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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Immunität von Konsulaten: Reichweite der Immunität der Mitglieder der konsularischen Vertretungen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung; Begriff der konsularischen Aufgabenwahrnehmung im Falle der Informationsgewinnung über terroristische Organisationen
Die Beschwerde des [X.]gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.]vom 15. April 2013 (1 [X.]121/13) wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.
Der Beschuldigte ist als Mitglied des [X.]eines Konsulats seines Heimatstaates in [X.]gemeldet. Der [X.]hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 StGB) gegen den Beschuldigten eingeleitet. Dieser soll über einen Mittelsmann Informationen über in [X.]lebende Landsleute und verschiedene Organisationen eingeholt haben. Der [X.]hat beim Ermittlungsrichter des [X.]beantragt, die Überwachung und Aufzeichnung des über einen bestimmten Telefonanschluss geführten Kommunikationsverkehrs des Beschuldigten anzuordnen. Diesen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.]mit Beschluss vom 15. April 2013 abgelehnt. Dies hat er damit begründet, dass ein Verfahrens- sowie Verfolgungshindernis nach § 19 GVG bestehe und es bereits an einem Tatverdacht fehle, weil die zufällig aus anderen Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse, die sowohl den Telefonanschluss des Konsulats als auch den privaten Mobilfunkanschluss des Beschuldigten beträfen, unverwertbar seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Generalbundesanwalts, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Das gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg; der Ermittlungsrichter des [X.]hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Der vom [X.]begehrten Ermittlungsmaßnahme steht das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis der fehlenden [X.]Strafgerichtsbarkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 GVG, Art. 43 Abs. 1 [X.]entgegen.
1. Der Beschuldigte ist als Bediensteter des [X.](Art. 1 Abs. 1 Buchst. e, Art. 19 WÜK) vom persönlichen Anwendungsbereich des Art. 43 Abs. 1 [X.]erfasst.
2. Die ihm zur Last gelegten Handlungen unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift.
a) Die konsularische Immunität nach Art. 43 Abs. 1 [X.]erstreckt sich ausschließlich auf Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben ("in the exercise of consular functions") vorgenommen worden sind. Die Abgrenzung zwischen einer konsularischen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des Art. 5 [X.]und einer sonstigen Tätigkeit kann im Einzelnen schwierig sein (vgl. Yearbook of the International Law Commission, 1961, Vol. II, S. 117; Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, 2007, [X.]ff.). Im Zweifelsfall kommt es darauf an, ob das Handeln des Konsuls oder seiner Beamten mit ihrer dienstlichen Betätigung noch irgendwie in einem inneren Zusammenhang steht (BGH, Beschluss vom 4. April 1990 - StB 5/90, BGHSt 36, 396, 401; für eine eher weite Auslegung von Art. 5 Buchst. a bis e [X.]etwa Lee/Shidlowski/Roy, [X.]34 [1996], 293, 299). Ein solcher Zusammenhang ist hier gegeben.
Der [X.]verdächtigt den Beschuldigten, gezielt Informationen über Angehörige des eigenen Staates, insbesondere zu solchen, die mit einer bestimmten (möglicherweise terroristischen) Organisation zusammenarbeiteten, besorgt zu haben. Eine solche Informationsgewinnung kann zur Wahrnehmung der Interessen des [X.]sowie seiner Angehörigen im Empfangsstaat erforderlich sein, die zu den konsularischen Aufgaben gehört (Art. 5 Buchst. a WÜK). Eine nähere Kenntnis über die Aktivitäten etwaiger terroristischer Organisationen, die sich gegen den [X.]wenden, liegt möglicherweise nicht allein im Interesse des [X.]selbst, sondern auch im Interesse seiner Angehörigen im Empfangsstaat, falls diese etwa als Angriffsziele terroristischer Handlungen in Betracht kommen. Insofern erschöpfen sich die in Art. 5 Buchst. a [X.]genannten konsularischen Aufgaben nicht in dem Verkehr mit Angehörigen des [X.]gemäß Art. 36 WÜK. Im Ergebnis bedürfen die in der Beschwerdeschrift näher erörterten Voraussetzungen des Art. 36 [X.]hier somit keiner Prüfung.
Die weiteren bislang bekannten Umstände sprechen - wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt - ebenfalls dafür, dass der Beschuldigte in Zusammenhang mit seiner konsularischen Tätigkeit handelte: So nimmt der [X.]an, dass der Beschuldigte auf Veranlassung des [X.]handelte. Auch nutzte er bei den ihm vorgeworfenen Aktivitäten mehrfach den Telefonanschluss des Konsulats, was dem ersten Anschein nach für Telefonate in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben spricht (vgl. dazu Polakiewicz, [X.]1990, 761, 767). Die teilweise Benutzung des privaten Telefonanschlusses steht einer solchen Aufgabenwahrnehmung nicht entgegen, da der Beschuldigte auch Gespräche über Pass- und Visaangelegenheiten (s. Art. 5 Buchst. d WÜK), teils erkennbar zu Bürozeiten und in den Räumen des Konsulats, über seinen Mobilfunkanschluss führte. Insgesamt besteht daher ein innerer Zusammenhang zur dienstlichen Betätigung.
b) Für die konsularische Immunität kommt es nicht darauf an, ob die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben entfaltete Tätigkeit rechtmäßig war. Zwar zählt Art. 5 Buchst. a [X.]den Interessenschutz nur innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu den konsularischen Aufgaben. Überdies sind die Rechtsvorschriften des Empfangsstaates allgemein zu beachten (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 WÜK; vgl. auch Art. 36 Abs. 2 WÜK). Doch ist die Rechtmäßigkeit nicht von entscheidender Bedeutung für das Vorliegen der Immunität, da diese ansonsten im Ergebnis weitgehend wirkungslos bliebe (s. BGH, aaO S. 401 f.). Im Hinblick darauf hat die [X.](International Law Commission) bei Ausarbeitung des [X.]über konsularische Beziehungen bewusst davon abgesehen, die Immunität weiter zu beschränken und davon abhängig zu machen, dass die amtlichen Handlungen jeweils innerhalb der Grenzen des Konsularrechts liegen (vgl. Yearbook of the International Law Commission, 1961, Vol. II, S. 117). Auch das [X.]hat am Rande einer (in der Beschwerdeschrift zitierten) Entscheidung bemerkt, dass die Art. 41 ff. [X.]selbst Spione vor der Strafverfolgung schützen könnten: Zwar könnten sich diese nicht auf die Grundsätze der [X.]berufen; doch gelte unter anderem dann eine Ausnahme, wenn sie den Schutz der Art. 41 ff. [X.]genössen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91 u.a., [X.]92, 277, 321; s. auch Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, Bd. 1, 2007, S. 443, 487 f.; aA Richtsteig, [X.]und WÜK, 2. Aufl., S. 211).
Diese Auslegung des Art. 43 Abs. 1 [X.]führt nicht zur Schutzlosigkeit des Empfangsstaates. Soweit ein konsularischer Bediensteter im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung die Rechte des Empfangsstaates verletzt, ergeben sich dessen Reaktionsmöglichkeiten aber allein aus dem [X.]selbst. Dieses stellt insoweit eine in sich geschlossene Ordnung - ein "self-contained régime" - dar (s. IGH, Urteil vom 24. Mai 1980 - General List No. 64, [X.]1980, 3, 39 ff.; zur diplomatischen Immunität BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96, [X.]96, 68, 83). So kann etwa der Empfangsstaat jederzeit notifizieren, dass ein [X.]persona non grata oder dass ein anderes Mitglied des konsularischen Personals ihm nicht genehm ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 WÜK), und damit dem etwaigen Missbrauch konsularischer Vorrechte begegnen (vgl. IGH, aaO S. 39 f.; BGH, Beschluss vom 4. April 1990 - StB 5/90, BGHSt 36, 396, 402; zu weiteren Reaktionsmöglichkeiten Lee/Shidlowski/Roy, [X.]34 [1996], 293, 299 f.).
c) Einer Tätigkeit in Erfüllung konsularischer Aufgaben steht nicht entgegen, dass der Beschuldigte (lediglich) Bediensteter des [X.]ist. Soweit der Anwendungsbereich des Art. 43 [X.]eröffnet ist, ist unerheblich, in welcher Funktion das Mitglied der konsularischen Vertretung handelte (vgl. dazu insbesondere den Standpunkt der [X.]Delegation bei den Verhandlungen zum WÜK: United Nations, Conference on Consular Relations, Official Records, 1963, Vol. I, S. 57).
2. Eine Ausnahme von der nach Art. 43 Abs. 1 [X.]gegebenen Immunität - etwa aufgrund Verzichts des Entsendestaats (Art. 45 WÜK) - liegt nicht vor.
3. Da die [X.]Strafgerichtsbarkeit in Bezug auf den dem Beschuldigten vorgeworfenen Sachverhalt nicht gegeben ist, scheiden die vom [X.]begehrten Ermittlungsmaßnahmen aus. Denn soweit die Gerichtsbarkeit ("jurisdiction") des Empfangsstaates fehlt, sind gegen den jeweiligen konsularischen Mitarbeiter bereits Untersuchungshandlungen ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1984 - 2 ARs 252/84, BGHSt 33, 97, 98; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 18 Rn. 18; LR/Böttcher, StPO, 26. Aufl., § 19 Rn. 8). Daher bedürfen die im Beschwerdeverfahren angesprochenen weiteren Fragen, ob die bislang gewonnenen Erkenntnisse verwertbar sind und inwieweit die Überwachung des privat angemeldeten Mobiltelefons zulässig ist, keiner Erörterung.
Tolksdorf Pfister Spaniol
Meta
27.06.2013
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: False
§ 19 Abs 1 S 1 GVG, Art 5 Buchst a KonsÜbk Wien, Art 36 Abs 2 KonsÜbk Wien, Art 43 Abs 1 KonsÜbk Wien, Art 55 Abs 1 KonsÜbk Wien
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.06.2013, Az. StB 7/13 (REWIS RS 2013, 4699)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 4699
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 318/07 (Bundesgerichtshof)
StB 43/18, StB 44/18 (Bundesgerichtshof)
Immunität eines Diplomaten in einem Drittstaat
Elterngeldanspruch für Personal ausländischer Konsulate in Deutschland
5 StR 482/20 (Bundesgerichtshof)
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