Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. III ZR 2/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2755

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 6. Juli 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 611, 662; [X.] § 33; Bay[X.] Art. 28 Bei der Vollzeitpflege gemäß § 33 [X.] kommt der Pflegevertrag unter der Geltung des Bayerischen Kinder- und [X.]es grundsätzlich nicht zwischen dem Träger der Jugendhilfe und den Pflegeeltern, sondern zwischen den Personensorgeberechtigten des betreffenden Kindes und den Pflegeeltern zustande. [X.], Urteil vom 6. Juli 2006 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 16. Juni 2006 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt: Die Revision des [X.] zu 1 gegen das Urteil des [X.], 4. Zivilkammer, vom 24. November 2005 wird [X.]. Der Kläger zu 1 hat die Kosten des [X.]es zu [X.]. Von Rechts wegen Tatbestand Die am 12. Februar 1990 geborene [X.]war vom 19. [X.] 1996 bis zum 7. Januar 2002 bei dem Kläger zu 1 (im Folgenden: Kläger) und dessen Ehefrau, der an dem Revisionsverfahren nicht beteiligten Klägerin zu 2, in Vollzeitpflege (§ 33 [X.]). Dieser Maßnahme der Jugendhilfe lag ein von dem Jugendamt der beklagten [X.] ausgearbeiteter Hilfeplan [X.], der am 9. Dezember 1996 von den Mitarbeitern des [X.] und des Allgemeinen Sozialdienstes der Beklagten, von der damals noch personensor-geberechtigten Mutter des Kindes sowie von der Ehefrau des [X.] [X.] - 3 - schrieben worden war. Bei [X.]bestand eine "deutliche Verhaltensproble-matik". Der Kläger hat vorgetragen, [X.]

habe durch aggressives Verhalten Möbel, Türen und Wände in seiner Wohnung beschädigt. Er beansprucht [X.] von der [X.] und Schadensersatz. 2 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen [X.] über 1.514,77 • nebst Zinsen erwirkt. Nach teilweiser Klagerücknahme hat er be-gehrt, den [X.] in Höhe von 1.259,64 • (und Zinsen) [X.] zu erhalten. Das Amtsgericht hat den [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die - allein von dem Klä-ger betriebene - Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er die [X.] des [X.]s im vorgenannten Umfang weiter. 3 Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: 5 Der Kläger könne Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) mangels vertragli-cher Grundlage nicht beanspruchen. Zwischen ihm und seiner Ehefrau einer-seits, der Beklagten andererseits sei weder ein Auftrag noch ein Dienstvertrag 6 - 4 - abgeschlossen worden. Der Hilfeplan selbst habe aufgrund seiner anders ge-richteten Zielsetzung eine "Auftragsvergabe" (§§ 611 ff, 662 ff BGB) an die Pflegeeltern nicht zum Inhalt gehabt. Eine "Beauftragung" mit der Vollzeitpflege sei auch nicht mit dem Hilfeplan einhergegangen. Das Jugendamt der [X.] sei lediglich vermittelnd tätig geworden. Der "Pflegevertrag" werde, wie Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des [X.] (Bay[X.]) vom 18. Juni 1993 (GVBl. [X.] 392, [X.] 2162-1-A) zu [X.] sei, zwischen den leiblichen Eltern, gegebenenfalls vertreten durch das Jugendamt, und den Pflegeeltern vereinbart. I[X.] Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand. 7 Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht von der Beklagten [X.] von 1.259,64 • nebst Zinsen fordern. 8 1. Unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Jugendhilferechts ist zwischen den Parteien weder ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) noch ein Auftrag (§ 662 BGB) zustande gekommen, der den von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB (unmittelbar oder analog) oder einen vertraglichen Schadensersatzanspruch stützen könnte. 9 a) Die Vollzeitpflege (§ 33 [X.]) zählt als Hilfe zur Erziehung zu den Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 [X.]). Der Personensorgebe-rechtigte kann sie von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. § 69 Abs. 1 [X.]) beanspruchten, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen 10 - 5 - entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwick-lung geeignet und notwendig ist (§ 27 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 [X.]). Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere [X.] Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Ist die Hilfe außerhalb der eigenen Familie erforderlich - so liegt es bei der Vollzeitpflege -, sind der [X.] und das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen; ihren Wünschen ist möglichst zu entsprechen (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.]). Die Entscheidung über die [X.] soll, wenn sie wie die Vollzeitpflege voraussichtlich für längere [X.] zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem [X.] und dem Kind oder Jugendlichen - im Fall der Vollzeitpflege weiter unter Beteiligung der Pflegeperson (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 [X.]) - einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.]). b) Bei dem Hilfeplan handelt es sich um ein sozialpädagogisches Instru-ment, mit dem das Jugendamt - hoheitlich aufgrund der §§ 27 ff [X.] (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2006 - [X.] - NJW 2006, 1121, 1122 Rn. 12, vorgesehen für [X.]) - den [X.] steuert und transparent macht. Er dient zur Selbstkontrolle und zur Koordinierung der Aktivitäten des [X.] und der anderen an der Hilfe Beteiligten. In ihm werden ferner die Vorstellungen der Personensorgeberechtigten, der Kinder und Jugendlichen sowie der an der Hilfe Beteiligten dokumentiert und die getroffenen [X.] in einem von allen Beteiligten häufig unterschriebenen sogenannten "Hilfekontrakt" festgehalten (vgl. [X.] u.a., FK-[X.] 5. Aufl. 2006 § 36 11 - 6 - Rn. 50 ff; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Kinder- und Jugendhilferecht 3. Aufl. § 36 Rn. 44; [X.] in [X.], [X.] § 36 Rn. 29, 31; [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. 2006 § 36 Rn. 61; siehe auch Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuord-nung des Kinder- und Jugendhilferechts BT-Drucks. 11/5948 [X.] 74). Der [X.] - dessen Rechtsnatur unentschieden bleiben kann (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 46 und [X.] aaO Rn. 40; [X.]/[X.] aaO Rn. 62 ff jeweils m.w.N.) - bietet das erzieherische Konzept, das für die Gewährung der Jugendhilfe von Nöten ist (vgl. [X.] u.a. aaO Rn. 51; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO; [X.] aaO Rn. 40 f; [X.]/[X.] aaO Rn. 62; siehe auch [X.], 155, 166 f). Dementsprechend ist darin, dass die hier an der Jugendhilfe Beteiligten, d.h. die personensorgeberechtigte Mutter von [X.], die Vertreter der Beklagten und die Ehefrau des [X.], den Hilfeplan ("Teil [X.]: Kontrakt") unterzeichnet haben, zunächst nur eine Billigung des in ihm nieder-gelegten erzieherischen Konzepts zu sehen, in dessen Vollzug Hilfe zur [X.] bewilligt und - sofern noch nicht geschehen - ein zivilrechtlicher Pflegever-trag abgeschlossen werden konnte (vgl. [X.] aaO Rn. 22; s. auch [X.], [X.] § 33 Rn. 16; [X.], Urteil vom 23. Januar 1986 - 8 A 1600/84 - Nachrichtendienst des [X.] 1986, 410, 411 und [X.], Urteil vom 21. Oktober 1982 - 6 B 35.81 - Nachrichtendienst des [X.] 1983, 91, 92 zum Pflegevertrag zwischen Jugendbehörde und [X.]). c) Der Abschluss des [X.] oblag nach dem im Streitfall an-wendbaren Bayerischen Kinder- und [X.] nicht der Beklagten, sondern der personensorgeberechtigten Mutter von [X.] . Das ergibt sich aus Art. 28 Bay[X.]. Danach soll das Jugendamt darauf hinwirken, dass zwischen 12 - 7 - den Personensorgeberechtigten und der Pflegeperson - hier also zwischen der Mutter von [X.] und dem Kläger und seiner Frau - eine vertragliche [X.] über die Ausgestaltung des [X.] abgeschlossen wird (Pflegevereinbarung - Art. 28 Abs. 1 Bay[X.]). Diese Pflegevereinbarung soll insbesondere Regelungen enthalten über die Entgegennahme von Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen nach § 39 [X.] (vgl. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Bay[X.]). Auf Verlangen soll das Jugendamt die [X.] und die Pflegeperson in bestimmten Fällen auch beraten und beim Abschluss einer Pflegevereinbarung unterstützen (vgl. Art. 28 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Nach dem gesetzlichen Leitbild soll das Jugendamt mithin nicht selbst die Pflegevereinbarung schließen, sondern lediglich fördern, dass sie zwischen den Personensorgeberechtigten und den Pflegepersonen zustande kommt (vgl. [X.] 1993, 576, 578). Es ist nicht ersichtlich, dass das Ju-gendamt der Beklagten hiervon abgewichen wäre. d) Die Revision verweist - außer auf den schon angesprochenen [X.] - darauf, dass nach dem Vorbringen des [X.] die Beklagte sich bei der [X.] "gegen derartige Schäden" versichert habe. Darin kann indes ein hinreichender Anhaltspunkt für eine - vom Gesetzgeber als Ausnahme gedachte - Pflegevereinbarung zwischen dem Jugendamt und den Pflegeeltern nicht gesehen werden. Der Abschluss der Versicherung konn-te sich, wovon die Revision selbst auszugehen scheint, allein auf die Bera-tungspflichten des [X.] im Zusammenhang mit dem Hilfeplan sowie auf sein vermittelndes Wirken gemäß Art. 28 Bay[X.] beziehen. Selbst wenn die Versicherung weiter die Inanspruchnahme der Beklagten aus einer von ihr mit der Pflegefamilie getroffenen Pflegevereinbarung umfasste, handelte es sich bloß um die Absicherung eines Risikos; es besagte nichts darüber, ob im Streitfall ein solcher Vertrag gegeben war. 13 - 8 - 2. Zwischen den Parteien bestand auch kein öffentlich-rechtliches Schuld-verhältnis, das die Beklagte verpflichtete, dem Kläger analog § 670 BGB Auf-wendungsersatz für Schäden zu leisten, die er durch das Verhalten des Pflege-kindes erlitt. 14 Zwar ist ein Fürsorgeverhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Pfle-gekind und ein auf Hilfe zur Erziehung gerichtetes (§§ 27 ff [X.]) sozialrecht-liches Verhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Personensorgeberechtig-ten anzunehmen. Daraus folgt aber nicht - ebenso wenig wie das Jugendamt uneingeschränkt für das Verhalten der Pflegeeltern einzustehen hat (vgl. inso-weit Senatsurteil vom 23. Februar 2006 aaO [X.] 1123 f Rn. 18) -, dass das Ju-gendamt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses stets für die Schäden haftete, die das Pflegekind den Pflegeeltern zufügt. Bei der [X.] (§ 33 [X.]) unterscheidet sich das Verhältnis der Pflegeeltern zum Pflegekind, soweit hier von Bedeutung, nicht von dem zu den leiblichen Eltern. Geht es um die gewöhnliche Betreuung und das Leben des Kindes in der Pflegefamilie, handelt es sich um einen Bereich, der zwar weiterhin der Auf-sicht des [X.] unterliegt, grundsätzlich aber in die Verantwortung der Pflegeeltern gegeben ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2006 aaO [X.] 1123 Rn. 15). Dementsprechend sind die Pflegeeltern, die Schäden durch das Pfle-gekind erleiden, - nicht anders als leibliche Eltern - auf die [X.] (§§ 823 ff BGB) verwiesen; sie könnten allerdings, wie die Revision ausführt, durch den Abschluss einer Sammelhaftpflichtversicherung zum [X.] das Schadensrisiko jedenfalls mindern. 15 3. Eine verschuldensabhängige Haftung der Beklagten (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; §§ 31, 89, 823; 831 BGB) kommt nicht in Betracht. Das [X.] - 9 - gericht hat - unangegriffen - ein Auswahlverschulden von Seiten der Bedienste-ten der Beklagten verneint. Soweit die Revision geltend macht, die Bedienste-ten des [X.] hätten es versäumt, dem Kläger den Abschluss einer "entsprechenden Haftpflichtversicherung" nahe zu legen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag; dieser kann im [X.] nicht berücksich-tigt werden. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 31.03.2005 - 20 [X.] 7782/04 - [X.], Entscheidung vom 24.11.2005 - 4 S 5045/05 -

Meta

III ZR 2/06

06.07.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. III ZR 2/06 (REWIS RS 2006, 2755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2755

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