Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2018, Az. StB 43/18, StB 44/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 3140

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Gegenstand

Immunität eines Diplomaten in einem Drittstaat


Tenor

1. Die Beschwerden des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 6. Juli 2018 und dessen Beschluss über die Anordnung der Beschlagnahme vom 13. August 2018 werden verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

I.

1

Der [X.] führt gegen den Beschuldigten, einen [X.] Staatsangehörigen, der seit 2014 als dritter Botschaftsrat an der [X.] Botschaft in ... akkreditiert ist, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und anderer Straftaten.

2

Auf Antrag des [X.]s hatte der Ermittlungsrichter des [X.] am 6. Juli 2018 Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen (1 [X.] 252/18 VS-NfD), aufgrund dessen sich dieser seit dem 9. Juli 2018 in Untersuchungshaft befand.

3

Gegenstand des - mittlerweile mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 4. Oktober 2018 aufgehobenen - Haftbefehls war der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit August 2015 in [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und an anderen bislang unbekannten Orten - teilweise unter Beteiligung der in [X.] gesondert Verfolgten [X.] und [X.]sowie weiterer bisher nicht bekannter Personen - durch dieselbe Handlung

- für den Geheimdienst einer fremden Macht ("[X.]") eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die [X.] ausgeübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen oder Erkenntnissen gerichtet gewesen sei,

- sich mit anderen dazu verabredet, eine noch unbestimmte Anzahl von Menschen heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln zu töten,

- eine Straftat gegen das Leben vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, indem er anderen eine Sprengstoffvorrichtung überlassen habe,

- sich mit anderen dazu verabredet, eine Sprengstoffexplosion herbeizuführen, durch die eine Gesundheitsschädigung einer großen Anzahl von Menschen und der Tod anderer Menschen habe eintreten sollen, und

- ein Explosionsverbrechen durch das Überlassen von Sprengstoff und einer zur Tat erforderlichen besonderen Vorrichtung vorbereitet,

strafbar gemäß § 89a Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 Nr. 1, §§ 211, 308 Abs. 1, 2, 3, § 310 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2, §§ 30, 52 StGB, § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ([X.] [X.], [X.] ff.; im Folgenden: [X.]).

4

Auf Antrag des [X.]s hat der Ermittlungsrichter des [X.] darüber hinaus mit Beschluss vom 13. August 2018 gegen den Beschuldigten die Beschlagnahme diverser - dort im Einzelnen bezeichneter - elektronischer Geräte einschließlich Zubehör, insbesondere Datenträger und -speicher, angeordnet (1 [X.] 316/18 VS-NfD), die bei Durchsuchungsmaßnahmen anlässlich seiner verkehrspolizeilichen Kontrolle am 1. Juli 2018 sichergestellt worden sind. Die Beschlagnahmeanordnung ist auf denselben Tatvorwurf gestützt.

5

Die [X.] Justizbehörden betreiben mittels [X.] Haftbefehls wegen der nämlichen Tat die Auslieferung des Beschuldigten, die das [X.] mit Beschluss vom 27. September 2018 für zulässig erklärt hat.

6

Mit Schriftsatz eines seiner Verteidiger vom 28. August 2018 hat der Beschuldigte jeweils Beschwerde gegen den Haftbefehl und den Beschlagnahmebeschluss eingelegt. Er hat die Aufhebung der beiden Entscheidungen begehrt und insbesondere geltend gemacht, die Maßnahmen seien rechtswidrig, weil der Beschuldigte gemäß Art. 40 Abs. 1 des [X.]er Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 ([X.] [X.], [X.] ff.; fortan: [X.]) diplomatische Immunität genieße.

7

Mit Beschlüssen vom 29. August 2018 hat der Ermittlungsrichter des [X.] den Beschwerden nicht abgeholfen.

8

Nach Aufhebung des Haftbefehls hat der Verteidiger am 5. Oktober 2018 für den Beschwerdeführer erklärt, dieser begehre die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft.

II.

9

1. Die Beschwerden sind statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 304 Abs. 5, § 306 Abs. 1 [X.]).

Der Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Haftbefehl steht nicht entgegen, dass dieser mittlerweile aufgehoben worden ist. Zwar kann der Wegfall einer angefochtenen Maßnahme mangels gegenwärtiger Beschwer zur Unstatthaftigkeit der dagegen erhobenen Beschwerde führen (sog. prozessuale Überholung). Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Beschlüsse vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, [X.], 20; vom 24. August 2017 - 2 BvR 77/16, [X.], 379, 380 mwN; ferner Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a., [X.] 104, 220, 235 f.; vom 8. April 2004 - 2 BvR 1811/03, [X.], 252, 253; vom 9. September 2005 - 2 BvR 431/02, [X.], 40 f.; s. auch [X.], Beschluss vom 30. März 2017 - StB 7/17, [X.], 418, 419) besteht jedoch unter dem Gesichtspunkt eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ein Rechtsschutzbedürfnis dann, wenn sich die Beschwerde gegen einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten richtet, soweit der Beschwerdeführer - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht anderweitig mit einem ordentlichen Rechtsmittel überprüfen lassen kann (s. hierzu [X.], Beschluss vom 4. Januar 2013 - StB 10/12 u.a., juris Rn. 4). Die Beschwerde darf in solchen Fällen weder wegen prozessualer Überholung gegen den Willen des Beschwerdeführers für erledigt erklärt noch aus diesem Grund als unzulässig verworfen werden (s. zu diesen beiden Entscheidungsmöglichkeiten [X.] [X.]/[X.], § 296 Rn. 11). Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich weggefallenen Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls deren Rechtswidrigkeit festzustellen.

2. Die Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg.

a) Das Verfahrenshindernis der diplomatischen Immunität besteht nicht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt es sich nicht aus Art. 40 Abs. 1 [X.].

aa) Der vom Beschuldigten gemietete Pkw, besetzt mit ihm, seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen, ist am 1. Juli 2018 gegen 13.00 Uhr auf der [X.] Süd der Autobahn [X.] einer verkehrspolizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatten der Beschuldigte und seine Familie zuvor in verschiedenen Hotels in [X.] und [X.] übernachtet und entlang der Fahrtstrecke Touristenattraktionen besucht. Für die folgende Nacht auf den 2. Juli 2018 hatte er eine Übernachtung in einem Hotel in [X.] reserviert. Bei seiner Vernehmung am 1. Juli 2018 hat er angegeben, eine Ferienreise zu unternehmen. [X.] hat der Beschuldigte am 28. August 2018 vortragen lassen, der "Zwischenaufenthalt" in [X.] sei "nur höchst vorsorglich vorgesehen" gewesen; er habe sich jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontrolle "im Sinne von Art. 40 Abs. 1 [X.] unmittelbar im [X.] zurück zu seinem Posten" in    befunden. Die [X.] Botschaft in    hat unter dem 28. August 2018 schriftlich bestätigt, der Beschuldigte habe am 2. Juli 2018 gegen 8 Uhr seinen Dienst antreten müssen.

bb) Selbst auf der Grundlage dieser Erklärungen des Beschuldigten und der Botschaft besteht für ihn keine diplomatische Immunität nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.].

(1) Es gilt:

Diplomatische Immunität wirkt nach Völkergewohnheitsrecht nicht in allen [X.] (erga omnes), sondern allein in dem Empfangsstaat, also dem Staat, in dem die diplomatische Mission des [X.] errichtet ist, zu der der Diplomat gehört (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96, [X.] 96, 68, 87 f.; [X.], Völkerrechtliche Exemtionen, Band I, 2007, S. 597). In Art. 40 [X.] sind völkervertragsrechtlich zugunsten von Personen mit Immunität Ausnahmen zu diesem Grundsatz geregelt, indem unter bestimmten Voraussetzungen der Schutz auf [X.]en ausgedehnt wird (vgl. [X.] aaO, [X.]). Die Auslegung und Anwendung dieser über das Völkergewohnheitsrecht hinausgehenden - aufgrund Zustimmungsgesetzes vom 6. August 1964 ([X.] I, [X.]) als einfaches Bundesrecht geltenden - [X.] obliegt originär dem Senat als Fachgericht; denn es sind keine zugunsten des Beschuldigten wirkenden allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beurteilen, aufgrund derer gemäß Art. 100 Abs. 2 GG das [X.] zur Entscheidung berufen sein könnte (s. hierzu [X.] aaO, [X.] f. mwN).

Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.] genießt ein Diplomat auch in einem [X.] Immunität, wenn er ihn durchreist, um "sein Amt anzutreten oder um auf seinen Posten oder in seinen Heimatstaat zurückzukehren", oder wenn er sich zu einem dieser Zwecke bereits in dem [X.] befindet (vgl. [X.], [X.], 1994, [X.]). Dass die Regelung in der zweiten Alternative ("sich befindet") nicht an jeden beliebigen Aufenthalt im [X.] anknüpft, sondern nur an einen solchen, der dazu dient, das Amt anzutreten oder auf den Posten oder in den [X.] zurückzukehren, ergibt sich deutlicher aus der [X.] und [X.] Fassung der Norm (s. [X.] [X.], S. 986).

Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.] schützt somit lediglich die Durchreise durch das Hoheitsgebiet des [X.]s zu einem der benannten Zwecke. Umfasst sind die erste Anreise zur Aufnahme der dienstlichen Tätigkeit im Empfangsstaat, die Reisen während der [X.] sowie die endgültige Abreise nach [X.]. Dies gilt jedoch nur für Reisen vom [X.] in den Empfangsstaat und umgekehrt. Geschützt sind nur Reisen durch einen [X.], deren Zweck ausschließlich der [X.] mit dem Ziel ist, den Empfangs- oder [X.] zu erreichen (vgl. [X.], Völkerrechtliche Exemtionen, Band I, 2007, S. 609; ferner [X.]/[X.], 5. Aufl., § 18 [X.] Rn. 9). Nach allgemeiner Meinung fällt ein privater Urlaub in einem [X.] nicht darunter (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1983 - [X.]/83, [X.], 440, 447; [X.], [X.] - Commentary on the Vienna Convention on Diplomatic Relations, 4. Aufl. [2016], S. 371 ff.; [X.] aaO; [X.], [X.]er Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 2. Aufl. [2010], Art. 40 [X.] Nr. 2; [X.], [X.], 1994, [X.]). Bei einem Aufenthalt in einem [X.] zu touristischen Zwecken kann die geplante Ausreise in den Empfangsstaat demnach keinen diplomatischen Schutz begründen.

Es entspricht dem Zweck des Art. 40 [X.], seine Anwendung auf dasjenige zu beschränken, was notwendig ist, um einen ungestörten diplomatischen Verkehr zwischen dem [X.] und dem Empfangsstaat zu ermöglichen. Private Urlaubsreisen des Diplomaten in das Hoheitsgebiet eines anderen Staats zählen hierzu nicht. Der [X.] hat der Tätigkeit des Diplomaten, der dort keinerlei Aufgaben zu erfüllen hat, nicht zugestimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96, [X.] 96, 68, 87); für diesen Staat besteht keine Möglichkeit, eine Beendigung der dienstlichen Tätigkeit durch eine Erklärung zur persona non grata nach Art. 9 [X.] zu erzwingen, weil die Vorschrift ausdrücklich nur den Empfangsstaat berechtigt (vgl. [X.], Völkerrechtliche Exemtionen, Band I, 2007, S. 596).

Dem Beschwerdeführer ist nicht darin zu folgen, dass diesem Verständnis des Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.] das vom [X.] verfasste Rundschreiben vom 15. September 2015 ("Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der [X.]") entgegensteht, mit dem die einschlägigen internationalen und nationalen Regeln zusammengefasst sowie Anwendungshilfen bekanntgemacht worden sind (vgl. hierzu [X.]/[X.], 5. Aufl., Vor §§ 18-21 [X.] Rn. 11). Es bindet die Gerichte im Hinblick auf Rechtsfragen ohnehin nicht (vgl. [X.]/[X.] aaO, Rn. 43; zur Bedeutung von Äußerungen des [X.]s zu tatsäch-lichen Fragen diplomatischer Tätigkeit s. [X.] [X.], Urteil vom 25. November 1982 - 4 Ss 106/82, Die Justiz 1983, 133, 134; [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 18 [X.] Rn. 7a). Darüber hinaus bestätigt das Rundschreiben, wie das [X.] selbst in seiner Stellungnahme für das Auslieferungsverfahren vom 4. Juli 2018 zum Ausdruck gebracht hat, gerade die hier dargelegte Auslegung: Nach Teil 1 B. 2.6 Abs. 1 Satz 2 des Rundschreibens gelten zugunsten des Diplomaten die "für seine sichere Durchreise oder Rückkehr erforderlichen Vorrechte und Befreiungen" auch dann, "wenn er in den Heimaturlaub fährt oder aus dem Urlaub an seine Dienststelle zurückkehrt". Mit der Rückkehr "aus dem Urlaub" ist die Rückkehr aus dem Urlaub im [X.] gemeint; das ergibt sich insbesondere daraus, dass das Rundschreiben dem Wort "Heimaturlaub" folgend den bestimmten Artikel "dem" anstatt den unbestimmten Artikel "einem" verwendet, der sich damit - im Sinne von "diesem" - auf Heimaturlaub bezieht (s. auch [X.], [X.]er Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 2. Aufl., Art. 40 [X.] Nr. 3. b)). Zudem stellt Teil 1 B. 2.6 Abs. 2 Satz 4 des Rundschreibens klar, dass ein "mehrtägiger Aufenthalt, etwa zu touristischen Zwecken ..., ... nicht als [X.] im Sinne von Artikel 40 [X.] anerkannt werden" kann.

Der vom Beschwerdeführer mit Verteidigerschriftsatz vom 15. September 2018 vorgelegten Kurzzusammenfassung der "Entscheidung eines Gerichts in [X.]" lässt sich schon deshalb nichts entnehmen, was seine abweichende Auffassung stützen könnte, weil das betreffende Erkenntnis - soweit ersichtlich - nicht zu Art. 40 [X.], vielmehr zum "[X.] (c. 81)" ergangen ist.

(2) Danach sind hier die Voraussetzungen des Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht gegeben. Eine von dieser Vorschrift erfasste Durchreise zwischen dem [X.], der [X.], und dem Empfangsstaat, der           , liegt nicht vor. Vielmehr trat der Beschuldigte von        aus eine nicht privilegierte private Urlaubsreise in weitere mitteleuropäische [X.] an, die ihn wieder dorthin zurückführen sollte.

b) Die Voraussetzungen für die Anordnung und den weiteren Vollzug des Haftbefehls vom 6. Juli 2018 lagen bis zu dessen Aufhebung am 4. Oktober 2018 vor.

aa) Der Beschuldigte war jedenfalls der geheimdienstlichen Agententätigkeit in Tateinheit mit Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und mit Vorbereitung eines Explosionsverbrechens dringend verdächtig. Dies trug die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft. Deshalb kann offenbleiben, ob nach dem Stand der Ermittlungen auch ein dringender Tatverdacht für - ebenfalls tateinheitlich begangene - Straftaten gemäß §§ 211, 30 Abs. 2 StGB, gemäß § 89a Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 StGB und gemäß § 308 Abs. 2, 3, § 30 Abs. 2 StGB bestand.

(1) Nach dem sich aus den Sachakten ergebenden Ermittlungsstand war im Sinne eines dringenden Tatverdachts jedenfalls von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte war für den [X.] Nachrichtendienst "[X.]" ([X.]) tätig und an [X.] und [X.] zum Nachteil der [X.] Oppositionsgruppen "[X.]" (Volksmodjahedin Iran-Organisation) und "[X.]" ([X.]) sowie deren Mitglieder in [X.], [X.], [X.] und [X.] beteiligt.

Unter anderem führte er im Auftrag des [X.] unter dem Decknamen "[X.]" die beiden Quellen [X.] und [X.]. Die in [X.] wohnhaften Eheleute haben die [X.] Staatsangehörigkeit und sind [X.]r Herkunft sowie Anhänger der [X.]. Der Beschuldigte als ihr Führungsoffizier wies [X.]und [X.]an, Informationen über Aktivitäten der [X.] sowie deren Mitglieder und Anhänger in [X.] zu sammeln und an ihn weiterzugeben. Zu diesem Zweck traf er das Ehepaar im August 2015 persönlich erstmals in einem Hotel in [X.] sowie nachfolgend alle drei bis vier Monate in [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] zu mehreren Führungstreffen. Der Beschuldigte übergab seinen beiden Quellen bei den Treffen als Gegenleistung für deren Tätigkeit jeweils Bargeld in Höhe von 3.500 bis 4.000 €, insgesamt 35.000 €.

Im Zusammenhang mit einem Führungstreffen in [X.] Ende März 2018 forderte der Beschuldigte [X.] und [X.]auf, sich zusammen mit anderen bisher nicht bekannten Personen an einem Sprengstoffanschlag am 30. Juni 2018 in [X.] ([X.]) auf die jährliche "Große Versammlung" der [X.] und des [X.] zu beteiligen, wozu sich beide bereiterklärten. Am 28. Juni 2018 übergab der Beschuldigte [X.] und [X.]anlässlich eines Treffens in [X.], verpackt in einem Kulturbeutel, 500 Gramm des Sprengstoffs Triacetontriperoxid ([X.]) sowie eine Zündvorrichtung mit Fernbedienung. Der von dem Beschuldigten erteilte Auftrag an die Eheleute war darauf gerichtet, die Sprengvorrichtung in einer gewissen räumlichen Nähe zur Veranstaltungshalle zu platzieren und per Fernbedienung zu zünden. Den Sprengstoff hatte der Beschuldigte - zum Zweck der Tarnung gemeinsam mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen - in einem gemieteten Pkw mit [X.] Kennzeichen von    kommend durch die [X.] zum Ort der Übergabe nach [X.] transportiert. Nach der Übergabe hielt der Beschuldigte durch den Austausch von [X.] unter Verwendung von Code-Begriffen weiterhin Kontakt zu [X.] und [X.]. Zu diesem Zweck hatte er ihnen bei dem Treffen in [X.] ein neues Mobiltelefon mit einer [X.] SIM-Karte übergeben. Er hatte mit den beiden von ihm geführten Quellen vereinbart, dass diese ihn am [X.] per [X.] um 17.30 Uhr über den Anschlag informieren. Für den Folgetag, den 1. Juli 2018, war auf Weisung des Beschuldigten im Fall eines geglückten Anschlags ein gemeinsames persönliches Treffen in Köln vorgesehen.

[X.] Sicherheitsbehörden nahmen am 30. Juni 2018 in [X.] die auf dem Weg nach [X.] begriffenen [X.] und [X.]fest und stellten die Sprengvorrichtung sicher, wobei ein Teil der Substanz bei Berührung explodierte. Auf diese Weise wurde der geplante Anschlag vereitelt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten, insbesondere zum [X.] Nachrichtendienst [X.], wird auf den aufgehobenen Haftbefehl verwiesen.

(2) Die den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen ergeben sich aus den bisher übersandten Erkenntnissen der [X.] Ermittlungsbehörden, insbesondere den Vernehmungen der dortigen Beschuldigten [X.]und [X.]vom 30. Juni 2018, den polizeilichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Verkehrskontrolle des Beschuldigten am 1. Juli 2018 sowie den Ermittlungen zu dessen Aufenthaltsorten im Zeitraum zwischen dem 27. Juni und dem 1. Juli 2018. Auf die Vernehmungsprotokolle betreffend [X.] und [X.], den [X.] Haftbefehl des Gerichts erster Instanz in [X.] vom 30. Juni 2018, das Schreiben des [X.] des [X.] in [X.] vom 3. Juli 2018, den polizeilichen Ermittlungsbericht der [X.] vom 2. Juli 2018 und das von dieser erstellte Bewegungsprofil zum Beschuldigten wird Bezug genommen.

Zutreffend hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die gesondert Verfolgten [X.] und [X.]ausgesagt haben, sie seien davonausgegangen, dass durch die geplante Sprengstoffexplosion die Versammlung in [X.] nur gestört werde, indes keine Menschen verletzt bzw. gefährdet würden. Nach Aktenlage sind derzeit keine ausreichenden Erkenntnisse vorhanden, die belegen, dass [X.] und/oder [X.]sowie der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit einen Tötungs- oder Gesundheitsschädigungsvorsatz hatten. Allerdings kommt es für die Haftfrage hierauf nicht an. Der in dem aufgehobenen Haftbefehl geschilderte Sachverhalt enthält ohnehin keine Angaben zu einem solchen Vorsatz.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang den Wert der Aussagen der gesondert Verfolgten generell in Zweifel zieht, ist darauf hinzuweisen, dass noch weitere Erkenntnisse für eine Täterschaft des Beschuldigten sprechen und im hiesigen Beschwerdeverfahren eine individuelle Glaubhaftigkeitsanalyse weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich ist.

(3) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass der Beschuldigte jedenfalls dringend verdächtig war, sich wegen Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1, § 30 Abs. 2 StGB) in Tateinheit mit Vorbereitung eines Explosionsverbrechens (§ 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und mit geheimdienstlicher Agententätigkeit (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) strafbar gemacht zu haben. Hinsichtlich der Auslegung des Straftatbestands des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB, insbesondere des Merkmals "gegen die [X.]", das durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.] auf nichtdeutsche Vertragsstaaten der [X.] mit in [X.] stationierten Truppen (hier [X.], [X.], [X.]) erweitert wird, nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in dem aufgehobenen Haftbefehl (zu den Konkurrenzen s. [X.], StGB, 65. Aufl., § 99 Rn. 17 mwN). Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts folgt für die Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens aus § 6 Nr. 2 StGB sowie für die geheimdienstliche Agententätigkeit aus § 5 Nr. 4 StGB und - da der Beschuldigte insoweit einen Teil der tatbestandlichen Handlungen im Inland vornahm - aus §§ 3, 9 Abs. 1 StGB.

Der Senat lässt es - wie dargelegt - dahinstehen, inwieweit ein dringender Tatverdacht auch hinsichtlich der Verabredung zum Mord (§§ 211, 30 Abs. 2 StGB), hinsichtlich der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 StGB) sowie hinsichtlich der Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion unter Gesundheitsschädigung einer großen Anzahl von Menschen und unter Verursachung des Todes eines anderen (§ 308 Abs. 2, 3, § 30 Abs. 2 StGB) gegeben war. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob hinsichtlich einer Verabredung zum Mord überhaupt [X.] Strafrecht anwendbar wäre.

bb) Es bestand jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Der Beschuldigte hatte im Fall seiner Verurteilung allein wegen der vom Senat als tragend erachteten Delikte mit einer empfindlichen Haftstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden erheblichen Fluchtanreiz standen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Der Beschuldigte ist [X.]r Staatsangehöriger und dritter Botschaftsrat an der [X.] Botschaft in   . Bei seiner Festnahme hielt er sich nur vorübergehend im [X.] auf. Familiäre, [X.] oder wirtschaftliche Bindungen an [X.] hat er nicht. Vielmehr ist er - mit großer Wahrscheinlichkeit - als Führungsoffizier für den [X.] Geheimdienst [X.] tätig. Dies lässt auf ein hohes Interesse schließen, sich dem Strafverfahren und der damit verbundenen Aufklärung seines mutmaßlich strafbaren Verhaltens zu entziehen. Die Annahme von Fluchtgefahr erfordert dabei kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen; insoweit genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11).

Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 [X.]) war unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

Es kann dahinstehen, ob, wie in dem Haftbefehl angenommen, daneben auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) vorlag. Ebenso wenig kommt es auf den Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 [X.]) an, der nur zu prüfen wäre, wenn der Beschuldigte der Verabredung zum Mord dringend verdächtig gewesen sein sollte (vgl. [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 112 Rn. 36).

cc) Die [X.] stand nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 [X.]).

c) Die Voraussetzungen für die Beschlagnahme der diversen elektronischen Geräte einschließlich Zubehör, die bei den Durchsuchungsmaßnahmen am 1. Juli 2018 sichergestellt worden sind, liegen vor.

Zumindest insoweit, als ein dringender Tatverdacht bestand, ist auch weiterhin ein die Beschlagnahme rechtfertigender tatsachengestützter Anfangsverdacht gegeben. Die Gegenstände, auf die sich die vom Ermittlungsrichter des [X.] getroffene Anordnung (§ 98 Abs. 1 [X.]) bezieht, haben überdies potenzielle Bedeutung als Beweismittel im Sinne des § 94 Abs. 1 [X.], weil die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sie im Verfahren zu Untersuchungszwecken in irgendeiner Weise zu verwenden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 2018 - StB 13/18, juris Rn. 6; [X.], [X.], 26. Aufl., § 94 Rn. 30 mwN). Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschlagnahmebeschluss verwiesen. Die Beschlagnahme steht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und Stärke des Tatverdachts; sie ist für die Ermittlungen geeignet und notwendig (s. dazu [X.] aaO, Rn. 51 ff.), zumal in Ansehung des Verteidigerschriftsatzes vom 23. Juli 2018 dafür Sorge getroffen worden ist, dass dem [X.] des Beschuldigten von ihm benötigte Studienunterlagen zur Verfügung stehen.

[X.]

Meta

StB 43/18, StB 44/18

05.10.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StB

Art 40 Abs 1 S 1 DiplBezÜbk, § 99 Abs 1 Nr 1 StGB, § 112 Abs 2 Nr 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2018, Az. StB 43/18, StB 44/18 (REWIS RS 2018, 3140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3140

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