Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2010, Az. VI ZB 58/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9822

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Sicherstellung der Fristwahrung vor Rückgabe des Empfangsbekenntnisses durch den Prozessbevollmächtigten


Leitsatz

Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juli 2009 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

[X.]: 221.312,00 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das [X.] hat der Klage mit Urteil vom 18. Februar 2009 teilweise stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. März 2009 zugestellt worden. Eine vollstreckbare Urteilsausfertigung ist ihm am 24. März 2009 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2009, der am selben Tag beim [X.] eingegangen ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Juni 2009, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat das [X.] darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist bereits am 14. April 2009 abgelaufen und die Berufung deshalb verspätet eingelegt worden sei. Daraufhin hat die Klägerin mit einem am 3. Juli 2009 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung u.a. ausgeführt, im Büro ihres Prozessbevollmächtigten gebe es die Anweisung, dass dann, wenn ein Urteil mit dem unterzeichneten [X.] in das Sekretariat zurückgelange, die (Berufungs-)Fristen zu berechnen und im [X.] sowie auf dem Urteil zu notieren seien. Hier liege der Fehler darin, dass nach der Unterzeichnung des [X.]ses zwar dieses, nicht aber das Urteil selbst zur Akte gelangt sei, was sich trotz höchster Sorgfalt nicht habe vermeiden lassen.

2

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin müsse sich die von ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldete Fristversäumung zurechnen lassen. Dieser habe den gebotenen Sorgfaltsanforderungen nicht genügt, weil er das [X.] unterzeichnet habe, ohne selbst das Datum der Zustellung auf dem Urteil zu vermerken, eine Wiedervorlagefrist zu bestimmen und die Fristnotierung sicherzustellen. Zudem habe er es pflichtwidrig versäumt, anlässlich der Zustellung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung zu prüfen, ob die (Berufungs-)Fristen richtig erfasst und festgehalten waren.

3

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des [X.] geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat.

5

2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] darf der Rechtsanwalt das [X.] über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im [X.] notiert worden ist (Senatsbeschlüsse vom 26. März 1996 - [X.] und [X.] - [X.], 1390 und vom 12. Januar 2010 - [X.]/09 - z.[X.].; [X.], Beschluss vom 30. November 1994 - [X.] 197/94 - [X.]R ZPO § 233 - [X.] 1 m.w.N.). [X.] der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im [X.] vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht verlassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. März 1992 - [X.] - [X.], 1536; vom 16. September 1993 - [X.] - [X.], 371 und vom 30. November 1994 - [X.] 197/94 - aaO). [X.] er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - [X.]/01 - [X.], 792, 793 und vom 4. November 2003 - [X.]/03 - [X.], 94, 95; [X.], Beschlüsse vom 5. November 2002 - [X.]/01 - [X.]R ZPO § 233 [[X.] 6] und vom 27. September 2007 - [X.] - [X.], 71).

7

Durch welche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewährleistet ist, dass bei [X.] nach Unterzeichnung des [X.]ses durch Rechtsanwalt [X.] die Eintragung der Berufungsfrist erfolgt und nicht in Vergessenheit gerät, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie macht auch nicht geltend, dass Rechtsanwalt [X.] am 13. März 2009 eine Einzelanweisung zur Fristnotierung erteilt habe und die Ausführung einer solchen Anweisung durch allgemeine organisatorische Maßnahmen sichergestellt gewesen sei. Mithin hat Rechtsanwalt [X.] die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, als er am 13. März 2009 das [X.] unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne ausreichende Vorkehrungen für die Notierung der Rechtsmittelfrist getroffen zu haben.

8

Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob Rechtsanwalt [X.] auch im Rahmen der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist.

9

3. Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

4. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                        Zoll                               [X.]

               Pauge                       von [X.]

Meta

VI ZB 58/09

02.02.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 24. Juli 2009, Az: I-26 U 65/09, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 519 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2010, Az. VI ZB 58/09 (REWIS RS 2010, 9822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9822


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZB 58/09

Bundesgerichtshof, VI ZB 58/09, 02.02.2010.


Az. 26 U 65/09

Oberlandesgericht Hamm, 26 U 65/09, 24.07.2009.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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