Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.12.2011, Az. 2 BvR 148/11

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 337

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Reichweite des in Art 50 der Europäischen Grundrechtecharta (juris: EUGrdRCh) normierten Doppelbestrafungsverbotes - hier: Strafverfolgung wegen während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlande begangener Straftaten - mangels Vorverurteilung durch innerstaatliche Gerichte keine Verletzung von Art 103 Abs 3 GG - keine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch Unterlassen einer Vorlage gem § 1 Abs 2 EuGHG zur Frage der Auslegung von Art 50 EUGrdRCh - Einschränkung von Art 50 EUGrdRCh durch Art 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (juris: SchÜbkDÜbk) iVm Art 52 Abs 1 EUGrdRCh


Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen eine unterbliebene Vorlage an den [X.] ([X.] - [X.]) hinsichtlich der Auslegung des [X.]sverbotes nach Art. 50 der [X.] (Grundrechtecharta - [X.]).

2

1. Der 90-jährige Beschwerdeführer war während der [X.] Besatzung der [X.] in den 1940er Jahren Mitglied eines [X.] der [X.] in [X.]. Sein Vater war [X.], seine Mutter [X.]. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der [X.] beging er in [X.] drei Morde. Nach dem [X.] gelangte der Beschwerdeführer in [X.] Kriegsgefangenschaft, bis ihm im Juni 1947 die Flucht gelang. Er hielt sich in [X.] verborgen, bis er 1954 nach Deutschland kam.

3

Wegen der Morde verhängte das Sondergericht [X.] gegen den Beschwerdeführer mit Urteil vom 18. Oktober 1949 die Todesstrafe. Der Beschwerdeführer war bei der Hauptverhandlung nicht anwesend und nicht durch einen Verteidiger verteidigt. Fünf Jahre nach der Urteilsverkündung wandelte sich die Strafe qua Gesetz in eine lebenslange Freiheitsstrafe um. Das Urteil ist bis zum heutigen Tage - bis auf einen Teil anzurechnender Untersuchungshaft - nicht vollstreckt worden.

4

Im Jahre 1955 wurde dem Beschwerdeführer die [X.] Staatsangehörigkeit entzogen. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, er habe durch den Eintritt in die [X.] und die dortige Ableistung einer 2-jährigen Dienstzeit die [X.] Staatsangehörigkeit erworben. Im Jahre 1980 beantragten die [X.] die Auslieferung des Beschwerdeführers, um das Urteil aus dem Jahre 1949 zu vollstrecken. Die Auslieferung hielt das [X.] im Jahre 1983 für unzulässig. Der Auslieferung stehe Art. 16 Abs. 2 Satz 1 [X.] entgegen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer gemäß dem [X.] vom 19. Mai 1943 ([X.]) die [X.] Staatsangehörigkeit erworben habe.

5

Ebenfalls im Jahre 1983 leitete die Staatsanwaltschaft [X.] - [X.] - ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Dieses stellte sie allerdings am 15. Februar 1984 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, da sie die Taten des Beschwerdeführers als gerechtfertigte Kriegsrepressalien einstufte.

6

Im Juni 2003 stellten die [X.] ein Vollstreckungsübernahmeersuchen zur Vollstreckung des Urteils aus dem Jahre 1949. Dies lehnte das [X.] im Jahre 2007 ab, da die Vollstreckung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unzulässig sei. Das Urteil und das Verfahren vor dem Sondergericht [X.] hätten völkerrechtliche Mindestmaßstäbe nicht eingehalten.

7

2. Im Zuge dieses Vollstreckungsübernahmeersuchens nahm die Staatsanwaltschaft [X.] ihre Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer wieder auf und erhob im April 2008 Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen dreifachen Mordes.

8

Das [X.] beschloss zunächst, das Hauptverfahren wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht zu eröffnen. Diesen Beschluss hob das [X.] mit Beschluss vom 1. Juli 2009 auf und eröffnete das Hauptverfahren. Die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1724/09 nahm die [X.] des [X.] des [X.] mit Beschluss vom 6. Oktober 2009 nicht zur Entscheidung an; der Beschwerdeführer sei nicht in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] verletzt.

9

Während der Hauptverhandlung vor dem [X.] von Oktober 2009 bis März 2010 legte der Beschwerdeführer ein umfassendes Geständnis ab. An den 20 Verhandlungstagen, die mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers täglich maximal drei Stunden dauerten, musste der Beschwerdeführer laufend medizinisch überwacht werden. Am 1. Dezember 2009 beantragte der Beschwerdeführer die Einstellung des Verfahrens gemäß § 260 Abs. 3 StPO. Mit dem Inkrafttreten des [X.] ([X.] 2007, [X.]) an diesem Tag gelte nunmehr gemäß Art. 6 Abs. 1 [X.] die Grundrechtecharta als bindendes Recht. Art. 50 Grundrechtecharta lautet:

Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden.

Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der [X.] nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

Der Beschwerdeführer trug vor, die Grundrechtecharta enthalte in ihrem Artikel 50 ein europäisches [X.]sverbot. Da der Beschwerdeführer wegen der begangenen Morde bereits durch das Sondergericht [X.] verurteilt worden sei, dürfe er dafür gemäß Art. 50 [X.] nicht erneut von einem [X.] Gericht verurteilt werden. Für die Anwendbarkeit des Art. 50 [X.] komme es - anders als bei Art. 54 des [X.] ([X.]) vom 19. Juni 1990 ([X.] ff.) - nicht darauf an, ob das Urteil des [X.] in [X.] bereits vollstreckt sei beziehungsweise nicht mehr vollstreckt werden könne. Art. 54 [X.] Durchführungsübereinkommen lautet:

Wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, daß im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des [X.] nicht mehr vollstreckt werden kann.

Den Antrag auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 260 Abs. 3 StPO lehnte das [X.] ab. Mit angegriffenem Urteil vom 23. März 2010 verurteilte es den Beschwerdeführer wegen dreifachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Hinsichtlich der Verurteilung durch das Sondergericht [X.] führte das [X.] aus, diese habe keine strafklageverbrauchende Wirkung im Sinne von § 260 Abs. 3 StPO. Art. 50 [X.] enthalte zwar ein grenzüberschreitendes [X.]sverbot. Ein solches transnationales [X.]sverbot gelte indes für die Mitgliedstaaten des [X.] bereits seit längerem, und zwar gemäß Art. 54 [X.]. Art. 54 [X.] stehe aber einer nochmaligen Verfolgung und doppelten Bestrafung dann nicht entgegen, wenn die Strafe aus dem Ersturteil noch vollstreckt werden könne. Eine solche eindeutige Vollstreckungsklausel enthalte Art. 50 [X.] zwar seinem Wortlaut nach nicht. Jedoch sei weder der Grundrechtecharta noch dem [X.] oder anderen Normen zu entnehmen, dass der den [X.] bekannte Art. 54 [X.] durch Art. 50 [X.] verdrängt oder modifiziert werden sollte. Daher besitze Art. 54 [X.] nach wie vor Gültigkeit und sei als zulässige Einschränkung von Art. 50 [X.] zu werten. Auch die Voraussetzungen der Einschränkungsmöglichkeit gemäß Art. 52 [X.] lägen vor. Der Wesensgehalt von Art. 50 [X.] werde nicht angetastet, da der grundsätzliche Schutz vor [X.] bestehen bleibe und nur eine sachlich gerechtfertigte Eingrenzung durch das Kriterium der Vollstreckung oder Vollstreckbarkeit erfolge. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde gewahrt. Art. 54 [X.] verfolge das legitime Ziel der Effektivität der Rechtspflege sowie das Interesse der Allgemeinheit und der Opfer an einer Strafverfolgung. Die Wertung erscheine in einem Fall wie dem vorliegenden als zwingend, in dem die Vollstreckung des [X.] rechtlich nicht zu befürchten sei: Die rechtskräftige Erstverurteilung sei in der [X.] nicht vollstreckbar, die Auslieferung sei abgelehnt worden und bisher sei keine Vollstreckung erfolgt, zugleich sei im Staat, in dem die Erstverurteilung erfolgte, eine Vollstreckung möglich und zulässig. Das Urteil des [X.] [X.] sei rechtskräftig und nicht mehr anfechtbar. Es sei weder bereits vollstreckt noch werde es vollstreckt, zudem sei es noch vollstreckbar. Einer Vorlage an den [X.] bedürfe es angesichts der dargelegten Rechtsauffassung nicht.

Mit seiner Revision beantragte der Beschwerdeführer erneut, das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Hilfsweise beantragte er eine Vorlage an den [X.] gemäß § 1 Abs. 2 [X.]G, um im Wege der Vorabentscheidung zu klären, ob Art. 50 [X.] einschränkungslos den Fall erfasse, dass es eine Erstverurteilung wegen desselben Sachverhalts gebe oder ob Art. 50 [X.] durch Art. 54 [X.] eingeschränkt werde.

3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. Dezember 2010 verwarf der [X.] die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 50 [X.] sei nicht begründet, und eine Vorlagepflicht habe nicht bestanden. Im angegriffenen Beschluss machte der [X.] zu diesen beiden Aspekten keine weiteren Ausführungen, sondern schloss sich den diesbezüglichen Ausführungen des 1. Strafsenats des [X.]s in dessen Beschluss vom 25. Oktober 2010 (1 [X.]) an.

Jenem Beschluss lag ein ähnlich gearteter Ausgangsfall zugrunde: Ein [X.] Militärgericht hatte im Jahre 2006 einen [X.] Anführer des [X.] in seiner Abwesenheit wegen Tötung von Unbeteiligten in [X.] im [X.] als Rache für einen Partisanenangriff zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil war rechtskräftig und bisher nicht vollstreckt worden, könnte aber in [X.] noch vollstreckt werden. Im August 2009 verurteilte das [X.] München I den Angeklagten aufgrund dieser Taten wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe.

Die dagegen eingelegte Revision verwarf der [X.] und verneinte eine Verletzung des [X.]sverbots aus Art. 50 [X.]. Zwar sei das Verbot der [X.] in Art. 50 [X.], anders als das entsprechende Verbot des Art. 54 [X.], nicht ausdrücklich durch [X.] modifiziert. Jedoch könnten gemäß Art. 52 Abs. 1 [X.] die in der [X.] anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der [X.] achteten. Art. 54 [X.] sei eine solche einschränkende Regelung. Dies ergebe sich aus den Erläuterungen zur [X.] der Grundrechte ([X.] 2007, [X.] 303/17), die ausweislich der Präambel der [X.] bei der Auslegung der Bestimmungen der [X.] zu berücksichtigen seien. In den Erläuterungen heißt es zu Art. 50 [X.]:

Nach Art. 50 findet der Grundsatz 'ne bis in idem' nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der [X.]; siehe die Artikel 54 bis 58 des [X.] und Urteil des [X.] vom 11. Februar 2003, Rechtssache [X.]-187/01 [X.] (Slg. 2003, [X.]), Artikel 7 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der [X.] sowie Artikel 10 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung. Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von der Regel 'ne bis in idem' abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt. (...).

Danach bestehe kein Zweifel, so der [X.], dass Art. 50 [X.] nur nach Maßgabe von Art. 54 [X.] gelte, dementsprechend in der vorliegenden Konstellation nicht eingreife.

Für eine Vorlage an den [X.] sah der [X.] keinen Raum. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts sei angesichts der dargelegten Erläuterungen offenkundig und zweifelsfrei.

Der Beschwerdeführer rügt sinngemäß eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 [X.] sowie ausdrücklich eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 103 Abs. 3 [X.], Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] und Art. 1 Abs. 1 [X.], Art. 2 Abs. 2 Satz 2 [X.].

1. Der Grundsatz 'ne bis in idem' sei mittlerweile eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 Satz 1 [X.]. Das [X.]sverbot sei völkerrechtlich mittlerweile nicht mehr nur für jeweils in einem Staat erfolgende gerichtliche Aburteilungen anerkannt - wie etwa durch Art. 4 des [X.] ([X.]) -, sondern auch für grenzüberschreitende Sachverhalte. Das zeigten Art. 54 [X.] und Art. 50 [X.].

2. Art. 103 Abs. 3 [X.] sei bereits durch die Einleitung eines erneuten Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer verletzt. Zwar erfasse Art. 103 Abs. 3 [X.] in der bisherigen Auslegung nur Erstverurteilungen oder Freisprüche [X.]r Gerichte (so [X.] 75, 1 <15 f.>). Im internationalen Bereich habe sich die Rechtslage jedoch maßgeblich verändert. Gemäß Art. 54 [X.] und Art. 50 [X.] gelte das [X.]sverbot nunmehr auch für grenzüberschreitende Sachverhalte. Zudem enthalte Art. 50 [X.] nach seinem Wortsinn kein einschränkendes [X.] mehr. Daher liege es mehr als nahe, Art. 103 Abs. 3 [X.] im Lichte dieser Entwicklungen auszulegen und nunmehr auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte anzuwenden. Da der Beschwerdeführer wegen der drei Morde bereits im Jahre 1949 in [X.] verurteilt worden sei, verstoße die erneute Verurteilung durch das [X.] gegen Art. 103 Abs. 3 [X.].

3. Darüber hinaus verstoße der Beschluss des [X.]s gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.], da der [X.] die Frage nach der Auslegung von Art. 50 [X.] gemäß § 1 Abs. 2 [X.]G dem [X.] habe vorlegen müssen.

a) Im Falle des Beschwerdeführers sei - neben dem Parallelfall, den der [X.] am 25. Oktober 2010 entschieden hatte -, zum [X.] über die Reichweite von Art. 50 [X.] zu entscheiden gewesen. Der [X.] habe eine im Einzelnen schwierig zu beantwortende Frage des [X.]srechts entschieden und unter Heranziehung der der [X.] angefügten Erläuterungen eine Auslegung der Grundrechtecharta vorgenommen, die alleine Sache des [X.]s sei.

b) Die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung von Art. 50 [X.] sei keinesfalls offenkundig und zweifelsfrei. Die Literatur habe die vorliegende Fallkonstellation bisher nur teilweise aufgearbeitet, die einschlägigen Erläuterungswerke zur Grundrechtecharta äußerten sich zu der Frage der Einschränkbarkeit von Art. 50 [X.] durch Art. 54 [X.] überhaupt nicht. Beachtliche Stimmen in der Literatur würden die Gegenauffassung vertreten. So nehme  [X.] ([X.], [X.] ff.) an, die Grundrechtecharta einerseits und das [X.] seien unterschiedliche Regelungskomplexe mit eigenständigen Anwendungsbereichen.  [X.]/ [X.] (StraFo 2010, [X.] ff.) nähmen an, angesichts der ungeklärten Auslegungsfragen dürfe keinesfalls von einer Vorlage an den [X.] abgesehen werden.

c) Schließlich habe der [X.] eine Lösung vertreten, ohne die im Ergebnis vorzugswürdige Gegenauffassung zu erwägen. Es sei überzeugender, Art. 54 [X.] nicht als Einschränkung von Art. 50 [X.] zu qualifizieren. Im innerstaatlichen Recht würden Regelungen, die das [X.]sverbot einschränkten, etwa die Regelung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, vom Wortsinn her ihren [X.]harakter als einschränkende Normen deutlich ausdrücken. Art. 54 [X.] sei demgegenüber nicht als Einschränkung für ein Grundrecht wie Art. 50 [X.] konzipiert. Vielmehr habe Art. 54 [X.] den 'ne bis in [X.] auf internationale Sachverhalte ausweiten wollen. Systematisch sei daher aus der Bestimmung keine Einschränkung herauszulesen. Zudem hätten die Beratungen zur Grundrechtecharta auf Art. 54 [X.] Bezug genommen, jedoch nicht das [X.] übernommen. Daher sei Art. 54 [X.] als Vorgängerregelung zu Art. 50 [X.] zu begreifen. Überzeugender sei es daher, Einschränkungen von Art. 50 [X.] allein durch die innerstaatlichen Regelungen über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuzulassen.

4. Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Freiheit der Person gemäß Art. 1 Abs. 1 [X.] und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen ließen, so dass die absolut angedrohte Freiheitsstrafe nach § 49 StGB zu mildern gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei schwer erkrankt und habe - auch ausweislich der Feststellungen des [X.]s - nur noch eine sehr geringe Lebenserwartung. Zudem sei er als 22-jähriger zum Tatzeitpunkt indoktriniert gewesen und habe die Aufforderungen zum Töten als Befehle betrachtet. Schließlich sei es dem Beschwerdeführer deshalb verwehrt, jemals im Leben wieder seine Freiheit zu erlangen, weil der Beschwerdeführer über einen langen Zeitraum nur deshalb nicht verurteilt worden sei, da die Staatsanwaltschaft [X.] zu Unrecht das Ermittlungsverfahren eingestellt habe. Wäre die rechtswidrige Einstellung nicht erfolgt, hätte bereits Mitte der 1980er Jahre eine Verurteilung stattfinden können und der Beschwerdeführer hätte die [X.]hance gehabt, nach § 57a StGB nach 15 Jahren den Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt zu erhalten. Durch Verschulden der Behörden und aufgrund des Lebensalters des Beschwerdeführers könne es hierzu nunmehr nicht mehr kommen.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] bezeichneten Rechte angezeigt, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Sie ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer vorträgt, die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 Satz 1 [X.], nach der niemand wegen desselben Sachverhalts, dessentwegen er bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen ist, von einem anderen Staat, dessen Strafgewalt ebenfalls gegeben ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf. Der Beschwerdeführer vermag die Möglichkeit einer Rechtsverletzung entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] nicht hinreichend darzulegen. Denn nach dem Beschluss der [X.] des [X.] des [X.] vom 4. Dezember 2007 ([X.], 7 <13 ff.>; zuvor bereits [X.] 75, 1 <18 ff.>) ist eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts, wie sie der Beschwerdeführer annimmt, gegenwärtig nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer hätte insofern darlegen müssen, dass seit dieser Entscheidung, die auch Art. 54 [X.] einbezogen hat ([X.], 7 <17 ff.>), Entwicklungen stattgefunden hätten, die zur Annahme einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 Satz 1 [X.] geführt hätten. Hierzu sind Ausführungen seitens des Beschwerdeführers unterblieben; insbesondere fehlt es an Ausführungen zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht (vgl. [X.], 7 <13> m.w.N.).

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 3 [X.] rügt, ist seine Verfassungsbeschwerde unbegründet. Art. 103 Abs. 3 [X.] gilt für das Verhältnis zwischen [X.] Gerichten, das heißt die Norm setzt eine Entscheidung durch ein [X.]s Gericht voraus (stRspr, [X.] 12, 62 <66>; 75, 1 <15 f.>; [X.], 7 <11 f.>). Eine solche liegt hier nicht vor, vielmehr wurde die Erstverurteilung von einem anderen Staat, nämlich [X.], ausgesprochen.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Beschwerdeführers, wonach auf [X.] Entwicklungen hin zu einem grenzüberschreitenden Verbot der Mehrfachbestrafung stattgefunden hätten, die bei der Auslegung von Art. 103 Abs. 3 [X.] zu berücksichtigen seien. Hierfür bestehen bereits deshalb keine Anhaltspunkte, da die vom Beschwerdeführer genannten völkerrechtlichen Verträge selbst die konzeptionelle Beschränkung des Verbots der Mehrfachbestrafung auf innerstaatliche Aburteilungen vorsehen. So verhält es sich etwa mit der Regelung des Art. 14 des [X.] über bürgerliche und politische Rechte ([X.] ff.; s. UN-Ausschuss für Menschenrechte, Entscheidung vom 2. November 1987, Beschwerde Nr. 204/1986, [X.] [X.], § 7.3., [X.], S. 15 f.; [X.], in: [X.]/Marauhn, [X.]/[X.], 2006, [X.]. 29 Rn. 22). Ebenso gilt das [X.]sverbot aus Art. 4 des [X.] - das die [X.] ohnehin nicht ratifiziert hat - allein für innerstaatliche Aburteilungen ([X.] für Menschenrechte, Entscheidung vom 28. Juni 2001, [X.]. 56811/00, [X.] ./. [X.], § 1; s. auch bereits [X.], Entscheidung vom 21. Oktober 1993, [X.]. 17265/90, [X.], § 3; [X.] 75, 1 <23>; [X.], 7 <15>; [X.], in: [X.]/Marauhn, a.a.[X.], [X.]. 29 Rn. 22; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 2012, Art. 4 [X.] Rn. 6).

2. Auch bezüglich der Rüge des Beschwerdeführers, wonach der [X.] gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] verstoßen habe, indem er eine Vorlage an den [X.] zur Auslegung von Art. 50 [X.] abgelehnt hat, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist der [X.] [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Unterlässt es ein [X.]s Gericht, ein Vorabentscheidungsgesuch an den [X.] zu richten, obwohl es unionsrechtlich dazu verpflichtet ist, werden die [X.] des Ausgangsverfahrens [X.] entzogen ([X.] 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>; 126, 286 <315 ff.>). Allerdings stellt nicht jede Verletzung der sich aus Art. 267 Abs. 3 A[X.] ergebenden Vorlagepflicht einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] dar. Das [X.] beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen oder offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 A[X.] in Rede steht ([X.] 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <316>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, S. 1427 <1431>).

Im Rahmen dieser Willkürkontrolle haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, in denen die Vorlagepflichtverletzung zu einer Verletzung des Rechts auf [X.] führt. Die Vorlagepflicht nach Art. 267 A[X.] wird danach insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt. Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des [X.]s zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt.

Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts einschlägige Rechtsprechung des [X.]s noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des [X.]s nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, a.a.[X.]). Letzteres kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 82, 159 <196>; 126, 286 <317>) insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Zu verneinen ist in Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.

b) In Betracht kommt im vorliegenden Fall allein die Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung. Denn die Fachgerichte haben selbst keine Zweifel an der richtigen Beantwortung der Frage gehegt. Der [X.] ist in seiner Entscheidung auch nicht bewusst von der Rechtsprechung des [X.]s abgewichen, denn eine solche Rechtsprechung zum [X.] bei Art. 50 [X.] ist bisher soweit ersichtlich nicht ergangen.

Die Voraussetzungen der Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung sind - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der [X.] ist zwar davon ausgegangen, dass eine entscheidungserhebliche Frage nach der Auslegung von Art. 50 [X.] besteht (aa). Allerdings hat der [X.] seinen ihm im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] zukommenden Beurteilungsrahmen nicht in unvertretbarer Weise überschritten (bb).

aa) Der [X.] ist zwar davon ausgegangen, dass eine für das Strafverfahren entscheidungserhebliche Vorlagefrage nach der Auslegung von Art. 50 [X.] besteht. Denn würde Art. 50 [X.] im Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers in [X.] eine strafklageverbrauchende Wirkung zeitigen, wäre das hiesige Strafverfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen gewesen. Die Fachgerichte sind nicht willkürlich davon ausgegangen, dass die Grundrechtecharta im vorliegenden Fall Anwendung findet. Dies kann sich allerdings nicht allein - wie die Fachgerichte meinen - aus dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Dezember 2009 und der Bezugnahme von Art. 6 Abs. 1 [X.] auf die Grundrechtecharta ergeben. Vielmehr muss zusätzlich gemäß Art. 51 [X.] der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta eröffnet sein. Die Grundrechtecharta bindet nämlich in erster Linie die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.], Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 [X.]. Eine Bindung der Mitgliedstaaten sieht die Grundrechtecharta "ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der [X.]" vor, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 [X.]. Die Bestimmungen der [X.] für sich genommen sind daher nicht tauglich, als "Recht der [X.]" mitgliedstaatliches Handeln der [X.] zu unterwerfen, das nicht in Durchführung anderweitigen [X.]srechts ergangen ist. Dies wäre ein unzulässiger Zirkelschluss ([X.], in: Tettinger/[X.] , [X.] zur Europäischen Grundrechtecharta, 2006, Art. 51 [X.] Rn. 34). Indes war es jedenfalls nicht unvertretbar, die für die Anwendung der [X.] erforderliche "Durchführung des Rechts der [X.]" ungeachtet der mit diesem Tatbestandsmerkmal verbundenen Auslegungsfragen darin zu sehen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte die Bestimmungen des [X.], hier Art. 54 [X.], prüfen müssen. Denn das [X.] Recht entfaltet seit seiner Einbeziehung in den [X.] aufgrund des Protokolls zum Vertrag von [X.] dieselben Rechtswirkungen wie sekundäres [X.]srecht ([X.], in: [X.]/Hilf/[X.] , [X.], Stand: September 2010, Art. 77 A[X.] Rn. 15; vgl. auch die deklaratorische Festlegung der Rechtsgrundlagen, [X.] 1999, L 176/17).

bb) (1) Die Voraussetzungen der Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung sind allerdings - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht gegeben. Der [X.] hat seinen ihm im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] zukommenden Beurteilungsrahmen nicht in unvertretbarer Weise überschritten. Für eine willkürliche Handhabe der Vorlagepflicht reicht es nicht aus, dass die gegenteilige Rechtsansicht etwa durch Stimmen in der Literatur bekräftigt wird (so z.B. [X.], in: [X.] , [X.] der Grundrechte der [X.], 2. Aufl., 2006, Art. 50 [X.] Rn. 14). Vielmehr muss diese Auffassung eindeutig vorzuziehen sein. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Fachgerichte die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet haben (vgl. [X.] 82, 159 <196>; 126, 286 <317>).

(2) So liegt der Fall hier. Der [X.] hat argumentiert, das Verbot der [X.] in Art. 50 [X.] sei zwar, anders als das entsprechende Verbot des Art. 54 [X.], nicht ausdrücklich durch [X.] modifiziert. Jedoch könnten gemäß Art. 52 Abs. 1 [X.] die in der [X.] anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der [X.] achteten. Art. 54 [X.] sei eine solche einschränkende Regelung. Weder der Grundrechtecharta noch dem [X.] oder anderen Normen sei zu entnehmen, dass der den [X.] bekannte Art. 54 [X.] durch Art. 50 [X.] verdrängt oder modifiziert werden sollte. Daher besitze Art. 54 [X.] nach wie vor Gültigkeit und sei als zulässige Einschränkung von Art. 50 [X.] zu werten. Auch die Voraussetzungen der Einschränkungsmöglichkeit gemäß Art. 52 Abs. 1 [X.] lägen vor. Diese Auslegung stützt der [X.] maßgeblich auf die der Grundrechtecharta angefügten Erläuterungen ([X.] 2007, [X.] 303/17). Die Erläuterungen zu Art. 50 [X.] ließen keinen Zweifel daran, dass das [X.]sverbot der Grundrechtecharta nur nach Maßgabe von Art. 54 [X.] gelte.

Diese Auslegung des [X.]s erscheint vertretbar, so dass die vom Beschwerdeführer vertretene Gegenauffassung nicht eindeutig vorzuziehen ist. Zum einen werden die Bestimmungen der [X.] unter gebührender Berücksichtigung der in der [X.] angeführten Erläuterungen ausgelegt (Art. 6 Abs. 1 [X.]. 3 [X.]) und sind die Erläuterungen von den Gerichten der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen (Art. 52 Abs. 7 [X.] und Präambel der Grundrechtecharta). Ausweislich der Präambel der Erläuterungen selbst stellen diese eine nützliche Interpretationshilfe dar, die dazu dient, die Bestimmungen der [X.] zu verdeutlichen. Insofern erscheint es nicht willkürlich, wenn der [X.] diese Erläuterungen zur Auslegung einer [X.]bestimmung heranzieht. Überdies ist es auch vertretbar, die Erläuterungen zu Art. 50 [X.] im Sinne der Auslegung des [X.]s zu verstehen, wonach das [X.] des Art. 54 [X.] eine zulässige Einschränkung von Art. 50 [X.] darstellt. Denn in den Erläuterungen heißt es zuerst, der Grundsatz 'ne bis in idem' finde nach Art. 50 [X.] "zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten seine Anwendung". Im [X.] daran stellen die Erläuterungen fest: "Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der [X.]; siehe Artikel 54 bis 58 des [X.] und Urteil des Gerichtshofs vom 11. Februar 2003, Rechtssache [X.]-187/01 [X.] (Slg. 2003, [X.]), Artikel 7 des Übereinkommens zum Schutz der finanziellen Interessen der [X.] sowie Artikel 10 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung". Wiederum direkt darauf folgend heißt es, "Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach  diesen Übereinkommen [Hervorhebung hinzugefügt] von der Regel 'ne bis in idem' abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt".

Nach dem Wortlaut und dem Aufbau der Erläuterungen bezieht sich die Formulierung "Die klar eingegrenzten Ausnahmen [...] nach diesen Übereinkommen" auf die drei Übereinkommen beziehungsweise deren Ausnahmebestimmungen, die in dem Satz zuvor aufgezählt werden. Damit sind die Art. 54 bis 58 [X.] erfasst. Denn es ist schon sprachlich nicht ersichtlich, dass sich die "klar eingegrenzten Ausnahmen [...] nach diesen Übereinkommen" auf andere Bestimmungen solcher Übereinkommen beziehen könnten, die in den Erläuterungen zu Art. 50 [X.] nicht genannt sind. Ansonsten wäre der Verweis auf "Ausnahmen [...] nach diesen Übereinkommen" bezugslos. Die Ausnahmen sind, so die Erläuterungen wörtlich "von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt". Schließlich enthalten darüber hinaus die Bestimmungen aller genannten Übereinkommen (Art. 54 [X.], Art. 7 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der [X.] und Art. 10 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der [X.] oder der Mitgliedstaaten der Europäischen [X.] beteiligt sind ) ein [X.]sverbot, das voraussetzt, dass die Sanktion bereits vollstreckt worden ist oder derzeit vollstreckt wird oder nach dem Recht des verurteilenden Staates nicht mehr vollstreckt werden kann. Insofern erscheint es naheliegend, die genannten Bestimmungen - so wie der [X.] - als Einschränkungen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 [X.] aufzufassen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 148/11

15.12.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 1. Dezember 2010, Az: 2 StR 420/10, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 3 GG, Art 25 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 6 Abs 1 UAbs 3 EU, § 1 Abs 2 EuGHG, Art 50 EUGrdRCh, Art 52 Abs 1 EUGrdRCh, Art 54 SchÜbkDÜbk, § 260 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.12.2011, Az. 2 BvR 148/11 (REWIS RS 2011, 337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 337

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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