Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2018, Az. VI ZR 76/17

6. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14447

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Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Medienberichterstattung: Zulässigkeit einer ohne Einwilligung erfolgten Veröffentlichung von Fotos eines ehemaligen Staatsoberhaupts beim Einkauf


Leitsatz

Zur Zulässigkeit einer ohne Einwilligung erfolgten Veröffentlichung von Fotos, die ein ehemaliges Staatsoberhaupt nach einem Großeinkauf auf dem Parkplatz eines Supermarktes zeigen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 19. Januar 2017 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des [X.] vom 27. April 2016 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch.

2

Der Kläger war vom 30. Juni 2010 bis zu seinem Rücktritt am 17. Februar 2012 Bundespräsident der [X.]. Im Januar 2013 wurde die Trennung von ihm und seiner Frau [X.] öffentlich. Mit Pressemitteilung vom 6. Mai 2015 bestätigte ein Rechtsanwalt des [X.] in dessen Auftrag, dass der Kläger und seine Frau wieder zusammen lebten. [X.] und [X.] bäten nachdrücklich darum, die ihrer Familie zustehende Privatsphäre zu respektieren. Sollte die Privatsphäre der Familie - etwa durch Nachstellungen von Fotografen - verletzt werden, seien die Anwälte beauftragt, mit allen rechtlichen Mitteln vorzugehen.

3

Die Beklagte verlegte u.a. die Illustrierten [X.] und [X.]. Am 13. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Wochenzeitschrift [X.] unter der Überschrift "[X.]" u.a. zwei Fotos, von denen das eine den Kläger und seine Ehefrau gemeinsam an ihrem Auto (im Folgenden: [X.]), das andere den Kläger beim Schieben eines vollen Einkaufswagens zeigt. In dem Begleittext zu den Bildern heißt es u.a.: "[X.] mit seiner Frau zusammen für die Familie einzukaufen. Letzten Samstag schob der CDU-Politiker [X.], 55, einen vollbepackten Einkaufswagen aus einem Supermarkt (…) Am Auto wartete schon seine Frau (…) Knapp zwölf Monate nach seinem Rücktritt als Bundespräsident (…) hatte sich das Paar getrennt (…) Erst vor wenigen Wochen wurde die Scheidung (…) eingereicht (…) Nun wohnen sie wieder zusammen mit den zwei Söhnen (…) ‚Es ist zutreffend, dass [X.] und [X.] wieder zusammenleben‘, erklärte [X.] Anwalt (...)."

4

Am 20. Mai 2015 berichtete die Beklagte in der Wochenzeitschrift [X.] unter der Überschrift "Nach der Versöhnung - [X.] - Wer [X.] liebt, der schiebt" ausführlicher über den Supermarkteinkauf und bebilderte den Artikel u.a. mit einem nahezu identischen Foto des [X.] beim Schieben des Einkaufswagens (im Folgenden: [X.]). In dem Artikel heißt es u.a.: "Mineralwasser, ein Baguette-Brot, Salat, Schokoküsse und vieles mehr … Brav hat [X.] (55) den Einkaufszettel abgearbeitet und alles aus dem Supermarkt (…) besorgt, was Ehefrau [X.] (41) ihm wohl vorher aufgeschrieben hat. Seit der überraschenden Versöhnung der beiden vor wenigen Tagen ([X.] berichtete) gilt anscheinend: Der ehemalige Bundespräsident ist nun für den Großeinkauf der Familie verantwortlich (…)." In das Foto ist folgender Text eingeschoben: "Hab den Wagen vollgeladen … [X.] beim Großeinkauf. [X.] sieht er hier aber nicht aus".

5

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, das [X.] aus der [X.]-Berichterstattung vom 13. Mai 2013 und das [X.] aus der [X.]-Berichterstattung vom 20. Mai 2015 zu veröffentlichen. Die Berufung der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht hat die angegriffene Bildberichterstattung nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als unzulässig erachtet. Die mangels Einwilligung des [X.] erforderliche Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Belange der Parteien führe zu der Feststellung, dass es sich im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung nicht um Bildnisse der [X.]geschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) handele, jedenfalls aber berechtigte Interessen des [X.] verletzt seien (§ 23 Abs. 2 KUG).

7

Zwar zeigten die Fotos den Kläger in einer Alltagssituation im öffentlichen Raum und seien als solche nicht abträglich. Zugleich habe der Kläger in der Vergangenheit sein Ehe- und Familienleben in die Öffentlichkeit getragen und sich insoweit selbst geöffnet ("mediale Inszenierung"). Auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten habe der Kläger sein Privatleben nicht situationsübergreifend und konsistent verschlossen. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse am Leben des - weiter politisch und gesellschaftlich engagierten - [X.]. Zugleich könne den Artikeln nicht jedes Berichterstattungsinteresse abgesprochen werden. In den Artikeln werde über die [X.] im Beziehungsleben des [X.] und seiner Ehefrau berichtet. Die streitgegenständlichen Bilder hätten eine gewisse Belegfunktion diesbezüglich und bezüglich der vom Kläger nunmehr wahrgenommenen familiären Pflichten (Erledigung des [X.]). Schließlich stünden die Artikel in zeitlichem Zusammenhang mit der vom Rechtsanwalt des [X.] veröffentlichten Presseerklärung.

8

Trotz alledem überwögen letztlich die Interessen des [X.]. Die Fotos seien der Privatsphäre des [X.] zuzuordnen. Sie beträfen einen völlig belanglosen Vorgang; der Berichterstattung fehle jeder Bezug zur politischen Tätigkeit des [X.]. Es gehe ausschließlich um das Privatleben des [X.] und dessen Beziehung zu seiner Ehefrau. Das Interesse hieran könne auch durch Beifügung von genehmigten oder genehmigungsfrei verwendbaren Fotos befriedigt werden. Gerade der Neuanfang vormals getrennt lebender Eheleute sei oftmals schwierig und werde durch die "Blicke der Öffentlichkeit" zusätzlich erschwert. Die frühere Zusammenarbeit des [X.] und seiner Ehefrau mit der Presse sei allein kein Grund, ihm jeden Schutz vor einer Veröffentlichung von Fotos zu nehmen.

II.

9

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des [X.] als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des [X.] den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt.

1. Die Zulässigkeit von [X.] ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden [X.]s nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (grundlegend [X.]surteil vom 6. März 2007 - [X.], [X.], 275 Rn. 9 ff.; vgl. hiernach etwa [X.]surteile vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 9; vom 18. Oktober 2011 - [X.], [X.], 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 23 f.; vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 1178 Rn. 10; vom 21. April 2015 - [X.], [X.], 898 Rn. 14; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. [X.] 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des [X.] im Einklang steht (vgl. [X.], NJW 2012, 1053 Rn. 114 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ([X.], NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der [X.]geschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der [X.]geschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] andererseits vorzunehmen ([X.]surteile vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 804 Rn. 5; vom 21. April 2015 - [X.], [X.], 898 Rn. 14; vom 19. Juni 2007 - [X.], [X.], 1135 Rn. 17).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG). Die beanstandeten Aufnahmen dienen jedoch der Bebilderung einer Berichterstattung über ein Ereignis der [X.]geschichte und sind damit selbst Bildnisse aus dem Bereich der [X.]geschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG).

a) Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der [X.]geschichte handelt, ist der Begriff des [X.]geschehens. Der Begriff des [X.]geschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der [X.], also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt.

Es gehört zum [X.] der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl. [X.]surteile vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 19; vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 200 Rn. 20; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 11; vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 1411 Rn. 14; [X.] 120, 180, 197; [X.] 101, 361, 389; jeweils mwN). Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil (vgl. [X.]surteile vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 19; vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 200 Rn. 20; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 11; vom 14. Oktober 2008 - [X.], [X.], 78 Rn. 14; vom 9. Dezember 2003 - [X.], NJW 2004, 762, 764; [X.] 120, 180, 197, 205; 101, 361, 389 ff.), ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt (vgl. [X.]surteile vom 28. Mai 2013 - [X.], NJW 2013, 2890 Rn. 17; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 11, 14; vom 6. März 2007 - [X.], [X.], 275 Rn. 32; jeweils mwN). Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch Aspekte aus ihrem Privatleben wie beispielsweise die Normalität ihres Alltagslebens können der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen ([X.]surteile vom 2. Mai 2017 - [X.], [X.], 310 Rn. 24; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 11; vom 28. Oktober 2008 - [X.], [X.], 213 Rn. 13; [X.], [X.], 1376 Rn. 15; [X.] 120, 180, 204; [X.] 101, 361, 390).

Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien demnach grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren ([X.]surteil vom 28. Oktober 2008 - [X.], [X.], 213 Rn. 15). Es ist Sache der Medien, über Art und Weise der Berichterstattung und ihre Aufmachung zu entscheiden. Sie haben das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsorgans frei zu bestimmen ([X.]surteil vom 28. Mai 2013 - [X.], NJW 2013, 2890 Rn. 15 und 17; [X.] 101, 361, 389). Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt. [X.] nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen ([X.]surteil vom 28. Oktober 2008 - [X.], [X.], 213 Rn. 15; [X.] 120, 180, 196).

b) Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt ([X.]surteile vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 804 Rn. 7; vom 11. Juni 2013 - [X.], [X.], 1272 Rn. 9; vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 24; jeweils mwN). Nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden ([X.]surteil vom 28. Oktober 2008 - [X.], [X.], 213 Rn. 14).

c) Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. [X.]surteile vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 259 Rn. 14; vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 507 Rn. 20; [X.] 120, 180, 205). Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen ([X.]surteil vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 804 Rn. 8).

aa) Im Rahmen der Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. [X.]surteile vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 25; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 114 Rn. 12; vom 14. Oktober 2008 - [X.], [X.], 78 Rn. 15; [X.] 101, 361, 391; [X.] 120, 180, 205; [X.], NJW 2012, 1053 Rn. 108 ff.; 1058 Rn. 89 ff.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den [X.] der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist ([X.]surteile vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 200 Rn. 10; vom 6. März 2007 - [X.], [X.], 275 Rn. 20).

Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das [X.] gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen [X.]. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird ([X.]surteil vom 27. September 2016 - [X.], [X.], 804 Rn. 8; vgl. [X.]surteile vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 1178 Rn. 13; vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 26).

bb) Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist von erheblicher Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Der [X.] unterscheidet zwischen Politikern ("politicians/ personnes politiques"), sonstigen im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen ("public figures/personnes publiques") und Privatpersonen ("ordinary person/[X.]"), wobei einer Berichterstattung über letztere engere Grenzen als in Bezug auf den Kreis sonstiger Personen des öffentlichen Lebens gezogen seien und der Schutz der Politiker am schwächsten sei (vgl. [X.], NJW 2015, 1501 Rn. 54; [X.], Urteil vom 30. März 2010, [X.]. 20928/05, BeckRS 2012, 18730 Rn. 55). Er erkennt ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich politischer Akteure an, wobei nicht nur die Amtsführung, sondern unter besonderen Umständen im Hinblick auf die Rolle der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" auch Aspekte des Privatlebens betroffen sein können (vgl. [X.], NJW 2012, 1053 Rn. 110; NJW 2010, 751 Rn. 44 ff.; NJW 2004, 2647 Rn. 63). Auch der [X.] hat für Personen des politischen Lebens ein gesteigertes Informationsinteresse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt, weshalb eine Berichterstattung über die Normalität ihres Alltagslebens oder über Umstände der privaten Lebensführung durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann (vgl. [X.]surteil vom 24. Juni 2008 - [X.], [X.], 119 Rn. 17 unter Verweis auf [X.] 101, 361, 390).

cc) Stets abwägungsrelevant ist die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. [X.] 120, 180, 209).

d) Nach diesen Grundsätzen ist der vorliegende Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.

aa) Der Kläger war von Juni 2010 bis Februar 2012 Bundespräsident und damit Staatsoberhaupt der [X.] (zur Stellung des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt und den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Befugnissen im Überblick statt [X.], in: [X.]/[X.], GG, [X.]. 54 Januar 2009, Art. 54 Rn. 2 ff.). Als Inhaber des höchsten Staatsamtes war er in besonders herausgehobener Weise politische Person im Sinne der o.g. Rechtsprechung des [X.], weshalb das öffentliche Interesse an seiner Person in besonderer Weise als grundsätzlich gerechtfertigt anzusehen ist (vgl. [X.]surteil vom 24. Juni 2008 - [X.], [X.], 119 Rn. 15).

Die politische Bedeutung des [X.] und die Berechtigung des öffentlichen Interesses an seiner Person endeten auch nicht mit dem Rücktritt des [X.] vom Amt des Bundespräsidenten im Februar 2012; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, darüber informiert zu werden, wie ein hochrangiger Politiker sein Leben nach dem Abschied aus der aktiven Politik gestaltet. Ein Politiker ist daher auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik nicht wie jedwede Privatperson zu behandeln, sondern bleibt - jedenfalls für eine Übergangszeit - trotz des [X.] politische Person in o.g. Sinne, die Leitbild- oder Kontrastfunktion erfüllen kann und deren Verhalten weiterhin Gegenstand öffentlicher Diskussionen sein darf (vgl. [X.]surteile vom 19. Mai 2009 - [X.], [X.], 1241 Rn. 14 f.; vom 24. Juni 2008 - [X.], [X.], 119 Rn. 21). Dies gilt in besonderer Weise für einen ehemaligen Bundespräsidenten, dessen politisches und gesellschaftliches Engagement regelmäßig nicht mit dem Ausscheiden aus dem Amt endet. So liegt der Fall auch hier. Der Kläger selbst weist - allgemeinbekannt - auf seiner Website auf seine vielfältigen öffentlichen Verpflichtungen als "Altbundespräsident" bis hin zur Vertretung [X.] bei auswärtigen Veranstaltungen hin (http://christian-wulff.de/was-macht-eigentlich-ein-altbundespraesident/, zuletzt abgerufen am 6. Februar 2018). Die fortdauernd große politische Bedeutung des [X.] wird gespiegelt durch die besondere Form seiner nachamtlichen Versorgung. Dies gilt für die lebenslange Alimentierung durch Zahlung eines Ehrensoldes in voller Höhe der Amtsbezüge (§ 1 [X.]), mehr noch aber für die zeitlich unbegrenzte Übernahme von [X.] durch die Bereitstellung von Sach- und Personalmitteln für einen Dienstwagen mit Fahrer und ein ausgestattetes Büro mit Schreibkraft und Referenten (vgl. [X.]. 17/13660 S. 16 f. - Bericht des Petitionsausschusses; heute im [X.] [hib] 311/2017 vom 17. Mai 2017, [X.] des Bundespräsidenten - Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses; zu Umfang, Art und Begründung der nachamtlichen Versorgung des Bundespräsidenten im [X.], [X.], 2014, S. 16 ff.; zum Rücktritt des [X.] im Besonderen Pieper, in: [X.], Stand 1. Juni 2017, Art. 54 Rn. 31.1 ff., jeweils mwN).

bb) Die - nicht angegriffene - jeweils zugehörige [X.] leistet einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nimmt die Versöhnung des [X.] mit seiner Ehefrau in Bezug und macht deren eheliche Rollenverteilung zu ihrem Gegenstand. Angesichts der politischen Bedeutung der vom Kläger ausgeübten Staatsämter sowie der im Verlauf seiner politischen Karriere und darüber hinaus von ihm und seiner Frau immer wieder gewährten tiefen Einblicke in ihr Eheleben - das Berufungsgericht spricht insofern wiederholt von "medialer Inszenierung" - hatte die Versöhnung des Ehepaares Nachrichten- und Informationswert und war damit unter Berücksichtigung des weiten, die Reichweite der Pressefreiheit angemessen berücksichtigenden Begriffsverständnisses ein zeitgeschichtliches Ereignis. Der Kläger selbst hat diesem Nachrichten- und Informationswert mit Pressemitteilung vom 6. Mai 2015 Rechnung getragen.

Der Bezug hierzu ist offensichtlich für den Text des - nur eine Woche später und damit in der nächsten Ausgabe erschienenen - [X.] vom 13. Mai 2015. Die Beklagte zitiert hierin aus der Pressemitteilung des Rechtsanwalts des [X.] und rekapituliert knapp, jedoch ernsthaft und sachbezogen den Verlauf der Beziehung des [X.] zu seiner Ehefrau. Aber auch die [X.] in dem [X.] [X.] vom 20. Mai 2015 weist einen hinreichenden aktuellen Bezug zum [X.] auf. Auch in diesem Artikel knüpft die Beklagte an die "überraschende Versöhnung der beiden vor wenigen Tagen" an, um diesen eher abstrakten Umstand im Folgenden für ihre Leserschaft anschaulich zu machen durch eine Erörterung der damit verbundenen Alltagspflichten wie der Erledigung des Großeinkaufs der Familie.

Die streitgegenständlichen Fotos bebildern diese Berichterstattung und nehmen auf diese Weise an deren [X.] teil. Sie besitzen einen eigenen Aussagegehalt, indem sie den Kläger und seine Ehefrau gemeinsam am Auto ([X.]) und den Kläger beim Schieben eines gefüllten Einkaufswagens ([X.]) zeigen. Damit machen sie die praktischen Konsequenzen der [X.] sichtbar und dienen zugleich als deren Beleg. Sie sind kontextgerecht, ergänzen und veranschaulichen den jeweiligen Wortbeitrag. Unter diesen Umständen musste sich die Beklagte auch nicht auf die Verwendung eines genehmigten oder genehmigungsfrei verwendbaren Fotos verweisen lassen (vgl. hierzu [X.]surteil vom 17. Februar 2009 - [X.], [X.], 841 Rn. 17).

cc) Der Kläger hat sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder intensiv öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt. Diese Selbstöffnung wirkt fort, nachdem der Kläger und seine Frau ihre Ehe auch nach dem Rücktritt des [X.] vom Amt des Bundespräsidenten nicht situationsübergreifend und konsistent verschlossen haben (vgl. [X.]surteil vom 14. Oktober 2008 - [X.], [X.], 754 Rn. 23).

dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betrifft die streitgegenständliche Bildberichterstattung den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre. Die Fotos sind zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum entstanden (vgl. [X.], [X.], 1376 Rn. 19). Auch im Zusammenhang mit der zugehörigen [X.] beruhen die Beiträge ausschließlich auf Wahrnehmungen, die typischerweise durch die Öffentlichkeit des Orts ermöglicht wurden und keine indiskrete Beobachtung im Einzelnen voraussetzen (vgl. hierzu [X.], [X.], 2194, 2195). Zwar ist Privatsphäre nicht allein räumlich zu verstehen. Privatheit und die daraus abzuleitende berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, erfordern nicht notwendig eine durch räumliche Abgeschiedenheit geprägte Situation, sondern können in Momenten der Entspannung oder des [X.] außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags auch außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit entstehen (vgl. [X.]surteile vom 14. Oktober 2008 - [X.], [X.], 754 Rn. 17; vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 1411 Rn. 24). Die streitgegenständlichen Fotos zeigen den Kläger jedoch gerade nicht in einem Moment der Entspannung oder des [X.] außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Alltags, sondern in Erfüllung derselben, nämlich bei Erledigung des [X.].

3. Bei dieser Sachlage und der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit (vgl. [X.]surteil vom 6. März 2007 - [X.], [X.], 275 Rn. 33) kommt den einer Veröffentlichung der Abbildungen entgegenstehenden berechtigten Interessen des [X.] kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KUG).

a) Die Fotos selbst weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf. Die Aufnahmen würdigen den Kläger nicht herab, sondern zeigen ihn in unverfänglichen Alltagssituationen. Dies gilt ohne weiteres für das [X.], auf dem nur der Kopf des [X.] zu sehen ist, während der Rest seines Körpers vom Auto verdeckt wird. Dies gilt aber auch für das [X.], das den Kläger in gepflegter Alltagskleidung hinter seinem Einkaufswagen und damit in der sympathischen Rolle eines fürsorgenden Familienvaters zeigt.

Auch die mit dem [X.] übermittelte Information über die vom Kläger erworbenen Produkte führt nach den Umständen des Streitfalls zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann auch die Berichterstattung über Art und Anzahl von ihm erworbener Alltagsprodukte die Privatsphäre eines Betroffenen berühren, was etwa für Artikel aus dem Bereich der Körper- und Gesundheitspflege keiner näheren Erläuterung bedarf. Doch sind auf dem angegriffenen Foto keine derartigen Produkte erkennbar. Soweit sich auf dem Foto überhaupt einzelne Produkte identifizieren lassen, sind diese im Übrigen in der zugehörigen - nicht angegriffenen - [X.] ausdrücklich benannt ("Mineralwasser, Baguette-Brot, Salat, Schokoküsse"), so dass der Abbildung keine zusätzliche Information zu entnehmen ist.

Soweit der Kläger auf die dem [X.] zugehörige Bildunterschrift [X.] den Wagen vollgeladen [X.] beim Großeinkauf") abstellt und darin eine ihm abträgliche Anspielung auf das gleichlautend beginnende Volkslied [X.] den Wagen vollgeladen / Voll mit alten Weibsen") sieht, kann dem schon deshalb keine maßgebliche Bedeutung zukommen, weil die [X.] - und damit auch die genannte Bildunterschrift - vom Kläger nicht beanstandet wurde. Dies gilt entsprechend für den weiteren Inhalt des vom Kläger als gehässig empfundenen [X.] [X.]s.

b) Dies alles wird durch die zu Gunsten des [X.] zu berücksichtigenden Umstände wie insbesondere die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Fotos nicht zufällig entstanden sind, sondern von einem "Paparazzo" geschossen wurden, nicht aufgewogen. Dies gilt zumal die Fotos nach den insoweit nicht angegriffenen weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts weder heimlich aufgenommen noch der Kläger oder seine Frau durch die konkrete Aufnahmesituation besonders belästigt wurden.

III.

Da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, hat der [X.] in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

von Pentz

      

Oehler     

      

[X.]     

      

Meta

VI ZR 76/17

06.02.2018

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 19. Januar 2017, Az: 15 U 88/16, Urteil

§ 22 KunstUrhG, § 23 KunstUrhG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 GG, Art 8 Abs 1 MRK, Art 10 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2018, Az. VI ZR 76/17 (REWIS RS 2018, 14447)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 472-473 REWIS RS 2018, 14447


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZR 76/17

Bundesgerichtshof, VI ZR 76/17, 23.04.2018.

Bundesgerichtshof, VI ZR 76/17, 06.02.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Recht am eigenen Bild: Beurteilung der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung nach dem abgestuften Schutzkonzept


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Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Presse: Zulässigkeit einer Wort- und Bildberichterstattung über einen Scheidungstermin eines prominenten Ehepaares


VI ZR 250/19 (Bundesgerichtshof)

Zulässigkeit einer Wort- und Bildberichterstattung im Internet über ein Scheidungsverfahren


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