Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2017, Az. XII ZB 447/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16712

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Gegenstand

Familiensache: Erstattungsfähigkeit von in Unkenntnis der Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme verursachten Kosten


Leitsatz

1. Im Rahmen von § 80 Satz 1 FamFG sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt.

2. Erstattungsfähige Kosten im Sinne von § 80 Satz 1 FamFG sind auch solche, die der Antrags- oder Rechtsmittelgegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Antrags oder Rechtsmittels verursacht hat (Abgrenzung zu BGH, 25. Februar 2016, III ZB 66/15, BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des [X.] vom 30. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 202 €

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner begehrt die Festsetzung von Anwaltskosten gegen die Antragstellerin.

2

Die miteinander verheirateten Beteiligten leben getrennt. Mitte Juli 2015 beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind zu übertragen. Das Amtsgericht bestimmte am 9. September 2015 Termin zur Anhörung auf den 29. September 2015 und verfügte die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der die Ladung und die Antragsschrift am 12. September 2015 erhielt. Mit am 14. September 2015 beim Amtsgericht eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. In Unkenntnis hiervon beauftragte der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in dem Verfahren. Dieser reichte - ohne Kenntnis von der [X.] zu haben - am 23. September 2015 beim Amtsgericht einen Schriftsatz ein, mit dem dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 erlegte das Amtsgericht der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf.

3

Mit Antrag vom 20. Januar 2016 hat der Antragsgegner um Festsetzung seiner Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € ersucht. Dem hat das Amtsgericht entsprochen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags gerichtetes Begehren weiter.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 70 Abs. 4 FamFG begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist. Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige [X.] mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (vgl. [X.] Beschluss vom 20. November 2012 - [X.]/12 - NJW 2013, 1369 Rn. 5 mwN; [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 70 Rn. 48a; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 30. September 2015 - [X.] 635/14 - FamRZ 2015, 2147 Rn. 6 mwN und vom 11. September 2013 - [X.] 54/13 - FamRZ 2013, 1878 Rn. 7 mwN).

6

2. Das [X.] hat seine in [X.], 138 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

7

Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts habe die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. [X.] seien die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendigen Aufwendungen. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO seien dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden [X.] grundsätzlich zu erstatten und damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen.

8

Zwar habe der [X.] mit Beschluss vom 25. Februar 2016 ([X.]Z 209, 120 = [X.], 900) ausgesprochen, entscheidend sei darauf abzustellen, ob die kostenauslösende Maßnahme objektiv erforderlich sei, so dass es auf eine Unkenntnis des [X.]s von einer Berufungsrücknahme nicht ankomme. Folgte man dem auch in der vorliegenden Konstellation und stellte daher auf die Rücknahme des Antrags ab, hätte der Antragsgegner die zweifelsfrei angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen.

9

Diese einer Mindermeinung entsprechende Rechtsansicht sei jedoch von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar. Sie widerspreche der Rechtsprechung des [X.] und der ganz herrschenden Meinung, nach der die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig seien, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels gehabt hätten. Der Ausgangspunkt des [X.]s sei bereits sprachlich unklar. Entscheidend sei aber, dass nach der Wertung des [X.]s die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene [X.] das volle Kostenrisiko tragen solle für den Fall, dass diese Prozesshandlungen zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt zurückgenommen würden. Die vom [X.] vertretene Ansicht, eine bestehende Ungewissheit könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheine bedenklich und praxisfremd.

Richtig sei demnach, mit dem [X.] nur auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden [X.] abzustellen. Wisse diese unverschuldet nichts von einer zwischenzeitlichen Rücknahme, sei Erstattungsfähigkeit anzunehmen.

3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des [X.]s ist unzutreffend. Denn dieses hat die Erstattungsfähigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage von § 91 ZPO geprüft, der im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar ist.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist mit der elterlichen Sorge eine Kindschaftssache nach § 151 Nr. 1 FamFG. Anders als in Ehesachen und Familienstreitsachen, für die § 113 Abs. 1 ZPO anstelle der §§ 80 ff. FamFG die entsprechende Geltung der Kostenbestimmungen in §§ 91 ff. ZPO anordnet, richten sich in [X.] als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Kosten nach den §§ 80 ff. FamFG. Der - auch vom [X.] zitierte - § 85 FamFG ordnet lediglich für die Kostenfestsetzung die entsprechende Anwendung der §§ 103 bis 107 ZPO an.

Ob die streitgegenständlichen Kosten von der Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts, nach der die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erfasst sind, bestimmt sich vorliegend gemäß § 80 Satz 1 FamFG, wonach Kosten - neben den Gerichtskosten - die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, den das [X.] zur Begründung der Notwendigkeit der Rechtsanwaltskosten herangezogen hat, ist nicht einschlägig, weil § 80 Satz 2 FamFG nicht auf ihn verweist. Vielmehr erfordert die Bejahung der Notwendigkeit die auf einer einzelfallbezogenen Prüfung beruhende Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig war (vgl. [X.] 2016, 1198). An einer solchen Feststellung fehlt es bislang.

4. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

a) Die vom Antragsgegner begehrte Festsetzung der Rechtsanwaltskosten ist vorliegend nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die kostenauslösenden Maßnahmen erst erfolgten, als der für die begehrte Übertragung der elterlichen Sorge nach §§ 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB, 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Antrag bereits wirksam (§ 22 Abs. 1 FamFG) und nach § 22 Abs. 2 FamFG mit verfahrensbeendender Wirkung zurückgenommen war.

aa) Die vom [X.] kritisierte Rechtsprechung des [X.]s ist zum Umfang der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergangen. Nach dieser Norm hat die unterliegende [X.] - und gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger - dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Notwendig in diesem Sinne sind danach nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen [X.] aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist ([X.]Z 209, 120 = [X.], 900 Rn. 8 mwN; vgl. auch [X.] Beschluss vom 23. November 2006 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 mwN).

Auf dieser Grundlage hat der [X.] entschieden, dass im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des - bereits begründeten - Rechtsmittels beantragt wird, dann nicht erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht. Denn die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels stellt keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Die subjektive Unkenntnis des [X.]s ist nämlich nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung wie die Stellung eines [X.] nach Rücknahme der Berufung zu begründen. Die Frage, ob dem [X.] ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt ([X.]Z 209, 120 = [X.], 900 Rn. 9 f. mwN; vgl. auch [X.] Beschluss vom 23. November 2006 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 zur Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung).

bb) Dies wird von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur anders gesehen (vgl. etwa [X.] 2013, 98, 100; OLG Saarbrücken JurBüro 2015, 190 f.; [X.] FamRZ 2015, 1227, 1228; [X.] 2013, 441, 442; [X.] FamRZ 2013, 1159; [X.], 503 f.; [X.] ZfS 2016, 287 f.; vgl. auch [X.] 2016, 1198; [X.] FD-RVG 2016, 381533; Hk-ZPO/[X.] 7. Aufl. § 516 Rn. 11). Die Kostenerstattung richte sich nämlich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständig und kostenbewusst handelnde [X.] die konkrete Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen dürfe. Neben einem Hinweis auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden [X.] in allen Prozessen zu erstatten sind, wird unter anderem auch darauf verwiesen, dass nur durch Annahme der Erstattungsfähigkeit den berechtigten Interessen des Gegners an einer adäquaten Rechtsverteidigung Rechnung getragen werden könne. Zudem habe es der Kläger bzw. Rechtsmittelführer selbst in der Hand, den Gegner durch frühzeitige Mitteilung der Rücknahme bösgläubig zu machen.

cc) Welcher dieser zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vertretenen Auffassungen zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls im Rahmen des § 80 Satz 1 FamFG können auch nach Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme entstandene Kosten des Antrags- oder [X.]s erstattungsfähig sein.

(1) Erstattungsfähige Kosten sind nach § 80 Satz 1 FamFG neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 80 Satz 2 FamFG verweist für letztere auf § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO (notwendige Reisen und Zeitversäumnis durch notwendige Terminswahrnehmung), nicht aber auf die Regelung des § 91 Abs. 2 ZPO zu Rechtsanwaltskosten. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet sich von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, gibt aber ebenso wie dieser auf die Frage, inwieweit für die Notwendigkeit von Kosten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, keine eindeutige Antwort.

(2) Die Vorschrift des § 80 Satz 1 FamFG ist nicht § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern § 162 Abs. 1 VwGO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Dieser regelt, dass Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens sind. Ob Aufwendungen der Beteiligten notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, ob ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Prozessverlauf nachträglich als unnötig herausstellt (BVerwG Rpfleger 2008, 666, 667; NJW 2000, 2832; NJW 1964, 686; [X.] VwGO/[X.] [Stand: 1. Oktober 2016] § 162 Rn. 51 mwN; [X.]/[X.] VwGO 22. Aufl. § 162 Rn. 3; Kugele VwGO § 162 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.] VwGO 4. Aufl. § 162 Rn. 11). Maßgeblich ist mithin die "verobjektivierte" Sicht eines verständigen Beteiligten ([X.] in [X.] VwGO 2. Aufl. § 162 Rn. 11), nicht ein rein objektiver Maßstab (BVerwG NJW 1964, 686; [X.]/[X.] VwGO 14. Aufl. § 162 Rn. 3). Folgerichtig wird - soweit ersichtlich - die Frage, ob Rechtsanwaltsgebühren nach § 162 VwGO auch dann erstattungsfähig sein können, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz einreicht, ohne die bereits erfolgte Rücknahme zu kennen oder kennen zu müssen, bejaht (vgl. [X.] NVwZ-RR 1998, 342 f.; [X.] in [X.]/[X.]/Bier VwGO [Stand: Juni 2016] § 162 Rn. 46).

(3) Nichts anderes gilt für § 80 Satz 1 FamFG. Auch im Rahmen dieser Vorschrift sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt (vgl. [X.], 1743 f.; [X.] FamFG/Nickel [Stand: 1. Dezember 2016] § 80 Rn. 7; [X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 21; [X.]/[X.] [X.]. § 80 FamFG Rn. 35; Prütting/Helms/[X.] FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 3a; Hk-ZPO/[X.] 7. Aufl. § 80 FamFG Rn. 5; [X.] in Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 9; [X.]/[X.] ZPO 31. Aufl. § 80 FamFG Rn. 3; so zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch [X.]Z 166, 117 = NJW 2006, 2260 Rn. 20 und [X.] Beschluss vom 16. Oktober 2002 - [X.]/02 - FamRZ 2003, 441, 443). Soweit in Rechtsprechung und Literatur sprachlich hiervon abweichend darauf abgestellt wird, dass die Kosten nach der allgemeinen Verkehrsauffassung objektiv aufzuwenden sein müssten (vgl. [X.] FamRZ 2012, 735; [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 5; MünchKommFamFG/[X.]. § 80 Rn. 10; [X.] in Bork/[X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 6), begründet dies keinen sachlichen Unterschied. Denn die allgemeine Verkehrsauffassung steht insoweit für den „verobjektivierten“ Standpunkt des verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Beteiligten. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit nach § 80 Satz 1 FamFG ist mithin kein rein objektiver. Die Frage, ob vom Antrags- oder [X.] trotz bereits erfolgter Rücknahme verursachte Kosten notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG sind, ist nicht aufgrund der objektiven Verfahrenssituation, sondern von diesem "verobjektivierten" Standpunkt aus zu beantworten.

(a) Den Kostenbestimmungen der §§ 80 ff. FamFG liegt ein anderes Regelungskonzept als den §§ 91 ff. ZPO zugrunde. Während nach der Zivilprozessordnung die Kostenlast regelmäßig dem jeweiligen Obsiegen oder Unterliegen folgt, haben die §§ 80 ff. FamFG in viel stärkerem Maße den Einzelfall und dabei, wie § 81 Abs. 2 FamFG belegt, subjektive Elemente der schuldhaften Kostenverursachung im Blick. Dies gewinnt nicht nur für die Kostengrundentscheidung, sondern auch für das Verständnis des Begriffs der Notwendigkeit in § 80 Satz 1 FamFG Bedeutung. Darf ein Beteiligter nach den Informationen, die ihm zur Verfügung stehen oder zumindest stehen müssten, bei verständiger und wirtschaftlich vernünftiger, eine sparsame Verfahrensführung berücksichtigenden Herangehensweise davon ausgehen, dass eine Maßnahme sachdienlich ist, so erwächst ihm aus der Vornahme der Maßnahme kein Vorwurf. So aber verhält es sich, wenn er als Antrags- oder [X.] davon ausgeht und ausgehen darf, sich in einem Verfahren zur Wehr setzen zu müssen. Eine Rücknahme, die er weder kennt noch kennen muss, hat hierauf keinen Einfluss. [X.] ist vielmehr letztlich allein der Antragsteller oder Rechtsmittelführer.

Jedenfalls im Rahmen des § 80 FamFG wäre es im Gegenteil systemfremd und auch unbillig, dem Antrags- oder [X.], der auf den Rücknahmezeitpunkt keinen Einfluss hat, einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu versagen, wenn er bei Verursachung der Kosten auch vom Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, auf Kostengeringhaltung bedachten Beteiligten von der Notwendigkeit dieser Kosten ausgehen durfte.

(b) Zu keinem anderen Ergebnis führt bei § 80 FamFG die Überlegung, bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme im Kostenfestsetzungsverfahren, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, sei eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Vor diesem Hintergrund sei es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" von [X.] und [X.]) zu belasten (vgl. [X.]Z 209, 120 = [X.], 900 Rn. 11; [X.] Beschluss vom 23. November 2006 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17). Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 85 FamFG, §§ 103 bis 107 ZPO muss ohnehin stets eine Einzelfallprüfung danach erfolgen, ob notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 FamFG vorliegen. Dies gilt auch für Rechtsanwaltskosten, weil es an einer § 91 Abs. 2 ZPO entsprechenden Norm fehlt. Die für den Ausnahmefall der vor Kostenverursachung erfolgten Rücknahme erforderliche Prüfung, ob eine unverschuldete Unkenntnis des Antrags- oder [X.]s vorliegt, bedeutet in diesem Zusammenhang keine Überfrachtung des Kostenfestsetzungsverfahrens.

b) Der Senat kann die Notwendigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht selbst beurteilen. Insoweit fehlt es bereits an ausreichenden Feststellungen zur Schwierigkeit der Sache (vgl. etwa [X.] FamRZ 2012, 735; [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 28; MünchKommFamFG/[X.]. § 80 Rn. 11; [X.]/Weinreich/Keske FamFG 5. Aufl. § 80 Rn. 50). Diese wird das [X.] nun zu treffen haben.

Dose      

        

[X.]      

        

Schilling

        

Botur      

        

Guhling      

        

Meta

XII ZB 447/16

25.01.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 30. August 2016, Az: 11 WF 733/16, Beschluss

§ 80 S 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2017, Az. XII ZB 447/16 (REWIS RS 2017, 16712)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16712


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 447/16

Bundesgerichtshof, XII ZB 447/16, 25.01.2017.


Az. 11 WF 733/16

OLG München, 11 WF 733/16, 30.08.2016.


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