Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.06.2012, Az. 2 BvR 22/12

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2012, 5328

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen einer Entscheidung über Strafrestaussetzung auch bei negativer Legalprognose - grundsätzliche Verweigerung der Verhältnismäßigkeitsprüfung verletzt Betroffenen in Grundrechten aus Art 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 20 Abs 3 GG - hier: Entscheidung über Strafrestaussetzung nach Erledigung einer über 19 Jahre vollzogenen freiheitsentziehenden Maßregel aus Verhältnismäßigkeitsgründen


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 30. November 2011 - 1 Ws 1046/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Er wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene [X.]beschwerde betrifft die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Prüfung der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung.

2

1. Eine Jugendkammer des [X.] verurteilte den Beschwerdeführer am 9. Dezember 1992 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der wegen einschlägiger Delikte aus den Jahren 1973 und 1981 bereits vorbestrafte Beschwerdeführer hatte sich drei ihm recht gut bekannten Jungen im Alter von sechs bis zehn Jahren - zumeist gegen kleine Geldgeschenke - mehrfach sexuell genähert und ihnen insbesondere mehrfach an das auf Aufforderung entblößte Geschlechtsteil gefasst sowie in einem Fall das Geschlechtsteil auch in den Mund genommen. Das Urteil wurde am 17. Dezember 1992 rechtskräftig. Die Maßregel wurde im [X.] daran bis zum 27. Oktober 2011 vollstreckt. Zuvor befand sich der Beschwerdeführer zwischen dem 14. Juni 1992 und dem 16. Dezember 1992 sechs Monate in Untersuchungshaft.

3

2. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 setzte das [X.] die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht zur Bewährung aus, weil - trotz guter formaler Anpassung und regelmäßiger Inanspruchnahme von [X.] - noch nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des [X.] keine weiteren rechtswidrigen Taten mehr begehen werde (§ 67d Abs. 2 StGB). Die Voraussetzungen für eine Erledigterklärung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB seien auch nicht gegeben, da der weitere Vollzug der Maßregel verhältnismäßig sei.

4

3. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 erklärte das [X.] die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt. Die [X.] aus dem Urteil des [X.] vom 9. Dezember 1992 habe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des [X.] keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB). Insbesondere sei der [X.] Empfangsraum noch nicht ausreichend vorbereitet. Dazu hätten auch begleitete [X.] nicht beigetragen. Die psychische Störung, die zur Unterbringung geführt habe, bestehe unverändert fort. Angesichts der negativen Sozialprognose komme auch eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nicht in Betracht. Jedoch sei die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt zu erklären, da die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig sei. Zwar sei der Beschwerdeführer einschlägig vorbestraft und die Legalprognose insgesamt ungünstig. Die Unterbringung dauere aber unter [X.] zu lange an. Der Beschwerdeführer befinde sich seit fast 19 Jahren ununterbrochen im Maßregelvollzug.

5

4. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 27. Oktober 2011 aus der [X.]einrichtung entlassen und einer [X.]zugeführt, wo er seitdem den Strafrest von 243 Tagen aus der mit dem Urteil vom 9. Dezember 1992 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verbüßt. Das [X.] ist für den 25. Juni 2012 vorgemerkt.

6

5. Die gegen die Versagung der [X.] zur Bewährung gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 30. November 2011 als unbegründet. In der Beschwerdeschrift werde die von der Strafvollstreckungskammer angenommene negative Legalprognose nicht ernsthaft in Zweifel gezogen, vielmehr werde das Rechtsmittel mit der fehlenden Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Strafvollstreckung nach 19 Jahren andauerndem Maßregelvollzug begründet. Dem vermöge der Senat aber nicht zu folgen. Auch der Verweis auf § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB verfange nicht, da dieser für die Bewährungsaussetzung einer Reststrafe nach Maßregelvollzug auf § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB verweise, wonach maßgebend für die Entscheidung über eine bedingte Entlassung sei, ob sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden könne. Für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Strafvollstreckung bei negativer Legalprognose sei nach dem Gesetzeswortlaut kein Raum.

7

Mit seiner [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Bei einer Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB seien [X.] zu berücksichtigen. Entweder sei die Norm wegen Fehlens einer diesbezüglichen Regelung verfassungswidrig, oder aber sie sei dahingehend verfassungskonform auszulegen. Danach sei der Vollzug der Strafhaft gegen den Beschwerdeführer unverhältnismäßig. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauere, desto strenger würden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des [X.].

8

Das [X.] hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Es führte hinsichtlich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus, noch schwerer als der erhebliche Eingriff in das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers wögen die Nachteile bei einer Entlassung. Der Beschwerdeführer sei nicht krankheitseinsichtig und weiter gefährlich, zumal er einem intelligenzgeminderten Patienten gegenüber wiederholt sexuell aktiv geworden sei. Der [X.] Empfangsraum sei noch nicht ausreichend vorbereitet. Schließlich wäre es für den Beschwerdeführer selbst möglicherweise nachteilig, wenn er später erneut inhaftiert werden müsse. Hinsichtlich der Hauptsache sah das [X.] und für Verbraucherschutz von einer weiteren Stellungnahme ab.

9

[X.] lag vor.

Die Voraussetzungen für eine stattgebende [X.] nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 [X.] sind erfüllt. Das [X.] hat die für die Beurteilung der [X.]beschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Strafvollstreckung - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.] 117, 71 <95 f.> m.w.N.), und die Annahme der [X.]beschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die [X.]beschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das [X.] hat die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe des Beschwerdeführers verkannt.

a) aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. [X.] 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

[X.] darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden (vgl. [X.] 22, 180 <219>; 29, 312 <316>; 35, 185 <190>; 45, 187 <223>; stRspr). Belange von ausreichendem Gewicht sind insbesondere die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. [X.] 19, 342 <347>; 20, 45 <49>; 20, 144 <147>; 32, 87 <93>; 35, 185 <190>) und der Schutz der Allgemeinheit (vgl. [X.] 22, 180 <219>; 30, 47 <53>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>; 70, 297 <307>).

Das Rechtsstaatsprinzip, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, sowie die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren rechtskräftig Verurteilten gebieten die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Das bedeutet auch, dass rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen grundsätzlich zu vollstrecken sind. Der staatliche Strafanspruch und - daraus folgend - das Gebot, rechtskräftig verhängte, tat- und schuldangemessene Strafen auch zu vollstrecken, sind gewichtige Gründe des Gemeinwohls (vgl. [X.] 51, 324 <343 f.>). Die Rechtsordnung darf ihre Missachtung nicht prämieren, denn sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten und untergräbt damit auch die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit (vgl. [X.] 116, 24 <49>; [X.], Beschluss des [X.] vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 -, juris, Rn. 57).

Kollidiert der [X.] mit der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem Erfordernis, die Allgemeinheit vor zu erwartenden Rechtsgutverletzungen zu schützen, sind beide Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. [X.] 90, 145 <172>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372 f.>). Dabei gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist. Die verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriffstatbestände haben insoweit auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie nicht nur den Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Interesse erlauben, sondern zugleich die äußersten Grenzen zulässiger Grundrechtseinschränkungen bestimmen (vgl. [X.] 70, 297 <307>; 75, 329 <341>; 126, 170 <195>).

bb) Freiheitsstrafen und freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung verfolgen unterschiedliche Zwecke, weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander angeordnet werden können (vgl. [X.] 91, 1 <31>; 128, 326 <376 f.>). Geschieht dies, ist es jedoch geboten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke beider Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden, ohne dass dabei in das Freiheitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG mehr als notwendig eingegriffen wird (vgl. [X.] 91, 1 <31>). Die Schwere des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. [X.] 90, 145 <173>; 92, 277 <327>; 109, 279 <349 f.>; 115, 320 <345>; [X.], Beschluss des [X.] vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 -, juris, Rn. 58).

cc) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des [X.] zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Das [X.] hat hinsichtlich der Prüfung der Fortdauer des [X.] bereits entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch eine "integrative Betrachtung" in die Prüfung der sogenannten Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen ist. Die dem [X.] in diesem Zusammenhang auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. [X.] 70, 297 <312 f.>).

Anders als bei Maßregeln ist zwar bei Strafen bereits im Strafurteil über die Verhältnismäßigkeit der zu vollstreckenden Strafe grundsätzlich entschieden worden. Doch auch bezüglich der Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 57a StGB - der auf § 57 Abs. 1 StGB verweist - hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung bereits betont, dass die Regelung der Aussetzung einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem [X.] der Allgemeinheit andererseits schafft (vgl. [X.] 117, 71 <112>; [X.]K 15, 390 <396>; 16, 44 <47 f.>).

Die dafür bei der Entscheidung über die Aussetzung zu berücksichtigenden Umstände werden durch § 57 Abs.1 Satz 2 StGB (i.V.m. § 57a Abs. 1 Satz 2 StGB) konkretisiert ([X.] 117, 71 <112>). Für die Strafaussetzung bei zeitigen Freiheitsstrafen kann nichts anderes gelten. Bei der nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB gebotenen Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände des Verurteilten kann die Dauer einer Freiheitsentziehung als notwendige Bedingung des [X.] aus Anlass der Tat nicht außer Betracht bleiben, auch wenn sie gemäß § 67 Abs. 4 StGB nur auf zwei Drittel der Strafe angerechnet wird. Je länger der Freiheitsentzug insgesamt dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit (vgl. [X.] 70, 297 <315>; [X.]K 15, 390 <397>; 16, 44 <48>).

Da es sich insoweit um eine wertende Entscheidung handelt, kann das [X.] im Rahmen der [X.]beschwerde nur prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen und insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. [X.] 70, 297 <315>).

b) Nach diesem Maßstab verletzt der angegriffene Beschluss den Beschwerdeführer in seinem grundrechtlichen Freiheitsanspruch.

Das [X.] hat die Bedeutung des Rechts des Beschwerdeführers auf Freiheit seiner Person verkannt, indem es eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Strafvollstreckung unter Berücksichtigung der Dauer des [X.] bei negativer Legalprognose grundsätzlich abgelehnt hat. Dabei kann offenbleiben, ob eine Einbeziehung dieses Gesichtspunkts in die Entscheidung von [X.] wegen ein bestimmtes Ergebnis gefordert hätte. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] unter Berücksichtigung der langen Dauer der Unterbringung (17. Dezember 1992 bis 27. Oktober 2011) hinsichtlich der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass die Strafvollstreckungskammer des [X.] den weiteren Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregel für erledigt erklärt hat, da dieser vor dem Hintergrund der fast 19-jährigen ununterbrochenen Dauer der Unterbringung unverhältnismäßig sei. In Anbetracht dieses Umstandes hätte die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch die Vollstreckung des verbliebenen [X.] - trotz der negativen Legalprognose - unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältiger Abwägung und Begründung bedurft.

2. Der Beschluss des [X.]s München ist aufzuheben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 [X.]).

3. Mit der Entscheidung über die [X.]beschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 22/12

22.06.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG München, 30. November 2011, Az: 1 Ws 1046/11, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 67 Abs 5 S 1 StGB, § 67d Abs 2 S 1 StGB, § 67d Abs 6 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.06.2012, Az. 2 BvR 22/12 (REWIS RS 2012, 5328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5328

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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