Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2010, Az. VI ZB 64/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10579

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 12. Januar 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 85 Abs. 2, 233 Fc, [X.] darf das [X.] nur unterzeichnen und zurückge-ben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im [X.] notiert worden ist. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 12. Januar 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 14. August 2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 25.200 •. Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schmerzensgeld in Anspruch. Das [X.] hat die Beklagten zur Zahlung von 15.000 • nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil des [X.]s wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Juni 2009 zugestellt. Das anwaltliche [X.] gelangte am 26. Juni 2009 an das [X.] zurück. Am 30. Juli 2009 legte der Prozess-bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tage Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Berufungsfrist unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen. Er 1 - 3 - hat hierzu vorgetragen, das Urteil des [X.]s sei am 24. Juni 2009 ein-gegangen und mit dem Eingangsstempel versehen worden. Die Eintragung der Berufungsfrist sei wegen der Abwesenheit des die Sache bearbeitenden Rechtsanwalts bis Freitag, den 26. Juni 2009, zurückgestellt worden. Am 26. Juni 2009 habe der Sachbearbeiter die Weisung erteilt, die Berufungsfrist einzutragen. Die [X.], die seit über zwei Jahren in der Kanzlei ohne Beanstandungen tätig sei, habe fälschlicherweise die Frist nicht nach dem Datum des [X.] (24.6.2009), sondern nach dem Datum der An-frage beim Sachbearbeiter (26.6.2009) berechnet und ins Fristenbuch eingetra-gen. Da das Ende der Frist danach am Sonntag, dem 26. Juli 2009, gewesen wäre, habe [X.] den Ablauf auf den darauf folgenden Montag, den 27. Juli 2009, notiert. Bei Erstellung der Berufungsschrift sei die Verfristung dem [X.] erst aufgefallen. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. 2 I[X.] 1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin müsse sich die schuldhafte Fristversäumnis ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Weisungen des Anwalts, die gewährleisteten, dass die zur Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen würden, könnten nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten und den eidesstattlichen Versi-cherungen des Rechtsanwalts und der Rechtsanwaltsfachangestellten nicht festgestellt werden. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetrage-ne Verfahrensweise habe das Risiko einer Fristversäumung in sich getragen, 3 - 4 - da der zusammengehörende einheitliche Vorgang der [X.], Fristnotierung und Fristeintragung sofort nach Eingang des Urteils durch die zunächst vorgenommene Vorlage der Akten an den Rechtsanwalt unterbrochen worden sei. Das berge die Gefahr von Fehlern, Versehen oder Irrtümern in sich, vor allem dann, wenn sich die Rückgabe des Schriftstückes vom Anwalt an das Büropersonal verzögere oder die zuständige Angestellte durch Überlastung be-einträchtigt werde. Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 20. August 2009 zuge-stellten Beschluss hat die Klägerin am 18. September 2009 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist rechtzeitig begründet. 4 II[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des [X.] geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im [X.] zutreffend entschieden hat. 5 2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klä-gerin hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis be-ruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. 6 a) Zwar trifft zu, worauf die Rechtsbeschwerde hinweist, dass es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend ankommt, wenn der Rechtsanwalt von ih-7 - 5 - nen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. [X.], [X.] vom 25. Juni 2009 - [X.]/08 - NJW 2009, 3036; vom 23. Oktober 2003 - [X.] - NJW 2004, 367, 369; vom 6. Juli 2000 - [X.]I ZB 4/00 - NJW 2000, 2823). In einem solchen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroor-ganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsan-walt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbei-ter erteilte [X.] befolgt wird (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - [X.] ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 und vom 4. November 2003 - [X.] ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689; [X.], Beschlüsse vom 13. September 2006 - [X.] 103/06 - NJW-RR 2007, 127, 128). Jedoch kann eine konkrete Einzel-anweisung den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorgani-sation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer [X.] setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten, die bestimmt sind, der Fristversäumnis entge-genzuwirken, dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Juni 2009 - [X.]/08 - aaO, Rn. 9 und vom 23. Oktober 2003 - [X.] - aaO). So liegt der Fall hier. b) Die Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag des Prozessbevoll-mächtigten der Klägerin belegt, dass die allgemeinen Organisationsregeln in der Kanzlei ihre Bedeutung durch die [X.] nicht verloren hatten. Darin wird die Fristversäumnis darauf zurückgeführt, dass sich die Bürovorste-herin [X.] am Datum der Anfrage bei dem die Sache bearbeitenden Rechtsan-walt, ob die Berufungsfrist eingetragen werden solle, orientiert habe, anstatt am Datum des [X.]. Diese Vorgehensweise lässt außer [X.], dass der Zeitpunkt der Zustellung eines Schriftstücks nicht zuverlässig anhand des [X.] ermittelt werden kann. 8 - 6 - 9 aa) Zur Bestimmung des Beginns einer Rechtsmittelfrist ist es [X.], das dafür maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2002 - [X.] ZR 399/01 - [X.], 1459, 1460 m.w.[X.]). Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks an den Prozessbevollmächtigten der [X.] nach § 174 ZPO kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der Rechtsanwalt das [X.] unterzeichnet hat. Dementsprechend musste auch dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin bekannt sein, dass nicht der Eingangsstempel, sondern allein das Datum, unter dem das [X.] unterzeichnet worden war, für den Beginn der Rechtsmittelfrist maß-gebend ist (Senat, Beschluss vom 16. April 1996 - [X.] ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969; [X.], Beschluss vom 13. März 1991 - [X.] 22/91 - [X.], 118, 119). Deshalb bedarf es eines besonderen Vermerks in den Handakten, wann die Zustellung des Urteils erfolgt ist. Diesen Vermerk vermag der Ein-gangsstempel des Anwaltsbüros auf dem zugestellten Urteil nicht zu ersetzen, weil er nur den Eingang des Dokuments in der Kanzlei bestätigt, nicht jedoch die für eine Zustellung gemäß § 174 ZPO erforderliche und für den Fristbeginn maßgebliche Entgegennahme durch den Rechtsanwalt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1996 - [X.] ZR 362/95 - aaO). Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des [X.]ses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel ver-sehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Es besteht die Gefahr, dass das Datum des [X.] nicht mit dem allein maßgeblichen Da-tum übereinstimmt, unter dem der Anwalt das [X.] [X.] hat. Wird ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende or-ganisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass der mündliche Hinweis - 7 - ordnungsgemäß umgesetzt wird. Um zu gewährleisten, dass ein solcher Ver-merk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] das [X.] über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurück-geben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist [X.] und vermerkt ist, dass die Frist im [X.] notiert worden ist (Senat, Beschlüsse vom 5. November 2002 - [X.] ZR 399/01 - aaO und vom 26. März 1996 - [X.] ZB 1/96 und [X.] ZR 2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; [X.], [X.] vom 30. November 1994 - [X.] 197/94 - [X.]R ZPO § 233 - [X.] 1 m.w.[X.]). [X.]) Diese Sorgfaltsanforderungen erfüllte die in der Kanzlei des Rechts-anwalts der Klägerin geübte Fristenkontrolle nicht. Das [X.] wurde vielmehr am 24. Juni 2009 unterzeichnet und an das [X.] zu-rückgegeben, wo es am 26. Juni 2009 einging, ohne die Notierung der [X.], die erst am 26. Juni 2009 erfolgte, sicherzustellen. Ob und ggf. auf welche Weise im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Ausfüh-rung mündlich erteilter Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Der allgemeine Vortrag, die Arbeiten der Bürofachangestellten würden [X.] kontrolliert, reicht hierfür nicht aus. Es fehlt jeder Vortrag dazu, in welcher Weise in dem Anwaltsbüro die Notierung von Fristen kontrolliert wird. Dieses Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2002 - [X.] ZR 399/01 - aaO; [X.], [X.] vom 10. Oktober 1991 - [X.]I ZB 4/91 - NJW 1992, 574). Ein Anlass, in besonderer Weise sicherzustellen, dass die konkrete Fristeintragung richtig er-folgte, bestand im Übrigen aufgrund der mit der ausdrücklichen Anweisung des Rechtsanwalts vom üblichen Ablauf abweichenden Handhabung. 10 - 8 - 11 cc) Das Versäumnis des anwaltlichen Vertreters der Klägerin war für die Versäumung der Berufungsfrist auch ursächlich. Wäre das [X.] an das [X.] erst nach Anfertigung des Vermerks über das Datum der Unterzeichnung und Festhaltung der Rechtsmittelfrist in den Handakten und im [X.] zurückgesandt worden, ist davon auszugehen, dass die Beru-fung rechtzeitig eingelegt worden wäre. 3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 12 [X.]Zoll [X.] Pauge von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.06.2009 - 3 O 376/08 - [X.], Entscheidung vom 14.08.2009 - 1 U 138/09 -

Meta

VI ZB 64/09

12.01.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2010, Az. VI ZB 64/09 (REWIS RS 2010, 10579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10579

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