfall vom Beschluss des [X.] des [X.] vom 19. Februar 2003 - [X.] - VersR 2004, 355 f. abzuweichen. Dass Fragen des internationalen Privatrechts keine Rolle spielen und sich auch solche nach der Belegenheit des Risikos oder einer eventuellen Rechtswahl von vornherein nicht stellen können, weil der Kläger den [X.] gemäß § 3 Abs. 1 [X.] gegen den [X.] geltend macht, ist für die Frage der Rechtsmittelzu-ständigkeit nicht maßgebend. Das macht die Beschwerdeerwiderung mit Recht geltend. 5 Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des [X.] daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des internationalen Privatrechts stellen ([X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 119 [X.] Rn. 15; [X.], ZPO 2. Aufl. [X.], [X.] § 119 Rn. 4; Musielak/[X.] ZPO 5. Aufl. § 119 [X.] Rn. 19). Nur ein formales Verständnis der Norm genügt dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit, wonach Rechtsbehelfe "in der geschriebenen Rechtsordnung" geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger klar erkennbar sein müssen (siehe dazu 6 - 5 - [X.], NJW 2003, 1924, 1928). Das lässt sich nur erreichen, wenn die Vor-aussetzungen der Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b [X.] eng und formal verstanden werden, weil sie den Zugang zu dem an sich gege-benen Rechtsmittel der Berufung zum [X.] in einer mit [X.] nicht mehr zu rechtfertigen Weise erschweren. Das Kriterium des allgemeinen Gerichtsstands gewährleistet eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen [X.] und [X.] (BT-Drucks. 14/6036 S. 118 f.). Deshalb kommt die von der Rechtsbeschwerde geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] nicht in Betracht. Im Übrigen wäre bei Anwendung des ausländischen Rechts durch das Amtsgericht die [X.]szuständigkeit des [X.] nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c [X.] begründet (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 18. Januar 2007 - [X.] Œ VersR 2007, 664, 665 f.), so dass die Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b [X.], wollte man der Rechtsbeschwerde folgen, weitge-hend leer liefe. c) Der Beschluss des [X.]s steht auch nicht in Widerspruch zu den Beschlüssen des [X.]I[X.] Zivilsenats des [X.] vom 28. Januar 2004 - [X.]II ZB 66/03 - [X.], 2227 f. und vom 16. November 2004 - [X.]II ZB 45/04 - [X.], 147. Anders als in den diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Fallgestaltungen hatte der Kläger aufgrund der bei der [X.] Korrespondenz zur Verwendung gekommenen Briefbögen, auf denen sich der Hinweis auf den Hauptsitz der Gesellschaft in [X.] befindet, Kenntnis vom Sitz der [X.] zu 2 in [X.]. Eine Veranlassung den allgemeinen Gerichtsstand der [X.] zu 2 in erster Instanz zur Sprache zu bringen, bestand für die [X.] danach nicht, da jedenfalls der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO bei dem vom Kläger angerufenen [X.] war. Zu Recht hat das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass ein 7 - 6 - inländischer allgemeiner Gerichtsstand nicht erörtert worden ist, nicht schon hergeleitet, die Parteien hätten übereinstimmend einen allgemeinen Gerichts-stand der [X.] zu 2 im Inland angenommen. Vielmehr hatte der Kläger aufgrund der ihm zugänglichen Informationen Veranlassung zu sorgfältiger [X.], ob es sich bei der Direktion für [X.] um eine Tochtergesellschaft der ausländischen Gesellschaft oder lediglich um eine, wenn auch [X.], Zweigniederlassung handelt. d) Nach diesen Grundsätzen wäre das [X.] für die Entschei-dung über die Berufung gegen das Urteil des zu seinem Gerichtsbezirk [X.] Amtsgerichts zuständig gewesen. Entgegen dem Antrag des [X.] kam eine Verweisung des Rechtsstreits über die Berufung in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch das [X.] nicht in [X.]. Zum einen gilt diese Bestimmung nicht für die funktionelle Zuständigkeit (vgl. Senat, [X.] 155, 46, 50; [X.], Beschluss vom 10. Juli 1996 - [X.]/95 - NJW-RR 1997, 55). Der Antrag bleibt aber auch deshalb ohne Erfolg, weil die Berufungsfrist am 29. Mai 2006 bereits abgelaufen war. 8 Dem Kläger kann nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden, weil die Fristversäumnis nicht unverschuldet war (§ 233 ZPO). Der Kläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO, welches darin liegt, dass er die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat. Es besteht auch keine generelle Fürsorgepflicht des für die [X.] unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Landge-richts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristver-säumnis des Rechtsmittelführers zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juni 2004 - [X.] 75/03 - [X.], 247, 248). 9 - 7 - Demzufolge hat das [X.] die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. 10 11 3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.] [X.]

[X.] Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.03.2006 - 107 C 3005/05 - [X.], Entscheidung vom 11.11.2006 - 24 S 106/06 -

Meta

VI ZB 3/07

19.06.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. VI ZB 3/07 (REWIS RS 2007, 3370)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3370

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