Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2008, Az. VI ZB 46/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 6025

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 22. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 233 Fc, 85 Abs. 2 Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der [X.] und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im [X.]kalender eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2008 - [X.]/07 - [X.]AG [X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 22. Januar 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 1. August 2007 auf-gehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat. Streitwert: 1.200 • Gründe: [X.] Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2007, das der Klägerin am 27. April 2007 zugestellt worden ist, abgewiesen. Die dagegen ein-gelegte Berufung hat die Klägerin am 6. Juli 2007 begründet und Wiedereinset-zung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist 1 - 3 - beantragt. Zur Begründung des [X.] hat die Klägerin ausgeführt, dass die stets sorgfältig arbeitende [X.] [X.] nach Ein-gang der Handakten im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Mai 2007 die zu beachtenden Fristen geprüft habe. Sie habe die [X.] sowie die Berufungsbegründungsfrist berechnet und diese auf dem [X.] der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten nebst Vermerk über die Eintragung der Fristen im [X.] notiert, ohne dass tatsäch-lich die Berufungsbegründungsfrist und die entsprechende Vorfrist auch im [X.]kalender eingetragen worden sind. Sodann habe sie dem Prozessbevoll-mächtigten der Klägerin das [X.] vorgelegt. Dieser habe die An-lage einer neuen Akte sowie die sofortige Wiedervorlage verfügt. Nach Vorlage der Akte habe der Prozessbevollmächtigte die auf dem [X.] der Klägerin vermerkten Fristen geprüft und diese für korrekt befunden sowie den Eintragungsvermerk der [X.] zur Kenntnis genommen. Ein Mitarbei-ter der Kanzlei habe die [X.] und dabei ebenfalls die vermerk-ten Fristen geprüft und für richtig befunden. Nachdem am 23. Mai 2007 [X.] eingelegt worden sei, sei die Akte in den Aktenschrank eingehängt [X.]. Erst durch den Hinweis des [X.] vom 28. Juni 2007 sei die [X.] der Berufungsbegründungsfrist bemerkt worden. Dieses Versehen sei unverständlich. In Anbetracht der langjährigen Erfahrung der stets fehlerfrei ar-beitenden [X.] habe der Anwalt davon ausgehen dürfen, dass eine fehlerfreie Notierung der Fristen entsprechend dem Vermerk auf dem Auftrags-schreiben der Klägerin auch im [X.] erfolgt sei. Tatsächlich habe die [X.] versehentlich im [X.] lediglich die Frist für die [X.] sowie die entsprechende Vorfrist eingetragen. Die Eintragung der Frist für die Berufungsbegründung und der einwöchigen Vorfrist sei aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt worden. Die Richtigkeit dieses Vor-- 4 - trags versicherten die [X.] [X.] und der mit der Prüfung der Er-folgsaussichten der Berufung betraute Rechtsanwalt S. eidesstattlich. 2 Den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. 3 2. Der angefochtene Beschluss begegnet schon deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiederge-ben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instan-zen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetz-mäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - [X.] ZB 75/05 - [X.], 1423, 1424; [X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - [X.]/01 - [X.], 926; vom 12. Juli 2004 - [X.]/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - [X.]/03 - [X.]-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch [X.] - 5 - der Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genomme-nen Aktenteilen ergeben. 5 3. Das Berufungsgericht rechnet der Klägerin als schuldhafte Fristver-säumnis an, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Pflicht zur [X.] Prüfung der richtigen Eintragung des Endes der Frist in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist im [X.] verletzt habe (§ 85 Abs. 2 ZPO). Hätte er die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im [X.] ge-prüft, als ihm die Handakte zur Fertigung der Berufungsschrift vom 23. Mai 2007 vorgelegen habe, wäre ihm der Fehler der [X.] [X.] aufgefallen und die Fristversäumnis hätte vermieden werden können. Die Gefahr der Frist-versäumung sei noch dadurch verstärkt worden, dass der Erledigungsvermerk auf dem [X.] der Klägerin bereits vor der Eintragung beider [X.] im [X.] angebracht worden sei. Der vorzeitig angebrachte [X.] täusche eine trügerische Sicherheit vor, wodurch eine wirksame Fristen-kontrolle durch den Anwalt und das Büropersonal verhindert werde. 4. a) Mit dieser Rechtsprechung weicht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des [X.] ab. Danach hat der Anwalt die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung einer Frist, ihrer Notierung auf den Handakten, zur Eintragung im [X.] sowie zur Bestätigung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten stets zu prüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer [X.] vorgelegt werden. Zwar erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenka-lender notiert worden ist. Doch kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Ist die Er-ledigung der Eintragung im [X.] wie hier ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel 6 - 6 - auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im [X.] eingetragen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - [X.] ZB 66/06 - NJW 2007, 2332 und vom 23. Januar 2007 - [X.] ZB 5/06 - NJW 2007, 1597, 1598; [X.], Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - [X.] - [X.], 520 f.; vom 1. Dezember 2004 - [X.] 164/03 - FamRZ 2005, 435 f. unter I[X.] 3.; vom 21. April 2004 - [X.] 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. unter I[X.] 1. und 2.; vom 22. Januar 1997 - [X.] 195/96 - [X.], 598, 599 unter 1. und vom 22. September 1971 - [X.] - VersR 1971, 1125 f. unter 1.; Urteil vom 1. Juli 1976 - [X.] - [X.], 1154 f. unter I[X.]; [X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23 Stichwort Fristen-behandlung; [X.], NJW 2005, 2042, 2046). Andernfalls würde die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist. b) Eine Abweichung von diesen Grundsätzen lässt sich auch nicht dem Beschluss des I[X.] Zivilsenats des [X.] vom 18. Juli 2005 - [X.] - (nicht veröff.) entnehmen, auf den das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung stützt. Der Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden im Sachverhalt. Dort hatte der Prozessbevollmächtigte der [X.] versäumt, bei Fertigung der Berufungsschrift die Notierung der Berufungsbegründungsfrist in den Handakten zu überprüfen. Hätte er dieser Pflicht genügt, wäre ihm [X.], dass die Berufungsbegründungsfrist - entgegen seiner generellen An-weisung - nicht notiert worden war. 7 Hingegen hatte im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ebenso wie der Mitarbeiter [X.] geprüft. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Unterlassung der [X.] Fristenprüfung bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsschrift, die das Berufungsgericht bemängelt, nicht ursächlich für die Fristversäumung 8 - 7 - werden konnte. Nachdem der Erledigungsvermerk angebracht war und ersicht-lich Anhaltspunkte für begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Fristenno-tierung im Kalender nicht gegeben waren, konnte auch bei nochmaliger Über-prüfung der entsprechenden Vermerke bei Vorlage der Handakten zur Ferti-gung der Berufungsschrift nicht auffallen, dass die [X.] [X.] die Ein-tragung der Berufungsbegründungsfrist im [X.] unterlassen hatte. Denn auch bei einer solchen Kontrolle konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Erledigungsvermerks davon ausgehen, dass die [X.]sbegründungsfrist ordnungsgemäß im [X.] notiert ist. c) Nach den tatsächlichen Umständen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht eine fehlerhaft unzureichende Organisation des [X.]wesens in seiner Kanzlei anzulasten, die für die Fristversäumnis ursächlich geworden wäre und die sich die Klägerin zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Zwar hat der Anwalt die mit der Fristenkontrolle betrauten Angestellten darauf hinzuweisen, dass der Erledigungsvermerk erst erfolgen darf, wenn die entsprechende Handlung tatsächlich vorgenommen worden ist. Die Einhaltung dieser Weisung hat der Anwalt durch geeignete Kontrollen auch durchzusetzen. [X.] Umstände darauf hin, dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, muss der Anwalt dagegen einschreiten. Doch rügt die Rechtsbe-schwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht bei umfassender Berücksichti-gung der vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten Tatsachen nicht von einer mangelhaften Organisation des Fristen-wesens in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ausgehen durfte. Vielmehr war die allgemeine Weisung an die betrauten Büroangestellten ausreichend, nach der sämtliche Haupt- und [X.] im [X.] sofort zu notieren und diese Eintragungen entsprechend in der Akte zu vermerken waren, wobei bei [X.] neben der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungs-frist auch jeweils eine Vorfrist von einer Woche einzutragen war. Konkrete [X.] - 8 - haltspunkte, aufgrund derer der Prozessbevollmächtigte hätte annehmen müs-sen, dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle in Frage gestellt wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind ersichtlich nicht gegeben. 10 Auch wurde nach der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevoll-mächtigten der Klägerin der [X.] regelmäßig von ihm daraufhin kon-trolliert, ob die Vermerke in der Handakte über die Eintragung im Fristenkalen-der mit den tatsächlichen Kalendereintragungen übereinstimmten. Bei dieser Sachlage fehlten Hinweise dafür, dass die [X.] [X.] die Erledigung in der Handakte etwa auch in anderen Fällen ohne die erforderliche vorherige Ein-tragung im Fristenbuch vermerkt hätte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 5. Februar 2003 - [X.]II ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816 unter I[X.] 3. b). Mithin hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die Frist zur Berufungs-begründung ohne eigenes oder ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.] ihres Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist. Daher war ihr 11 - 9 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs-begründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts damit gegens-tandslos. [X.] [X.] [X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 23.04.2007 - 16 C 301/05 - [X.], Entscheidung vom 01.08.2007 - 5 S 102/07 -

Meta

VI ZB 46/07

22.01.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2008, Az. VI ZB 46/07 (REWIS RS 2008, 6025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 6025

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZB 40/16 (Bundesgerichtshof)


VI ZB 40/16 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Umfang der Prüfungspflicht des Rechtsanwalts bei …


IX ZB 13/19 (Bundesgerichtshof)

Anwaltliches Organisationsverschulden bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Pflichten vor Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses für das Ersturteil; Anforderungen …


VII ZB 37/10 (Bundesgerichtshof)


III ZB 95/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.