Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2023, Az. I ZR 167/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2334

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Gegenstand

Umfang der Prüfung der technischen Funktion eines Gemeinschaftsgeschmackmusters - Tellerschleifgerät


Leitsatz

Tellerschleifgerät

Die gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) erforderliche Prüfung, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind, ist für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert anhand aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände vorzunehmen (Bestätigung von EuGH, Urteil vom 8. März 2018 - C-395/16, GRUR 2018, 612 = WRP 2018, 546 - DOCERAM; Urteil vom 2. März 2023 - C-684/21, WRP 2023, 434 - Papierfabrik Doetinchem; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2020 - I ZR 137/19, GRUR 2021, 473 = WRP 2021, 196 - Papierspender).

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 28. Oktober 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die in [X.] ansässige Klägerin ist Inhaberin des [X.] mit der Registernummer 000713284-0001. Im Register sind folgende sieben Darstellungen hinterlegt, die ein Tellerschleifgerät zeigen:

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2

Die Beklagten boten ein von der Streithelferin geliefertes Tellerschleifgerät (nachfolgend auch: Verletzungsmuster) an, in dem die Klägerin eine Verletzung ihres [X.] (nachfolgend: [X.]) sieht:

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3

Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung des [X.], [X.] und Inverkehrbringens des vorstehend wiedergegebenen Verletzungsmusters, Auskunftserteilung, Zahlung von Abmahnkosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s abgeändert und die Beklagten antragsgemäß verurteilt ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2021 - 6 U 40/20, juris). Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, wollen die Beklagten und ihre Streithelferin die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s erreichen.

Entscheidungsgründe

5

A. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren relevant - ausgeführt:

6

Wegen der vorhandenen Mustervielfalt sei von einem weiten Gestaltungsspielraum und damit nicht mehr nur von einem durchschnittlichen, sondern einem weiten Schutzumfang des [X.] auszugehen. Die von der Klägerin zum vorbekannten Formenbestand vorgelegten Tellerschleifgeräte unterschieden sich mit Blick auf ihre - durch nicht technisch bedingte Merkmale hervorgerufene - Erscheinung augenscheinlich vom [X.].

7

Das von den Beklagten angebotene Tellerschleifgerät verletze den Schutzumfang des [X.]. Das [X.] habe sich zu sehr auf die Rückansicht beider Designs und die Lüftungs- und Kühlrippen beim Verletzungsmuster konzentriert und damit den sich aufdrängenden Gesamteindruck beider Gestaltungen aus den Augen verloren. Zudem habe es die farblichen Unterschiede einbezogen, obwohl das [X.] im Register ausschließlich schwarz-weiß dargestellt sei. Abweichend von der [X.] der Klägerin sei von folgenden prägenden ästhetischen Merkmalen des [X.] auszugehen:

1. Aufbau, bestehend aus einem Motorgehäuse und einem kontrastierend abgesetzten, in das Gerät integrierten [X.];

2. der obere Teil des [X.] sitze auf dem [X.] auf und umrahme zugleich den sichtbaren oberen Teil des [X.], dessen untere Hälfte im [X.] eingelassen sei;

3. in den [X.] sei eine kontrastierend abgesetzte [X.]halterung integriert;

4. mit der [X.]halterung sei ein variabel verstellbarer [X.] verbunden;

5. der [X.] werde durch eine beidseitig vorhandene, halbmondförmige Führung gehalten, die mit einem [X.] versehen sei und in eine die Form der Führung nachahmende Vertiefung im [X.] weitergeführt werde;

6. auf einer Seite des Gehäuses - etwa in Höhe des [X.] - finde sich ein kontrastierend abgesetzter Knopf;

7. der harmonische Gesamteindruck werde verstärkt durch die klaren Proportionen des [X.], wobei sich das Gerätegehäuse auf etwa 2/3, der waagrechte [X.] auf etwa 1/3 der Gesamtlänge erstreckten.

8

Das Verletzungsmuster übernehme alle sieben prägenden gestalterischen Merkmale. Die gleichwohl vorhandenen Unterschiede seien nicht geeignet, beim informierten Benutzer einen abweichenden Gesamteindruck zu erwecken. Entscheidend seien dabei das Verhältnis der Proportionen der einzelnen Bauelemente zueinander, die Grundform des Gehäuses sowie der variable [X.] mit der markanten halbmondförmigen Halterung, die bei beiden Designs annähernd gleich seien. Das Verletzungsmuster wirke letztlich wie eine "intelligente Kopie", bei dem das [X.] als Vorlage gedient habe und durch kleinere Hinzufügungen ein abweichender Gesamteindruck hergestellt werden solle, was aber nicht gelungen sei. Die von den Beklagten und der Streithelferin in der mündlichen Verhandlung nochmals dargestellte Auffassung, eine Tellerschleifmaschine mit den gestellten Anforderungen könne aus technischen Gründen nicht anders aussehen, überzeuge nicht. Der Entwerfer des Verletzungsmusters habe den - insbesondere im Hinblick auf die Gehäuseverkleidung und die Gestaltung des variablen [X.] - gegebenen weiten Gestaltungsspielraum bei der Formgebung nicht genutzt.

9

Auch die geltend gemachten Folgeansprüche stünden der Klägerin zu.

B. Die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ist auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Für die vorliegende Verletzungsklage nach Art. 81 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ([X.]) folgt sie aus Art. 82 Abs. 1 [X.]. Die Beklagten haben ihren Sitz in [X.]. Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit nach Art. 81 Buchst. a [X.] erfasst neben dem Unterlassungsanspruch auch Klagen über Nebenansprüche, die aus einer Verletzung des [X.] erwachsen. Hierzu gehören Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2018 - [X.], [X.], 832 [juris Rn. 11] = [X.], 950 - [X.]) sowie auf Erstattung von Abmahnkosten.

II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. a [X.] nicht bejaht werden.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Verletzungsverfahren von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen [X.] auszugehen ist. Dies bedeutet zum einen, dass das Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 [X.]) der Neuheit (Art. 5 [X.]) und der Eigenart (Art. 6 [X.]) zu unterstellen ist. Zum anderen ist davon auszugehen, dass das Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht wegen ausschließlich technischer Bedingtheit sämtlicher relevanter [X.] (Art. 8 Abs. 1 und 2 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2020 - I ZR 137/19, [X.], 473 [juris Rn. 9] = WRP 2021, 196 - Papierspender) oder wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten (Art. 9 [X.]) schutzunfähig ist.

2. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewährt das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstreckt sich nach Art. 10 Abs. 1 [X.] auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Die Prüfung, ob ein Modell in den Schutzbereich eines Geschmacksmusters eingreift, erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Modells ermittelt und verglichen werden (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2019 - I ZR 164/17, [X.], 398 [juris Rn. 12] = WRP 2019, 464 - [X.], mwN). Auch hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.

3. Mit Erfolg wenden sich die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin gegen die Bestimmung des Schutzumfangs des [X.] durch das Berufungsgericht. Soweit das Berufungsgericht einzelne für den Gesamteindruck prägende [X.] des [X.] als nicht ausschließlich technisch bedingt erachtet hat, hat es den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten und der Streithelferin nicht erschöpfend gewürdigt.

a) Bei der Beurteilung des Schutzumfangs ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen (Art. 10 Abs. 2 [X.]). Eine geringere Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum können zu einem weiten Schutzumfang des Geschmacksmusters führen. Der Schutzumfang hängt demnach vom Abstand des [X.] zum vorbekannten Formenschatz ab. Dieser Abstand ist durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des [X.] und der vorbekannten Formgestaltungen zu ermitteln. Je größer der Abstand ist, desto größer ist der Schutzumfang des [X.] zu bemessen. Der anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines [X.] nach Art. 10 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], [X.], 398 [juris Rn. 14] - [X.]).

Allerdings besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach Art. 8 Abs. 1 [X.] nicht an [X.]n eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind. Eine Übereinstimmung in solchen Merkmalen kann eine Verletzung des Schutzbereichs eines Geschmacksmusters nicht begründen. Ihnen kann daher auch für die Bestimmung des Gesamteindrucks eines Geschmacksmusters keine entscheidende Bedeutung zukommen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist für die bei Anwendung des Art. 8 Abs. 1 [X.] vorzunehmende Beurteilung, ob [X.] eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, zu ermitteln, ob diese Funktion der einzige diese Merkmale bestimmende Faktor ist. Die Vorschrift schließt den geschmacksmusterrechtlichen Schutz für [X.] eines Erzeugnisses aus, wenn Erwägungen anderer Art als das Erfordernis, dass dieses Erzeugnis seine technische Funktion erfüllt, insbesondere solche, die mit der visuellen Erscheinung zusammenhängen, bei der Entscheidung für diese Merkmale keine Rolle gespielt haben, und zwar auch dann, wenn es andere Geschmacksmuster gibt, mit denen sich dieselbe Funktion erfüllen lässt ([X.], Urteil vom 8. März 2018 - [X.]/16, [X.], 612 [juris Rn. 32 = [X.], 546 - [X.]; Urteil vom 2. März 2023 - [X.]/21, [X.], 434 [juris Rn. 20] - [X.]; [X.], [X.], 473 [juris Rn. 10] - Papierspender).

Das nationale Gericht hat für die Beurteilung der Frage, ob die fraglichen [X.] eines Erzeugnisses im Sinne dieser Vorschrift ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, alle objektiven maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Die Beurteilung ist insbesondere mit Blick auf das fragliche Geschmacksmuster, auf die objektiven Umstände, aus denen die Motive für die Wahl der [X.] des betreffenden Erzeugnisses deutlich werden, auf Informationen über dessen Verwendung oder auch auf das Bestehen alternativer Geschmacksmuster, mit denen sich dieselbe technische Funktion erfüllen lässt, vorzunehmen, soweit für diese Umstände, Informationen oder Alternativen tragfähige Beweise vorliegen ([X.], [X.], 612 Rn. 38 - [X.]; [X.], [X.], 434 [juris Rn. 22 f.] - [X.]; [X.], [X.], 473 [juris Rn. 11] - Papierspender). Ein ästhetischer Gehalt gehört nicht zu den Schutzvoraussetzungen eines [X.] (vgl. [X.], [X.], 612 [juris Rn. 23] - [X.]; [X.], [X.], 473 [juris Rn. 12] - Papierspender).

Die Darlegungs- und Beweislast für einen Schutzausschluss nach Art. 8 Abs. 1 [X.] obliegt der [X.], die sich darauf beruft; es kommt jedoch eine sekundäre Darlegungslast des Designinhabers für in seiner Sphäre liegende Umstände in Betracht (vgl. [X.], [X.], 473 [juris Rn. 27 f.] - Papierspender). Die Prüfung ist für jedes Erscheinungsmerkmal gesondert vorzunehmen (vgl. [X.], [X.], 473 [juris Rn. 32] - Papierspender).

b) Bei der nach Art. 8 Abs. 1 [X.] vorzunehmenden Beurteilung, ob [X.] eines Erzeugnisses nach den für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umständen ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, handelt es sich um eine tatgerichtliche Würdigung. Sie ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. [X.], [X.], 473 [juris Rn. 21] - Papierspender). Solche Rechtsfehler liegen im Streitfall vor.

c) Das Berufungsgericht ist zwar im Wesentlichen von den genannten Grundsätzen ausgegangen. Es hat jedoch den Vortrag der Beklagten und der Streithelferin nicht vollständig in die gebotene Würdigung aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände einbezogen, die für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert vorzunehmen ist.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der runde Schleifteller, der davor angebrachte [X.], ein Motor zum Antrieb des [X.] sowie ein [X.] oder eine vergleichbare Standvorrichtung seien technisch bedingt.

Nicht technisch bedingt seien die konkrete Gestaltung von [X.] und [X.] sowie die Anordnung des [X.] hinter dem Schleifteller; ebenfalls denkbar sei eine seitliche Anordnung. Nicht technisch bedingt sei zudem, welches Größenverhältnis die einzelnen Bauelemente zueinander hätten sowie ob und wie sie durch Gehäuse verkleidet würden. Dies gelte auch für die Anordnung von Bedienelementen und die farbliche Gestaltung. Diese Gestaltungselemente folgten ersichtlich nicht rein funktionalen Erwägungen, sondern dienten einem harmonischen Gesamteindruck einer kompakten und durchaus elegant gestalteten Schleifmaschine. Ansprechend wirke hierbei auch die halbkreisförmige [X.] für den beweglichen [X.], die letztlich die Formensprache des [X.] aufgreife.

Der variabel verstellbare [X.] sei nicht ausschließlich technisch bedingt. Es seien andere Mechanismen vorstellbar, die es ermöglichen könnten, eine Neigung des Tischs zu erreichen. Die sichtbar gestaltete halbkreisartige Form von Führungsschiene und [X.] als [X.] greife die Formensprache des [X.] auf und wirke ästhetisch ansprechend. Die Funktion von Führungsschiene und [X.] sei für den informierten Benutzer erkennbar.

bb) Die Beklagten haben vor dem [X.] vorgetragen, jedes elektrisch betriebene Tellerschleifgerät müsse aus technischen Gründen einen runden Schleifteller, einen dahinter liegenden Motor mit einem diesen umgebenden Gehäuse, einen davor liegenden [X.] und einen [X.] haben. Die Form und Dimension der Bauteile sowie deren Anordnung zueinander seien technisch vorgegeben.

Die Streithelferin der Beklagten hat hierzu ergänzt, die technische Konstruktion des [X.] und des angegriffenen Modells zeichneten sich durch ihre Kühlluftführung aus. Der Motor sei nicht in einem zusätzlichen, verrippten Kühlgehäuse aus Metall untergebracht, sondern trage auf seiner frei nach außen ragenden Motorwelle ein nacktes Lüfterrad. Der einfache, kompakte und billige Motor müsse in einem Gehäuse untergebracht sein, damit der Kühlluftstrom durch das Innere des [X.] gezogen werde. Um den Kostenvorteil des [X.] nicht wieder zu verlieren, komme dafür nur ein preisgünstiges Kunststoffgehäuse in Betracht. Das Kunststoffgehäuse müsse einen definierten Raum ausbilden, der zum Aufbau einer hinreichenden gehäuseinternen Luftbewegung führe. Zum Schleifteller hin sei das Gehäuse nach vorne und radial außen gezogen, damit auf ein teures zusätzliches Schutzblech verzichtet werden könne. Der [X.], der das Kippen des Geräts bei Benutzung mit vertikal ausgerichtetem Schleifteller verhindere, könne zusammen mit dem [X.] abgenommen werden, um eine Benutzung des auf der Gehäuserückseite stehenden Geräts mit horizontal ausgerichtetem Schleifteller zu ermöglichen.

Im [X.] haben die Beklagten vorgebracht, der [X.] werde vorne und flächig auf dem Untergrund aufliegend ausgebildet, um einen sicheren Stand des Geräts auch bei einer Belastung im vorderen Bereich des [X.] zu gewährleisten. Die Abschrägung solle ein Absenken des [X.] ermöglichen. Die direkte Montage des [X.] auf die Achse des [X.] ohne Winkelgetriebe oder Ähnliches sei üblich und die kostengünstigste Variante. Die rechteckige Form des [X.] sei üblich und erforderlich, um dem zu bearbeitenden Werkstück eine sichere Auflage zu ermöglichen. Die [X.]halterung solle eine Bearbeitung des Werkstücks nicht nur im Winkel von 90 Grad, sondern auch in anderen Winkeln ermöglichen. Bogenform, Gradeinteilung und Arretierung folgten dieser technischen Anforderung.

cc) Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag, der in den Gründen des Berufungsurteils und dem in Bezug genommenen Tatbestand des Urteils des [X.]s zusammengefasst wiedergegeben ist, nicht erkennbar in eine für jedes Merkmal gesondert vorzunehmende Gesamtwürdigung der maßgeblichen objektiven Umstände eingestellt. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung wird das Vorbringen nicht dadurch entkräftet, dass die Beklagten und die Streithelferin im Rechtsstreit auch zu nicht-technischen Gestaltungselementen des [X.] vorgetragen haben. Die erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vortrag kann auch nicht durch den pauschalen Hinweis ersetzt werden, dass das Berufungsgericht die Argumentation der Beklagten und der Streithelferin in der mündlichen Berufungsverhandlung als nicht überzeugend erachtet hat.

Im Einzelnen:

(1) Die Revisionen beanstanden zu Recht nicht, dass das Berufungsgericht das Vorhandensein der Komponenten Schleifteller, [X.], Motor und [X.] als (ausschließlich) technisch bedingt angesehen hat.

(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit mit Blick auf das Vorhandensein eines [X.] offenbar zu einer abweichenden Einschätzung gelangt ist (Merkmal 1), fehlt jedoch eine nachvollziehbare Begründung unter Würdigung des Vortrags der Beklagten und der Streithelferin zur technischen Funktion des Gehäuses. Es bleibt auch unklar, ob der Umstand, dass der Motor direkt hinter dem Schleifteller und nicht seitlich versetzt angeordnet ist, in diese Beurteilung eingeflossen ist. Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt hingegen, dass das Berufungsgericht die Integration des [X.]es in das Motorgehäuse und den Kontrast zwischen einem dunkleren Gehäuse und einem helleren [X.] als nicht technisch bedingt angesehen hat (zur Berücksichtigungsfähigkeit der Graustufen bei [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 2018 - [X.], [X.], 835 [juris Rn. 17 bis 23] = WRP 2019, 1032 - Sportbrillen).

(3) Soweit das Berufungsgericht es als prägend erachtet hat, dass das Motorgehäuse auf dem [X.] aufsitzt und den sichtbaren oberen Teil des [X.] umrahmt (Merkmal 2), lässt dies eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten und der Streithelferin zu den technischen Anforderungen an das Motorgehäuse ebenfalls vermissen. [X.] hat das Berufungsgericht allerdings den Umstand, dass die untere Hälfte des [X.] in den [X.] eingelassen ist, als nicht ausschließlich technisch bedingt angesehen. Soweit die Revision der Streithelferin meint, dies lasse sich den Darstellungen des [X.] nicht entnehmen, versucht sie lediglich in revisionsrechtlich unzulässiger Weise, ihre eigene Sichtweise an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen.

(4) Dass das Berufungsgericht auf die Integration der dunkleren [X.]halterung in den helleren [X.] abgestellt hat (Merkmal 3), begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

(5) Soweit das Berufungsgericht die Gestaltung der Verbindung zwischen [X.]halterung und [X.] als prägendes Merkmal erachtet hat (Merkmale 4 und 5), bleibt hingegen bereits unklar, welche anderen Gestaltungen zur Ausbildung eines solchen Mechanismus mit Gradeinteilung es als vorstellbar erachtet hat.

(6) Von den Revisionen unangegriffen und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den vom dunklen Gehäuse kontrastierend abgesetzten Knopf als prägendes Merkmal erachtet (Merkmal 6).

(7) Auch soweit das Berufungsgericht auf die klaren Proportionen des [X.] abgestellt hat, wobei sich das Gerätegehäuse auf etwa zwei Drittel und der waagrechte [X.] auf etwa ein Drittel der Gesamtlänge erstreckten (Merkmal 7), hat es sich nicht mit den von den Beklagten und der Streithelferin vorgetragenen technischen Anforderungen auseinandergesetzt. Die Revision der Streithelferin weist zudem mit Recht darauf hin, dass die vom Berufungsgericht in diesem Rahmen getroffene Feststellung eines "harmonischen Gesamteindrucks" keine objektivierbare Charakterisierung eines Einzelmerkmals darstellt. Das Berufungsgericht hätte konkret feststellen müssen, durch welche nicht ausschließlich technisch bedingten Merkmale oder durch welche nicht ausschließlich technisch bedingte Kombination von Merkmalen dieser Eindruck entsteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, welche Bedeutung den festgestellten Einzelmerkmalen für den Gesamteindruck zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - [X.], [X.], 285 [juris Rn. 52] = WRP 2013, 341 - Kinderwagen II).

[X.]) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten und der Streithelferin hat das Berufungsgericht damit zwar nicht den fehlerhaften Rechtsstandpunkt eingenommen, es komme ausschließlich auf das Bestehen alternativer Geschmacksmuster oder Gestaltungsmöglichkeiten an. Jedoch rügen die Revisionen mit Recht, dass das Berufungsgericht seine Prüfung, ob die von ihm als prägend erachteten [X.] ausschließlich technisch bedingt sind, weitgehend auf diesen Aspekt verengt hat. Andere objektive Umstände, aus denen die Motive für die Wahl der [X.] des Erzeugnisses deutlich werden können, hat es nicht hinreichend in seine Prüfung einbezogen.

ee) Das Berufungsurteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 545 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht den Schutzumfang des [X.] unter Einbeziehung des genannten Vorbringens enger bestimmt und auf dieser Basis zu einem für die Beklagten und ihre Streithelferin günstigen Vergleich des Gesamteindrucks von [X.] und Verletzungsmuster gekommen wäre.

III. Kann der Klägerin mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kein Unterlassungsanspruch zugesprochen werden, entfällt auch die Grundlage für die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunftserteilung (Art. 89 Abs. 1 Buchst. d [X.] in Verbindung mit § 46 [X.], § 242 BGB) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (Art. 89 Abs. 1 Buchst. d [X.] in Verbindung mit § 42 Abs. 2 [X.]) der Beklagten sowie Erstattung von Abmahnkosten (Art. 89 Abs. 1 Buchst. d [X.] in Verbindung mit §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB).

IV. Ob der Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zustehen, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft und dazu auch keine Feststellungen getroffen.

C. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

D. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (zu diesem Maßstab vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - [X.] u.a.; Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] - [X.] und [X.]). Die Relevanz der von den Revisionen der Beklagten und der Streithelferin aufgeworfenen Frage, ob und inwieweit die technische Funktion eines Erzeugnisses derart durch wirtschaftliche Aspekte wie zum Beispiel Kostenfaktoren, Verkaufspreise und Kundenzielgruppen konkretisiert werden kann, dass alternative Gestaltungen, die zu einem unverhältnismäßigem finanziellen Mehraufwand führen, unzumutbar und deshalb auch rechtlich irrelevant sind, hängt von den Feststellungen des Berufungsgerichts im wiedereröffneten Berufungsverfahren ab.

E. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

I. Bei der für jedes den Gesamteindruck prägende Erscheinungsmerkmal gesondert vorzunehmenden Prüfung, ob es ausschließlich technisch bedingt ist, kommt eine differenzierende Betrachtung der Bauteile des [X.] in Betracht. So mögen das Vorhandensein eines Gehäuses und möglicherweise auch seine Grundform ausschließlich technisch bedingt sein, nicht aber weitere Eigenschaften wie insbesondere die Gestaltung der Oberfläche des Gehäuses.

II. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, es komme darauf an, ob ästhetische Erwägungen für die Wahl der [X.] des fraglichen Erzeugnisses eine Rolle gespielt hätten, weicht dies - zumindest begrifflich - von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.]s ab. Ein ästhetischer Gehalt gehört nicht zu den Schutzvoraussetzungen eines Designs (vgl. [X.], [X.], 612 [juris Rn. 23] - [X.]; [X.], [X.], 473 [juris Rn. 12] - Papierspender).

Koch     

  

Löffler     

  

Schwonke

  

Fe[X.]ersen     

  

Odörfer     

  

Meta

I ZR 167/21

09.03.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 28. Oktober 2021, Az: 6 U 40/20, Urteil

Art 8 Abs 1 EGV 6/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2023, Az. I ZR 167/21 (REWIS RS 2023, 2334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2334

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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