Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2011, Az. XII ZR 189/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4872

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Gegenstand

Gewerberaummiete: Rauchverbot als Mangel einer verpachteten Gaststätte und Pflicht des Verpächters zur Einrichtung eines Raucherbereichs durch Baumaßnahmen


Leitsatz

1. Das Rauchverbot in § 7 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz stellt keinen Mangel einer verpachteten Gaststätte dar .

2. Der Verpächter ist nicht verpflichtet, auf Verlangen des Pächters durch bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen gesetzlich vorgesehen Raucherbereich einrichten kann .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 18. November 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin war Pächterin einer Gaststätte. Sie nimmt die Beklagte als Verpächterin wegen einer nach Vertragsschluss durch das Inkrafttreten des [X.] eingetretenen Nutzungsbeschränkung der Gaststätte auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Gaststätte bestand aus zwei nicht voneinander getrennten Räumen. Nachdem am 15. Februar 2008 in [X.] ein [X.] in [X.] getreten war, durfte in der verpachteten Gaststätte nicht mehr geraucht werden. Von der Klägerin geforderte Umbaumaßnahmen zur Schaffung eines den Anforderungen des [X.]es entsprechenden Raucherbereichs wurden von der Beklagten abgelehnt.

3

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines behaupteten Umsatzrückgangs als Folge des gesetzlichen Rauchverbots.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat in der u.a. in NJW-RR 2010, 203 veröffentlichten Entscheidung zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadenersatz aus § 581 Abs. 2 [X.] iVm § 536 a Abs. 1 [X.] wegen entgangenen Gewinns zu. Ein Mangel des Pachtgegenstands liege nicht vor, da durch das Inkrafttreten des [X.] Rheinland Pfalz der vertraglich vorgesehene Gebrauch der gepachteten Räumlichkeiten nicht beeinträchtigt sei. Aus der Auslegung des Pachtvertrages nach §§ 133, 157, 242 [X.] ergebe sich zwar, dass zum vertragsgemäßen Gebrauch zunächst auch die Möglichkeit gehört habe, in der Gaststätte rauchen zu dürfen. Die Parteien seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch von einer Nutzungsmöglichkeit nicht nur im Rahmen des [X.], sondern auch im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgegangen, die sich ändern könnten. Die durch den Erlass des [X.] eingetretene Änderung der Nutzungsmöglichkeit falle allein in die Risikosphäre der Klägerin. Der Verpächter trage die Verantwortung für die Konzessionsfähigkeit der verpachteten Gaststätte, nicht jedoch das Risiko für solche Umstände, die ihre Ursache in den persönlichen oder betrieblichen Verhältnissen des Pächters hätten. Die Regelungen des [X.] beeinflussten lediglich die betrieblichen Verhältnisse des [X.], für die die Klägerin als Pächterin die Verantwortung zu tragen habe. Da die ursprünglich vorgesehene Nutzungsmöglichkeit nach dem Parteiwillen unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Normen gestanden habe, führe die gesetzliche Beschränkung durch § 7 des [X.] [X.] zum Wegfall der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten, die Gaststätte für den Besuch von Rauchern und Nichtrauchern zur Verfügung zu stellen.

II.

7

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein Schadensersatzanspruch nach §§ 581 Abs. 2, 536 a Abs. 1 [X.] zusteht, weil das durch das am 15. Februar 2008 in [X.] getretene [X.] [X.] (NRauchSchG [X.], GVBl 2007, 188) eingeführte Rauchverbot in Gaststätten nicht zu einem Mangel des Pachtgegenstands iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 [X.] geführt hat.

8

1. Unter einem Mangel im Sinne von §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die für den Pächter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der [X.] von dem vertraglich geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die [X.] als Mangel in Betracht kommen können (Senatsurteile vom 21. September 2005 - [X.]/03 NJW 2006, 899, 900 und vom 16. Februar 2000 - [X.] - NJW 2000, 1714, 1715). Öffentlich-rechtliche [X.] und [X.], die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Pachtobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des [X.] allerdings nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. [X.], wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der [X.] beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 2008 - [X.] - NJW 2009, 124 Rn. 34; vom 24. Oktober 2007 - [X.] - [X.], 274; vom 2. März 1994 - [X.] - [X.], 253, 254; vom 23. September 1992 - [X.] - NJW 1992, 3226 und vom 11. Dezember 1991 - [X.] = [X.], 583, 585; [X.] Urteil vom 22. Juni 1988 - [X.] - NJW 1988, 2664).

9

Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründen (vgl. [X.] in [X.] Mietrecht 10. Aufl. § 536 Rn. 63). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte [X.] unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters (Wolf/[X.]/[X.] Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 200). Denn der Verpächter von Gewerberäumen ist gemäß §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 [X.] lediglich verpflichtet, den Pachtgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Pächter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das [X.] bezüglich der [X.] trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter (vgl. Senatsurteile vom 21. September 2005 - [X.]/03 - NJW 2006, 899, 901; vom 26. Mai 2004 - [X.] - NJW-RR 2004, 1236; vom 19. Juli 2000 - [X.] - NJW-RR 2000, 1535, 1536; vom 16. Februar 2000 - [X.] - NJW 2000, 1714, 1716 und vom 29. September 1999 - [X.] - [X.], 36, 40). Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Pächters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Pächters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Pächters kommt.

2. Unter diesen Voraussetzungen führt das durch das [X.] [X.] eingeführte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des [X.] iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 [X.].

a) Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende [X.] beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der [X.], sondern knüpft an die betrieblichen Verhältnisse des Pächters an.

Das [X.] [X.] unterstellt bestimmte Gebäude und Gebäudeteile einem Rauchverbot und stellt dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten, sondern auf die Nutzungsart der betroffenen Baulichkeiten ab. Zweck des Gesetzes ist der Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Belastungen durch das Passivrauchen (§ 1 Abs. 1 NRauchSchG [X.]). Um diesen Schutz zu erreichen, ordnet das Gesetz für öffentliche Gebäude (§ 2 NRauchSchG [X.]), Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen (§ 3 NRauchSchG [X.]), Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe (§§ 4, 5 NRauchSchG [X.]), Alten- und Pflegeheime (§ 6 NRauchSchG [X.]) und für Gaststätten (§ 7 Abs. 1 NRauchSchG [X.]) ein Rauchverbot für alle Personen an, die sich in diesen Einrichtungen aufhalten (vgl. § 1 Abs. 2 NRauchSchG [X.]). Die baulichen Gegebenheiten der betroffenen Gebäude oder Gebäudeteile sind für die Geltung des gesetzlichen Rauchverbots unerheblich. Maßgeblich sind allein die Art der Nutzung der Gebäude und der Umstand, dass in den Einrichtungen Publikumsverkehr stattfindet.

Das gesetzliche Rauchverbot bezieht sich folglich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters, betrifft also nur dessen betriebliche Verhältnisse (vgl. [X.] Mietrecht aktuell 4. Aufl. Rn. 264 a; Gerber/[X.] Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 7. Aufl. Rn. 259; [X.], 265). Für die Betriebsbezogenheit der Gebrauchseinschränkung spricht zudem, dass sich das Verbot primär an die Personen richtet, die sich in den betroffenen Einrichtungen aufhalten (vgl. § 1 Abs. 2 NRauchSchG [X.]) und der Betreiber der Einrichtung nur als mittelbarer Adressat des Verbots für dessen Umsetzung und Einhaltung verantwortlich ist, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 NRauchSchG [X.] (so auch [X.] NJW 2010, 1297).

b) Bei dem Erlass des [X.] [X.] handelt es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, vergleichbar einer nachträglichen Änderung der Sperrzeit (vgl. [X.] in [X.] Mietrecht 10. Aufl. § 536 [X.] Rn. 60), allein in das wirtschaftliche Risiko des Pächters fällt (vgl. Wolf/[X.]/[X.] Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 200; [X.] in [X.] Mietrecht 10. Aufl. § 535 [X.] Rn. 463; [X.] in [X.]/[X.] [X.] [X.] Mietrecht 3. Aufl. § 54 Rn. 73; [X.]/[X.] [2010] § 536 [X.] Rn. 20; [X.]/Weidenkaff [X.] 70. Aufl. § 536 Rn. 19; [X.] in jurisPK-[X.] 5. Aufl. 2010 § 581 Rn. 86).

3. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Schadensersatzanspruch auch nicht daraus, dass die Beklagte der Aufforderung der Klägerin nicht nachgekommen ist, die baulichen Voraussetzungen zu schaffen, um in der Gaststätte einen Raucherbereich einzurichten. Nach § 536 a Abs. 1 Alt. 3 [X.] kann der Mieter Schadensersatz verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug kommt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

a) Zwar kann nach § 7 Abs. 2 und 3 NRauchSchG [X.] der Betreiber einer Gaststätte das Rauchen erlauben, wenn besondere im Gesetz genannte bauliche Gegebenheiten vorliegen. Erfüllen - wie im vorliegenden Fall - die von einem Gaststättenbetreiber gepachteten Räumlichkeiten diese Anforderungen nicht, ist jedoch der Verpächter grundsätzlich nicht verpflichtet, die für eine Ausnahme vom Rauchverbot erforderlichen baulichen Umbaumaßnahmen vorzunehmen.

b) Nach §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat der Verpächter die [X.] während der Pachtzeit in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Im Rahmen dieser Verpflichtung muss der Verpächter sämtliche Maßnahmen vornehmen, die erforderlich sind, um dem Pächter den vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen ([X.]/Weidenkaff [X.] 70. Aufl. § 535 Rn. 36). Diese Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht kann dazu führen, dass ein Verpächter bei einer Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch die Vornahme geeigneter baulicher Veränderungen des Pachtgegenstands einen Zustand schaffen muss, der dem Pächter den weiteren vertragsgemäßen Gebrauch der [X.] ermöglicht (vgl. etwa Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 - [X.] - NJW-RR 1992, 267; [X.] Urteil vom 4. April 1979 - [X.] - NJW 1979, 2351). Allerdings ist auch im Rahmen der §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 [X.] die gesetzliche Risikoverteilung zwischen Verpächter und Pächter zu berücksichtigen. Deshalb darf auf diesem Weg das [X.] des Pächters nicht auf den Verpächter abgewälzt werden. Handelt es sich bei der [X.] um die Folge einer Gesetzesänderung, die - wie im vorliegenden Fall - an die betrieblichen Verhältnisse des Pächters anknüpft, ist der Verpächter für die aufgetretene Störung schon deshalb nicht verantwortlich, weil diese ihre Ursache dann nicht in dem Zustand oder der Beschaffenheit der [X.] hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 - [X.] - NJW-RR 1992, 267).

c) Da die Beklagte daher im Rahmen der ihr obliegenden Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht nicht verpflichtet war, bauliche Veränderungen an den gepachteten Räumlichkeiten vorzunehmen, um die durch das Inkrafttreten des [X.] [X.] eingetretene Nutzungsbeschränkung der Gaststätte der Klägerin auszugleichen, steht der Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch nicht zu.

[X.]                                   Dose                                   [X.]

                    [X.]

Meta

XII ZR 189/09

13.07.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 18. November 2009, Az: 1 U 579/09, Urteil

§ 7 Abs 1 NRauchSchG RP, § 536 Abs 1 S 1 BGB, § 536a Abs 1 BGB, § 581 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2011, Az. XII ZR 189/09 (REWIS RS 2011, 4872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4872

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