Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.09.2017, Az. 2 BvR 455/17

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 4889

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Rechtsschutz eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten gegen die Verlegung in eine Absonderungszelle nach Erledigung der Maßnahme - Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz durch Verneinung des Rechtsschutzinteresses für Feststellungsklage trotz Grundrechtseingriffs, sowie durch Behandlung einer Rechtsbeschwerde gem § 116 Abs 1 StVollzG als unzulässig, ohne dass Anhaltspunkte für fehlende Wiederholungsgefahr benannt wurden


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 29. September 2016 - [X.] - und der Beschluss des [X.] vom 10. Januar 2017 - III - 1 Vollz ([X.]) 541/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Der Beschluss des [X.] vom 24. Januar 2017 - III - 1 Vollz ([X.]) 541/16 - wird damit gegenstandslos.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die kurzfristige Verlegung des in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Beschwerdeführers in einen [X.] der Klinik sowie den drei Tage andauernden Einschluss darin.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer ist gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Seit dem 22. April 2013 befand er sich in einer Klinik in [X.]; am 12. August 2016 wurde er in eine Psychiatrie in [X.] verlegt.

3

2. Am 16. März 2016 erhielt die Leitung der Klinik in [X.] Kenntnis davon, dass die [X.] des doppeltverglasten Fensters im Wohnraum des Beschwerdeführers beschädigt war und einer Reparatur bedurfte. Da nach Angabe der Klinikleitung andere geeignete Räumlichkeiten nicht zur Verfügung standen, wurde der Beschwerdeführer für die Dauer der Reparatur der Scheibe vom 16. bis zum 18. März 2016 in einen [X.] verlegt. Der Beschwerdeführer konnte dorthin persönliche Gegenstände mitnehmen; seine Gemeinschaftszeit wurde durch die Verlegung zunächst nicht beschränkt.

4

3. Mit einem auf den 16. März 2016 datierten - laut gerichtlichem Eingangsstempel am 24. März 2016 eingegangenen - Schriftstück stellte der Beschwerdeführer beim [X.] einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Aufhebung der Unterbringung in der [X.]. Es handele sich bei dem [X.] um einen gefliesten Raum mit einer Matratze auf dem Boden, einem Stuhl-WC und Kameras, wobei letztere - angeblich - nicht angeschaltet seien. Gründe für eine Verlegung gebe es nicht: Die [X.] des Fensters in seiner Zelle sei bereits seit seinem Einzug kaputt gewesen; durch eine fortgesetzte Benutzung seines Wohnraums wäre eine Gefährdung tatsächlich nicht zu erwarten gewesen. Insbesondere bestehe die Möglichkeit, das innere Fenster abzuschließen, sodass ihm ein Zugriff auf die äußere Scheibe nicht mehr möglich gewesen wäre.

5

4. Am Abend des 16. März 2016 kam es zwischen dem Beschwerdeführer und einem Mitpatienten zu einer verbalen Auseinandersetzung; nach Angabe der Klinikleitung habe der Beschwerdeführer den Mitpatienten zudem angespuckt. Daraufhin wurde gegen den Beschwerdeführer durch die therapeutische Leitung der Klinik gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 5 Halbsatz 1 des [X.] ([X.]) die Absonderung angeordnet. Vom Abend des 16. März 2016 bis zum 18. März 2016 befand sich der Beschwerdeführer in dem [X.] unter Einschluss; am 18. März 2016 wurde er - zunächst unter Fortsetzung der Absonderung - auf seine zuvor bewohnte Zelle zurückverlegt.

6

5. Mit Schreiben vom 22. März 2016 setzte der Beschwerdeführer das [X.] über die am Abend des 16. März 2016 angeordnete vollständige Absonderung in Kenntnis. Zugleich teilte er mit, dass auch diese Maßnahme nunmehr beendet sei.

7

6. Der Stellungnahme der Klinikleitung zufolge war die Absonderung am 24. März 2016 vollständig beendet. Dass der Beschwerdeführer während der Reparatur des Fensters aus Kapazitätsgründen für wenige Tage in den [X.] habe umziehen müssen, begegne keinen rechtlichen Bedenken. Vor dem Hintergrund der [X.] sei nur der [X.] als kurzfristiges [X.] verblieben. Unter Berücksichtigung der dem Beschwerdeführer eröffneten Möglichkeit, eigene Sachen mitzunehmen, und der weiterhin offenen Tür, und damit einer fehlenden weiteren Freiheitsbeschränkung, sei die vorübergehend geplante Maßnahme rechtmäßig, insbesondere keinesfalls unverhältnismäßig gewesen.

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Vor allem aber sei auch die ebenfalls am 16. März 2016 angeordnete [X.] rechtmäßig gewesen. Aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber dem Mitpatienten sei eine Störung des Zusammenlebens eingetreten, die eine weitere aggressive Eskalation ernstlich habe besorgen lassen. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] hätten vorgelegen.

9

7. Am 7. April 2016 wies das Gericht den Beschwerdeführer darauf hin, dass angesichts der laut der Stellungnahme der Klinik eingetretenen Erledigung des [X.] das Verfahren nunmehr "im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs" behandelt werde. In einer weiteren Stellungnahme trat der Beschwerdeführer sowohl der Sachverhaltsdarstellung als auch der rechtlichen Einschätzung der Klinikleitung entgegen.

8. Mit angegriffenem Beschluss vom 29. September 2016 verwarf das [X.] den Antrag des Beschwerdeführers, welcher sinngemäß auf die Aussetzung der angefochtenen Maßnahme sowie hilfsweise auf die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit gerichtet sei, als unzulässig. Die angegriffene [X.] habe sich zwischenzeitlich erledigt, das für die gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit erforderliche Feststellungsinteresse liege nicht vor.

In der Rechtsprechung hätten sich drei Fallgruppen herausgebildet, bei denen ein solches Feststellungsinteresse bejaht werden könne: bei einem [X.] aufgrund des diskriminierenden Charakters der Maßnahme, bei konkreter Wiederholungsgefahr sowie zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Anhaltspunkte für ein [X.] seien nicht anzunehmen; eine Grundrechtsverletzung sei nicht ersichtlich. Ein [X.] liege ebenfalls nicht vor.

Eine konkrete Wiederholungsgefahr sei weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Ein mit der drohenden Wiederholung begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme setze nämlich die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen Umständen eine gleichartige Konstellation erneut eintreten werde. Der Beschwerdeführer sei am 12. August 2016 nach [X.] verlegt worden. Es sei auch nicht konkret absehbar, dass er zurückverlegt werde. Anhaltspunkte dafür, dass sich eine ähnliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und der Klinikleitung wiederholen werde, lägen nicht vor. Der Eintritt einer vergleichbaren Lage sei daher höchstens abstrakt denkbar.

9. Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung des [X.] Rechtsbeschwerde ein, welche er unter anderem damit begründete, das Gericht habe ihn in seinem Recht aus Art. 19 Abs. 4 [X.] verletzt, weil nach der Rechtsprechung des [X.] auch bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs ein Feststellungsinteresse bestehe. Die Verneinung des [X.] insgesamt stelle unabhängig von allen weiteren Mängeln der Entscheidung eine Verletzung des Anspruchs auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes dar.

10. Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Januar 2017 verwarf das [X.] die Rechtsbeschwerde mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 [X.] als unzulässig.

Insbesondere seien die Grundsätze, nach denen ein Feststellungsinteresse in Fällen eines [X.]s aufgrund des diskriminierenden Charakters der beanstandeten Maßnahme, der konkreten Wiederholungsgefahr oder der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zu bestimmen sei, obergerichtlich geklärt. Der Fall biete damit keinen Anlass, weitere Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften aufzustellen.

Zudem seien die vorgenannten Grundsätze von der Strafvollstreckungskammer zutreffend erkannt und ausdrücklich berücksichtigt worden, weshalb die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten sei. Zwar könne hier trotz des Umstands, dass nicht jegliche Grundrechtsverletzung ein Feststellungsinteresse begründe, sondern dies insbesondere bei schwerwiegenden [X.] anzunehmen sei, fraglich sein, ob die Ablehnung eines diesbezüglichen Feststellungsinteresses durch die Strafvollstreckungskammer im Ergebnis zutreffend sei. Es handele sich insoweit jedoch ersichtlich allenfalls um einen Fehler im Einzelfall, von dem eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht ausgehe.

11. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge des Beschwerdeführers verwarf das [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 24. Januar 2017, dem Beschwerdeführer zugegangen am 2. Februar 2017, als unbegründet.


II.

1. Mit seiner am 1. März 2017 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung zahlreicher Grundrechte, unter anderem Art. 19 Abs. 4 [X.], sowie der [X.] sowie der [X.] und beruft sich zur Begründung auf sein Vorbringen im Ausgangsverfahren. Zudem beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. Dem [X.] ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Landesregierung [X.] hat mitgeteilt, von einer Stellungnahme abzusehen.

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an. Dies ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 [X.] angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das [X.] bereits entschieden worden. Demnach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Sowohl der Beschluss des [X.] Bochum vom 29. September 2016 als auch der Beschluss des [X.]s Hamm vom 10. Januar 2017 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 [X.].

1. Art. 19 Abs. 4 [X.] enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt ([X.] 67, 43 <58>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1206/13 -, juris, Rn. 19, vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33, und vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 1160/17 -, juris, Rn. 16; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 [X.] verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den [X.] gesichert ([X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1206/13 -, juris, Rn. 19, und vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33). Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. [X.] 94, 166 <213>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33).

2. Die Entscheidung des [X.] hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unter Berücksichtigung der Maßgaben, welche sich aus Art. 19 Abs. 4 [X.] für die Bestimmung des Feststellungsinteresses im Falle der Erledigung des angegriffenen Hoheitsaktes ergeben, nicht stand.

a) Art. 19 Abs. 4 [X.] verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen (vgl. [X.] 77, 275 <284>) und den Zugang zu den den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.] 44, 302 <305>; 69, 381 <385>; 77, 275 <284>; 134, 106 <117 Rn. 34>). Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es zwar grundsätzlich vereinbar, wenn die Gerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen (vgl. [X.] 96, 27 <39 f.>; 104, 220 <232 f.>; 110, 77 <85>).

Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet aber darüber hinaus, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. [X.] 81, 138 <140 f.>; 96, 27 <40>; 104, 220 <233 ff.>; 110, 77 <86>; stRspr), etwa beim sofortigen Vollzug einer Disziplinarmaßnahme im Strafvollzug (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Juli 1993 - 2 BvR 213/93 -, juris, Rn. 7). Das [X.] geht dementsprechend in solchen Fällen in ständiger Rechtsprechung vom Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses aus (vgl. [X.] 96, 27 <39>; 104, 220 <232 f.>; 110, 77 <85 f.>; 117, 71 <123>; 117, 244 <268>; [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 31. Januar 2017 - 1 BvR 1259/16 -, juris, Rn. 14, und vom 13. März 2017 - 1 BvR 563/12 -, juris, Rn. 16).

b) Das [X.] hat bei der Prüfung der Zulässigkeit des [X.] die dargelegten Maßstäbe insofern verkannt, als es die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe eines fortbestehenden [X.] bei gewichtigen [X.], bei denen sich die direkte Belastung durch den Hoheitsakt typischerweise bis zur Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung bereits erledigt hat, nicht berücksichtigt und dementsprechend überhaupt nicht geprüft hat, ob es sich insbesondere bei dem Einschluss des Beschwerdeführers in dem [X.] um eine solche Fallgestaltung handelte. Das Gericht hat lediglich festgestellt, dass "eine Grundrechtsverletzung […] nicht ersichtlich" sei, ohne dies indes näher zu begründen.

Ausgehend von dem Vortrag des Beschwerdeführers wäre eine solche Prüfung jedoch angezeigt gewesen: Zwar hat das [X.] den Einschluss im Maßregelvollzug lediglich als eine Form des Vollzugs der bereits bestehenden, richterlich angeordneten Freiheitsentziehung angesehen, die den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht betreffe (vgl. [X.] 130, 76 <111>). Ungeachtet dessen stand jedoch ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 [X.]) im Raum, da er durch die Absonderung etwa daran gehindert war, die ihm üblicherweise zustehende Gemeinschaftszeit in Anspruch zu nehmen, geschweige denn die [X.] überhaupt zu verlassen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Juli 1993 - 2 BvR 213/93 -, juris, Rn. 10 m.w.N.). Der angegriffenen Maßnahme des Einschlusses ist zudem immanent, dass der von ihr Betroffene während ihres Vollzugs daran gehindert ist, um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.

3. Die Rechtsbeschwerdeentscheidung wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 [X.] nicht gerecht und verletzt den Beschwerdeführer damit ebenfalls in seinem Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes.

a) Art. 19 Abs. 4 [X.] fordert zwar keinen Instanzenzug ([X.] 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1206/13 -, juris, Rn. 19, und vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 [X.] dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle ([X.] 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1206/13 -, juris, Rn. 19, und vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen ([X.] 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1206/13 -, juris, Rn. 19, und vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 33; stRspr).

Gegen gerichtliche Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern ist gemäß § 116 Abs. 1 [X.] die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (vgl. [X.]K 13, 438 <440>). Dabei ist anerkannt, dass es auch in Fällen, in denen die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung ausdrücklich oder implizit auf eine unzutreffende oder von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweichende Rechtsauffassung gestützt hat, an der Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung fehlen kann, weil nicht zu erwarten ist, dass der Rechtsfehler in weiteren Fällen Bedeutung erlangen wird, weil also keine Wiederholungsgefahr besteht ([X.]K 13, 438 <441> m.w.N.). Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde kann danach insbesondere dann verneint werden, wenn die Strafvollstreckungskammer ihren Rechtsfehler nachträglich erkannt und dies aktenkundig gemacht oder wenn das [X.] in anderer Sache zu der Rechtsfrage Stellung genommen und sie anders beantwortet hat als die Strafvollstreckungskammer, diese das aber bei der Entscheidung noch nicht wissen konnte ([X.]K 13, 438 <441> m.w.N.; vgl. ferner [X.]K 17, 420 <428>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 34).

Die Annahme, die Strafvollstreckungskammer werde einen bestimmten Fehler nicht wiederholen, setzt vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 [X.] allerdings voraus, dass tatsächliche Umstände eine solche Prognose rechtfertigen. Könnte bei im Übrigen erfüllten Zulässigkeitsvoraussetzungen die Erforderlichkeit obergerichtlicher Nachprüfung allein mit dem Ausspruch der Erwartung verneint werden, das Ausgangsgericht werde einen festgestellten Rechtsfehler künftig vermeiden, so wäre für den [X.] nicht mehr erkennbar, in welchen Fällen er überhaupt noch mit einer Behandlung seiner Rechtsbeschwerde als zulässig rechnen dürfte ([X.]K 13, 438 <442>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 34).

b) Diesen Maßstäben hat das [X.] nicht Rechnung getragen.

Die Entscheidung des [X.]s verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 [X.], weil sie das durch § 116 Abs. 1 [X.] eröffnete Rechtsmittel ineffektiv macht. Nach Maßgabe der dargelegten Rechtsprechung des [X.] durfte das [X.] die Rechtsbeschwerde nicht ohne Weiteres mit der Begründung verwerfen, die Strafvollstreckungskammer habe die bei der Bestimmung des Feststellungsinteresses zu berücksichtigenden Grundsätze zutreffend erkannt, weshalb es sich bei der Entscheidung ersichtlich allenfalls um einen Fehler im Einzelfall handeln könnte. Das [X.] hat Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um einen solchen Fehler gehandelt hat, allerdings nicht benannt und damit seine Entscheidung auf eine bloße Vermutung gestützt.

In dieser Weise konnte die Verwerfung der Rechtsbeschwerde aber nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 [X.] begründet werden, denn damit würden die gesetzlichen Zulassungsgründe in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemachen würde und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde im Ergebnis leerlaufen ließe (vgl. [X.]K 13, 438 <441 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 22. Mai 2012 - 2 BvR 2207/10 -, juris, Rn. 5; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. November 2016 - 2 BvR 1519/14 -, juris, Rn. 35).

4. Beide Entscheidungen beruhen auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass das [X.] bei Beachtung der sich aus Art. 19 Abs. 4 [X.] ergebenden Anforderungen an die Bestimmung des Feststellungsinteresses zu einer Sachentscheidung zugunsten des Beschwerdeführers gelangt wäre.

IV.

Im Umfang der festgestellten Grundrechtsverletzungen, auf denen die Beschlüsse beruhen, werden der Beschluss des [X.] Bochum vom 29. September 2016 und der Beschluss des [X.]s Hamm vom 10. Januar 2017 aufgehoben; die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.]). Der Beschluss des [X.]s vom 24. [X.] -III -1 Vollz(Ws) 541/16 -, mit dem das [X.] die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat, wird damit gegenstandslos.

V.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 [X.]. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das [X.] erledigt sich dadurch, dass das Land [X.] zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. zur Prozesskostenhilfe [X.] 105, 239 <240>).

Meta

2 BvR 455/17

22.09.2017

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Hamm, 24. Januar 2017, Az: III - 1 Vollz (Ws) 541/16, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 63 StGB, §§ 109ff StVollzG, § 109 StVollzG, § 116 Abs 1 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.09.2017, Az. 2 BvR 455/17 (REWIS RS 2017, 4889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4889

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