Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2003, Az. VIII ZB 115/02

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4551

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[X.]/02vom5. Februar 2003in dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] § 233 Fb, Fc, [X.] der [X.] in seiner Kanzlei hat der Anwalt durch ge-eignete Anweisungen sicherzustellen, daß die Berechnung einer Frist, ihre Notierungauf den Handakten, die Eintragung im [X.] sowie die Quittierung der Ka-lendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten von der zu-ständigen Bürokraft zum frühestmöglichen Zeitpunkt und im unmittelbaren zeitlichenZusammenhang vorgenommen werden.[X.], Beschluß vom 5. Februar 2003 - [X.]/02 -OLG [X.] [X.] 2 -Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 5. Februar 2003 durch [X.] Richterin [X.] und die Richter [X.], [X.], Dr.[X.] und Dr. Frellesenbeschlossen:Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluß des6. Zivilsenates des [X.] vom19. September 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.Der [X.] wird auf 13.486,19 DM) festge-setzt.Gründe:[X.] Beschluß vom 19. September 2002 hat das [X.] [X.] der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und zugleich die Be-rufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom12. April 2002 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im [X.] ausgeführt, der Prozeßbevollmächtigte der Kläger sei seinen Obliegen-heiten zur Sicherung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nicht hin-reichend nachgekommen. Da ihm die [X.] am 7. August 2002vorgelegt worden seien, sei er selbst zur Kontrolle der am 16. August 2002 en-- 3 -denden Begründungsfrist verpflichtet gewesen. Bei dieser Kontrolle hätte [X.] müssen, daß - wovon nach dem Vorbringen im [X.] auszugehen sei - auf dem auf den Handakten angebrachtenFristenstempel bei den dort notierten Vor- und Genaufristen der [X.] gefehlt habe. Die Rückgabe der Akten an seine Bürokräfte im [X.] darauf, daß eine Eintragung der Frist in den [X.] noch vorge-nommen werde, reiche daher nicht aus.Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung im [X.].[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1Satz 4 ZPO). Die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO (20.000 die Revision gegen ein Urteil, mit dem die Berufung als unzulässig verworfenwird, jedoch nicht für die Beschwerde gegen einen Beschluß (Senatsbeschlußvom 4. September 2002 - [X.], NJW 2002, 3783 = [X.]Report 2002,1113 unter [X.]). Das Rechtsmittel ist zur Wahrung der Einheitlichkeit der Recht-sprechung zuzulassen. Zwar hat das Berufungsgericht den Klägern die bean-tragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt. Die Begründung hierfürläßt jedoch erkennen, daß es von der bisherigen Rechtsprechung zur Fristen-kontrolle in einer Anwaltskanzlei abweicht und davon auszugehen ist, daß dasBerufungsgericht auch in Zukunft so verfahren wird (§ 574 Abs. 2 Nr. 2,2. Altern. ZPO).2. Das Berufungsgericht meint, dem Prozeßbevollmächtigten der [X.] eine Sorgfaltspflichtverletzung deshalb anzulasten, weil er seiner Verpflich-tung zur eigenverantwortlichen Fristenkontrolle nicht nachgekommen sei. [X.] nicht zu.- 4 -Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] hat [X.] den Fristenlauf nicht bei jeder Vorlage der Handakten, sondern nur, [X.] immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Handaktenim Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wer-den, wenn sie ihm selbst bis zum Fristablauf oder einen ihm nahen Zeitpunktvorliegen (Senatsbeschluß vom 30. September 1963 - [X.], [X.], 106; [X.], Beschluß vom 22. September 1971 aaO; Beschluß vom25. November 1998 - [X.] 204/96, NJW-RR 1999, 429 unter [X.]). Dies warhier nicht der Fall. Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages unddem dort in Bezug genommenen Schreiben des [X.] vom 7. August 2002 ergibt sich, daß der eingegangene Brief des vorhermit der Vertretung im Berufungsverfahren beauftragten Anwalts dem [X.] nicht im Zusammenhang mit der fristgebundenen Berufungsbe-gründung oder sogar zu ihrer Vorbereitung vorgelegt worden war, sondern le-diglich zur Kenntnisnahme vom Eingang der [X.] und zur Fer-tigung der Vertretungsanzeige an das [X.]. Dann aber war [X.] der Kläger nicht ohne weiteres zur eigenverantwortli-chen Fristenkontrolle gehalten.3. Die angefochtene Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Grün-den als richtig dar. Das Berufungsgericht hat den Klägern die beantragte [X.] in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbe-gründungsfrist im Ergebnis zu Recht versagt, weil sie nicht ohne ihr Verschul-den an der Einhaltung der Frist gehindert waren (§ 233 ZPO); dabei ist [X.] ihres Prozeßbevollmächtigten ihnen wie eigenes Verschulden zu-zurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann [X.] die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro ge-- 5 -läufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältigüberwachten Angestellten überlassen (z.B. [X.], Beschluß vom 12. Juli 1983- [X.], [X.], 988 unter 2 a; Beschluß vom 29. April 1998 - [X.]140/95, NJW-RR 1998, 1526 unter [X.] m.w.Nachw.). Er hat jedoch durch ge-eignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß die Fristen zuverläs-sig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutigeAnweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten unddie mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (vgl. dazu zuletzt [X.], NJW-RR 2001, 1072 = [X.], [X.], 1133, und vom 28. Juni 2001 - [X.], NJW 2001, 2975= [X.], 334 = [X.], 1183 m.w.Nachw.). Nur wenn diese Voraus-setzungen erfüllt sind, darf der Anwalt darauf vertrauen, daß das [X.] die ihm übertragenen Aufgaben des [X.] erfüllt (vgl. Senatsbeschluß vom 22. März 1995 - [X.], NJW 1995,1682 = [X.], 1253 = [X.] 1995, 1266 m.w.Nachw.).b) Unentbehrliches Hilfsmittel für die Fixierung der Fristen ist in erster Li-nie der (elektronische oder in Papierform geführte) [X.] sowie [X.] der Fristen auf den Handakten des Anwalts ([X.], Beschluß vom15. Februar 1960 - [X.], [X.], 406; zuletzt Beschluß vom28. Juni 2001 - [X.] aaO). Die Eintragung der Frist im [X.]ist von der damit beauftragten Angestellten durch einen Erledigungsvermerk- zweckmäßigerweise mit Handzeichen und Datumsangabe - an der Fristenno-tierung auf den Handakten kenntlich zu machen ([X.], Beschluß vom [X.] - [X.], [X.], 269; Beschluß vom 22. September 1971- [X.], NJW 1971, 2269 = VersR 1971, 1125 unter 1 m.w.[X.] vom 20. August 1998 - [X.], [X.]. 1998, 269). Nur imunmittelbaren Zusammenhang und im Zusammenwirken stellen diese (undweitere, hier nicht relevante) Maßnahmen sicher, daß fristgebundene [X.] -handlungen rechtzeitig vom Anwalt vorgenommen werden und bei [X.]) Sämtliche organisatorischen Maßnahmen müssen überdies so be-schaffen sein, daß auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs,etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, Verzö-gerungen der anwaltlichen Bearbeitung oder ähnliche Umstände, bei [X.] äußersten [X.] die Einhaltung der anstehenden Frist - zumindest durch ein rechtzeitiges Fristverlängerungsgesuch - gewährleistet ist(vgl. [X.], Beschluß vom 26. August 1999 - [X.], aaO). [X.] sichergestellt sein, daß die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichenHandlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. unverzüglich nach [X.] betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangvorgenommen werden.d) Diesen Anforderungen entsprach die [X.]in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten der Kläger nicht.Aus dem Beschwerdevorbringen, der Begründung des Wiedereinset-zungsantrages und den hierzu vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen derbeiden mit der Sache befaßten Büroangestellten ergibt sich, daß es ständigerÜbung in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten der Kläger entsprach, aufeingehenden Schriftstücken - falls hierzu Anlaß bestand - zunächst [X.] mit den Daten der Vorfrist und der "Genaufrist" anzubringen, [X.] sodann dem Anwalt zur Bearbeitung vorzulegen und erst nach-träglich, nach der Rückgabe durch den Anwalt, die Fristen in den [X.] einzutragen. Daß dieses Verfahren einer Weisung des Anwalts [X.], wird nicht behauptet; es wäre im übrigen auch unerheblich, weil [X.] dann sofort hätte einschreiten und die Angestellten durch [X.] -che Belehrung und verstärkte Überwachung zur Beachtung seiner [X.] Anordnung hätte anhalten müssen. Überdies bleibt unklar, ob [X.] der erforderliche Erledigungsvermerk an dem [X.].Die mit Wissen und Einverständnis des Anwalts übliche Handhabungtrug das Risiko einer Fristversäumung in sich. Die Unterbrechung des zusam-mengehörenden, einheitlichen Vorgangs der [X.], -notierung (aufdem eingegangenen Schriftstück) und -eintragung (im [X.]) barg [X.] von Fehlern, Versehen oder Irrtümern vor allem dann in sich, wenn sichdie Rückgabe des Schriftstückes vom Anwalt an das [X.] die zuständige Angestellte etwa durch Krankheit oder einen anderen un-vorhergesehenen Umstand überraschend ausfiel oder durch Überlastung be-einträchtigt war. Verstärkt wurde diese Gefahr noch dadurch, daß der Erledi-gungsvermerk an dem [X.] - was nach dem Vorbringen der Klägernicht auszuschließen ist - entweder gar nicht oder bereits vor der Eintragungder Fristen im [X.] angebracht wurde. Beides widersprach dem [X.] anzuwendenden strengen Sorgfaltsmaßstab, weil einFehlen des Erledigungsvermerks von vornherein eine Fristkontrolle ohne Ein-sicht in den [X.], allein an Hand der Akten, unmöglich machte [X.] der vorzeitig angebrachte Vermerk eine trügerische Sicherheit vor-täuschte und dadurch ebenfalls eine wirksame Fristenkontrolle durch den An-walt und das Büropersonal verhinderte.Dieser einheitliche Vorgang der [X.] und -erfassung war,wie erwähnt, sofort bei Eingang des Schriftstückes vorzunehmen und nicht erstnach der Rückgabe durch den Anwalt. Überdies durfte er nicht auseinandergerissen werden, und der unverzichtbare Erledigungsvermerk durfte erst alsletzter Schritt, d.h. nach der Berechnung, Notierung und Eintragung der [X.] -vorgenommen werden. Soll der Erledigungsvermerk vor allem dem Anwalt, demdie Akten vorgelegt werden und der - sofern die Vorlage im Zusammenhang mitder Vorbereitung einer fristgebundenen Prozeßhandlung steht oder sonst aus-nahmsweise Anlaß zur konkreten Kontrolle besteht - in eigener Verantwortungden Fristenlauf anhand der Akten zu prüfen hat, eine wirksame Fristenkontrolleermöglichen, dann muß der Anwalt durch einen Blick auf oder in die Akten zu-verlässig erkennen können, wann die Frist abläuft, daß sie in den [X.] eingetragen worden ist und daß das Büropersonal seinerseits, sobald dieAkten wieder in seinen Verantwortungsbereich gelangt sind, die Frist jedenfallsdurch Überprüfung des (korrekt geführten) [X.]s im Auge behaltenund für ihre Einhaltung Sorge tragen kann.[X.] [X.] [X.]Dr. [X.] Dr. Frellesen

Meta

VIII ZB 115/02

05.02.2003

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2003, Az. VIII ZB 115/02 (REWIS RS 2003, 4551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4551

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