Bundespatentgericht, Urteil vom 07.11.2019, Az. 2 Ni 7/17 (EP)

2. Senat | REWIS RS 2019, 1829

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Gegenstand

(Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Verfahren für den Transfer von IP-Daten" – zur ersten Anmeldung im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EuPatÜbk – derselbe Erfindungsakt)


Tenor

In der [X.]

betreffend das europäische Patent 1 362 446

([X.] 602 18 431)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2019 unter Mitwirkung der Richterin [X.] als Vorsitzende sowie [X.]. Dr. rer. nat. [X.], Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch, [X.] und [X.]. [X.] für Recht erkannt:

[X.] Die Nebenintervention der [X.] in [X.], wird zugelassen.

I[X.] Das [X.] Patent 1 362 446 [X.] wird im Umfang seines Anspruchs 1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass sein Anspruch 1 folgende Fassung erhält:

[X.] interface between a mobile station and a packet radio network, in [X.] (506) and decompressed (508) according to [X.], characterized by comprising the steps of

allocating (503) at least two logical connections for the transfer of header fields compressed on the basis of different contexts, wherein a context represents the current properties of the compression,

wherein each logical connection is a data link layer, [X.], connection used for [X.] IP data between the mobile station and the packet radio network, and

wherein the allocating the at least two logical connections comprises allocating separate logical connections to the header fields of different compress states, [X.] (507) the header fields compressed on the basis of the different contexts on separate logical connections,

wherein the [X.] the compressed header fields includes [X.] each compressed header [X.].

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II[X.] Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 3/4, die Klägerinnen und die Nebenintervenientin jeweils 1/20.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die [X.] erteilten, [X.] Patents 1 362 446 (Streitpatent), das unter Inanspruchnahme der [X.] Priorität FI 20010099 vom 16. Januar 2001 am 15. Januar 2002 international unter der Nummer PCT/[X.]/000030 mit der Benennung EP unter Nennung der [X.] als Bestimmungsland von der [X.] in [X.], [X.], angemeldet und mit [X.] 2002/056 532 [X.] am 18. Juli 2002 offengelegt wurde. Das in der [X.] am 28. Februar 2007 mit der Bezeichnung „Transfer of IP data in communications system, [X.]“ mit der [X.] 362 446 [X.] veröffentlichte Patent wird vom [X.] unter der Nummer 602 18 431.2 geführt und umfasst 3 selbständige und 9 auf diese selbständigen Ansprüche direkt oder indirekt rückbezogene Patentansprüche. Eine [X.] Übersetzung des Patents wurde mit der [X.] am 21. Juni 2007 veröffentlicht.

2

Patentanspruch 1 lautet in der [X.] Fassung gemäß [X.] 362 446 [X.] (mit eingefügter [X.] entsprechend der Anlage N5):

3

„[X.], in [X.] (506) and decompressed (508), characterized by comprising the steps of

4

[X.] allocating (503) at least two logical connections for the transfer of headerfields compressed on the basis of different contexts, and

5

[X.] transferring (507) the header fields compressed on the basis of the different contexts on separate logical connections.”

6

Patentanspruch 1 lautet in der [X.]n Fassung gemäß [X.] 362 446 [X.] (mit eingefügter [X.]):

7

„[X.] Verfahren für den Transfer von IP-Daten, die Nutzlast und Kopffelder umfassen, bei dem [X.] komprimiert (506) und dekomprimiert (508) werden, dadurch gekennzeichnet, dass es die folgenden Schritte umfasst:

8

[X.] [X.]uweisen (503) mindestens zweier logischer Verbindungen für den Transfer von auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierter Kopffelder, und

9

[X.] Übertragung (507) der auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierten Kopffelder auf getrennten logischen Verbindungen.“

Mit ihren Klagen begehren die Klägerinnen jeweils die Nichtigerklärung des [X.]n Teils des Streitpatents im Umfang des Patentanspruchs 1.

Die Nebenintervenientin hat mit [X.] vom 8. Juni 2016 ihren Beitritt auf der Seite der Klägerin zu 4. erklärt.

Die Klägerinnen und die Nebenintervenientin stützen sich auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 54 und 56 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ) und den [X.] der mangelnden Ausführbarkeit der beanspruchten Lehre (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] und Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ). [X.]udem ist nach Ansicht der Klägerinnen die Priorität zu Unrecht in Anspruch genommen worden.

[X.]ur Stützung ihres Vorbringens haben die Klägerinnen und die Nebenintervenientin die folgenden Dokumente genannt (es wird die Nummerierung der Klägerinnen 2 und 3 verwendet, die auch die Klägerin 4 und die Beklagte benutzen. Dabei sind zusätzliche Dokumente der Klägerin 1 passend in die Nummerierung eingefügt):

[X.] [X.] 362 446 [X.] (Streitpatentschrift);

N2 Auszug aus dem Register des [X.]s zum Aktenzeichen 602 18 431.2;

N3 WO 02/056 532 [X.] (Offenlegungsschrift);

N4 Prioritätsbeleg zur Fl 20010099;

N5 [X.] zu Verfahrensanspruch 1 des Streitpatents;

N6 Klageschrift der parallelen [X.] gegen die [X.] vor dem [X.] ([X.]. …);

N7 Eingabe der Anmelderin auf einen Prüfungsbescheid des [X.]PTO;

N8 Streitwertbeschluss des [X.] im Verfahren der [X.] gegen die [X.] ([X.]. …) vom 12.Oktober 2015;

N9 Urteil des [X.] im parallelen [X.] ([X.]. …) vom 22. Juli 2016 (in Auszügen);

[X.]0 Berufungsbegründung im parallelen [X.] der [X.] gegen die [X.] u.a. vor dem [X.] ([X.]. …) vom 28. November 2016 (in Auszügen);

[X.]1 Klageschrift der parallelen [X.] gegen die [X.], die [X.] und die [X.] vor dem [X.] ([X.]. … );

[X.]1a [X.] Standardvorschlag [X.]

[X.]1b Vergleich zwischen und [X.], wie durch IETF erstellt;

[X.]1c Historie von [X.] auf der IETF-Webseite;

[X.]2 Klageschrift der parallelen [X.] gegen die [X.] und die [X.] vor dem [X.] ([X.]. …);

[X.]2a Entscheidung der [X.] des [X.] vom 21. Mai 2014 [X.]/10, zusammen mit einer [X.]n Übersetzung in Auszügen;

[X.]2b Entscheidung der [X.] des [X.] vom 18. Februar 2016 [X.]/11

[X.] Streitverkündung der [X.] und der [X.] an die [X.] und die [X.]… Corporation.;

H[X.] Presseerklärung der [X.] vom 21. Februar 2013: „E1… plant LTE-Ausbau des Netzes mit [X.]2…“.

[X.] Eidesstattliche Versicherung von [X.], Senior Legal Manager bei der [X.].

[X.] WO 01/35598 [X.];

[X.] L.-E. [X.] et al.: "Robust Checksum-based header Compression“ ([X.]), [X.] Version: 06, 15. Juni 2000;

[X.]a [X.] – Revision 3, veröffentlicht im Oktober 1996;

[X.]a1 Auszüge aus der Webseite des IETF vom 8. Dezember 2000;

[X.]b Kopie der bei IETF archivierten E-Mail vom 16. Juni 2000;

[X.]c Webseite-Auszug, http://web.archive.org/web/20000815232824/httpzl/www.ietf.org:80/ids.by.wg/rohc.html;

[X.]d Webseite-Auszug, http://web.archive.org/web/20000815231439/http://www.ietf.org280/internet-drafts/draft-ietf-rohc-rtp-rocco-01.txt;

[X.]e FAQ der Non-Profit-Organisation Internet Archive;

[X.]f [X.] für weitere [X.]e der Druckschrift [X.], umfassend:

[X.]f1 Auszug aus Tagungsberichten von IETF für die 47. lETF Tagung

[X.]f2 Auszug aus Tagungsberichten von IETF für die 48. lETF-Tagung

[X.]f3 [X.]wei Forschungspapers, jeweils veröffentlicht am 15. Dezember 2000 und im [X.], "[X.]: Requirements on the TCP/IP Protocol Stack for Real-Time Communication in Wireless Environments" und im [X.], "[X.] et al.: [X.]", die die Druckschrift [X.] zitieren;

[X.]f4 Auszug aus der Webseite, "The [X.] Homepage", auf der die Druckschrift [X.] veröffentlicht ist;

[X.]f5 PowerPoint-Folie von Lars-Erik [X.] in der 47. lETF-Tagung;

[X.] [X.] et al.: "Robust Header Compression” Version 4 ([X.]), 11. Oktober 2000;

[X.]a Kopie der bei IETF archivierten E-Mail vom 13. Oktober 2000;

[X.]b [X.] für weitere [X.]e der Druckschrift [X.], umfassend:

[X.]b1 [X.], veröffentlicht am 15. November 2000 "Bonjour et al.: [X.]/2" und eine Patenanmeldung, "[X.] 7,290,063 B2", angemeldet am 10. Januar 2001, die die [X.] zitieren;

[X.] WO 00/48374 [X.]

[X.] K. [X.]: "Lower Layer Guidelines for Robust Header Compression" ([X.]), 10. März 2000;

[X.]a Kopie der bei IETF archivierten E-Mail vom 14. März 2000;

[X.]b [X.] für weitere [X.]e der Druckschrift [X.], umfassend:

[X.]b1 PowerPoint-Folie von [X.] in der 47. lETF-Tagung;

[X.]b2 Auszug aus der Webseite, "The [X.] Homepage", auf der die PowerPoint-Folie gemäß Anlage [X.]b1 veröffentlicht ist;

[X.]b3 Ein Bericht von einem Teilnehmer der Tagung, [X.], veröffentlicht auf der Webseite einer Forschungsgruppe der Europäischen Kommission;

[X.]b4 [X.] des Berichts gemäß Anlage [X.]b3

[X.] M. Degermark: "[X.]" ([X.] 2507), veröffentlicht im Februar 1999;

[X.] 3GPP Standard Dokument [X.] 25.323 [X.] (2000-09) ([X.]), veröffentlicht im September 2000;

[X.]a 3GPP Standard Dokument [X.] 25.301 V.3.6.0 (2000-09) Radio Interface Protocol Architecture, veröffentlicht im September 2000;

[X.]b UM[X.]-Standardspezifikation E[X.]I [X.] 125 322 V3.1.2 (2000-01) [X.], veröffentlicht im Januar 2000

[X.] [X.] 5,987,022 A;

[X.] WO 99/66736 A2;

[X.] 00/76112 [X.];

[X.]1 [X.], [X.]G Working Group 2 ([X.]), [X.], [X.], 3.-7. Juli 2000, [X.]-001533, “Response to LS ([X.]-001581) on SRNS Relocation of RT RABs and interaction with [X.];”

[X.]1a [X.] zu [X.]1;

[X.] 3GPP Standard Dokument [X.] 25.323 V.3.2.0 (2000-06) ([X.]);

[X.]a [X.] zu [X.];

[X.]3 3GPP Standard Dokument [X.] 25.322 [X.] (2000-12) RCL protocol specification;

[X.]4 3GPP Standard Dokument [X.] 25.321 [X.] (2000-09) [X.] specification;

[X.] 3GPP Standard Dokument [X.] 25.331 [X.] (2000-12) RRC protocol specification;

Die Klägerinnen und die Nebenintervenientin machen geltend, dass

- die Nebenintervention der [X.] zulässig sei;

- das Verfahren des Anspruchs 1 nicht neu sei gegenüber den Druckschriften [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]0;

- das Verfahren des Anspruchs 1 gegenüber der Lehre der Druckschrift [X.] auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe;

- die Lehre des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei, da sie nicht im gesamten beanspruchten Bereich für den Fachmann nacharbeitbar sei; und

- die Priorität zu Unrecht in Anspruch genommen werde, da zum einen nicht nachgewiesen sei, dass zum [X.]eitpunkt der Anmeldung der Anmelder mit dem Anmelder der prioritätsbegründenden Anmeldung identisch war und zudem die [X.] nicht die erste Anmeldung der Anmelderin gewesen sei, die das beanspruchte Verfahren offenbare;

- die Ansprüche 1 nach den von der Beklagten vorgelegten [X.] 1 bis 10 teilweise unzulässig seien, ihre Lehren teilweise nicht ausführbar und zudem nicht patentfähig seien.

Die Nebenintervenientin stützt ihr berechtigtes Interesse am [X.] darauf, dass sie in [X.] LTE Basisstationen anbiete und vertreibe und auch die Firma [X.] GmbH mit LTE Basisstationen beliefert habe, die von der Beklagten auf der Grundlage des Streitpatents auf Verletzung verklagt worden sei. Die Lieferverträge enthielten keinen Verzicht auf Regressansprüche. Dazu legt sie eidesstattliche Versicherungen vor. Das Streitpatent hindere die Nebenintervenientin darin, von ihr in [X.] angebotene und gelieferte LT-Basisstationen mit einer [X.] auszustatten und schränke damit die geschäftlichen Aktivitäten ein. Damit sei ein berechtigtes Interesse gegeben, da im Patentnichtigkeitsverfahren ein großzügiger Maßstab gelte und bereits die Tätigkeit auf dem betreffenden Marktsegment ausreichen könne.

Die Beklagte hat der Klage der Klägerin 1 mit [X.] vom 21. Juni 2016, der Klage der Klägerinnen 2 und 3 mit [X.] vom 27. April 2016 und der Klage der Einsprechenden 4 mit [X.] vom 18. April 2016 jeweils fristgerecht widersprochen und ihre Widersprüche mit [X.] vom 21. November 2016 begründet. Sie hat als Reaktion auf die Klagen und den qualifizierten Hinweis des Senats vom 26. Juli 2018 mit [X.] vom 21. September 2018 zehn weitere Ansprüche 1 als Hilfsanträge 1 bis 10 eingereicht.

Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthält ausgehend vom Anspruch 1 des Streitpatents im Merkmal [X.] einen Einschub und zwischen den Merkmalen [X.] und [X.] das zusätzliche Merkmal [X.].1, so dass er lautet (zusätzliche Teile unterstrichen):

„[X.]’ A method for transferring IP data comprising payload and header fields over a radio interface between a mobile station and a packet radio network, in [X.] (506) and decompressed (508), characterized by comprising the steps of

[X.] allocating (503) at least two logical connections for the transfer of headerfields compressed on the basis of different contexts,

[X.].1 wherein each logical connection is a data link layer, [X.], connection used for transferring IP data between the mobile station and the packet radio network, and

[X.] transferring (507) the header fields compressed on the basis of the different contexts on separate logical connections.”

Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthält zwischen dem Merkmal [X.].1 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und dem Merkmal [X.] das zusätzliche Merkmal

[X.].2 wherein logical connections of different characteristics are [X.] header fields compressed on the basis of different contexts,

und am Ende in Merkmal [X.] den [X.]usatz „[X.] them“

In Anspruch 1 des [X.] ist ausgehend vom Anspruch 1 des [X.] in das Merkmal [X.] nach dem Bezugszeichen (508) die Partizipialkonstruktion „according to [X.]“ eingefügt und in das Merkmal [X.] an dessen Ende der [X.]usatz „wherein a context represents the current properties of the compression,“ angefügt.

Anspruch 1 des [X.] enthält sowohl die Änderungen des [X.] als auch die des [X.].

In Anspruch 1 des [X.] 5 ist ausgehend vom Anspruch 1 des [X.] noch das weitere Merkmal

[X.].3 wherein at least different radio bearer parameters are reserved for the logical connections,

zwischen die Merkmale [X.].2 und [X.] eingefügt.

In Anspruch 1 des [X.] 6 ist ausgehend vom Anspruch 1 des [X.] noch das weitere Merkmal

[X.].4 wherein a logical connection offering a higher bandwidth and/or a higher bit-error-ratio is [X.] uncompressed header fields than to compressed header fields and/or different radio frame sizes are used on the different logical connections conforming to different contexts,

zwischen die Merkmale [X.].2 und [X.] eingefügt.

Anspruch 1 des [X.] 7 lautet mit eingefügter Gliederung:

[X.]’’ [X.] interface between a mobile station and a packet radio network, in [X.] (506) and decompressed (508) according to [X.], characterized by comprising the steps of

[X.]’ allocating (503) at least two logical connections for the transfer of header fields compressed on the basis of different contexts, wherein a context represents the current properties of the compression,

[X.].1 wherein each logical connection is a data link layer, [X.], connection used for transferring IP data between the mobile station and the packet radio network, and

[X.].5 wherein the allocating the at least two logical connections comprises allocating separate logical connections to the header fields of different compress states,

[X.] transferring (507) the header fields compressed on the basis of the different contexts on separate logical connections,

[X.].1 wherein the transferring the compressed header fields includes transferring each compressed header [X.] header field.

[X.]u den Hilfsanträgen 8 bis 10 sei auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 10 der Beklagten ebenfalls nicht zum Erfolg führen. Die Ansprüche der Hilfsanträge seien teilweise unzulässig erweitert und ihre Lehren seien teilweise nicht ausführbar. Die mit ihnen beanspruchten Verfahren seien nicht patentfähig, da sie gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht neu seien oder zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Die Klägerinnen und die Nebenintervenientin stellen in der mündlichen Verhandlung den Antrag,

das [X.] Patent 1 362 446 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang seines Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise das [X.] Patent 1 362 446 im Umfang seines Patentanspruchs 1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] dadurch für nichtig zu erklären, dass dieser Anspruch die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 10 gemäß [X.] vom 21. September 2018, in dieser Reihenfolge, erhält.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerinnen in allen wesentlichen Punkten entgegen. Sie verteidigt das Streitpatent in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit den 10 genannten [X.]. Sie verweist zur Stützung ihres Vorbringens u.a. auf folgende Dokumente:

N[X.].7 Beschluss des [X.] im Rechtsstreit der [X.] gegen die [X.], die [X.] und die [X.] ([X.]. … );

[X.] Kostennachricht der [X.] zum [X.]. … des [X.];

N[X.].8 Beschluss des [X.] im Rechtsstreit der [X.] gegen die [X.] ([X.]. …);

NB2.8 Kostennachricht der [X.] zum [X.]. … des [X.];

N[X.].9 Beschluss des [X.] im Rechtsstreit der [X.] gegen die [X.] und die [X.] ([X.]. …);

NB2.9 Kostennachricht der [X.] zum [X.]. … des [X.];

NB3.8 [X.] zum [X.]usammenschluss der [X.] und der [X.] zur [X.];

NB3.9 Urteil des [X.] im Rechtsstreit der [X.] gegen die [X.] und die [X.] ([X.]. …);

NB5 Urteil des [X.] vom 12. Mai 2014 ([X.]. 1 Ni 2/13 (EP));

[X.] Beweisbeschluss der [X.] 3.4.01 des [X.] vom 8. November 2017 ([X.]. [X.] – 3.4.01);

NB7 Mitteilung der [X.] 3.4.01 vom 15. September 2017 ([X.]. [X.] – 3.4.01);

[X.] Englischsprachige Übersetzung des [X.] Handelsregisterauszugs vom 4. Dezember 2003 für die [X.]… Ltd.;

[X.]a [X.] Übersetzung zu [X.];

NB9 [X.] [X.] über die [X.]… Ltd. vom 7. Februar 2018;

NB9a [X.] Übersetzung zu NB9;

N[X.]0 Brief der [X.] an das [X.] vom 1. November 2001;

N[X.]0a Umschreibungsantrag von N2… [X.] an das [X.] Patentamt.

N[X.]0b Englischsprachige Übersetzung zu N[X.]0;

N[X.]1 Beschluss des 17. Senats des [X.], [X.]. 17 W (pat) 01/02 vom 17. Oktober 2002;

N[X.]2 Beschluss des 17. Senats des [X.], [X.]. 17 W (pat) 47/00 vom 9. Januar 2003;

N[X.]3 Entscheidung der [X.] des [X.], [X.]. [X.] 1134/06 vom 3. Februar 2004;

N[X.]4 Beschluss des [X.], [X.]. 6 W 1700/16 vom 8. Dezember 2016.

N[X.]5 Metadaten des [X.] ;

N[X.]6 [X.] für „header compression rohc rtp 04“

Sie ist der Meinung, dass die Priorität zu Recht in Anspruch genommen werde, da zum [X.]eitpunkt der Anmeldung des Streitpatents dessen Anmelder mit dem der prioritätsbegründenden Anmeldung übereingestimmt habe. Außerdem habe es sich um die erste Anmeldung gehandelt. Die Lehre des Anspruchs 1 sei auch ausführbar. Sie sei zudem neu gegenüber dem von den Klägerinnen eingereichten Stand der Technik und beruhe gegenüber diesem auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Bei den Druckschriften [X.], [X.] und [X.] sei nicht nachgewiesen, dass diese vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien. Die Nebenintervention sei zurückzuweisen, da die Nebenintervenientin keinen Interventionsgrund gemäß § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 66 Abs. 1 [X.]PO dargelegt und glaubhaft gemacht habe.

Jedenfalls aber sei das Streitpatent in der Fassung der Hilfsanträge bestandsfähig, in denen die geäußerten Bedenken berücksichtigt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die [X.] ist zulässig.

Gemäß § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 66 Abs. 1 ZPO kann jeder, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine [X.], dieser zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Im Falle der Nichtigkeitsklage gegen ein Patent ist einer Firma, die auf dem Gebiet arbeitet, das das Patent betrifft, das rechtliche Interesse nicht abzusprechen, da die Herstellung und/oder der Vertrieb eines unter den Schutzbereich fallenden Gegenstandes oder die Durchführung eines einschlägigen Verfahrens der Firma zunächst verwehrt ist und bei ähnlichen Patentgegenständen zumindest die Gefahr einer Unterlassungs- oder Verletzungsklage besteht, was durch Nichtigerklärung des betreffenden Patents verhindert werden kann.

Im vorliegenden Fall hat die Nebenintervenientin ihr rechtliches Interesse mit der Streitverkündung der [X.] und der [X.] ([X.]) begründet.

Dies ist nach der Rechtsprechung, die einen großzügigen Maßstab anlegt, ausreichend. Der [X.] (vgl. Beschluss vom 30. Mai 1967, [X.], Leitsatz 4, [X.], 86 – „Ladegerät“) hat das erforderliche rechtliche Interesse im Sinne des § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 66 Abs. 1 ZPO bejaht, wenn der Nebenintervenient Gegenstände vertreibt, derentwegen der ihn beliefernde Hersteller vom Patentinhaber bzw. Gebrauchsmusterinhaber wegen Verletzung seines [X.] bereits verklagt worden ist (vgl. auch [X.], Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl. 2016, Rn. 181-182 mit [X.]. 251). Nach neuerer Rechtsprechung des [X.] (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2006, [X.], [X.], 438, Leitsatz – „[X.]“) und des B[X.] (vgl. Urteil vom 14. November 2011, 1 Ni 3/10 ([X.]) juris, Rn. 57 – „[X.] und Verfahren zum Herstellen derselben“) reicht es für die Zulässigkeit der [X.] im Patentnichtigkeitsverfahren jedenfalls aus, wenn der Nebenintervenient ein Unternehmen ist, das durch das Streitpatent in seinen geschäftlichen Tätigkeiten als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (vgl. Busse/[X.], [X.], 8. Aufl. 2016, § 81 Rn. 127 mit [X.]. 372). Hat der Nebenintervenient einen Regressanspruch zu befürchten, besteht in seiner Person ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO daran, dem Rechtsstreit beizutreten (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl. 2020, § 66 Rn. 13; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl. 2016, § 66 Rn. 17).

Ob und inwieweit der Vortrag im zivilgerichtlichen Verfahren schlüssig und/oder ob die dort gestellte Forderung begründet ist, ist für den Streitbeitritt im [X.] unerheblich, denn es ist nicht Aufgabe des Senats, zu beurteilen, ob eine befürchtete Regressforderung nach dem Vortrag im Zivilprozess, wo es etwa auf das Bestreiten und den Vortrag von Tatsachen maßgeblich ankommt (Verhandlungsgrundsatz bzw. Beibringungsgrundsatz), gerechtfertigt ist.

Es spielt auch keine Rolle, dass gemäß dem Urteil des [X.] ([X.]) im Verletzungsprozess kein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin angenommen wurde, da - so das [X.] - die von der [X.]- Gruppe von [X.] übernommenen, von Z2… gelieferten Mobilfunkstationen vom Rechtsstreit nicht betroffen seien, weil es sich bei ihnen gemäß dem dortigen Vortrag der Nebenintervenientin um Mobilfunkstationen handle, die nicht in der Lage seien, das mit der Verletzungsklage angegriffene Verfahren umzusetzen, so dass in der Folge Regressansprüche an die Nebenintervenientin, selbst wenn die Beklagte den Verletzungsprozess verlieren würde, nicht gerechtfertigt wären. Denn im Verletzungsprozess ist ein bestimmter angeblich verletzender Gegenstand oder ein angeblich verletzendes Verfahren Gegenstand des Verfahrens, während im Nichtigkeitsprozess das Patent im Vordergrund steht, das neben dem angeblich verletzenden Gegenstand noch eine Vielzahl weiterer Gegenstände und Verfahren umfasst oder auch in der Zukunft umfassen kann.

II.

Die Klagen, mit denen die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Art. 54, 56 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ) und der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] und Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ) geltend gemacht werden, sind zulässig und teilweise begründet.

Die Klagen sind insofern begründet, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es in seinem Anspruch 1 über die von der Beklagten mit Hilfsantrag 7 beschränkte Fassung hinausgeht, denn die Verfahren des erteilten Anspruchs 1 und der Ansprüche 1 nach den [X.] 1 bis 4 sind gegenüber dem Stand der Technik darstellenden Dokument [X.] nicht neu (Art. 54 EPÜ) und damit nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.], Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ). Die Ansprüche 1 der [X.] und 6 sind unzulässig, da sie Beschränkungen nicht angegriffener Ansprüche sind (Art. 105a, 105b EPÜ, § 64 [X.]).

Die weitergehenden Klagen sind hingegen unbegründet, denn in der Fassung nach Hilfsantrag 7 hat das Patent Bestand.

Anspruch 1 des [X.] ist zulässig, das mit ihm beanspruchten Verfahren ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (Art. 54 EPÜ) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (Art. 56 EPÜ), so dass es patentfähig ist (Art. 52 Abs. 1 EPÜ).

1. Das Streitpatent betrifft den Transfer von [X.] in einem Telekommunikationssystem und insbesondere in einem System, das die Komprimierung von [X.]Datenkopffeldern bereitstellt.

Die sich schnell entwickelnde [X.]Technologie hat das Einsatzgebiet verschiedener [X.] Anwendungen über den herkömmlichen [X.]datentransfer hinaus ausgedehnt. Insbesondere kam es zu einer rapiden Entwicklung [X.] Telefonanwendungen, die dazu führt, dass ein ständig wachsender Anteil des [X.] implementiert werden kann. Insbesondere bilden mobile Kommunikationsnetzwerke einen Bereich, bei dem die [X.]Technologie eine Fülle von Vorteilen bietet, da zusätzlich zu herkömmlichen [X.]rachdiensten, die mit Hilfe verschiedener [X.] [X.] bereitgestellt werden, mobile Kommunikationsnetzwerke zunehmend verschiedene Datendienste, wie beispielsweise Browsen im [X.] und elektronische Maildienste anbieten, welche in der Regel vorteilhafterweise als paketvermittelte [X.]basierte Dienste hergestellt werden. Daher könnten [X.], die an die Protokolle des mobilen Kommunikationssystems angepasst sind, zum Bereitstellen sowohl von Audio/Videodiensten als auch verschiedener Datendienste verwendet werden.

In mobilen Kommunikationssystemen ist es insbesondere von Bedeutung, dass die begrenzten Funkressourcen so effizient wie möglich genutzt werden können. Dies macht die Verwendung von [X.] auf den [X.] andererseits komplizierter, da der Anteil verschiedener [X.] in den zu übertragenden Daten in [X.]basierten Protokollen groß ist und in der Folge der Anteil, der für die Nutzlast übrigbleibt, gering ist. Aufgrund der beschränkten Funkressourcen muss dieses Verhältnis verringert werden. Zu diesem Zweck wurden [X.]-Komprimierungsverfahren entwickelt, wie beispielsweise [X.] (Robust Header Compression) von IETF ([X.] Engineering Task Force).

Im Streitpatent wird der Begriff „Nutzlast“ für Daten verwendet, welche für die eingesetzte Anwendung im Wesentlichen nützlich sind, und der Begriff „[X.]" wird für Felder verwendet, die zu der Nutzlast hinzugefügt werden, indem niedrigere Schichten sich um den Datentransfer der Anwendung kümmern. In [X.] umfasst die Nutzlast beispielsweise [X.]rachproben und Steuerdaten, wobei es sich bei den [X.] in der [X.] beispielsweise um [X.] ([X.]), [X.]- ([X.]) und [X.] ([X.] Protocol) [X.] handelt.

Die vorgeschlagenen Komprimierungsverfahren erfordern das Übertragen unkomprimierter [X.] zu Beginn einer Verbindung und möglicherweise auf periodische Weise. [X.] verwendet mehrere Komprimierungszustände, wobei die Effizienz der Komprimierung zunimmt, wenn der Betrieb zu einem höheren Zustand übergeht. Ein grundlegendes Prinzip besteht darin, dass die Komprimierung immer in dem höchstmöglichen Zustand ausgeführt wird, vorausgesetzt jedoch, dass der [X.] ausreichend Gewissheit darüber hat, dass der Dekomprimierer über genügend Informationen über das Ausführen der Dekomprimierung in demselben Zustand verfügt. Eine logische Verbindung ist in der Regel einer Konvergenzeinheit zugeordnet, die die Übertragung des Anwendungsschichtdatenstroms zu dem mobilen Kommunikationsnetzwerk einerseits und zu der Konvergenzeinheit des [X.] andererseits bereitstellt, wobei die logische Verbindung zur Übertragung von [X.]Paketen zu der physikalischen Schicht verwendet wird. Gemäß den Standards des Mobilkommunikationssystems [X.] ([X.]) der dritten Generation verwendet die Schicht des [X.] ([X.]) immer eine Funkstreckensteuer-(RLC)-Schicht-Verbindung zum Übertragen eines Datenstroms. Wenn die [X.] und somit die logische Verbindung zugewiesen wird, werden Parameter verhandelt, die die Eigenschaften der logischen Verbindung, wie beispielsweise die Dienstgüte ([X.], QoS) der Verbindung bestimmen.

Bei der Übertragung insbesondere von [X.] (Vo[X.]) benötigen [X.] möglicherweise erheblich mehr Bits als die Nutzlast. Einige der zu übertragenden [X.] können komprimiert werden und daher kann die Größe der Kopfteile in den zu übertragenden [X.]Paketen erheblich variieren. Da die Nutzlast der [X.]Pakete und die auf verschiedene Weise komprimierten [X.] auf derselben logischen Verbindung entsprechend den verhandelten Parameter übertragen werden, wird in der Datenübertragung keine optimale Ausnutzung der Funkressourcen erreicht. Ein großer Teil der Kapazität muss insbesondere für einen [X.]Paketdatenstrom reserviert werden, der von einem für [X.] entwickelten Breitbandsprachcode [X.] (Wideband Adaptive Multirate Codec) erzeugt wird, was zu unökonomischer Verwendung des [X.] führt (vgl. Abs. [0002] bis [0006] der [X.] Übersetzung der Streitpatentschrift).

2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und ein Gerät bereitzustellen, welche es ermöglichen, [X.]Daten effizienter über die Funkschnittstelle zu übertragen (vgl. Abs. [0010] der [X.] Übersetzung des Streitpatents).

3. Diese Aufgabe wird u.a. durch das Verfahren für den Transfer von [X.]Daten nach Anspruch 1 des Streitpatents gelöst.

Das Streitpatent beansprucht gemäß Anspruch 1 ein Verfahren, das zur Übertragung von [X.]Daten geeignet ist. Diese Daten beinhalten eine Nutzlast, die die eigentlichen zu übertragenden Daten darstellt und [X.]. Da das [X.]protokoll ein paketorientiertes Protokoll ist, bedeutet dies, dass das Verfahren zur Übertragung solcher Pakete geeignet sein muss. Die Nutzlast, also die eigentlich zu übertragenden Daten, ist dann auf eines oder mehrere Pakete verteilt. Die Pakete weisen alle einen Kopf auf, der mehrere Felder umfasst. Auch diese Köpfe müssen mit übertragen werden. Alle oder ein Teil davon werden komprimiert und dann wieder dekomprimiert. Dass nicht notwendigerweise alle komprimiert werden müssen, ergibt sich aus dem Anspruch, der zweimal den Begriff „header fields“ ohne bestimmten Artikel verwendet. Dies wird auch in Abs. [0009] des Streitpatents nochmals angegeben, indem dort hervorgehoben wird, dass auch ein Kontext möglich ist, bei dem keinerlei Kompression stattfindet (vgl. Abs. [0009]: „[X.] also possible.”).

Das mit Anspruch 1 beanspruchte Verfahren weist nur zwei Verfahrensschritte auf. Der erste besteht darin, dass zwei oder mehr logische Verbindungen zugewiesen werden. Diese sind für die Übertragung von auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierten [X.] geeignet. Unter logischer Verbindung ist dabei eine Verbindung von einem Sender zu einem Empfänger zu verstehen, die logisch als eine Verbindung verwaltet wird. Physikalisch können dabei für beide logische Verbindungen eine gemeinsame physikalische Verbindung, zwei physikalische Verbindungen, also beispielsweise für jede logische Verbindung eine, oder aber auch mehrere physikalische Verbindungen bestehen.

Das Konzept der logischen Verbindung bedeutet, dass es einen Eingang und einen Ausgang der Verbindung gibt, die jeweils eine Schnittstelle darstellen. An der Eingangsschnittstelle werden Daten in einem bestimmten Format übergeben. An der [X.] verlassen sie die logische Verbindung in derselben Form. Was mit ihnen dazwischen passiert, ist für die logische Verbindung unerheblich. Dies bedeutet, dass die beanspruchte logische Verbindung nach der [X.] beginnt und vor der [X.]dekomprimierung endet. Eine logische Verbindung, in deren Verlauf erst die [X.] und die [X.]dekomprimierung erfolgen, ist keine streitpatentgemäße logische Verbindung, denn an ihrem Eingang werden ihr unkomprimierte [X.]daten übergeben, die man auch an ihrem Ende erhält. Ein [X.]-Radio-Bearer ist somit beispielsweise keine streitpatentgemäße logische Verbindung, da erst in seinem Verlauf die Kompression der [X.]daten erfolgt.

Im siebenschichtigen [X.], das die [X.] 2 bis 4 in ihren Klageschriften darstellen, reicht eine streitpatentgemäße logische Verbindung von der Schicht 2 (Sicherung, Data link) des Senders in die Schicht 2 des Empfängers (vgl. auch Abs. [0009] der Streitpatentschrift). Die logische Verbindung wird somit durch den gestrichelten Doppelpfeil „Sicherungs-Protokoll“ repräsentiert, obwohl die Daten eigentlich entlang des dicken Doppelpfeils über eine tiefere Schicht und das Übertragungsmedium laufen.

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Der Begriff „Kontext“ ist für den Fall der [X.] ein feststehender Fachbegriff. Er wird im Dokument [X.], das sich auf das vom Streitpatent bevorzugt verwendete [X.]kompressionsverfahren, die „Robust Header Compression ([X.])“ bezieht, wie folgt definiert (vgl. S. 10, „Context“):

„The context is the state which the compressor uses to compress a header and which the [X.] uses to decompress a header. [X.] uncompressed version of the last header sent (compressor) or received ([X.]) [X.], [X.]" in [X.], e.g., [X.]. [X.], for example the typical inter-packet increase in sequence numbers or timestamps.”

Der Kontext enthält bei [X.] somit eine unkomprimierte Version des Kopfes, ohne die Felder, die unverändert, also unkomprimiert übertragen werden, oder die aus den Eigenschaften des Frames, z.B. seiner Größe abgeleitet werden können. Zusätzlich kann der Kontext weitere Informationen enthalten, die den Paketstrom beschreiben. Dies bedeutet in der Folge, dass sich der Kontext üblicherweise von einem Kopf zum nächsten ändert, indem z.B. ein Wert hoch- oder heruntergezählt wird. In diesem Fall müssen für eine Komprimierung und eine Dekomprimierung die Kontexte auf die gleiche Weise verändert werden.

Diese Definition ist im Wesentlichen auch die, die das Streitpatent angibt (vgl. Abs. [0023]):

„In the different compression methods, a context is typically defined both for the compressor and the [X.], the context being a state according to which the compressor compresses the headerfield to be transmitted and the [X.] decompresses the received headerfield. [X.] also comprises an uncompressed version of the previous header field transmitted (by the compressor) or received (by the [X.]) [X.]. In addition, a context may comprise diverse data identifying the data packet flow, such as sequence numbers and time stamps of the data packets. The context thus typically comprises both static information, [X.], and dynamic information, which changes during the data packetflow, [X.]. [X.] mode.”

Merkmal [X.] gibt nicht an, dass eine bestimmte logische Verbindung für einen bestimmten Kontext verwendet wird, oder eine Änderung des Kontextes zu einer Änderung der logischen Verbindung führen muss.

Der weitere Verfahrensschritt [X.] des Anspruchs 1 beansprucht, dass eine Übertragung der auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierten [X.] auf getrennten logischen Verbindungen erfolgt. Wörtlich genommen würde dies bedeuten, dass, von Ausnahmen abgesehen, für jeden Kopf eine eigene logische Verbindung vorhanden sein muss, denn der Kontext ändert sich üblicherweise von einem Kopf zum nächsten.

Das Merkmal [X.] lässt sich aber auch noch anders interpretieren. So wird in der Beschreibung ausgeführt, dass bisher in [X.] sechs verschiedene Pakettypen definiert wurden (vgl. Abs. [0029]). Jeder dieser Pakettypen kann mit einem „Context Indicator [X.]“ versehen werden, der den Kontext definiert, der in jedem der speziellen Fälle verwendet wird, bevor das Paket auf den Übertragungsweg geschickt wird (vgl. [X.]. 9, [X.] 17 bis 22: „[X.] types defined for [X.], four of which are used for transmission from the compressor to the [X.] and two as return channel data packets from the [X.] to the compressor. [X.], a common characteristic of all the data packet types is that each data packet can be provided with a Context Indicator [X.] defining the context to be used in each [X.] case before the packet is sent to the transfer path.”).

Dies macht eine Interpretation dahingehend möglich, dass zwei Kontexte dann unterschiedlich sind, wenn ihnen eine unterschiedliche [X.]-Vergabe, nicht notwendigerweise eine unterschiedliche [X.], da die gleiche [X.] auf zwei unterschiedlichen logischen Verbindungen vorhanden sein kann (vgl. Dokument [X.], S. 36 Abschnitt 5.1.3.: „The [X.] space is distinct for each channel, i.e., [X.] 3 over channel A and [X.] 3 over channel B do not refer to the same context, even if the endpoints of A and B are the same nodes. In [X.], [X.]s for any pairs of forward and reverse channels are not related (forward and reverse channels need not even have the same size [X.] space).”), zugrundeliegt. Damit würde bei der Übertragung von Datenströmen davon ausgegangen, dass den Paketen desselben Datenstroms derselbe Kontext zugrundeliegt, da er auf derselben logischen Verbindung dieselbe oder als [X.]ezialfall keine [X.] trägt, der sich jedoch von Paket zu Paket verändert.

Eine weitere Interpretation im Rahmen von [X.], auf das Anspruch 1 im Übrigen nicht beschränkt ist, offenbart die Beschreibung des Streitpatents zu [X.]. 4 (vgl. Abs. [0030] bis [0033], insbesondere Abs. [0032]: „[X.], separate logical connections are allocated to the different compress states. In the preferred embodiment, [X.] is allocated to the header fields of the initiation/refresh state, [X.][X.]. [X.] uncompressed initiation/refresh state headerfields to be separated from the compressed header fields. [X.] allocated for signalling data.”). Dort werden die Pakete eines Datenstroms in Kopf und Nutzlast zerlegt. Die Nutzlast wird über eine erste logische Verbindung übertragen, während es eine zweite für nicht komprimierte Köpfe und eine dritte für Köpfe im ersten und zweiten [X.] gibt. Dies bedeutet, dass zwei logische Verbindungen den [X.] entsprechend deren [X.] zugeordnet werden. Der Kontext würde sich demnach dann unterscheiden, wenn im selben Kompressionsalgorithmus unterschiedlich starke Kompressionen der Köpfe gewählt würden. Dabei kann mehreren Kompressionszuständen dieselbe logische Verbindung zugewiesen werden. Die Beklagte gibt hierzu in der Eingabe vom 26. Februar 2018 anders als in ihren Widerspruchsbegründungen klarstellend an, dass auf einer logischen Verbindung auch mehrere Kontexte vorliegen können (vgl. Abschnitt [X.]: „Auf einer logischen Verbindung dürfen mehrere Kontexte vorliegen, solange die auf den getrennten logischen Verbindungen vorliegen Kontexte voneinander verschieden sind. Es wird betont, dass die Erfindung nicht ausschließt, dass auf einer logischen Verbindung nach mehreren Kontexten komprimierte [X.] vorliegen. Zum Beispiel sieht [X.] vor, eine erste logische Verbindung für nach dem Kontext ”initiation/refresh state“ komprimierte [X.] zu verwenden, während auf einer zweiten logischen Verbindung [X.] übertragen werden, die nach zwei Kontexten komprimiert wurden, nämlich „first state“ und „second state“. Wichtig ist nur, dass sich - wie in Anspruch 1 definiert - die getrennten logischen Verbindungen hinsichtlich ihrer [X.] unterscheiden. Mit anderen Worten: auf den getrennten logischen Verbindungen dürfen streitpatentgemäß nicht die gleichen Kontexte vorliegen.“)

Der Begriff „unterschiedliche Kontexte“ ist somit nicht eindeutig festgelegt und ist damit relativ breit auszulegen, insbesondere breiter als er in [X.] definiert wird, solange die [X.] nicht auf [X.] festgelegt wird. Eine Beschränkung des Kompressionsverfahrens auf [X.], wie sie in den [X.] 3 bis 10 erfolgt, führt hingegen zu einer eindeutigen Definition des Begriffes „Kontext“, die hier bereits zitiert wurde.

Insgesamt sind auf Grund dieser vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten die Merkmale [X.] und [X.] so zu verstehen, dass für die Übertragung der [X.] zwei oder mehr logische Verbindungen zur Verfügung gestellt werden, auf denen auf Grundlage der Kontexte, die sich von Paket zu Paket üblicherweise ändern, komprimierte [X.] übertragen werden können, wobei das [X.] einen (leeren) Kontext für die Komprimierung darstellt. Die [X.] werden dann über eine der logischen Verbindungen übertragen, wobei offenbleibt, nach welchen Gesichtspunkten die logische Verbindung ausgewählt wird, auf der das jeweilige [X.] übertragen wird.

Anspruch 1 beansprucht nicht, dass sich die Kompressionsalgorithmen für unterschiedliche Kontexte unterscheiden oder dass die logischen Verbindungen für den Transfer von [X.] mit unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Parameter aufweisen. Dies wird vom Anspruch 1 aber auch nicht ausgeschlossen, so dass die Ausführungsbeispiele unter den Anspruch 1 fallen. Fraglich ist dabei, ob die Merkmale des Anspruchs 1 ausreichen, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Im Übrigen lässt Anspruch 1 auch offen, was mit der Nutzlast geschieht. Auch ist Anspruch 1 nicht auf drahtlose Übertragungsnetzwerke beschränkt. Eine solche Beschränkung erfolgt jedoch in den [X.].

4. Die Verfahren des erteilten Anspruchs 1 und der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 sind gegenüber dem Stand der Technik darstellenden Dokument [X.] nicht neu (Art. 54 EPÜ) und damit nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ). Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 5 und 6 sind unzulässig, da sie Beschränkungen nicht angegriffener Ansprüche sind (Art. 105a, 105b EPÜ, § 64 [X.]). Anspruch 1 des [X.] ist hingegen zulässig, das mit ihm beanspruchten Verfahren ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (Art. 54 EPÜ) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (Art. 56 EPÜ), so dass es patentfähig ist (Art. 52 Abs. 1 EPÜ).

Der hier zuständige Fachmann ist als berufserfahrener Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Nachrichtentechnik oder als berufserfahrener Informatiker zu definieren, der einen [X.] besitzt und über eine mehrjährige praktische Erfahrung in der Entwicklung von Verfahren und Vorrichtungen der paketorientierten Datenübertragung, zumindest auch in drahtlosen Netzwerken, verfügt.

4.1. [X.] ist der der [X.] Prioritätsanmeldung (16. Januar 2001).

Die [X.] 2 bis 4 machen geltend, dass die [X.] Priorität zu Unrecht in Anspruch genommen werde. Dies sei zum einen der Fall, weil die [X.] [X.] 20010099 ([X.]) von der [X.]. getätigt wurde, während die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung von der [X.] vorgenommen wurde, und somit bei fehlender Übereinstimmung der [X.] kein Nachweis der Übertragung des [X.] vorliege. Zudem sei die in Anspruch genommene [X.] vom 16. Januar 2001 nicht die erste Anmeldung der Anmelderin, die das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren offenbare, denn dieses sei bereits in der Anmeldung [X.] ([X.]) offenbart und damit bereits am 30. Oktober 2000 mit einer Priorität vom 5. November 1999 angemeldet worden.

4.1.1. Nach den Prioritätsunterlagen des [X.] Patentamts ([X.]) ist am 19. November 2001 eine Umschreibung der Anmeldung auf die N… Corporation erfolgt, wobei lediglich die Adresse nicht übereinstimmt. Während im Fall der [X.] Prioritätsanmeldung H… als Adresse angegeben wird, findet sich auf der inter- nationalen Anmeldung die Adresse E… Dabei handelt es sich allerdings um zwei Standorte der N… Corporation, so dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der inter- nationalen Patentanmeldung am 15. Januar 2002 eine Identität des Inhabers der Prioritätsanmeldung mit dem Anmelder der dem Streitpatent zugrundeliegenden internationalen Patentanmeldung vorliegt.

Die [X.] 2 bis 4 geben zusätzlich an, dass es an einem Nachweis des Übergangs des [X.] von der ursprünglichen Anmelderin der [X.] auf die Inhaberin der [X.] zum Anmeldezeitpunkt der internationalen Patentanmeldung fehle, d.h. sie gehen davon aus, dass mit dem Übergang der [X.] von der ursprünglichen Anmelderin auf die Inhaberin der Anmeldung zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents das Prioritätsrecht nicht mit übergegangen ist, sondern sich dieses immer noch bei der ursprünglichen Anmelderin befindet.

Diese Annahme ist jedoch unzutreffend, denn Art. 87 Abs. 1 EPÜ gibt an, dass jedermann, der […] eine Anmeldung für ein Patent, ein Gebrauchsmuster oder ein Gebrauchszertifikat vorschriftsmäßig eingereicht hat, oder sein Rechtsnachfolger […] für die Anmeldung derselben Erfindung zum [X.] Patent […] ein Prioritätsrecht genießt. Zwar hat die [X.] nicht die Anmeldung eingereicht, sie genießt jedoch als Rechtsnachfolgerin ebenso ein Prioritätsrecht.

Zum Nachweis der Rechtsnachfolge genügt ohne gegenteilige Hinweise bereits die Umschreibung der Anmeldung beim [X.] Patentamt. Die Beklagte hat aber mit den Dokumenten [X.] bis [X.] zudem den Beweis erbracht, dass die [X.] mit der [X.]. fusioniert wurde, so dass die [X.] Rechtsnachfolgerin der nicht mehr bestehenden [X.]. ist.

4.1.2. Bei der [X.] Prioritätsanmeldung 20010099 ([X.]) handelt es sich auch um die erste Anmeldung im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EPÜ, denn die mit der [X.] ([X.]) offenbarte Erfindung geht auf einen anderen Erfindungsakt zurück als die [X.] Prioritätsanmeldung und auch das Streitpatent. So wurden die beiden Anmeldungen von unterschiedlichen Anmeldern vorgenommen, die Prioritätsanmeldung von der [X.]… Ltd., während die [X.] von der N… Corporation angemeldet wurde. Auch die Erfinder sind unterschiedlich. So nennen das Streitpatent und die Prioritätsanmeldung T5…, in E…, [X.] als Erfinder, während die [X.] L… und B…, beide aus den [X.], als Erfinder nennt. Auch der Inhalt unterscheidet sich in seiner Gesamtheit deutlich.

Im vorliegenden Fall wird deutlich, dass es bei der Feststellung, welche frühere Anmeldung die erste Anmeldung im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EPÜ ist, nicht nur darauf ankommt, ob eine frühere Anmeldung den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorwegnimmt. Dies ist nur eine notwendige nicht jedoch eine hinreichende Bedingung. Zusätzlich muss die Anmeldung auf denselben Erfindungsakt zurückgehen. Denn es kann sich keine Änderung des Zeitrangs einer Anmeldung ergeben, wenn diese von einem Anmelder auf einen anderen übertragen wird. So besteht kein Zweifel an der rechtmäßigen Inanspruchnahme der Priorität, wenn die Anmeldung bei einem Anmelder verbleibt, der keine ältere Anmeldung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 getätigt hat. Überträgt dieser nun die Anmeldung auf jemanden, der bereits vor der [X.] eine Anmeldung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 vorgenommen hat, so würde dieser eine gegenüber der Priorität noch ältere Anmeldung besitzen, so dass diese die erste Anmeldung wäre. In der Folge würde sich der Zeitrang der übertragenen Anmeldung bei der Übertragung ändern. Mit erster Anmeldung kann in Art. 87 Abs. 1 EPÜ somit, um eine Änderung des Zeitrangs einer Anmeldung bei einer Übertragung zu vermeiden, nur die erste Anmeldung, die auf denselben Erfindungsakt zurückgeht, gemeint sein.

4.2. Die Lehre des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ist ausführbar.

Die [X.] 2 bis 4 bemängeln, dass die Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht ausführbar sei, weil dieser nicht auf ein spezifisches System beschränkt sei, sondern allgemein für jegliches Netz gelte. Die Anmeldung offenbare aber nur ein Beispiel für ein bestimmtes Netz, nämlich das [X.]-Netz. Es werde nicht offenbart, wie das Verfahren in den anderen Netzen umgesetzt werden könne. Somit sei die Ausführbarkeit nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gegeben, was aber gemäß mehreren Entscheidungen der technischen Beschwerdekammern des EPAs eine notwendige Voraussetzung sei.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es jedoch ausreichend, wenn ein [X.] Beispiel der beanspruchten Lehre offenbart ist (vgl. [X.] GRUR 2001, 813-819 – „[X.]“; [X.] GRUR 1998, 899-901 – „Alpinski“). Dies ist beim Streitpatent für [X.] der Fall. Dass dem Fachmann nicht für jedes Netz offenbart wird, wie er das erfindungsgemäße Verfahren umsetzen kann, ist unschädlich. So kann der Fachmann das in einem verständlichen Wortlaut beanspruchte Verfahren auf Grund seines Fachwissens und des offenbarten Beispiels bei einer Vielzahl anderer Netze ebenfalls umsetzen, wenn auch nicht bei allen.

Problematisch könnte in diesem Zusammenhang der Begriff „unterschiedlicher Kontext“ sein. Denn wie bereits ausgeführt ändert sich der Kontext für die Komprimierung des Kopfes bei jedem neuen Kopf, da der Kontext entsprechend dem Kopf aktualisiert wird. Es wären demnach so viele logische Verbindungen wie Pakete notwendig, bzw. auf jeder logischen Verbindung würde immer nur genau ein Kopf übertragen. Für eine derartige Vorgehensweise ist aber kein Ausführungsbeispiel offenbart.

Dieser Mangel der Ausführbarkeit ist jedoch durch eine nicht wörtliche, andere Auslegung des Anspruchs, die - wie bereits aufgezeigt wurde - möglich ist, zu vermeiden. Gemäß der Rechtsprechung des [X.] ist in diesem Fall diese Auslegung des Anspruchs zu verwenden (vgl. [X.] GRUR 2015, 972-976 – „[X.]“, [X.] GRUR 2011, 701-705 – „Okklusionsvorrichtung“).

4.3. Das Verfahren des erteilten Anspruchs 1 ist nicht neu (Art. 54 EPÜ) und damit nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ).

4.3.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten, die durch Nichtwissen bestreitet, dass die Dokumente [X.] und [X.] vor dem Zeitrang des Streitpatents öffentlich zugänglich gewesen seien, ist das Dokument [X.] zu berücksichtigender Stand der Technik, da nach freier Überzeugung des Senats davon auszugehen ist, dass es vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 16. Januar 2001, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Hiervon geht auch das Streitpatent aus, denn in ihm wird [X.] in der Version vom 11.10.2000 als Stand der Technik angegeben (vgl. Abs. [0021]: „With regard to a more detailed description of the compression method in question, reference is made to an unfinished [X.] draft “Robust Header Compression ([X.])”, version 04, 11.10.2000.”). Dies ist eine Version, deren Datum etwa 3 Monate vor dem [X.] liegt und in der [X.] wiedergegeben wird. Die Historie der IETF ([X.] Engineering Task Force) (siehe das Bild aus dem Dokument [X.]1c) zeigt, dass diese Version 4 nur kurzzeitig im Oktober 2000 gültig war und dann durch einen Nachfolgedraft, die Version 5 vom 23. Oktober 2000, ersetzt wurde. Die zugehörige E-Mail [X.]a der IETF vom 13. Oktober 2000 zeigt, dass der [X.]-Draft [X.] spätestens am 13. Oktober 2000 online gestellt wurde.

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Bei dem Dokument [X.] handelt es sich, wie auch beim Dokument [X.], um einen [X.]-Draft der [X.] der IETF. Was ein [X.]-Draft ist, schildert die IETF folgendermaßen:

„[X.]-Drafts are working documents of the IETF, [X.], and its working groups. [X.], draft versions of the document are made available for informal review and comment by placing them in the [X.] [X.]-Draft format.”

Auf Deutsch:

„[X.]-Drafts sind Arbeitsdokumente der IETF, ihrer Bereiche und ihrer Arbeitsgruppen. Während der Entwicklung einer [X.]ezifikation werden Versionen des Dokuments zur informellen Durchsicht und Kommentierung zur Verfügung gestellt, indem sie in ein IETF [X.]-Draft Format gestellt werden.“

Dies geschieht zeitnah zum angegebenen Datum. Eine Version bleibt höchstens ein halbes Jahr gültig, kann aber auch früher ersetzt oder für ungültig erklärt werden. Für jedes [X.]-Draft gibt es eine Historie. Für die Dokumente [X.] und [X.] ist diese unter https://datatracker.ietf.org/doc/rfc3095/ ersichtlich. Man kann erkennen, dass das Dokument der [X.]-Version 06, d.h. das Dokument [X.], also [X.] ab Juni 2000 und das Dokument draft-ietf-rohc-rtp-04.txt, also [X.] ab Oktober 2000 online war.

Zwar ist es richtig, dass ein [X.]dokument, das zu einem späteren Zeitpunkt heruntergeladen wird, nicht mit einem [X.]dokument gleichen Namens zu einem früheren Zeitpunkt übereinstimmen muss, da es während dieser Zeit Veränderungen erfahren kann, die nicht immer nachvollzogen werden können, doch ist dabei im Einzelfall zu überprüfen, ob eine solche Veränderung mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden kann. Nach Überzeugung des Senats wurde jedoch ausreichend nachgewiesen, dass bei den Druckschriften [X.] und [X.] eine solche Veränderung nicht erfolgt ist. Denn die Dokumente werden im Archiv einer seriösen Organisation, der IETF, einem internationalen offenen Zusammenschluss von Netzwerkdesignern, Netzwerkbetreibern, Anbietern und Entwicklern von Netzwerken und Netzwerkkomponenten, die sich mit der Weiterentwicklung der [X.]architektur und dem reibungslosen Betrieb des [X.]s beschäftigen, bereitgestellt. In diesem Archiv werden verschiedene Dokumente derselben Sache mit unterschiedlichen Versionsnummern angegeben, so dass davon auszugehen ist, dass ein verändertes Dokument auch einen anderen Namen oder zumindest eine andere Versionsnummer erhält, wie dies bei den [X.]-Versionen oder auch den [X.]-Versionen der Fall ist. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass entgegen den üblichen Gepflogenheiten gerade an diesen Dokumenten eine Änderung erfolgt ist.

Soweit die Beklagte hinsichtlich der Frage der Beweiswürdigung die Entscheidung des [X.] vom 26.06.2014 – [X.] heranzieht und ausführt, es müsse mit Gewissheit feststehen, dass das Dokument [X.] der Öffentlichkeit vor dem Prioritätszeitpunkt zugänglich gewesen sei, ist festzustellen, dass es sich bei der herangezogenen Entscheidung um eine Einzelfallentscheidung handelt und die Beweiswürdigung in jedem Einzelfall getroffen werden muss. Hierbei muss der Senat einen bestimmten Sachverhalt für wahr und nicht lediglich für wahrscheinlich halten, allerdings ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad ausreichend, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Busse, Patentgesetz, § 93 Rn. 2).

4.3.2. Dokument [X.] betrifft ein Verfahren zur Kompression von Köpfen bei der Übertragung von [X.]Daten über Funkstrecken, das mit [X.] bezeichnet wird. Es ist ein Nachfolger des Dokuments [X.], das ebenfalls ein solches Verfahren beschreibt, welches mit [X.] bezeichnet wurde. Im Rahmen von [X.] ist, wie bereits erläutert, der Begriff „Kontext“ eindeutig definiert und insbesondere für jedes zu übertragende Paket unterschiedlich (vgl. S. 10, „Context“). Im Einzelnen offenbart Dokument [X.] in Übereinstimmung mit dem Verfahren des Anspruchs 1 ein:

[X.] - Verfahren für den Transfer von [X.]Daten, die Nutzlast und [X.] umfassen, bei dem [X.]Paketkopffelder komprimiert und dekomprimiert werden (vgl. [X.], 2. Abs.: „[X.], [X.]. [X.], [X.]. [X.]. [X.], and may have [X.] stacks supporting not only audio and video, but also web browsing, email, gaming, etc.“ und S. 9, 3. und 4. Abs.: „[X.] links when used for interactive voice conversations is the large header overhead. [X.]eech data for [X.] telephony will most likely be carried by [X.] [[X.]]. A packet will then, in addition to link layer framing, have an [X.] [[X.]v4] header (20 octets), a [X.] [[X.]] header (8 octets), and an [X.] header (12 octets) for a total of 40 octets. With [X.]v6 [[X.]v6], the [X.] header is 40 octets for a total of 60 octets. [X.]-20 octets. […] A viable header compression scheme for cellular links must be able to handle loss on the link between the compression and decompression point as well as loss before the compression point.”), wobei es die folgenden Schritte umfasst:

[X.] - Zuweisen mindestens zweier logischer Verbindungen (channels, vgl. S. 18, 2. Abs. „Channels“: „[X.] header-compressed packets flow on channels. [X.] fixed links, some cellular radio links [X.]. [X.] in terms of error rate, bandwidth, etc.“) für den Transfer von auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierter [X.] (vgl. S. 18, 3. Abs. „Context identifiers”: „[X.], the ability to transport multiple packet streams is required. [X.]. [X.], [X.] uses a distinct context identifier space per channel and can eliminate context identifiers completely in channels where only a single packet stream is compressed.“), und

[X.] - Übertragung der auf Basis unterschiedlicher Kontexte komprimierten [X.] auf getrennten logischen Verbindungen (vgl. die bereits zitierten Absätze auf S.18.).

[X.] umfasst somit eine Ausführungsform, bei der eine logische Verbindung für mehrere Datenströme, die auch unterschiedliche Kontexte besitzen, verwendet wird. In diesem Fall werden die Köpfe mit einem „Context Identifier“ ([X.]) versehen. [X.] besitzt aber auch eine Ausführungsform, bei der einzelne Datenströme, deren Pakete jeweils denselben [X.] besitzen, jeweils über eine eigene logische Verbindung übertragen werden. Somit offenbart das Dokument [X.] als eine mögliche Ausführungsform auch das Verfahren des Anspruchs 1 des Streitpatents und nimmt damit dieses neuheitsschädlich vorweg. Das Verfahren des erteilten Anspruchs 1 ist somit nicht patentfähig.

4.4. Das Verfahren des Anspruchs 1 des [X.] wird vom Dokument [X.] ebenfalls neuheitsschädlich vorweggenommen, so dass es ebenfalls nicht patentfähig ist. Die neu eingeführten Merkmale sind bereits aus der [X.]ur 1.1 und dem Hinweis auf die [X.]Telefonie auf [X.] der [X.] ersichtlich.

4.5. Zu den mit Anspruch 1 des [X.] beanspruchten verschiedenen Charakteristiken der logischen Verbindungen sei auf den Abschnitt „Channels“ auf S. 18 des Dokuments [X.] verwiesen. Dort heißt es:

„[X.] fixed links, some cellular radio links [X.]. [X.]…”.

Damit kann auch das neu eingefügte Merkmal [X.].2 die Patentfähigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 des [X.] nicht begründen.

4.6. Das mit dem Dokument [X.] offenbarte [X.]kompressionsverfahren wurde [X.] genannt und ist auch die im Streitpatent angegebene Version dieses Vorschlags für einen Standard. Der Kontext, der dort, wie bereits mehrfach ausgeführt, eindeutig definiert ist (vgl. S. 10 „Context“) repräsentiert auch die Eigenschaften der Kompression. Damit ist auch das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 gegenüber dem im Dokument [X.] offenbarten nicht neu und damit nicht patentfähig.

4.7. Mit Hilfsantrag 4, dessen Anspruch 1 sowohl die Änderungen des [X.] als auch die des [X.] enthält, wird ein Zusammenhang zwischen den verschiedenen logischen Verbindungen und den verschiedenen Kontexten hergestellt. Da aber jedes Paket und damit jeder Header einen anderen Kontext besitzt, weil sich von einem Header zum anderen Werte nach bestimmten Regeln ändern, werden logische Verbindungen mit unterschiedlicher Charakteristik auch unterschiedlichen Kontexten zugeordnet. Auch aus der Kombination der neu eingeführten Merkmale ergibt sich somit nichts, was die Patentfähigkeit begründen könnte.

4.8. Beim Anspruch 1 des [X.] wurden ausgehend vom Anspruch 1 des [X.] noch die Merkmale des erteilten Anspruchs 5 in den Anspruch 1 aufgenommen. Damit handelt es sich bei Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 um eine Beschränkung des Anspruchs 5 des Streitpatents. Anspruch 5 ist aber nicht angegriffen. Der neue Anspruch 1 des [X.] käme somit wegen seines gegenüber dem erteilten Anspruch 5 geringeren Schutzbereichs gar nicht zur Wirkung, so dass im Ergebnis den Klagen der Klägerinnen in vollem Umfang stattgegeben würde und ein weiterer, beschränkter Anspruch in das Patent eingefügt würde. Für eine solche Änderung, die überhaupt nur möglich ist, wenn sie insgesamt zu einer Beschränkung eines nicht angegriffenen Patents oder der nicht angegriffenen Ansprüche im [X.] führt, sind das Europäische Patentamt (gemeinsame Beschränkung für alle benannten [X.], Art. 105a, 105b EPÜ) oder die Patentabteilung des [X.] (nur für die [X.], § 64 [X.]) zuständig und nicht das [X.]. Anspruch 1 des [X.] ist somit unzulässig.

4.9. Auch Anspruch 1 des [X.] ist aus den zu Anspruch 1 des [X.] angegebenen Gründen unzulässig, denn bei ihm handelt es sich sinngemäß um eine Beschränkung des Verfahrens des ursprünglichen Anspruchs 5, der aber nicht angegriffen ist. In Bezug auf die Patentfähigkeit sei aber auf den Abschnitt „Channels“ auf S. 18 der Druckschrift [X.] verwiesen. Dort heißt es weiter:

„… in terms of error rate, bandwidth, etc.”

Damit kann das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des [X.] auch eine Patentfähigkeit nicht begründen.

4.10. Das ausführbare (Art. 83 EPÜ), gewerblich anwendbare (Art. 57 EPÜ) Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 7 ist ursprünglich offenbart (Art. 123 Abs. 2 EPÜ) und auch patentfähig (Art. 52 EPÜ), da es gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sowohl neu ist (Art. 54 EPÜ), als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (Art. 56 EPÜ).

4.10.1. Anspruch 1 nach Hilfsantrag 7 geht aus dem erteilten Anspruch 1, der identisch zum ursprünglichen Anspruch 1 ist (vgl. die [X.]), hervor, indem in ihn eine Anzahl weiterer Merkmale aufgenommen wurde, so dass er ein gegenüber dem erteilten Patent eingeschränktes Verfahren beansprucht. Diese weiteren Merkmale sind in der Beschreibung ursprünglich offenbart. So findet sich der erste Einschub im Merkmal [X.]‘‘, dass die Übertragung über Funk zwischen einer Mobilstation und einem paketorientierten Netzwerk erfolgt, im Absatz [0008] der [X.].

Das Ausführungsbeispiel bezieht sich auf die [X.]kompression im Rahmen von [X.] (vgl. Abs. [0020]), so dass auch der zweite Einschub im Merkmal [X.]‘‘ ursprünglich offenbart ist.

Bei dem Einschub im Merkmal [X.]‘, dass der Kontext die laufenden Eigenschaften der Kompression repräsentiert, handelt es sich um eine Erklärung, die ebenfalls beispielsweise dem Abs. [0008] der [X.] entnommen werden kann, genau wie auch das Merkmal [X.].1, das in diesem Absatz ebenfalls ursprünglich offenbart ist.

Das Merkmal [X.].5, dass die zwei logischen Verbindungen so zugeordnet werden, dass getrennte logische Verbindungen den [X.] verschiedener Kompressionszustände zugeordnet werden, ist u.a. dem Absatz [0010] der [X.] zu entnehmen und wird im Ausführungsbeispiel weiter ausgeführt. Der ursprüngliche Anspruch 2 enthält einen speziellen Fall der Zuordnung für [X.]. Dieses Merkmal ist somit im Absatz [0010], auch in der beanspruchten Breite, ursprünglich offenbart.

Das weitere neu eingeführte Merkmal [X.].1 geht aus dem Gesamtzusammenhang des Ausführungsbeispiels hervor, insbesondere aus Abs. [0030] der [X.], wo angegeben wird, dass die unterschiedlich komprimierten [X.] auf unterschiedlichen logischen Verbindungen übertragen werden („The [X.] entity may be mapped to a plural number of RLC entities which allows a plural number of logical connections [X.]-LC3 to be offered to one [X.] entity. Separate logical connections [X.]-LC3 are allocated to the payload and to the differently compressed (different context) header fields. The payload and the header fields of the [X.] packets to be transmitted are separated, and, after the compression, the differently compressed header fields are transmitted on separate logical connections [X.]-LC3.“). Somit ist auch das Merkmal [X.].1 ursprünglich offenbart, so dass insgesamt das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ursprünglich offenbart ist (Art. 123 Abs. 2 EPÜ). Da es sich bei der Änderung des Patentanspruchs 1, wie bereits dargestellt, um eine Beschränkung des Schutzbereichs des Patents handelt (Art. 123 Abs. 3 EPÜ), ist Anspruch 1 nach Hilfsantrag 7 zulässig.

4.10.2. Das Verfahren des Anspruchs 1 des [X.] ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dieser Anspruch beansprucht die Zuweisung von zwei logischen Verbindungen zu verschiedenen Kompressionszuständen. Diese sind in [X.] festgelegt und mit IR (Initialization and Refresh State), [X.] (First Order State) und SO ([X.]) bezeichnet (vgl. [X.], [X.], „4.3.1. Compressor states“). [X.] gibt keinerlei Anregung, diesen unterschiedlichen Kompressionszuständen unterschiedlich logische Verbindungen zuzuordnen und sie auf diesen unterschiedlichen logischen Verbindungen nach [X.] getrennt zu übertragen.

Auch die [X.] waren, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, nicht in der Lage, eine entsprechende Stelle im Dokument [X.] aufzuzeigen. Sie haben lediglich argumentiert, dass es naheliegen würde, den unkomprimierten Zustand, dies ist im Wesentlichen der [X.], über eine logische Verbindung mit höherer Bitrate zu senden, während die anderen Zustände, die deutlich weniger Information enthalten, über eine Verbindung mit geringerer Bitrate gesendet werden, wenn schon solch unterschiedliche logische Kanäle vorhanden sind (vgl. S. 18 „Channels“ der [X.]). Dies ist in der Sache zwar richtig, doch benötigt der Fachmann hierzu zunächst eine Anregung, die ihn in [X.] dazu veranlasst, einen Datenstrom nach [X.] aufzuteilen, so dass die verschiedenen Kompressionszustände zumindest auch über verschiedene logische Kanäle übertragen werden können. Als Anregung ist es nicht ausreichend, wenn ihm offenbart wird, dass es logische Kanäle mit verschiedenen Charakteristiken gibt.

Das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 7 ist somit gegenüber dem im Dokument [X.] offenbarten neu (Art. 54 EPÜ) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (Art. 56 EPÜ).

4.10.3. Auch der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik kann die Patentfähigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 des [X.] nicht in Frage stellen.

Die im Prioritätsintervall veröffentlichte Druckschrift [X.] ([X.]) mit älterem Zeitrang vom 5. November 1999 beschäftigt sich nicht mit [X.], weshalb sie die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 des [X.] auch nicht in Frage stellen kann.

Die grundlegende erfinderische Idee, die [X.] verschiedener Kompressionszustände über unterschiedliche logische Verbindungen zu übertragen, konnte entgegen der Ansicht der [X.] auch nicht im Dokument [X.], die [X.] - eine Vorläuferverfahren von [X.] - beschreibt, nachgewiesen werden. Und auch die übrigen im Verfahren befindlichen Dokumente lassen dieses Merkmal nicht erkennen.

5. Bei dieser Sachlage waren die weiteren Hilfsanträge 8 bis 10 somit unbeachtlich, denn das europäische Patent 1 362 446 war mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass sein Anspruch 1 die mit Hilfsantrag 7 eingereichte Fassung erhält.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 92 Abs.1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Dabei wurde berücksichtigt, dass nur Anspruch 1 angegriffen wurde, und das Verfahren des nicht angegriffenen Anspruchs 2 der für den Fachmann erkennbar sinnvollste Fall von vier im Rahmen von [X.] möglichen Fällen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 7 ist, so dass der Anteil des Obsiegens der [X.] und der Nebenintervenientin gegenüber dem der Beklagten deutlich größer ist.

Meta

2 Ni 7/17 (EP)

07.11.2019

Bundespatentgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Art 87 Abs 1 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 07.11.2019, Az. 2 Ni 7/17 (EP) (REWIS RS 2019, 1829)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1829

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