Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2012, Az. XII ZB 190/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 472

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Gegenstand

Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren: Grenzen summarischer Prüfung streitiger Rechtsfragen


Leitsatz

Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren hat nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. März 2004, XII ZB 192/02, NJW 2004, 2022).

Tenor

Den Antragstellern wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des 7. Familiensenats in [X.] des [X.] vom 19. Mai 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat den von den Antragstellern gegen ihren Vater gestellten Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt zurückgewiesen. Der Beschluss ist ihnen am 5. April 2011 zugestellt worden. Mit ihrem am 4. Mai 2011 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde beantragt. Das Amtsgericht hat den Schriftsatz zusammen mit den Verfahrensakten am 5. Mai 2011 an das [X.] weitergeleitet, wo sie am 9. Mai 2011 eingegangen sind.

2

Das [X.] hat das Verfahrenskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsteller.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das [X.].

4

1. Nach Auffassung des [X.]s war das Verfahrenskostenhilfegesuch anders als eine Beschwerde in der Hauptsache bei ihm als Rechtsmittelgericht einzureichen. Da wegen des verspäteten Eingangs keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne und die beabsichtigte Beschwerde als unzulässig verworfen werden müsste, sei Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zu versagen. Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde wegen der abweichenden Auffassung des [X.]s Hamburg zugelassen.  

5

2. Die nach § 574 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist bereits deswegen begründet, weil das [X.] die in der Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob das Verfahrenskostenhilfegesuch beim Amtsgericht oder beim [X.] einzureichen ist und ob gegebenenfalls eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt, nicht in das [X.] verlagern durfte.

6

Wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären ist, darf nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wie des [X.] die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren ([X.]) verlagert werden. Die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte [X.] gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes ([X.] 81, 347). Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden ([X.] FamRZ 2002, 665; Senatsbeschlüsse vom 4. Mai 2011 - [X.]/11 - FamRZ 2011, 1137 Rn. 8 und vom 17. März 2004 - [X.]/02 - NJW 2004, 2022 mwN). Bei zweifelhaften Rechtsfragen hat das Gericht demnach Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.

7

3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsteller auch die Erfolgsaussicht in der Hauptsache vom [X.] noch nicht geprüft ist.

Dose                        [X.]

             [X.]

Meta

XII ZB 190/12

12.12.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 19. Mai 2011, Az: 7 UF 23/11

§ 76 FamFG, § 114 ZPO, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2012, Az. XII ZB 190/12 (REWIS RS 2012, 472)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 472

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