Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2022, Az. VI ZR 1328/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6973

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Gegenstand

Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Bildberichterstattung über einen Aufnäher auf der Uniform tragenden Bundespolizisten bei einem Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals


Leitsatz

Zur Zulässigkeit einer Bildberichterstattung über einen Bundespolizisten, der bei einem Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals Aufnäher an seiner Uniform trug.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 12. November 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch.

2

Der Kläger ist Beamter der [X.]. Er unterstützte bei der Veranstaltung "Rechts rockt nicht" am 22. Juni 2019 in [X.] die [X.] bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Veranstaltung richtete sich gegen ein gleichzeitig in [X.] stattfindendes, als "Schild- und Schwertfestival" ("SS-Festival") bezeichnetes Neonazifestival.

3

Die Beklagte veröffentlichte auf ihrer [X.]seite www.spiegel.de unter dem Datum 23. Juni 2019 einen Artikel mit folgendem Wortlaut:

"Neonazi-Fest in [X.]

[X.] trug fragwürdige Symbole auf Uniform

Die Polizei hat beim [X.] in [X.] 32 Straftaten registriert. Derweil kursiert im [X.] das Foto eines [X.]en - an seiner Uniform sind Aufnäher, die auch in der rechten Szene genutzt werden. […]

Hunderte Rechtsextreme haben sich am Wochenende im [X.] [X.] zu einem Festival versammelt. Rund 1400 Polizisten waren im Einsatz - darunter Mitarbeiter der [X.]. Einer von ihnen ist dabei durch das Tragen fragwürdiger Aufnäher aufgefallen. Ein Foto, das im [X.] kursiert, zeigt, dass der Beamte zwei Symbole an seiner Uniform befestigt hat, die auch in der rechten Szene verwendet werden."

4

An dieser Stelle des Artikels ist eine [X.] aus dem [X.]portal [X.] - ein Tweet - der Initiative "Rechts rockt nicht!" vom 22. Juni 2019 abgebildet mit einem unverpixelten, portraitähnlichen Foto des [X.]. Er trägt eine Uniform mit der Aufschrift "[X.]" in Brusthöhe und darunter zwei Aufnäher. Einer davon zeigt ein Schwert mit Schild und Flügeln. Darüber steht: "[X.] [X.]", übersetzt: "Tue Recht und scheue niemand". Der andere zeigt ein [X.] Omega mit [X.]nerhelm und gekreuzten Schwertern, darunter steht: "ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ" ([X.]), übersetzt: "[X.] sie dir". Unter dem Bild des Klägers heißt es in der [X.]-Nachricht der Initiative "Rechts rockt nicht!": "Was sollen denn diese Abzeichen bedeuten @PolizeiSachsen @bpol pir? Sind diese offiziell oder mal wieder ein Einzelfall?" Am Ende des Tweets steht: "1.454 Nutzer sprechen darüber". In dem Artikel heißt es weiter:

"‘Recte [X.] Timeas‘ steht auf dem ersten Anhänger. Übersetzt bedeutet das etwa ‘Tue recht und scheue niemanden‘. Der Spruch ist nicht per se der rechten Szene zuzuordnen. Doch auf dem Anhänger befindet sich auch das Symbol der [X.]. Rechtsradikale und auch Terroristen mit rechtsextremem Hintergrund, wie der Christchurch-Attentäter oder [X.] Behring Breivik, berufen sich immer wieder auf die [X.] und deren Mythos.

‘[X.] sie dir‘

Auf dem zweiten Aufnäher steht ‘[X.]‘ - ‘[X.] sie dir‘. Das Zitat geht auf [X.] I. von [X.] zurück und wird auch in der rechten Szene genutzt. Es steht dafür, nicht kampflos aufzugeben. Der Bezug zu den [X.]nern ist bei Rechten beliebt. So nutzt die [X.]‘ das [X.] Lambda als Symbol. Auch die [X.]ner sollen den Buchstaben im Kampf gegen die [X.] auf ihren Schilden getragen haben. In [X.] nutzen verschiedene Gruppierungen, die ihr Recht auf Waffenbesitz verteidigen, den Ausspruch ‘[X.]‘ als Motto.

Auf entsprechende Hinweise reagierte die [X.] Polizei bereits auf [X.]. [X.] sei Mitglied der [X.] und habe nach Rücksprache die Symbole entfernt. ‘Die Patches sind strafrechtlich nicht relevant‘, schreibt die Polizei weiter. Die [X.] werde nun prüfen, ob ein Verstoß gegen die [X.] vorliege. […]"

5

Der Kläger macht geltend, die Veröffentlichung seines Bildes im Zusammenhang mit der Kommentierung im Text vermittele dem Leser, dass die an seiner Uniform angebrachten Aufnäher seine rechte Gesinnung zum Ausdruck brächten. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, das Foto des [X.] mit dessen für Dritte erkennbarem Gesicht, wie auf der [X.]seite der Beklagten geschehen, zu veröffentlichen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des [X.]s abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Wiedergabe seines unverpixelten Bildes im Zusammenhang mit der Berichterstattung. Bei dem verbreiteten Foto handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Es zeige den Kläger bei seinem Einsatz anlässlich des Festivals "Schild und Schwert" im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit. Die Textberichterstattung hierzu beziehe sich auf das Foto und werfe die Frage auf, inwieweit rechtes Gedankengut in der Polizei verbreitet sei. Das Bild habe, wie auch die Wortberichterstattung, aufgrund der öffentlichen Diskussion über rechte Tendenzen innerhalb der Sicherheitsorgane hohen Informationswert. Der Artikel sei von einer sachlichen Darstellung getragen. Es könne dahinstehen, ob die vom Kläger gezeigten Aufnäher tatsächlich rechter oder rechtsradikaler Natur seien. Wenn der Kläger, der anlässlich eines Neonazifestivals mit dem Namen "Schild und Schwert" eingesetzt worden sei, Aufnäher trage, die Schwert und Schild darstellten, liege für den unbefangenen Betrachter die Vermutung nahe, dass er damit seine Sympathie für die Veranstaltung zum Ausdruck bringe. Es komme allein auf den äußeren Anschein und nicht auf das tatsächlich vom Kläger Gewollte an, da nur der äußere Anschein für die Öffentlichkeit und die Presse sichtbar werde. Gegenüber dem Interesse der Presse an der [X.] wiege die Beeinträchtigung des Rechts des [X.] auf Schutz seiner Persönlichkeit weniger schwer. Zwar mache das Bild in identifizierender Weise ein Verhalten des [X.] öffentlich bekannt, das ihn in den Augen des überwiegenden Teils der Leser negativ qualifiziere. Bei der Frage der Gewichtung der Beeinträchtigung sei aber zu berücksichtigen, dass der Kläger auch nur von einem kleinen Kreis von Personen vollständig identifiziert werden könne, nämlich von seinem beruflichen und näheren persönlichen Umfeld. Hinzu komme, dass sich der Kläger selbst in diese Situation begeben und für das Tragen der Aufnäher unter Verletzung von Dienstvorschriften entschieden habe. Dass er als Beamter der [X.] bei einem Einsatz anlässlich eines Neonazifestivals im Fokus der Öffentlichkeit stehe, sei vorhersehbar. Dass die Bildveröffentlichung ihn belaste, stehe außer Frage. Nach Abwägung dieser Kriterien sei die identifizierende Berichterstattung zulässig.

II.

8

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der [X.] seines Bildnisses im Kontext der Berichterstattung der [X.] vom 23. Juni 2019 nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

9

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG beurteilt (Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 16; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 9; jeweils mwN). Dieses steht sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der [X.] (vgl. [X.] 120, 180, 211 ff., juris Rn. 78 ff.; [X.], NJW 2012, 1053 Rn. 114 ff.).

Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon bestehen allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen. Diese Ausnahmen gelten aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Die [X.] des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 17; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 9; jeweils mwN).

2. Die vom Kläger angegriffene Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis war nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ohne Einwilligung des [X.] zulässig.

a) Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine - revisionsrechtlich voll zu überprüfende - Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] andererseits.

aa) Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Es gehört zum [X.] der Freiheit der Presse, dass diese innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 22; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 12 f.; jeweils mwN). Bilder können einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von [X.] die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken. [X.] nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. [X.], [X.], 1376 Rn. 11, 16; Senatsurteil vom 17. Mai 2022 - [X.]/21, juris Rn. 50 mwN).

bb) Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Es bedarf einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Presse sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das [X.] gestellt ist, zu ermitteln ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung (Senatsurteile vom 29. Mai 2018 - [X.], [X.], 1136 Rn. 16; vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 804 Rn. 8). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt, oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigt (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 23; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).

Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den [X.] der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 24; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 17; jeweils mwN). Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (Senatsurteile vom 29. September 2020 - [X.], ZUM 2021, 50 Rn. 25; vom 7. Juli 2020 - [X.], [X.] 2020, 642 Rn. 19; jeweils mwN; [X.], NJW 2019, 741 Rn. 30). Von Bedeutung ist ebenfalls die Rolle des Betroffenen in der Öffentlichkeit. Wenn Fragen von allgemeinem Interesse betroffen sind, ist das Maß hinnehmbarer Kritik bei einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, wenn er in amtlicher Eigenschaft tätig wird, weiter als bei Privatpersonen ([X.], [X.], 430 Rn. 33 f.; [X.], NJW 2006, 1645 Rn. 80).

Die von der Freiheit der Meinungsäußerung umfasste [X.] von Fotos betrifft einen Bereich, in dem der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts besondere Bedeutung hat (vgl. [X.], NJW 2012, 1053 Rn. 103; [X.], [X.], 1051 Rn. 59). Es kann sich aber niemand über eine Verletzung des Schutzes seines guten Rufs als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 [X.] beschweren, wenn sie die vorhersehbare Folge eigenen Verhaltens ist (vgl. [X.], [X.], 741 Rn. 83).

b) Nach diesen Maßstäben stellt das unverpixelte Foto des [X.] im Artikel "[X.] in [X.] - [X.] trug fragwürdige Symbole auf Uniform" ein Bildnis der Zeitgeschichte dar. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Abwägung zugunsten der [X.] ausfällt.

aa) Das portraitähnliche Foto zeigt den Kläger mit unverpixeltem und halb ins Profil gedrehtem Kopf ohne Kopfbedeckung. Er trägt eine Sonnenbrille; sein Gesicht mit Ausnahme seiner Augen ist gut zu erkennen. Aufgrund des portraitartigen Charakters des Bildes kann er im Kollegen- und Bekanntenkreis identifiziert werden. Er steht vor einem Einsatzfahrzeug der Polizei in Uniform. Zu sehen ist nur der Oberkörper. Auf seiner Schutzweste ist in Brusthöhe der Schriftzug "[X.]" zu lesen. Unter diesem Schriftzug sind zwei Aufnäher zu erkennen. Der eine zeigt ein Schwert mit nach unten zeigender Spitze und einem auf der Klinge des Schwertes unterhalb des Griffs angebrachten Schild mit rotem Kreuz. Rechts und links der Klinge sind Flügel mit Federn zu sehen. Über dem Schwert steht in Großbuchstaben "RECTE [X.] NEMINEM [X.]", übersetzt: "Tue Recht und scheue niemand". Auf dem zweiten Aufnäher ist ein [X.] [X.] zu sehen. Das Rund des [X.] Buchstabens umschließt einen Spartanerhelm mit zwei gekreuzten Schwertern. Unterhalb des [X.] steht "ΜΟΛΟΝ ΛΑΒΕ" ([X.]), übersetzt: "[X.] sie dir".

Das Foto des [X.] ist Teil einer Kurznachricht der Initiative "Rechts rockt nicht!", die sich mit den Fragen "Was sollen denn diese Abzeichen bedeuten? Sind diese offiziell oder mal wieder ein Einzelfall?" auf [X.] an die [X.] und die [X.] wendet. Mit dem Bild des [X.] und diesem Text stellt die Initiative die Gesinnung des [X.] in Frage. Aus der Angabe unter dem Tweet "1.454 Nutzer sprechen darüber" ergibt sich darüber hinaus, dass hierüber im [X.] Netzwerk [X.] bereits zahlreich diskutiert wird.

Der Tweet mit dem Foto des [X.] ist Bestandteil eines Artikels mit der Überschrift "[X.] in [X.] - [X.] trug fragwürdige Symbole auf Uniform". In diesem Artikel wird davon berichtet, dass der - namentlich nicht genannte - [X.] zwei Aufnäher bzw. Symbole an seiner Uniform befestigt gehabt habe, die auch in der rechten Szene genutzt würden. Nach dieser Textberichterstattung folgt der Tweet mit dem Bild des [X.] mit den sichtbaren Aufnähern auf der Uniform. Im Weiteren wird mitgeteilt, dass einzelne Elemente der vom Kläger getragenen Aufnäher, deren Ursprung näher beleuchtet wird, auch von Rechtsradikalen und rechtsextremen Terroristen bzw. in der rechten Szene verwendet würden.

Für den unvoreingenommenen und verständigen Leser (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2021 - [X.], [X.], 336 Rn. 11; vom 17. Mai 2022 - [X.]/21, juris Rn. 29; jeweils mwN) wirft die Bildberichterstattung im Gesamtzusammenhang die offene Frage auf, ob der Kläger mit der rechten Szene sympathisiert. Mit diesem Informationsgehalt beeinträchtigt die angegriffene Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] zusätzlich in seinen Ausprägungen des Schutzes der Berufsehre und der [X.] Anerkennung (vgl. dazu Senatsurteile vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 482 Rn. 17, 31; vom 26. Januar 2021 - [X.], [X.], 856 Rn. 18).

bb) Der Berichterstattung kommt erheblicher Informationswert zu. Der Artikel beschäftigt sich - entgegen der Ansicht der Revision - schon angesichts des Berichts über den Inhalt des Tweets der Initiative "Rechts rockt nicht!" und der Wiedergabe der darin an die Polizei gestellten Fragen auch mit der Problematik, inwieweit Polizisten mit rechtsnationalen oder gar rechtsradikalen Gruppierungen sympathisieren. Diese Frage ist von großem gesellschaftlichen Interesse und Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Der Fall des [X.] hatte in dieser Hinsicht bereits eine Diskussion im [X.] Netzwerk [X.] ausgelöst, die der Bericht aufgreift. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Neutralität, Objektivität, Unparteilichkeit und Verfassungstreue der Polizei hängt zu einem erheblichen Teil vom Auftreten und dem äußeren Erscheinungsbild dieser Beamten ab. Auch nach außen müssen Polizeibeamte eine innere Haltung ausdrücken, die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist (vgl. [X.]E 168, 129 Rn. 27). Treten bei einem dienstlichen Einsatz aufgrund an der Uniform getragener Symbole Zweifel an dieser Haltung von Polizeibeamten auf, liegt eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Symbole und der dadurch möglicherweise zum Ausdruck kommenden Haltung im gesellschaftlichen Interesse.

cc) Die schutzwürdigen Interessen der [X.] überwiegen die des [X.].

(1) Das Bild des [X.] mit dem Text des Tweets der Initiative "Rechts rockt nicht!" illustriert die sachlich gehaltene Textberichterstattung der [X.], dass ein [X.] bei einem dienstlichen Einsatz anlässlich eines [X.] am 22. Juni 2019 zwei Aufnäher an der Uniform getragen habe mit Symbolen und Sprüchen, die - jedenfalls in Teilen - auch von rechtsnationalen oder rechtsextremen Gruppierungen benutzt würden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger eingeräumt, dass einzelne auf den Aufnähern zu erkennende Elemente in der rechten Szene Verwendung finden. Er hat nur bestritten, dass die beiden Aufnäher in ihrer Gesamtheit in diesen Kreisen benutzt würden. Dem musste das Berufungsgericht aber nicht nachgehen und auch die vom Kläger behauptete teils religiöse Bedeutung der Aufnäher nicht weiter aufklären. Zum einen entnimmt der unvoreingenommene und verständige Leser dem Gesamtkontext des Artikels, dass ungeachtet der einleitenden Formulierung im Text ("Aufnäher, die auch in der rechten Szene genutzt werden") mit dem Artikel nicht zum Ausdruck gebracht wird, dass die vom Kläger getragenen Aufnäher in ihrer Gesamtheit in der rechten Szene getragen werden. Zum anderen, selbst wenn man dies anders sähe, enthielte die Berichterstattung dann nur die Aussage, dass die Aufnäher "auch in der rechten Szene genutzt" bzw. die zwei Symbole an der Uniform "auch in der rechten Szene verwendet" würden. Durch das Wort "auch" entnimmt der Leser der Berichterstattung zugleich, dass die Aufnäher nicht ausschließlich der rechten Szene zuzuordnen sind, sondern auch außerhalb dieser Szene benutzt werden. Die ansehensbeeinträchtigende Wirkung dieser Tatsachenbehauptung, auch wenn sie unrichtig sein sollte, ginge damit nicht entscheidungserheblich über die ansehensbeeinträchtigende Wirkung der vom Kläger eingeräumten Tatsache hinaus, dass einzelne auf den Aufnähern zu erkennende Elemente in der rechten Szene verwendet werden. In der Überschrift und im weiteren Text werden die vom Kläger getragenen Aufnäher zudem lediglich als "fragwürdig" bezeichnet. Es werden Bedeutung und Herkunft von einzelnen auf den Aufnähern zu erkennenden Symbolen und Sprüchen näher erläutert und es wird angeführt, diese Elemente würden auch - aber nicht nur - von rechtsnationalen oder rechtsextremen Gruppierungen benutzt.

Die Berichterstattung transportiert auch nicht die Behauptung, dass der Kläger tatsächlich rechtsnationale oder gar rechtsradikale Ansichten habe. Sie wirft ausgehend vom Tweet der Initiative "Rechts rockt nicht!" nur die Frage nach der durch das Tragen der Aufnäher zum Ausdruck kommenden Gesinnung des [X.] auf, beantwortet diese Frage aber nicht. Die Frage als solche drängt sich - auch wenn der Artikel dies nicht ausdrücklich thematisiert - schon angesichts des Umstands auf, dass der Kläger bei einer Gegendemonstration zu einem Rechtsrockfestival, das als "Schild- und Schwertfestival" bezeichnet wurde, eingesetzt war und dabei Aufnäher trug, die jeweils Schwerter und ein Aufnäher auch ein Schild zeigten.

(2) Die Bildberichterstattung macht ein Verhalten des [X.] im Rahmen seiner Dienstausübung öffentlich bekannt. In den Augen der Leser wirft der Artikel durch die Infragestellung seiner Gesinnung Zweifel an der Neutralität und Objektivität des [X.] auf. Bei der Gewichtung der Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ist zu berücksichtigen, dass der Grad der Identifizierbarkeit des [X.] eingeschränkt ist, da sein Name in dem Bericht nicht genannt wird und er auf dem Foto eine Sonnenbrille trägt. Aufgrund des portraitartigen Charakters des Bildes kann er aber im Kollegen- und Bekanntenkreis identifiziert werden.

(3) Bei der Gewichtung der Beeinträchtigung des [X.] ist weiter zu berücksichtigen, dass er in einer Situation, in der mit einer intensiven Beobachtung durch die Presse und Dritte zu rechnen war, gewollt Aufmerksamkeit erregte. Wer als Polizist bei einem dienstlichen Einsatz private Aufnäher auf seiner Uniform sichtbar trägt, tritt bewusst aus der Menge der einheitlich gekleideten Einsatzkräfte hervor. Er hinterlässt den Eindruck, eine Botschaft, eine private Meinung kundtun zu wollen. Denn die Uniform soll die Neutralität ihres Trägers zum Ausdruck bringen. Sie soll sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person des handelnden Beamten als Maßnahmen des Staates empfunden werden (vgl. [X.]E 125, 85 Rn. 25; [X.] 168, 129 Rn. 26). Diese Neutralität hat der Kläger durch die Verwendung von Aufnähern auf der Uniform bewusst aufgehoben. Er hat dadurch den Anlass für die Fragen der Initiative "Rechts rockt nicht!" an die Polizei nach der Bedeutung seiner Aufnäher und seiner Gesinnung über das [X.] Netzwerk [X.] selbst geschaffen. Diese Fragen hat die Beklagte mit ihrer Berichterstattung aufgegriffen.

(4) Bei dieser Sachlage kommt der Berichterstattung auch keine Pranger- oder stigmatisierende Wirkung zu. Zwar ist mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts der Vortrag des [X.] revisionsrechtlich zu unterstellen, dass er seit der Berichterstattung Beschimpfungen, Bedrohungen und Beleidigungen sowohl in den [X.] Medien als auch im Privatbereich und durch Dritte auf offener Straße ausgesetzt ist. Dies ist jedoch seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben und überschreitet die Grenze zu einer aufgrund der Schwere nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht.

c) Durch die Verbreitung des Bildnisses wird kein berechtigtes Interesse des [X.] verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Umstände, aus denen sich ein eigenständiger Verletzungsgehalt des portraitähnlichen Bildes ergibt, sind nicht festgestellt.

[X.]     

      

von [X.]     

      

Klein 

      

[X.]     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 1328/20

08.11.2022

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 12. November 2020, Az: 9 U 79/20

§ 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 22 KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1 KunstUrhG, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2022, Az. VI ZR 1328/20 (REWIS RS 2022, 6973)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6973

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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