Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.08.2023, Az. 2 BvR 49/23

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2023, 5558

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der fachgerichtlichen Behandlung einer strafvollzugsrechtlichen Eilsache (vierwöchiges Besuchsverbot im Maßregelvollzug) - zwar verfassungsrechtliche Bedenken an fachgerichtlichem Vorgehen - allerdings mangelnde Darlegung der Annahmevoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

1

Die [X.]beschwerde betrifft die Verfahrensführung der Strafvollstreckungskammer des [X.] in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde durch das [X.] mit Urteil vom 13. März 2021 wegen Verstößen gegen das [X.] zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Darüber hinaus ordnete das [X.] gemäß § 64 StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an und bestimmte den [X.] auf 18 Monate. Dieser endete mit Ablauf des 2. September 2022.

3

2. Am 26. oder 27. Oktober 2022 - die Angaben im fachgerichtlichen Verfahren und in der [X.] divergieren insoweit - wurde der Beschwerdeführer in den Maßregelvollzug der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Lüneburg (im Folgenden: Fachklinik) aufgenommen und mit einer vierwöchigen Kontaktsperre belegt, die Telefonate und externe Besuche umfasste. Lediglich Telefonate mit seiner Ehefrau wurden einmal wöchentlich für die Dauer von 30 Minuten zugelassen.

4

3. Gegen diese Anordnung stellte der Beschwerdeführer durch seine Prozessbevollmächtigte am 4. November 2022 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] beim [X.] Lüneburg mit dem Ziel, den Vollzug der vorbezeichneten Maßnahme auszusetzen. Der Antrag, der noch am selben Tag beim [X.] einging, war mit dem fettgedruckten Zusatz "[X.] SEHR!!! BITTE SOFORT VORLEGEN!!!" versehen. Zur Begründung trug der Beschwerdeführer vor, seine Ehefrau stelle die für ihn wichtigste und einzige Kontaktperson dar. Während des vorangegangenen Strafvollzugs habe er täglich unbegrenzt mit seiner Ehefrau telefonieren und auch wöchentlich Besuch empfangen dürfen. Mit der nunmehr erlassenen Anordnung werde dieser Kontakt nahezu verhindert. Es liege insoweit eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 [X.] vor. Soweit die Fachklinik - was zu vermuten sei - die Anordnung mit einer Eingewöhnungsphase zu begründen versuchen sollte, hätten derartige Erwägungen keine wissenschaftliche Grundlage und stünden mit der Rechtsprechung des [X.] nicht in Einklang. Die Fachklinik habe es versäumt, vor Erlass der Anordnung eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen. Ohne Eilrechtsschutz durch das [X.] entstünden für den Beschwerdeführer schwere und unzumutbare Nachteile, die in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

5

4. Mit Verfügung vom 11. November 2022 veranlasste der mit der Sache befasste Richter des [X.] die Übersendung des Antrags vom 4. November 2022 an die Fachklinik und gab dieser Gelegenheit zur Stellungnahme "binnen einer Woche". An die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers verfügte er zeitgleich ein Schreiben mit dem Inhalt, dass ihm als dem für Maßregelvollzugssachen zuständigen Richter der Antrag vom 4. November 2022 "heute" vorgelegt worden sei und er die Fachklinik zur Stellungnahme zum Eilantrag binnen einer Woche aufgefordert habe. Die Verfügung wurde am 14. November 2022 umgesetzt.

6

5. Mit Schreiben vom 16. November 2022 wies die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers darauf hin, dass die der Fachklinik gesetzte Stellungnahmefrist von einer Woche durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Der Eilantrag liege dem Gericht bereits seit dem 4. November 2022 vor. Soweit eine Weiterleitung des Antrags an die Fachklinik erst am 14. November 2022 erfolgt und dieser zugleich eine Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt worden sei, lasse die Strafvollstreckungskammer den Eilantrag im Ergebnis leerlaufen, da mit Ablauf des 26. November 2022 ([X.]) Erledigung eintrete. Um den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 [X.] gerecht zu werden, hätte [X.]h die Kammer gedrängt sehen müssen, eine Stellungnahme fernmündlich oder aber mit einer sehr kurzen Frist einzuholen.

7

6. Die Fachklinik trat dem Eilantrag mit Stellungnahme vom 21. November 2022 entgegen. In Therapieeinrichtungen für suchterkrankte Menschen sei es durchaus üblich, dem Patienten zu Beginn der Behandlung eine Kontaktsperre aufzuerlegen. Hintergrund sei der Gedanke, dass [X.]h der Patient besser auf eine Therapie einlassen könne, wenn zunächst ein Abstand zu den bisherigen [X.] Bezugspersonen bestehe. Diese Regelung, die früher "sehr dogmatisch vertreten" worden sei, sei unter Suchttherapeuten "mittlerweile nicht unumstritten". Im Rahmen einer konzeptionellen Weiterentwicklung sei im Fall des Beschwerdeführers die Sperre für Telefonate und [X.]-Kontakte zum 16. November 2022 aufgehoben worden. Besuche seien indes weiterhin erst ab einem Behandlungszeitraum von vier Wochen möglich.

8

7. Mit Schreiben vom 22. November 2022 übermittelte die Strafvollstreckungskammer der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers die vorgenannte Stellungnahme und gab dieser Gelegenheit zur kurzfristigen Erwiderung. Mit ebenfalls übermitteltem Vermerk vom selben Tag wies die Kammer darauf hin, dass in Anbetracht der Aufhebung der telefonischen Kontaktsperre nur noch die Frage von Besuchen verfahrensgegenständlich sein dürfte. Ferner gab sie eine Literaturmeinung wieder, wonach es rechtlich vertretbar sei, eine rigorose Kontaktsperre auch zu Angehörigen noch als rechtlich zulässig anzusehen, die Dinge aber mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls anders zu betrachten seien, wenn bei einem Angehörigen überhaupt nicht zu befürchten sei, dass er die Bemühungen der Entziehungsanstalt gefährden könnte (unter Verweis auf [X.]/[X.], Maßregelvollzug, 8. Aufl. 2015, III. Teil Rn. 554 ff.). Das Gericht habe nach Kenntnis der Stellungnahme der Fachklinik telefonische Rücksprache gehalten, um die Gründe für die Untersagung von Besuchen abzuklären. Der [X.] habe nicht erreicht werden können. Seine Vertreterin habe aber zugesagt, kurzfristig hierzu telefonische Mitteilung zu machen. Nach höchst vorläufiger Auffassung der Kammer erscheine eine Kontaktsperre "von einem Monat" nicht von vornherein unverhältnismäßig, zumal dem Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 [X.] infolge der nunmehr bestehenden Möglichkeiten des Kontakts per Telefon oder [X.] Rechnung getragen sein dürfte.

9

8. Mit Vermerk vom 23. November 2022 führte das [X.] aus, es habe an diesem Tag mit der stellvertretenden [X.]in telefonisch Rücksprache gehalten. Diese habe die Erforderlichkeit der [X.] von vier Wochen damit begründet, dass die Klinik diese [X.] für die Durchführung der Anamnese und zur Feststellung möglicher therapiebeeinträchtigender Umstände benötige. Mit der Ehefrau des Beschwerdeführers sei ein Erstgespräch vereinbart gewesen, welches diese jedoch abgesagt habe. Auch sei der familiäre Kontext bisher offen[X.]htlich nicht in der Weise protektiv gewesen, dass die Straftaten des Beschwerdeführers verhindert worden seien. Es finde indes eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Kontaktsperre statt. Der Vermerk wurde der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers noch am 23. November 2022 zugeleitet, verbunden mit der Frage, ob der Antrag betreffend die [X.] aufrechterhalten bleiben solle. Nach vorläufiger Auffassung der Kammer dürften die von der Fachklinik angeführten Gründe die [X.] - jedenfalls in dem gesetzten zeitlichen Rahmen - auch unter Berück[X.]htigung von Art. 6 [X.] nicht als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

9. Am 23. November 2022 erklärte der Beschwerdeführer durch seine Prozessbevollmächtigte den Antrag vom 4. November 2022 hin[X.]htlich der telefonischen Kontaktsperre für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens insoweit der Fachklinik aufzuerlegen. Hin[X.]htlich der [X.] hielt er jedoch an dem Eilantrag fest. Nach der von der Kammer zitierten Literaturmeinung dürfe eine Kontaktsperre nicht routinemäßig verhängt werden. Dies sei hier jedoch der Fall. Die Gründe, welche die Fachklinik zur Anordnung der [X.] angeführt habe, reichten nicht aus, um den mit ihr einhergehenden Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Die Klinik mache keinerlei Ausführungen dazu, inwieweit sie befürchte, die Ehefrau des Beschwerdeführers könne deren Bemühungen gefährden. Soweit sie nunmehr darauf abstelle, der familiäre Kontext habe die Straftaten des Beschwerdeführers nicht verhindert, könne dies allein nicht dazu führen, eine Kontaktsperre zu verhängen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe zu keinem [X.]punkt in der Drogenszene gelebt, was auch jetzt nicht der Fall sei. Sie sei die wichtigste Bezugsperson des Beschwerdeführers. Den Gesprächstermin mit der Fachklinik habe sie abgesagt, weil dieser erst nach drei Wochen habe stattfinden sollen, wodurch ihr Vertrauen in die Fachklinik erheblich erschüttert worden sei.

10. Ergänzend bat die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 24. November 2022 um Mitteilung, weshalb das [X.] nach der Stellungnahme der Fachklinik vom 21. November 2022 telefonischen Kontakt mit dieser aufgenommen habe. Deren rechtliches Gehör sei mit einer Stellungnahmefrist von einer Woche mehr als gewahrt worden. Das Vorgehen des [X.]s erwecke den Anschein, dass die Stellungnahme vom 21. November 2022 nicht ausreichend gewesen sei. Bei den nunmehr erfolgten telefonischen Angaben handele es [X.]h um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

11. Am 25. November 2022 teilte [X.] des [X.]s der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, er habe [X.]h am Vortag aufgrund einer Tätigkeit als Prüfer des [X.] Landesjustizprüfungsamts nicht im Dienst befunden. Beim Formulieren einer Entscheidung hin[X.]htlich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei ihm nunmehr "aufgefallen", dass die in der Anordnung der Fachklinik anberaumte Frist von vier Wochen abgelaufen sein dürfte. Eine telefonische Rücksprache mit der ständigen Vertreterin des [X.]s habe ergeben, dass der Beschwerdeführer mittlerweile [X.] stellen könne. Soweit die Prozessbevollmächtigte moniere, dass die Kammer telefonisch Rücksprache mit der Fachklinik gehalten habe, habe [X.]h das Gericht hierzu aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes veranlasst gesehen.

12. Mit Schreiben vom 25. November 2022 führte die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aus, sie habe bereits am 16. November 2022 darauf hingewiesen, dass die gestellten Anträge aufgrund der durch das [X.] gewährten Fristen ins Leere zu laufen drohten. Diese Situation sei nun tatsächlich eingetreten.

13. Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2022 entschied das [X.], der Beschwerdeführer habe seine eigenen notwendigen Auslagen zu tragen. Soweit [X.]h der Antrag vom 4. November 2022 gegen die Sperre für Telefonate und [X.] gerichtet habe, habe der Beschwerdeführer diesen für erledigt erklärt. Soweit [X.]h der Antrag gegen das Besuchsverbot gerichtet habe, habe er [X.]h durch [X.]ablauf erledigt. Über die Verteilung der Kosten sei gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] nach billigem Ermessen zu entscheiden gewesen. Hiernach seien die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, weil sein Antrag auch ohne Erledigung nicht erfolgreich gewesen wäre. Die Kammer nehme insoweit Bezug auf die Vermerke vom 22. und 23. November 2022.

II.

Mit seiner am 14. Januar 2023 fristgerecht eingegangenen [X.]beschwerde wendet [X.]h der Beschwerdeführer gegen den rubrizierten Beschluss und rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 [X.].

Zwar gewährleiste Art. 19 Abs. 4 [X.] die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen nicht schlechthin, sodass es von [X.] wegen nicht zu beanstanden sei, wenn der Gesetzgeber im Bereich des Strafvollzugs die sofortige Vollziehung als Regel und die Aussetzung des Vollzugs als Ausnahme vorsehe. Dabei müsse jedoch gewährleistet sein, dass der Betreffende umgehend eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen könne, ob im konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder aber das Interesse des Einzelnen an der Aussetzung der Vollstreckung bis zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme überwiege. Bei dieser Abwägung falle der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker ins Gewicht, je schwerer die ihm auferlegte Belastung sei und je mehr die Maßnahme der Exekutive Unabänderliches bewirke. Für die Gerichte ergäben [X.]h aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Anforderungen auch für den vorläufigen Rechtsschutz. Die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen müsse darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz [X.]h auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfe, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hin[X.]ht führe.

Die Auslegung und Anwendung des § 114 Abs. 2 [X.] durch das [X.] verkenne diese Anforderungen. Der Beschwerdeführer sei verheiratet, sodass die Untersagung von Besuch unmittelbar sein Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 [X.] berühre. Dies sei vom [X.] nicht berück[X.]htigt worden. Es habe den Antrag auf Eilrechtsschutz sehenden Auges und trotz wiederholter Hinweise hierauf leerlaufen lassen, wie bereits der Umstand zeige, dass das [X.] den [X.] nach dessen Eingang zehn Tage nicht bearbeitet habe. Erschwerend komme hinzu, dass das [X.] selbst zum [X.]punkt der Befassung nicht situationsgerecht gehandelt und den Antrag weiterhin mit einer "bemerkenswerten Entspannung" behandelt habe, indem es der Fachklinik eine Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt habe.

Wie das [X.] schließlich zu seiner Kostenentscheidung im angegriffenen Beschluss gekommen sei, sei "völlig nebulös" und nicht nachvollziehbar.

III.

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar ist die Vorgehensweise des [X.] nicht frei von verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht er[X.]htlich, dass die Voraussetzungen zur Annahme der [X.]beschwerde gemäß § 93a Abs. 2 [X.]G vorliegen.

1. Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm im [X.]beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen dürfte das Vorgehen des [X.]s, über den gestellten [X.] gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht bis zum zeitlichen Auslaufen der insoweit angegriffenen Anordnung zu entscheiden, mit der in Art. 19 Abs. 4 [X.] enthaltenen Rechtsschutzgarantie nicht zu vereinbaren sein.

a) Art. 19 Abs. 4 [X.] gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem [X.] Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. [X.] 35, 382 <401 f.>; 37, 150 <153>; 101, 397 <407>; stRspr). Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener [X.] gewährt wird. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergeben [X.]h auch Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. [X.] 49, 220 <226>; 77, 275 <284>; 93, 1 <13 f.>; stRspr). Dieser muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz [X.]h auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hin[X.]ht führt (vgl. [X.] 40, 272 <275>; 61, 82 <111>; 67, 43 <58>; [X.]K 1, 201 <204 f.>). Insbesondere der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn [X.]h eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist (vgl. [X.] 37, 150 <153>; 65, 1 <70>). Wo die Dringlichkeit eines Eilantrages es erfordert, muss das angerufene Gericht, wenn es eine Stellungnahme der Gegenseite einholt, die für eine rechtzeitige Entscheidung erforderliche Zügigkeit der Kommunikation [X.]herstellen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. August 2020 - 2 BvR 437/20 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 2. Juni 2021 - 2 BvR 899/20 -, Rn. 22; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 25. Mai 2022 - 2 BvR 167/22 -, Rn. 20). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. [X.] 79, 69 <75>; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 25. Mai 2022 - 2 BvR 167/22 -, Rn. 20 m.w.N.).

b) Es spricht jedenfalls in einer Gesamtschau viel dafür, dass die Strafvollstreckungskammer des [X.]s diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. So erweist es [X.]h bereits als bedenklich, dass der am 4. November 2022 beim [X.] eingegangene und auch optisch als solcher erkennbare [X.] des Beschwerdeführers, der eine grundrechtssensible Anordnung im Maßregelvollzug zum Gegenstand hatte, offenbar erstmals am 11. November 2022 durch [X.] ge[X.]htet wurde. Auch die weitere gerichtliche Behandlung des Antrags lässt eine insoweit gebotene zügige Vorgehensweise nicht erkennen. Schon bei der Gewährung einer einwöchigen Stellungnahmefrist für die Fachklinik musste es [X.]h der Strafvollstreckungskammer aufdrängen, dass eine gerichtliche Entscheidung über den Antrag gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] allenfalls noch kurz vor dem Auslaufen der auf vier Wochen befristeten Anordnung möglich sein würde. Soweit die Abfassung einer Entscheidung nach Eingang der angefragten Stellungnahme wegen der Abwesenheit des zur Entscheidung berufenen [X.] nicht möglich gewesen sein sollte, vermag dies das [X.] einer Sachentscheidung ebenso wenig zu rechtfertigen wie die offenbar irrige Annahme eines Geltungszeitraums der angegriffenen Anordnung von einem Monat (statt vier Wochen). Durch die späte Eingangsbearbeitung, die Stellungnahmefrist von einer Woche für die Fachklinik und die Gestaltung des weiteren Verfahrens nach Eingang der Stellungnahme hat die Strafvollstreckungskammer des [X.]s den Antrag des Beschwerdeführers faktisch leerlaufen lassen, ohne dass die geschilderte Vorgehensweise unausweichlich gewesen wäre.

2. Beschwerdegegenstand gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.]G ist vorliegend indes allein der Beschluss des [X.]s vom 13. Dezember 2022. Insoweit hat der Beschwerdeführer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.]G nicht aufzuzeigen vermocht (vgl. [X.] 89, 340 <342 f.>; 90, 22 <27>).

a) Der [X.]beschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]G). Das [X.] hat die für den vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen bereits entschieden.

b) Die Annahme der [X.]beschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.]G genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G). Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass er im Fall der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses vom 13. Dezember 2022 im Ergebnis eine ihm günstigere Entscheidung erreichen könnte (vgl. hierzu [X.] 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <301 f.>; [X.]K 18, 360 <364>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 1. Februar 2017 - 2 BvR 2438/15 -, Rn. 7; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 2. Juni 2021 - 2 BvR 899/20 -, Rn. 26). Ausführungen hierzu hätten aufgrund der spezifischen Situation des zur Entscheidung stehenden Falls indes besonders nahegelegen.

Im Falle der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses hätte das [X.] über die Kosten des Verfahrens gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] erneut zu entscheiden. Es hat im Rahmen des angegriffenen Beschlusses seine nach der vorgenannten Norm zu treffende Billigkeitsentscheidung darauf gestützt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auch ohne Erledigung nicht erfolgreich gewesen wäre. Zur Begründung hat es [X.]h auf die in den Vermerken vom 22. und 23. November 2022 gemachten rechtlichen Ausführungen bezogen. Diesen setzt der Beschwerdeführer mit seiner [X.]beschwerde, die allein die zögerliche Behandlung des [X.] durch das [X.] rügt, nichts Substantielles entgegen. Seine Behauptung, es bleibe "völlig nebulös", auf welche Erwägungen das [X.] seine Kostenentscheidung gestützt habe, geht vor dem Hintergrund der Bezugnahme auf die Vermerke vom 22. und 23. November 2022 fehl. Auf der Grundlage der mit der [X.]beschwerde gemachten Ausführungen des Beschwerdeführers ist somit nicht er[X.]htlich, dass er im Fall der Aufhebung der Kostenentscheidung des [X.]s eine ihm günstigere Kostenentscheidung erreichen könnte.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 49/23

03.08.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Lüneburg, 13. Dezember 2022, Az: 162 StVK 61/22, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 93a Abs 2 BVerfGG, § 114 Abs 2 S 1 StVollzG, § 121 Abs 2 S 2 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.08.2023, Az. 2 BvR 49/23 (REWIS RS 2023, 5558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5558

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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