Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. III ZR 254/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1052

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03
Verkündet am: 21. Oktober 2004 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]R: ja

[X.] § 37 Abs. 3, § 86 Abs. 6; BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Fm
Zur Verpflichtung des nach einem Umzug der Pflegefamilie erstmals für ein Pflegekind zuständig gewordenen [X.], sich in engem zeitlichen Zu-sammenhang mit der Übernahme der Zuständigkeit ein eigenes Bild von dem Pflegekind und der Pflegefamilie zu verschaffen ("Antrittsbesuch").
BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 D; ZPO § 287

Einem durch Mißhandlungen seiner Pflegeeltern geschädigten (unterernähr-ten) Pflegekind kommen im [X.] gegen den Trä[X.] des [X.] bei der Prüfung, ob bei einem - pflichtwidrig unterbliebenen - "An-trittsbesuch" des [X.] bei der Pflegefamilie anläßlich eines [X.] das auffällige Untergewicht erkannt und durch daraufhin einge-leitete Nachforschungen die eingetretenen Gesundheitsschäden verhindert worden wären, Beweiserleichterungen zu.

[X.], Urteil vom 21. Oktober 2004 - [X.]/03 - OLG Stuttgart

LG Stuttgart - 2 -

Der II[X.] Zivilsenat des Bundes[X.]ichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2004 durch [X.] und [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision des [X.]n gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandes[X.]ichts Stuttgart vom 23. Juli 2003 wird [X.].

Der [X.] hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Klä[X.] nimmt den beklagten [X.] unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz des ihm während seines Aufenthalts in einer [X.] entstandenen Schadens in Anspruch.

Der am 2. Juni 1989 nichtehelich geborene Klä[X.] war im Dezember 1990 vom damals zuständigen [X.] [X.] ([X.]) mit Einverständnis der sorgeberechtigten Mutter den Eheleuten [X.]
zur Vollzeitpflege zuge-wiesen worden. Im [X.] 1993 verzog die Familie R.

nach [X.]

([X.]), das zum Bezirk des [X.]n gehört. Mit - 3 -

Schreiben vom 7. April 1994 ersuchte das Landratsamt [X.]
den [X.]n un-ter Zusicherung einer Kostenerstattung um "Übernahme des Hilfefalles". Der [X.] verwei[X.]te jedoch in der Folgezeit die Übernahme der Zuständigkeit, weil nicht sicher sei, ob der weitere Aufenthalt des Klä[X.]s bei seinen Pflegeel-tern überhaupt von Dauer sein werde. Dies begründete der [X.] damit, daß die leibliche Mutter sich gewei[X.]t hatte, einen vom Jugendamt [X.] aus-gearbeiteten neuen Hilfeplan zu unterschreiben, und erklärt hatte, sie sei mit der Unterbringung des Klä[X.]s bei der [X.]

nicht einverstanden. Nach einer sich über Jahre hinziehenden schriftlichen Auseinandersetzung der beiden Jugendämter über die Frage der örtlichen Zuständigkeit für den Klä[X.] kam es am 9. April 1997 - noch unter Federführung des [X.] [X.] - in den Amtsräumen des [X.]n zu einem Hilfeplangespräch der Mitarbeiterin des [X.] [X.] mit der Mutter des Klä[X.]s und der Pflegemutter, an dem auch die zuständige Mitarbeiterin des [X.] des [X.]. Die Mitarbeiterin des [X.] [X.] nahm am selben Tag auch einen Hausbesuch bei der Pflegefamilie vor, über den sie in einem, der [X.]n anschließend zugeleiteten, "[X.] berichtete. Nachdem die [X.] des Klä[X.]s bei dem Gespräch im April 1997 letztlich in den weiteren Verbleib ihres [X.] bei den Pflegeeltern eingewilligt hatte, erklärte sich der [X.] am 1. Juni 1997 zur Übernahme der [X.]n Betreuung des Klä[X.]s bereit. Zu diesem [X.]punkt befanden sich in der Obhut der Eheleute [X.]insgesamt drei Vollzeitpflegekinder (der Klä[X.] und die im Mai 1994 im Alter von drei und anderthalb Jahren aufgenommenen - seither auch vom Ju-gendamt des [X.]n betreuten - Geschwister [X.] und [X.] E. ) sowie drei eheliche Kinder. Am 27. November 1997 starb das jüngste der drei Pflegekinder - der fünfjährige [X.] E. -, und zwar, wie die ärztliche Untersuchung ergab, an Unterernährung. Hierbei stellte sich heraus, daß auch - 4 -

der Klä[X.] und das Pflegekind [X.] E. an extremem Untergewicht litten. Beide waren in einer nach Gewicht und Größe altersentsprechenden Verfas-sung von den Pflegeeltern aufgenommen worden, dann aber bald in ihrer Ent-wicklung hinter der statistisch zu erwartenden zurückgeblieben; der Klä[X.] wog zuletzt mit acht Jahren bei einer Körpergröße von 104 cm, die der Durch-schnittsgröße eines Vierjährigen entsprach, noch 11,8 kg. Ein normal entwik-keltes Kind im Alter des Klä[X.]s wäre 130 cm groß und 23 kg schwer gewesen.

Die Pflegeeltern wurden 1999 vom Land[X.]icht S.

wegen Mordes in Tateinheit mit Mißhandlung von Schutzbefohlenen zu jeweils lebenslan[X.] Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Straf[X.]ichts hatten sie - während sie die eigenen Kinder gut versorgten - den Pflegekindern zu wenig, [X.] oder gar nichts zu essen gegeben, sie aber auch eingesperrt und geschlagen. Nach den Sommerferien Mitte September 1997, als der ab-gema[X.]te Zustand der Pflegekinder nunmehr für jedermann sichtbar war, [X.] die Pflegeeltern diese von der Außenwelt abgeschottet, insbesondere [X.] sie den Klä[X.] nicht mehr zur Schule geschickt. Sie hatten die permanente Unterernährung der Pflegekinder selbst in Kenntnis dessen fortgesetzt, daß dies zum Tode der Kinder führen werde.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Klä[X.] geltend, das Jugendamt des [X.]n habe seine ihm gegenüber obliegenden Aufsichts- und Kontroll-pflichten verletzt. Er behauptet, bei einem früheren und ordnungsgemäßen [X.] der Bediensteten des [X.]n wäre sein Leiden in der Pflegefamilie aufgedeckt und vorzeitig beendet worden. Land[X.]icht und Oberlandes[X.]icht haben der zuletzt auf die Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 25.000 • und die Feststellung der Ersatzpflicht des [X.]n für materielle - 5 -

und zukünftige immaterielle Schäden aus dem Aufenthalt bei den Pflegeeltern seit dem 22. September 1994 [X.]ichteten Klage stattgegeben. Mit der vom Be-rufungs[X.]icht zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen [X.] weiter.

Entschei[X.]sgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.]

Das Berufungs[X.]icht hat ausgeführt (NJW 2003, 3419 m. [X.] [X.] [X.]O S. 3369):

Das Jugendamt des [X.]n sei mit dem Umzug der Pflegefamilie [X.] nach [X.] gemäß § 86 Abs. 6 [X.] für den Hilfe-fall des Klä[X.]s zuständig geworden, denn der Klä[X.] habe sich zu diesem [X.]punkt bereits seit mehr als zwei Jahren in der Obhut der Pflegefamilie be-funden und sein weiterer Aufenthalt sei wegen der Verhältnisse in seiner Her-kunftsfamilie auch auf Dauer zu erwarten gewesen. Dies hätten die Mitarbeiter des [X.]n schon im [X.]punkt des Übernahmeersuchens im April 1994, spätestens aber nach Eingang des [X.] im Juli 1994 erkennen müssen. Insoweit habe auch keine Zuständigkeit des Landratsamts [X.]

mehr bestan-den. Zwar müsse bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der bisher zuständig gewesene Trä[X.] seine Leistungen gemäß § 86c [X.] noch so - 6 -

lange fortsetzen, bis der neue Trä[X.] seinerseits die Leistung aufnehme, es handele sich bei der Vorschrift des § 86c [X.] aber nicht um eine [X.]sregelung, sondern allein um eine materielle Anspruchsgrundlage des Leistungsberechtigten. Dem Berechtigten solle hierdurch nicht der Anspruch gegen den neu zuständig gewordenen Trä[X.] genommen werden, sondern er erhalte einen zusätzlichen Verpflichteten. Der [X.] habe daher durch die pflichtwidrige Verwei[X.]ung der Übernahme der Leistungspflichten den Eintritt seiner Zuständigkeit nicht umgehen können. Aufgrund dessen hätten die [X.] des [X.]n spätestens zwei Monate nach Eingang des [X.] - d.h. im September 1994 - den Kontakt zu der Pflegefamilie herstellen müssen.

Aber auch nach der tatsächlichen Übernahme der Verantwortung hätten die Mitarbeiter des [X.]n ihre dem Klä[X.] gegenüber bestehenden [X.] aus §§ 36 Abs. 2, 37 Abs. 3 [X.] nicht erfüllt, denn ein per-sönlicher Kontakt sei erst für Juni 1998 geplant gewesen.

Bei der Prüfung der Fortführung der Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 [X.] wäre zeitnah nach der Übernahme der Verantwortung eine kindge-rechte Anhörung des Klä[X.]s geboten gewesen; denn bei Aufstellung des als Vorbereitungsmaßnahme für die Entschei[X.] über die notwendige und geeig-nete Hilfe dienenden und während der Dauer der Hilfemaßnahme [X.] [X.] sehe § 36 Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Mitwirkungsbefugnis des Kindes ausdrücklich vor. Der Hilfeplan solle dabei die Vorstellungen und Erwartungen des betroffenen Minderjährigen dokumentieren. Auch eine Über-prüfung gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] werde bei entsprechender Entwick-lung des Kindes ohne ein Gespräch mit ihm nur rudimentär möglich sein. An-gesichts der Bedeutung der Grundrechte des Kindes erfordere die [X.] 7 -

[X.], welche Hilfemaßnahme zu gewähren sei, eine möglichst fundierte Grundlage. Der [X.] sei daher gehalten gewesen, sich nach Übernahme der Verantwortung möglichst bald vor Ort einen unmittelbaren Eindruck von der Pflegefamilie und insbesondere vom Zustand und den Erwartungen des Klä-[X.]s zu verschaffen. Als Minimum an laufender Überprüfungstätigkeit hätte ei-ne Eingangsüberprüfung stattfinden müssen, um sich dem Kind als [X.] bekannt zu machen und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse das weitere Vorgehen gegebenenfalls neu festlegen zu können.

Auf seinen erkennbar problematischen Körperzustand angesprochen, hätte der Klä[X.] - schon 1994 - Angaben über die ihm widerfahrenen Mißhand-lungen durch die Pflegeltern gemacht, die entweder zu seiner sofortigen Her-ausnahme aus der Pflegefamilie oder jedenfalls zu einer umgehenden medizi-nischen Untersuchung geführt hätten. Aber auch ohne Angaben des Klä[X.]s hätte medizinischer Rat eingeholt werden müssen, denn sein schlechter kör-perlicher Zustand hätte den Mitarbeitern des [X.] bei professioneller Betrachtung schon im Jahr 1994 auffallen und hätte sich spätestens 1996 auch einem Laien aufdrängen müssen. Dies wäre Anlaß genug gewesen, die medi-zinische Versorgung des Klä[X.]s zu hinterfragen. Allein auf die Angaben der Pflegeeltern hätte ein verantwortungsbewußter Mitarbeiter des [X.] nicht vertrauen dürfen. Der [X.] könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Klä[X.] noch am 9. April 1997 von der Mitarbeiterin des [X.]s [X.] als klein und kräftig beschrieben worden sei, denn damals sei für jeden Laien die unnatürliche Ma[X.]keit und die dadurch bedingte beginnende Ver-greisung im Gesicht erkennbar gewesen.
- 8 -

Zur Begrün[X.] der Höhe des dem Klä[X.] zuerkannten [X.] hat das Berufungs[X.]icht wesentlich darauf abgestellt, daß die Pflicht-verletzung des [X.]n dazu geführt habe, daß der Aufenthalt des Klä[X.]s in der Pflegefamilie sich um über drei Jahre verlän[X.]t und sich infolgedessen sein körperlicher Zustand durch das fortdauernde Aushun[X.]n weiter ver-schlechtert habe, und daß der Klä[X.] entsprechend län[X.] den Repressalien der Pflegeltern ausgesetzt gewesen sei. Dies und das Erlebnis des Todes des als Bruder angesehenen [X.] hätten wesentlich zu einer beim Klä[X.] festgestellten Traumatisierung beigetragen.

I[X.]

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Mit Recht hat das Berufungs[X.]icht eine Amtspflichtverletzung des [X.] in dessen Wei[X.]ung (in den Jahren 1994 bis Mitte 1997) gesehen, die den Klä[X.] betreffenden Aufgaben der Jugendhilfe im Sinne von § 2 [X.], wozu gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 [X.] auch die Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen gemäß §§ 27 bis 35, 36, 37, 39 und 40 [X.] gehörten, zu übernehmen. Zutreffend geht es davon aus, daß der [X.] nach dem Umzug der damaligen Pflegeeltern des Klä[X.]s, der Eheleute [X.] , nach [X.] örtlich für die Betreuung dieses [X.] zuständig geworden ist, und daß dies für die Bediensteten des [X.]n im [X.] des Jahres 1994 erkennbar war.
- 9 -

a) Die örtliche Zuständigkeit für Leistungen an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern bestimmt sich bei [X.] nach § 86 Abs. 6 [X.]. Anders als in § 86 Abs. 1 bis 5 [X.], wonach sich die [X.] primär an dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern orientiert und ein Auf-enthaltswechsel des Kindes oder Jugendlichen keine Veränderung der [X.] bewirkt, knüpft diese Bestimmung die örtliche Zuständigkeit des [X.] an den gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson an, falls das Kind oder der Jugendliche schon zwei Jahre bei ihr lebt und sein weiterer Aufenthalt dort auf Dauer zu erwarten ist.

Das Berufungs[X.]icht ist in tatrichterlich einwandfreier Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfall nach dem Bekanntwerden des Umzugs der Pflegeeltern des Klä[X.]s und der gesamten Familie in den [X.] -Kreis im [X.] 1993 in bezug auf den Klä[X.] als Pflegekind der Tatbestand des § 86 Abs. 6 [X.] gegeben war. Daran, daß die - ganze - Pflegefamilie mit dem Umzug ihren Lebensmittelpunkt nach [X.]

verlegt hatte, in dessen Bezirk die Kinder auch die Schule bzw. den Kindergarten be-suchten, bestand kein ernsthafter Zweifel. Was den Klä[X.] anging, so befand sich dieser bereits seit Dezember 1990, also schon mehrere Jahre, in der Ob-hut der Eheleute [X.] . Sein weiterer Verbleib in der Pflegefamilie war, wie das Berufungs[X.]icht ebenfalls tatrichterlich fehlerfrei - auch von der Revision unbeanstandet - feststellt, aus damali[X.] Sicht auch auf Dauer zu erwarten. Von einem Verbleib auf Dauer ist bereits dann auszugehen, wenn eine Rück-kehr des Pflegekindes zu seinen leiblichen Eltern oder einem Elternteil bis auf weiteres ausgeschlossen ist und die Pflegeperson bereit und in der Lage ist, das Kind zukunftsoffen zu betreuen ([X.], in: LPK-[X.], 2. Aufl., § 86 Rn. 51). Da vorliegend der Kontakt zwischen dem Klä[X.] und seiner Mutter - 10 -

schon vor dem Umzug weitgehend ab[X.]issen war und sich die schlechten, für den Klä[X.] nach der dem [X.]n vermittelten Einschätzung des Jugend-amts [X.] untragbaren, Verhältnisse im Haushalt der Mutter (u.a. die [X.]) nicht wesentlich geändert hatten, andererseits es keinerlei [X.] dafür gab, daß die Pflegeeltern zur weiteren Betreuung des Klä[X.]s nicht mehr bereit waren, sprach auch die Zukunftsprognose für einen Verbleib des Klä[X.]s in der [X.] . Zwar lag die Personensorge für den Klä[X.] und damit das Aufenthaltsbestimmungsrecht ununterbrochen bei seiner leiblichen Mutter, weshalb diese das Kind grundsätzlich jederzeit gemäß § 1632 Abs. 1 BGB hätte herausverlangen können, wenn sie mit der Versorgung des Klä[X.]s in der Pflegefamilie nicht mehr einverstanden gewesen wäre. Hierfür gab es im [X.]punkt des Umzugs jedoch keinen Anhalt. Die Unterschriftsverwei[X.]ung der Mutter anläßlich der Erstellung des [X.] durch das Landratsamt [X.] im Juli 1994 und ihre bloße Äußerung, sich beim Vormundschafts[X.]icht um eine Rückkehr des Klä[X.]s bemühen zu wollen, stand dem Fortbestand der [X.] und damit der weiter bestehenden Zuständigkeit des [X.]n nicht entge-gen. Die Ernstlichkeit dieser Absichtserklärung war schon deswegen in Zweifel zu ziehen, weil es zwischen der Kindesmutter und dem Klä[X.] bis dahin kaum Kontakt gegeben hatte und die Mutter auch in der Folgezeit keinerlei konkrete Schritte unternommen hat, um ihren angeblichen Plan in die Tat umzusetzen.

b) Nach dem Gesetzeswortlaut und [X.] ist der - von der Revision bekämpften - Auslegung des Berufungs[X.]ichts zuzustim-men, daß ein [X.] gemäß § 86 Abs. 6 [X.] von Geset-zes wegen ("automatisch") erfolgt, also nicht erst an eine Übernahmeentschei-[X.] der betreffenden Behörde anknüpft ([X.] vom 8. Ja-nuar 2002, [X.] 2002, 18, 19; [X.]/Grüner/[X.], Kinder- und Jugendhilfe - 11 -

[X.], Loseblatt, [X.], Stand: 9/03, § 86 [X.] XI; [X.], NJW 2003, 3369, 3370). Im Streitfall lag die maßgebliche Amtspflichtverletzung der Be-diensteten des [X.]n jedenfalls darin, daß sie (von 1994 bis Mitte 1997) trotz entsprechenden Ersuchens des anderen [X.] und trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen die Übernahme des Klä[X.]s als Hilfefall in ihren Aufgabenbereich ablehnten.

Durch die Ablehnung der Übernahme des vom Jugendamt [X.]

angebo-tenen "[X.]" des Klä[X.]s - das heißt, die generelle Wei[X.]ung, überhaupt für den hilfsbedürftigen Klä[X.] tätig zu werden - haben die Bediensteten des [X.]n entgegen der Aufassung der Revision auch materielle Amtspflichten verletzt, die ihnen gegenüber dem (leistungsberechtigten) Klä[X.] als Drittem im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB oblagen.

c) Es ist aus Rechtsgründen - bei Zugrundelegung des im Amtshaftungs-recht geltenden objektiven Verschuldensmaßstabs - auch nicht zu beanstan-den, daß das Berufungs[X.]icht bezüglich dieser Pflichtverletzung ein [X.] (Fahrlässigkeit) der Bediensteten des [X.]n angenommen hat.

[X.]) Zwar war den Bediensteten des [X.]n nach Eingang des Über-nahmeersuchens im April 1994 für die zu treffende (Prognose-)Entschei[X.] ein gewisses "Überlegungs- und Nachforschungsrecht" zuzubilligen. Sie durf-ten noch weitere Informationen einholen und vor allem auch den Eingang des [X.] im Juli 1994 abwarten. Zu Recht ist das Berufungs[X.]icht aber da-von ausgegangen, daß der [X.] eine positive Prognoseentschei[X.] trotz der Ankündigung der Mutter, den Klä[X.] nicht mehr län[X.] bei den Pflegeeltern belassen zu wollen, bald nach Eingang des [X.] hätte treffen können und - 12 -

müssen. Denn der Hilfeplan nebst Begleitschreiben enthielt im wesentlichen die maßgeblichen Informationen, die die Mitarbeiter des [X.]n ansonsten auch dem übrigen Inhalt der Jugendhilfeakte hätten entnehmen können. In [X.] der Gesamtumstände hätten sich die Mitarbeiter des [X.]n [X.] nicht auf den rein formalen Standpunkt stellen dürfen, nur wegen der Wei-[X.]ung der Kindesmutter, den Hilfeplan zu unterschreiben, sei die Dauerhaftig-keit des Aufenthalts des Klä[X.]s bei der [X.]

zweifelhaft. Selbst wenn die Mitarbeiter des [X.] des [X.]n die vorhandenen [X.] als nicht ausreichend angesehen hätten, wäre zumindest die Aufnahme weiterer eigener Ermittlungen geboten gewesen, um die Situation zu klären. Nach einer gewissen Übergangszeit hätten die Mitarbeiter des [X.] des [X.]n ohnehin erkennen müssen, daß die Kindesmutter ihre Ankündigung nicht in die Tat umsetzen würde. Die Würdigung des Berufungs[X.]ichts, daß der [X.] die Betreuung des [X.] etwa ab [X.] 1994 hätte aufneh-men müssen, ist daher nicht zu beanstanden.

[X.]) Dem Berufungs[X.]icht ist auch darin beizupflichten, daß die Bewer-tung der - zeitweiligen - Wei[X.]ung des [X.]n, die [X.] [X.] für den Klä[X.] zu übernehmen, als (schuldhafte) Amtspflichtverletzung unberührt von der Vorschrift des § 86c [X.] bleibt, wonach im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit der "bisher zuständige örtliche Trä[X.] solange zur Gewährung der Leistung verpflichtet (bleibt), bis der nunmehr zu-ständige örtliche Trä[X.] die Leistung fortsetzt". Das nächstliegende [X.] dieser Bestimmung geht - insbesondere im Zusammenhang mit der [X.] in § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB V - dahin, daß damit lediglich (zum Schutz des betroffenen Kindes oder Jugendlichen) eine Verpflichtung der bisher zuständigen Stelle gegenüber dem Leistungsberechtigten zur Weiter-gewährung begründet wird, die die Verpflichtung der eigentlich (neu) berufenen - 13 -

währung begründet wird, die die Verpflichtung der eigentlich (neu) berufenen Stelle als - vorrangig - "zuständig" unberührt läßt. Die Meinung der Revision, § 86c Satz 1 SGB V sei dahin zu interpretieren, daß nicht nur die Leistungs-verpflichtung, sondern auch die Verfahrenskompetenz der bisher örtlich zu-ständigen Leistungsträ[X.] so lange als alleinige fortdauere, bis dieser nunmehr örtlich zuständige Trä[X.] die Leistung und damit die Verfahrenskompetenz übernehme, wird in der Fachliteratur nur ganz vereinzelt vertreten (vgl. [X.], [X.]/[X.], 2. Aufl., § 86 Rn. 7, 23, § 86c Rn. 6) und hat im Gesetz keine Stütze. Selbst auf dem Boden dieser Ansicht hätte jedenfalls eine Ver-pflichtung des [X.]n zur alsbaldigen Übernahme der Kompetenz als [X.] bestanden. Eine andere Frage ist, inwieweit von dem bisher zuständigen Trä[X.] weiter gewährte Leistungen im Verhältnis zum Leistungsberechtigten der (neu) zuständig gewordenen Behörde zugute kommen können; darum geht es hier nicht.

2. Entgegen den [X.] der Revision halten auch die Ausführungen im Be-rufungsurteil über den [X.] zwischen der genannten Amtspflichtverletzung der Bediensteten des [X.]n und den Schäden, die der Klä[X.] in der Pflegefamilie erlitten hat (haftungsausfüllende Kausalität), der rechtlichen Prüfung stand.

Bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung ist zu fragen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträ[X.]s genommen hätten (vgl. [X.]/[X.] BGB [2002] § 839 Rn. 231 f m.w.N.).

a) Mit Recht nimmt das Berufungs[X.]icht an, daß das Jugendamt des [X.]n im Falle der (pflichtgemäßen) Übernahme der Aufgaben für den Klä-- 14 -

[X.] gehalten gewesen wäre, sich zeitnah mit dem [X.] ein persönliches Bild vom Klä[X.] zu machen und sich über die Lebensumstände des Klä[X.]s vor Ort bei der Pflegefamilie zu vergewissern.

[X.]) Es kann offenbleiben, ob und in welcher Form schon der - noch vom Jugendamt [X.] turnusmäßig in Gang gesetzte - Hilfeplanprozeß für sich die Einbeziehung des Klä[X.]s persönlich erforderte (vgl. § 36 Abs. 1 und 2 [X.]); die vom Berufungs[X.]icht (auch) unter diesem Gesichtspunkt erör-terte "Anhörung" des Klä[X.]s dürfte allerdings, ohne daß dies weiter vertieft zu werden braucht, für die Ausstellung des neuen [X.] schon deshalb nicht unbedingt angezeigt gewesen sein, weil eine grundlegende Änderung der Art der zu gewährenden Hilfe überhaupt nicht anstand.

[X.]) Jedenfalls hätte aus der Sicht des [X.] des [X.]n - unterstellt, es hätte pflichtgemäß seine Zuständigkeit bejaht - Anlaß für eine alsbaldige persönliche Kontrolle nach § 37 Abs. 3 Satz 1 [X.] bestanden.

(1) Nach dieser Vorschrift soll das Jugendamt den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle - d.h. im Haushalt der Pflegefamilie - überprüfen, ob die Pflegeperson eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderliche Erziehung gewährleistet. Die Regelung begründet unbeschadet ih-rer Formulierung als Soll-Vorschrift gebundenes Ermessen, ist also als ver-pflichtend anzusehen ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., [X.], § 37 Rn. 43; [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]O, [X.], [X.]. §§ 11 bis 41 Rn. 48 ff). Sie ist Ausdruck des st[X.]tlichen Wächteramtes im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG und hat die Aufgabe, Schäden und Gefahren von dem Kind abzuwenden. Die - 15 -

Anfügung des im Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 11/5948 S. 14) noch nicht ent-haltenen Absatz 3 in § 37 [X.], die erst auf die Anregung des [X.] erfolgte, sollte hervorheben, daß die Sorge um das Wohl eines bei einer Pfle-geperson untergebrachten Kindes oder Jugendlichen auch nach der Vermitt-lung weiterhin Aufgabe des [X.] bleibt (s. die Begrün[X.] in der Stel-lungnahme des [X.], BT-Drucks. 11/5948 S. 123, 133). Die Vorschrift knüpft dabei an die Pflegekinderaufsicht des § 31 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsge-setz ([X.]) an ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 37 Rn. 42). Sie steht daher, wie der Revision zuzugeben ist, in einem gewissen Spannungs-verhältnis zu der übrigen Grundkonzeption des [X.], das - in bewußter Abkehr vom früheren [X.] - nicht mehr Ausdruck st[X.]tlicher Eingriffsverwaltung, sondern ein modernes, präventiv orientiertes Leistungsge-setz sein soll, dessen oberstes Ziel es ist, die Eltern bei ihrer Erziehungsauf-gabe zu unterstützen und ihnen ein an den unterschiedlichen Lebenslagen von Familien orientiertes System von beratenden und unterstützenden Leistungen anzubieten (BT-Drucks. 11/5948, Vorblatt). Nach heutigem Verständnis ist die "[X.]" weitgehend der Beratung und Unterstützung der Beteiligten bei der Erziehung des Kindes in der Pflegefamilie gewichen, um Gefahren möglichst schon im Vorfeld begegnen zu können (vgl. BT-Drucks. 11/5948, 82, 83 zu dem inhaltlich ähnlichen § 43 Abs. 3, der § 44 Abs. 3 [X.] in der geltenden Fassung entspricht). Der Gesetzgeber war dabei auch bestrebt, dem [X.] verfassungsrechtlich anerkannten Rang der Pflegefamilie, die wegen der insbesondere bei einem län[X.] andauernden Pflegeverhältnis gewachsenen Bin[X.]en unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1, 3 GG steht, ausreichend Rech-nung zu tragen ([X.] 68, 176, 187, 189; BT-Drucks. 11/5948 [X.]O). Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß im Fall der Interessenkollision dem Kin-- 16 -

[X.] grundsätzlich der Vorrang vor den Rechten der Pflegeeltern gebührt ([X.] 68, 176, 188).

Um im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Pflegefamilie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, ist die Überprüfungspflicht bewußt an den Erfordernissen des Einzelfalls aus[X.]ichtet ([X.], in: Wies-ner/[X.]/Mörsber[X.]/[X.]/[X.], [X.] Kinder- und Jugend-hilfe, 2. Aufl. § 37 Rn. 41). Der Grundgedanke des [X.], die Pflegeperso-nen zunächst einmal als Partner des [X.] anzusehen ([X.], [X.]O, § 37 Rn. 19), spricht für eine eher restriktive Auslegung (vgl. [X.], in: [X.], Kinder- und Jugendhilferecht, GK-[X.], Loseblatt, Stand 11/03, § 37 Rn. 27). Grundsätzlich gilt, daß nach der Inpflegegabe des Kindes ein Minimum an Intervention und ein Maximum an Beratung durch das Jugendamt erfolgen soll ([X.], [X.] Kommentar zum [X.], 4. Aufl., § 44 Rn. 26). Eine Pflicht, die Pflegeperson schematisch in [X.] - mehr oder weni[X.] großen - [X.]abständen zu überprüfen, dürfte hiermit nicht in Einklang zu bringen sein ([X.], [X.]O; [X.], in: [X.], [X.], [X.], Kinder- und Jugendhilfe, [X.], Loseblatt, Stand: 8/03, § 44 Rn. 31) und ist auch vom Gesetzgeber so nicht gewollt (BT-Drucks. 11/5948 S. 83 zu § 43 Abs. 3, heute § 44 Abs. 3 [X.]).

(2) Dies bedeutet aber nicht, daß sich das Jugendamt auf eine [X.] beschränken darf, sondern es trägt insoweit eine durchge-hende Verantwortung ([X.]/Grüner/[X.], [X.]O, [X.], § 37 [X.] IV. 1.). Üblicherweise wird das Jugendamt in der Anfangsphase des [X.] die Lebensverhältnisse des Pflegekindes häufi[X.] zu überprüfen haben als nach Stabilisierung der Beziehung ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], - 17 -

[X.]O, § 37 Rn. 43, [X.], [X.]O, § 37 Rn. 41). Für die [X.] danach wird in der Literatur die Meinung vertreten, eine Kontrolle sei nur noch dann vorzunehmen, wenn es erkennbare Anzeichen für die Notwendigkeit einer Überprüfung gebe oder entsprechende Hinweise von außen an das Jugendamt herangetragen würden ([X.], in: [X.]/ [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, § 37 Rn. 43; [X.], [X.]O, § 44 Rn. 27; [X.], in: [X.], [X.]O, § 44 Rn. 31; [X.], [X.]O, § 37 Rn. 25). Ein gesondertes Kontrollbedürfnis wird jedenfalls dann nicht gesehen, wenn die Beteiligten auf der Grundlage des gemeinsam erarbeiteten [X.] kontinuierlich zusammenarbeiten ([X.], in LPK-[X.], [X.]O, § 37 Rn. 17, [X.], [X.]O, § 37 Rn. 41).

Selbst wenn man der letzteren Meinung im Grundsatz folgen wollte, [X.] nicht zu übersehen, daß der Umzug einer Pflegefamilie in den Bezirk eines anderen Hilfeträ[X.]s, zumal in ein anderes Bundesland - mit dem damit [X.] Wechsel der für das Kind oder den Jugendlichen zuständigen Be-treuungspersonen - durchaus Anlaß geben kann und im Regelfall auch geben muß, die Lebensverhältnisse des betreuten Kindes oder Jugendlichen einer erneuten Kontrolle zu unterziehen. Zwar hat der [X.] vor allem auch das fundamentale kindliche Bedürfnis nach Kontinuität und gesicherter harmo-nischer Familienbin[X.] zu berücksichtigen (vgl. auch [X.], in: GK-[X.], [X.]O, § 33 Rn. 28), und diese Kontinuität soll auch durch einen Wechsel in der Zuständigkeit des Hilfeträ[X.]s nicht ohne Not gestört werden. Ein bloßer [X.] nach § 86 Abs. 6 [X.] stellt daher als solcher keinen Grund dar, die bisherige Zielrichtung des gemeinsamen [X.] zu [X.] ([X.] vom 8. Januar 2002, [X.] 2002, 18, 19), und darf nicht dazu benutzt werden, Fakten zu schaffen, die im Widerspruch zum Hilfeplan bzw. zu der mit den beteiligten Personen erarbeiteten Konzeption - 18 -

über die künftige Lebensperspektive des Kindes oder Jugendlichen stehen ([X.], [X.]O, § 86 Rn. 37). Es darf dabei aber nicht vergessen werden, daß mit dem Umzug der Pflegefamilie stets auch eine Änderung ihrer Lebensum-stände einhergeht. Insoweit kann eine Kontrolle schon zur Überprüfung der neuen Wohnsituation angezeigt sein, denn der Umzug kann beispielsweise mit einem Wechsel in [X.], nicht mehr kind[X.]echte Wohnverhältnisse oder eine schlechtere Wohngegend verbunden sein. Auch wenn solche Umstände für sich gesehen, [X.]ade vor dem Hintergrund der gewachsenen Bin[X.]en und des bestehenden [X.], nur im Ausnahmefall zu einer Abkehr von den grundsätzlichen Zielsetzungen des bisherigen [X.] oder gar zu einer Her-ausnahme des Kindes führen dürfen, ist ein Kontrollbesuch angebracht, bei dem auch und [X.]ade ein persönlicher Kontakt mit dem Pflegekind hergestellt werden muß. Denn nur so kann sich das Jugendamt hinreichend zuverlässig ein Bild darüber verschaffen, ob das Kin[X.] auch weiterhin gewährleistet ist. Das Berufungs[X.]icht geht daher im Grundsatz zu Recht von dem Erforder-nis eines sog. "Antrittsbesuchs" aus.

b) Es ist auch, jedenfalls im Ergebnis, nicht zu beanstanden, daß das Berufungs[X.]icht davon ausgegangen ist, daß die Mitarbeiter des [X.] des [X.]n - wenn sie pflichtgemäß etwa Mitte 1994 die Zuständigkeit für den Klä[X.] übernommen und in zeitnahem Zusammenhang damit die [X.] besucht und sich hierbei näher mit dem Klä[X.] befaßt hätten - schon im [X.] 1994 die Vernachlässigung des Klä[X.]s erkannt hätten oder hätten er-kennen müssen.

[X.]) Besteht - wie hier - die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, so kann ein [X.] zwischen Pflichtverletzung und Schaden - 19 -

grundsätzlich nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei [X.] mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden [X.] wäre; eine bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht ([X.]/[X.], [X.]O, § 839 Rn. 232 m.w.N.). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Geschädigten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, in welcher für ihn günstigen Weise das Geschehen bei Vornahme der gebotenen Amtshandlung verlaufen wäre ([X.]/[X.], [X.]O), wobei allerdings in Anwen[X.] des § 287 ZPO anstelle des vollen Beweises ein re-duziertes Beweismaß - im Sinne einer erheblich bzw. deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1994 - [X.] - [X.], 168, 170) - genügt. Wenn die Amtspflichtverletzung und der zeit-lich nachfolgende Schaden feststehen, kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft sogar den Nachweis überlassen, daß der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist; das gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahr-scheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht, andernfalls bleibt die Beweislast beim Geschädigten ([X.], [X.]O, m.w.N.). Eine solche tatsächli-che Vermutung für die Schadensursächlichkeit ist in der Rechtsprechung bei amtspflichtwidri[X.] Verletzung von Aufsichts- und Überwachungspflichten von Vormundschaftsrichtern über den Vormund angenommen worden, wenn eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung an sich geeignet war, den Schaden zu ver-hindern (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1986 - [X.] - NJW 1986, 2829, 2832). Es spricht einiges dafür, die vorliegende Fallgestaltung als damit [X.] anzusehen, weil ein "Antrittsbesuch" des [X.] im Jahre 1994 bei der Pflegefamilie, verbunden mit einer persönlichen Kontaktaufnahme mit diesem, - unabhängig davon, ob hierdurch, rückblickend gesehen, mit Sicher-heit oder erheblich überwiegender Wahrscheinlichkeit die Mißhandlungen ge-- 20 -

genüber dem Klä[X.] entdeckt und unterbunden worden wären - jedenfalls aus damali[X.] Sicht generell geeignet war, einen schlechten körperlichen Zustand des Klä[X.]s festzustellen und dem nachzugehen. Eine abschließende Ent-schei[X.], ob hier schon unter diesem Gesichtspunkt eine Beweislastumkehr eintritt, erübrigt sich jedoch.

[X.]) Denn auch unabhängig davon kommen dem Klä[X.] hier jedenfalls weitere, über § 287 ZPO hinausgehende, Beweiserleichterungen zugute. Der-artige Beweiserleichterungen (bis hin zur Umkehr der Beweislast) können z.B. dem durch eine Fürsorgepflichtverletzung seines Dienstherrn oder die Mitwir-kung eines voreingenommenen Prüfers in Beweisnot [X.]atenen Geschädigten (Senatsurteil vom 3. März 1983 - [X.] - NJW 1983, 2241, 2242) oder dem bei einer Auswahlentschei[X.] nicht mitberücksichtigten "außenstehen-den" Bewerber (Senat [X.]Z 129, 226, 234) zugebilligt werden (vgl. auch die Senatsurteile vom 22. Mai 1986 [X.]O und vom 6. Oktober 1994 [X.]O). In den genannten (Ausnahme-)Fällen handelte es sich darum, daß der Geschädigte durch den Amtspflichtverstoß in die schwierige Lage versetzt worden war, den hypothetischen Ausgang eines Wahlverfahrens oder eines Prüfungsverfahrens beweisen zu müssen. In ähnlicher Weise ist im Streitfall die beweisrechtliche Lage des Klä[X.]s dadurch gekennzeichnet, daß er bei Anlegung der allgemei-nen Regeln den Beweis für die Auswirkungen eines hypothetischen (pflichtge-mäßen) Handelns des [X.]n als zuständi[X.] Jugendbehörde, also für ei-nen Sachverhalt führen müßte, der in der Sphäre des [X.]n liegt. In einer solchen Situation muß für die Beweisführung des Geschädigten genügen, wenn nach dem vom Gericht zu würdigenden Tatsachenstoff die naheliegen-den Möglichkeit besteht, daß durch das hypothetische (pflichtgemäße) [X.] Verhalten der eingetretene Schaden vermieden worden wäre. - 21 -

cc) Zumindest unter diesen geminderten Maßstäben ist die tatrichterli-che Würdigung des Berufungs[X.]ichts, den Mitarbeitern des [X.]n hätte bei "professioneller Betrachtung" des Klä[X.]s sein schlechter körperlicher Zu-stand schon im Jahre 1994 auffallen müssen und dieser Zustand hätte Anlaß gegeben, umgehend eine medizinische Untersuchung in die Wege zu leiten, nicht zu beanstanden. Daß ein solcher (hypothetischer) Geschehensablauf als möglich naheliegt, gründet sich schon auf den vom Berufungs[X.]icht heraus-gestellten Umstand, daß der Klä[X.] Anfang September 1994 im Alter von fünf Jahren und drei Monaten nur 90 cm groß und 11,5 kg schwer, also schon [X.] auffällig klein und untergewichtig war.

II[X.]

Da die maßgebliche Amtspflichtverletzung der Bediensteten des [X.] schon im Jahre 1994 im Zusammenhang mit der Wei[X.]ung, die [X.] für den Klä[X.] zu übernehmen, erfolgte und den geltend gemachten Schaden des Klä[X.]s verursachte, kommt es nicht darauf an, ob - wie das Be-rufungs[X.]icht angenommen hat, was von der Revision jedoch in Abrede ge-stellt wird - dem Jugendamt des [X.]n weitere Amtspflichtverletzungen gegenüber dem Klä[X.] bei und ab der tatsächlichen Übernahme der [X.] für diesen im Jahre 1997 anzulasten sind.

Die vom Berufungs[X.]icht ausgesprochenen Rechtsfolgen, sind, sowohl was den ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag (§ 847 Abs. 1 BGB a.F.) von 25.000 • angeht, als auch in bezug auf die Feststellung der [X.] -

pflicht des [X.]n wegen materieller und zukünfti[X.] immaterieller Schäden, die dem Klä[X.] durch den Aufenthalt bei den Pflegeeltern [X.]seit dem 22. September 1994 entstanden sind, rechtmäßig. Sie werden von der Revision auch nicht angegriffen.

[X.] Streck [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 254/03

21.10.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. III ZR 254/03 (REWIS RS 2004, 1052)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1052

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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